Kurzvorschau – Hans Pieren

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Alle Angaben in diesem Buch wurden vom Autor nach bestem Wissen und Gewissen erstellt und von ihm und dem Verlag mit Sorgfalt geprüft. Inhaltliche Fehler sind dennoch nicht auszuschliessen. Daher erfolgen alle Angaben ohne Gewähr. Weder Autor noch Verlag übernehmen Verantwortung für etwaige Unstimmigkeiten.

Alle Rechte vorbehalten, einschliesslich derjenigen des auszugsweisen Abdrucks und der elektronischen Wiedergabe.

© 2022 Weber Verlag AG, CH-3645 Thun/Gwatt 1. Auflage

Autor: Reto Koller, unter Mitwirkung von Hans Pieren Lektorat: Toni Koller Foto Umschlag: Kurt Reichenbach, Schweizer Illustrierte

Weber Verlag AG Gestaltung Cover und Satz: Bettina Ogi Bildbearbeitung: Adrian Aellig Korrektorat: David Heinen

ISBN 978-3-03818-405-8 www.weberverlag.ch

Die Weber Verlag AG wird vom Bundesamt für Kultur mit einem Strukturbeitrag für die Jahre 2021–2024 unterstützt.

neutral Drucksache No. 01-12-409142– www.myclimate.org © myclimate– The Climate Protection Partnership

Inhalt

Vorwort von alt Bundesrat Adolf Ogi 8

Jetzt macht der Pieren auch noch ein Buch… 9

Dank 10

Die frühen Jahre 12

Hanspeter Bärtschi 23 Markus Allenbach 25

Die wechselvolle Rennkarriere 26 Schnee, das vertrackte Element 63 Pisten-Zampano im Zeichen der fünf Ringe 76

Achtundzwanzig Jahre Verantwortung am Berg 118

Zwei intensive Jahre als Frauen-Cheftrainer 136

Sonja Flatscher Nef 154 Marie-Theres «Maite» Nadig 155

Neue Verantwortung beim Internationalen Skiverband FIS 158 Weggefährten 179

Karl Frehsner 180

Günter Hujara 184

Bernhard Schär 192

Bernhard Fahner 196 Oliver Künzi 199

Fritz Züger 204

Martin Knöri 205

Emanuel Aellig 206

Urs Näpflin 216

Der Rennleiterjob ist nichts für Warmduscher. (Pistenteam Weltcup Adelboden)

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Kathrin Hager, Toni Hari, Gaudenz von Deschwanden 219

Peter Willen 227 Roland Lymann 232 Christian Haueter 236

Weltmarktleader, Jugendcamp-Anbieter und Ski-Promotor 238

Privatmann und Bürger 257

Refugium unter südlicher Sonne 264

Aus Kinderzeiten 285

Mutter Ursulas Erinnerungen an Hanslis Kindheit und Jugend 286

Lehrer Roland Teuscher: Von Witzen, Turn-Vorsicht und schnellen Rennski 298

Der Familienmensch 301

Ehefrau Ursula Pieren:

«Ich wusste, wen ich mir mit achtzehn Jahren angelacht hatte» 302

Kinder Chantal und Stefan: «Er kann unglaublich trödeln» 312

Schicksalsschläge 320

Nachbar Minus Blick vom Pistenrand 322

Biografie 328

Sportliche Erfolge 332

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Vorwort von alt Bundesrat

Adolf Ogi

Technischer Direktor und Direktor des Schweizerischen Skiverbands von 1969 bis 1981

Seit dem Jahr 1965 war ich, nebst der coronabe dingten Ausnahme von 2021, an allen Weltcup tagen in Adelboden dabei. Hans Pieren verkör pert für mich zeitlebens das Bild des klugen, sich selbst zurücknehmenden Adelbodners.

Er geniesst im Skivolk grossen Respekt und Anerkennung. Hans ist ein treffend analysieren der Beobachter von aktuellen Ereignissen und Ent wicklungen im Skisport. Viele schwierige Ent scheidungen im alpinen Rennsport verlangten von ihm Mut, Entschlossen heit und Standfestigkeit. Für Schneesport und Gesellschaft ist er ein gefragter und kompetenter Ratgeber und Gesprächspartner. Seine Stimme und Deu tungskompetenz sind gefragt.

Schnee und Hans Pieren sind zwei Seiten der gleichen Medaille. Es gibt nichts, das er nicht weiss, wenn es um das «Gold der Alpen» geht. Ehrgeiz, Willensstärke und Mut zum Ungewöhnlichen, gepaart mit grosser Schaffenskraft und einem Gespür für Schnee zeichnen Hans aus. Er ist ein unermüd licher Schaffer, der sich selbst nicht in den Vordergrund rückt.

