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NEUE UND BEWÄHRTE ARZNEIMITTEL
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und 60 % der Patienten mit einem spontan entstandenen medullären Schilddrüsenkarzinom (MTC) weisen onkogene Punktmutationen im Gen der Tyrosinkinase RET (REarranged during Transfection) auf, die mit einem aggressiveren Krankheitsverlauf assoziiert sind [1]. Beim selteneren familiär vererbten MTC sind aktivierende RET-Punktmutationen sogar bei 90 % der Betroffenen nachweisbar [2]. Darüber hinaus liegen bei 10 – 20 % der Patienten mit differenzierten papillären Schilddrüsentumoren Fusionen von RET mit anderen Genen vor, die ebenso wie die Punktmutationen zu einer konstitutiven Aktivierung der Tyrosinkinase führen (Abb. 1) [3, 4]. Für diese Tumorformen sind zwar verschiedene Multikinase-Inhibitoren zugelassen, diese zielen jedoch nicht in erster Linie auf RET ab, sondern vorrangig auf andere Kinasen wie VEGFR, EGFR, MET und ALK [5].RET: ein Gen – viele
Selpercatinib – die erste hochselektive Therapie für fortgeschrittene Schilddrüsenkarzinome mit RET-Alterationen nach einer Behandlung mit SoMit Selpercatinib (Retsevmo®) steht nun ein hochselektiver Inrafenib und/oder Lenvatinib behibitor von RET zur Verfügung, nötigen, sowie der die Aktivität onkogener RET- • für Erwachsene und JugendGenfusionen und Punktmutationen liche ab 12 Jahren mit fortgesehr spezifisch bereits in nanomoschrittenem RET-mutiertem larer Konzentration hemmt [5, 6]. medullärem SchilddrüsenkarBei fortgeschrittenen Schilddrüzinom (MTC), die eine syssenkarzinomen ist Selpercatinib temische Therapie nach einer als Monotherapie in folgenden InBehandlung mit Cabozantinib dikationen zugelassen [6]: und/oder Vandetanib benöti• für Erwachsene mit fortgegen. schrittenem RET-Fusions-po- Die Zulassungen von Selpercatinib sitivem Schilddrüsenkarzinom, beruhen auf den Ergebnissen der die eine systemische Therapie Aktivierung Phase I/II-Studie1LIBRETTO-001, Wege der onkogenen
RET-Fusionen liegen bei zahlreichen Tumortypen vor
RET-aktivierende Mutationen finden sich beim medullären Schilddrüsenkarzinom (MTC) MTC sporadisch (> 60 %) hereditär (> 90 %)
Nichtkleinzelliges Bronchialkarzinom (2 %) Papilläre und andere Schilddrüsenkarzinome (10–20 %) Pankreaskarzinom (< 1 %) Speicheldrüsenkrebs (< 1 %)
Aktivierung durch ligandenunabhängige Dimerisierung
Direkte KinaseAktivierung
Spitz-Tumoren (< 1 %) Kolorektalkarzinom (< 1 %)
Viele weitere (< 1 %)
Dimerisierung
P P P P Kinase
P
P
Mutation der Kinasedomäne P
P P
P
P
P
P
P
P
P
P
P
P P
KIF5B (am häufigsten bei Lungenkrebs) CCDC6 oder NCOA4 (am häufigsten bei Schilddrüsenkrebs) 1
Häufige Mutation: RET M918T
PP-SE-DE-0096
Kovalente Disulfidbrückenbindungen in cysteinreicher Region
Ovarialkarzinom (< 1 %)
Myeloproliferative Krankheiten (< 1 %)
Drilon A et al. Vortrag. ASCO 2018. Abstract 102.
RET: rearranged Abbildung 1: during RETtransfection (REarranged during Transfection) ist ein Gen auf dem langen Arm des menschlichen Chromosoms 10, das für eine TyrosinkiPressekonferenz Selpercatinib | Medizinische Klinik und Poliklinik IV | 16.03.2021 nase codiert, die wesentlich an der embryonalen Entwicklung des gastrointestinalen Nervensystems und der Nieren beteiligt ist, nach der Geburt aber keine Funktion mehr hat. Allerdings können Fusionen von RET mit verschiedenen Genen (links) und RET-aktivierende Punktmutationen (rechts) auftreten, die als onkogene Treiber bei der Entstehung maligner Tumoren eine wesentliche Rolle spielen. Diese Gen-Alterationen finden sich auch bei den Schilddrüsenkarzinomen [8] (© Lilly Oncology).
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