Die ausserordentlichen Verdienste, die sich Hans Pieren um den Skisport erworben hat, sichern ihm unsere Dankbarkeit.

Im August 2022, Adolf Ogi

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Vorwort von alt Bundesrat Adolf Ogi

Jetzt macht der Pieren auch noch ein Buch …

… wie wenn es nicht schon Bücher genug gäbe!

Es war nicht meine Idee.

«Wir möchten ein Buch über dich machen, mit etwa achtzig Seiten Text und etwa siebzig Fotos.»

Die Anfrage kommt vom Autor Reto Koller im Auftrag des Verlags. So be ginnt es, am 9. Februar 2022. Heute war an den Olympischen Spielen in Peking der Damenslalom, Wendy ist Dritte geworden! Ich bin vor Ort und arbeite bis nach den Paralympics für das lokale Organisationskomitee. Wir haben fast je den Tag Rennen, die Tage sind lang; oft muss ich noch spätabends am Laptop für meine Projekte zu Hause arbeiten. Mitte März komme ich zurück. «Vielen Dank für die Ehre, aber wenn ich nach sechseinhalb Wochen heimkomme, habe ich viel zu tun. Meine Frau Ursula und ich führen ein Unternehmen, ich habe noch andere intensive Projekte am Laufen, und im Sommer müssen Feri en Platz haben. Ein Buch gibt viel zu tun, und ich bin weder pensioniert, noch hab ich’s eingeplant. Aber wenn ihr flexibel seid, mache gerne mit! Obschon der Abgabetermin mit dem 31. Juli schon sehr sportlich ist.»

Jetzt: Nach 336 Seiten und über 6000 gesichteten Fotos, zahllose Tag- und Nachtstunden später, ist das Buch da. Mein Buch. – Ich bin stolz!

Danke, Reto, für deine Geduld mit mir und deine harte Arbeit! Ohne deinen Durchhaltewillen und deine Nachtarbeit hätten wir das nie geschafft.

Es ist ein persönliches Buch, keine gewöhnliche Biografie, und du erfährst Dinge über mich, die noch nie irgendwo zu lesen waren. Geschildert wird der Werdegang vom Hansli zum Hans, oder Hänsi, wie mich die Adelbodner nen nen. Mein Weg in Adelboden von Geils auf die Fuhre, nach Interlaken bis ins Fa milienrestaurant nach Südspanien am Meer. Und meine nicht ganz alltägliche Laufbahn vom Lausbuben zum Koch, Spitzensportler, «schnellsten Service

Jetzt macht der Pieren auch noch ein Buch …

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mann der Welt», Zwillingsvater, Tüftler, Damencheftrainer, FIS-Funktionär und Rennleiter. In diesem Buch erzähle ich von speziellen Erlebnissen auf meinen Reisen kreuz und quer über den Planeten und vom Versenken eines Range Ro vers. Es beschreibt natürlich meinen «ewigen Kampf» mit dem Schnee und die Freude daran. Die Kommentare einiger meiner Weggefährtinnen und Wegge fährten erachte ich als ganz besondere Leckerbissen; sie schildern meine Stär ken und Schwächen, wobei ich dort ab und zu mal einen «Abrieb» bekomme.

Dank

Ganz fest danken möchte ich meinen Eltern für die grosse Unterstützung und für alles, was sie mir mitgegeben und ermöglicht haben. Danke, Mama, für den von dir verfassten Bericht über meine Kindheit!

Ein ganz spezielles Dankeschön geht an meine Frau Ursi und an unsere Kin der Chantal und Stefan: an Ursi für die tägliche Unterstützung und das Ver ständnis für alles, was ich unternehme. Und an meine Kinder für den häufigen Verzicht auf den Vater, für euren tollen Werdegang. Der ganzen Familie ge bührt mein Dank für die wunderbaren gemeinsamen Erlebnisse – und dass ihr immer da wart, wenn ich euch brauchte.

Danke auch dir, meine liebe Schwester Cornelia – ich bin dankbar, dass ich dich habe.

Herzlichen Dank, Dölf Ogi, für dein anerkennendes Vorwort und für alles, was du für den Sport, insbesondere für den Skisport, und für unser Land getan hast!

Ich möchte allen ein grosses Merci aussprechen, die bei der Verwirklichung dieses Buches mitgeholfen haben.

Ein spezieller Dank gebührt: Annette Weber und dem Team vom Weber Verlag, dem Lektor Toni Koller – und euch allen für die Beiträge über mich und die Zeit, die ihr euch dafür genommen habt (alphabetische Reihenfolge): Sonja Flatscher Nef, Kathrin Hager, Maite Nadig, Mani Aellig, Markus Allenbach, Hanspeter Bärtschi, Beni Fahner, Karl Frehsner, Toni Hari, Günter Hujara, Martin Knöri, Oli Künzi, Roland Lymann, Urs Näpflin, Berni Schär, Roland Teuscher, Gaudenz von Deschwanden, Peter Willen, Fritz Züger.

Jetzt macht der Pieren auch noch ein Buch …

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Vielen Dank dir, lieber Minu, für deinen «Blick vom Pistenrand» und deine Tipps.

Herzlichen Dank allen Privatpersonen und Profis, die im richtigen Moment geknipst haben und mir die Fotos zur Verfügung stellten – namentlich dem Fo tografen Manuel Lopez, den Agenturen von Keystone und ZOOM. Euretwegen kann ich so viele interessante Bilder und Erinnerungen zeigen.

Vielen Dank den ehemaligen und aktuellen OK-Mitgliedern, dem Verwal tungsrat und den Aktionären der Weltcup Adelboden AG. Dem Weltcup Adel boden habe ich viel zu verdanken!

Ganz wichtig ist es mir, an dieser Stelle allen Helferinnen und Helfern des Weltcups und des Skiclubs Adelboden einen riesengrossen Dank auszuspre chen. Denn ohne euch geht gar nichts!

Danke dem Skiclub Adelboden, dem Schweizerischen Skiverband und allen meinen Trainerinnen und Trainern, Betreuerinnen und Betreuern für meine Förderung und euren Beitrag zu meinem Weg nach oben – und für die immer noch gute und enge Zusammenarbeit. Swiss-Ski danke ich ausserdem für die kürzliche Ernennung zum Ehrenmitglied.

Mein Dank gilt ebenfalls den Medien, die mich begleitet, und allen, die mich fair behandelt haben.

Es ist mir ein Bedürfnis, hiermit allen zu danken, die mich in irgendeiner Form auf meinem Werdegang unterstützt und begleitet haben und mir gute Momen te und Erinnerungen schenkten.

Meinen Nachfolgern beim Weltcup Adelboden, den beiden Rennleitern Reto Däpp und Steff von Känel, wünsche ich viel Glück! Mögt ihr im richtigen Mo ment die richtigen Entscheidungen treffen. Euch allen alles Gute!

Euer Hans Pieren

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Schon als Fünfzehnjähriger kam Hans die Ehre zu, am heimischen Weltcuprennen als Vorfahrer die Spur für die Könner zu legen. (Wanzenried)

Die frühen Jahre

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Die frühen Jahre

Der kleine «Hanselimann», wie ihn seine Mutter nannte, gehörte nicht zu den Frühstartern, die kaum den Windeln entwachsen erste Gleitversuche auf Latten unternehmen. Hans begann «erst» mit etwa vier Jahren, sich mit Ski vertraut zu machen – unter der kundigen und geduldigen Anleitung seines Vaters und Skilehrers Heinrich «Heini» Pieren. Kaum hatte er das kleine Abc des Skifahrens erlernt, war er nicht mehr aufzuhalten und verbrachte jede freie Winterminute an den Adelbodner Skihängen, insbe sondere an seinem Hausberg, dem Chuenisbärgli.

Schon als Kindergärtler Ski-Halbprofi

Der Kindergarten ist nicht mein Lieblingsplatz, ich gehe sehr ungern hin. Das Spielen im Zimmer ist mir zuwider, ich kann mit Basteln und Liedlisingen nichts anfangen. Die einzigen Lichtblicke sind das Hören von Geschichten und die Pause. Meine Mutter ist es leid, mich immer wieder zum damals noch freiwilli gen Gang in den «Chindsch» zu bewegen. Sie entscheidet sich, mich nur noch im Sommer hinzuschicken und mir im Winter das «Schiine» zu ermöglichen –sozusagen als Kindergarten-Ski-Halbprofi.

Motivationsmotor Weltcuprennen

Direkt neben meinem Elternhaus liegen die Pisten des Skilifts Chuenisbärgli. Hier verbringe ich unzählige Stunden mit meinem Schulfreund Rolf und meinen Cousins Toni und Benz. Wir sind eine ganze Clique, die sich insbesondere wäh rend der Weihnachtsferien von früh bis spät auf den Hängen tummelt. Der vier Jahre jüngere Benz muss manchmal schon hart kämpfen, um den Anschluss

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Georges Brügger, Peter Aellig, Hans Pieren und Stefan Grunder gewannen 1978 und 1979 die Schweizer Team-Meisterschaft. Beide Rennen fanden in Adelboden statt. (Unbekannt)

Drei Männer, die Adelbodner Skigeschichte schrieben: Erwin Josi, Peter Aellig und Hans Pieren. (Wanzenried)

Preisverteilung am Ovo-Grand-Prix Interna tional in Sils. Hans reihte sich unter den zehn Schnellsten ein. Im Hintergrund Marc Girar delli und Franz Heinzer. (Familie)

Sandra Burn war wie Hans Pieren mehrere Jahre Mitglied der schweizerischen SkiNationalmannschaft. Wie Hans nahm sie an der Weltmeisterschaft 1989 in Vail teil. (Unbekannt)

Die frühen Jahre

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nicht zu verlieren, aber er beisst tapfer auf die Zähne. Wir eifern den Skistars wie Karl Schranz, Gustavo Thoeni und Ingemar Stenmark nach, die alljährlich im Januar vor unseren Augen am schwierigsten Riesenslalomhang im Skizirkus um Weltcupsiege kämpfen. Das prickelnde Renngeschehen, der Auftritt der Idole auf «meinem» Hang prägen mich von Kind auf. Irgendwann fasse ich den Entschluss, Skirennfahrer zu werden. Ich vertraue meinen Fähigkeiten, weiss jedoch, dass ich kein riesiges Talent bin, dem die Erfolge in den Schoss fallen werden. Der Weg an die Spitze muss über Ehrgeiz, Willenskraft und Trainings fleiss führen.

Talentschmiede Skiclub Adelboden

So früh wie möglich trete ich der Jugendorganisation JO des Skiclubs Adelbo den bei. Sie ist stark und erfolgreich: Annerösli Zryd wird 1970 Abfahrtswelt meisterin, das ganze Dorf ist «zunderobe» und feiert seine Athletin mit einem riesigen Umzug durch den «Schwand». Adolf Rösti schaue ich vom Pistenrand zu, wie er an unserem Weltcuprennen Zweiter wird. Peter Aellig und Erwin Josi sind damals schweizweit bei den Besten, sie schaffen später ebenfalls den Sprung ins Nationalkader und in den Weltcup. Die beiden sind sechs und sie ben Jahre älter als ich und grosse Vorbilder. Meine Jahrgangskollegen Hanspe ter Bärtschi, Ruedi Buchser, Peter Grunder jun. und später Björn Zryd, Stefan Grunder und Oliver Künzi spornen mich zu immer besseren Leistungen an. Der Skiclub engagiert mit Hans Burn, dem Vater der späteren Weltcupfahrerin Sandra Burn, einen vollamtlichen JO-Trainer – eine Pionierleistung. Der Auf wand zahlt sich aus, wir sind eine starke Truppe. In unserem Club bin ich zwar meist der Beste, aber «Häni» Bärtschi, «Stäffä» Grunder und Oli Künzi sind mir dicht auf den Fersen. 1972 findet am Chuenisbärgli der zweite Ovo-Grand-Prix der Geschichte statt, eine renommierte Serie, die heute Grand Prix Migros heisst. Ich bin zehnjährig und qualifiziere mich an diesem Ausscheidungsrennen, trotz eines Fehlers, als Zweiter hinter dem Brienzer Jörg Anderegg für den Final des Ovo-Grand-Prix, den wichtigsten Anlass im Nachwuchsrennsport.

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Hans Pierens erster Sieg am Silleren-Cup. Er hätte ihm gerne noch zwei weitere folgen lassen. Klassenkameradin Silvia Allenbach gewann bei den Mädchen. Zwei Mitglieder des britischen Silleren-Skiclubs umgeben die beiden Jugendlichen. (Wanzenried)

Die frühen Jahre

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Er findet in Kandersteg statt. Mein um ein Jahr jüngerer JO-Kollege Björn Zryd hat es auch geschafft. Sein Vater, der legendäre Skilehrer und Rennfahrer Bru no Zryd, und mein Vater wachsen unsere Ski auf der Terrasse des Bergrestau rants. Um die Rennmischung auf den Belag zu pinseln, erwärmt Bruno das Wachs in einem kleinen Pfännli auf einem Campingkocher. Unglücklicherweise kippt das Gefäss um, Wachs läuft über das Plastiktischtuch auf den Boden. Der Tisch mit dem stellenweise etwas geschrumpften Tischtuch und der Holzbo den der Terrasse sehen nun ziemlich «gfürchig» aus. Die Wirtin schimpft. Doch Bruno lässt sich nicht beeindrucken, grinst breit und wachst unsere Ski in See lenruhe fertig. Das Rennen gelingt mir nicht sehr gut. Ich habe nachts erbro chen und fühle mich nicht besonders. Ob es der Nervosität oder der Verpfle gung im Hotel zuzuschreiben ist, vermag ich nicht zu sagen. Anderegg gewinnt, und ich ärgere mich, nicht mein Bestes gezeigt zu haben. Es wäre sicher mehr dringelegen.

Mit zunehmendem Alter kann ich meinen Vorsprung auf die interne Konkur renz etwas ausbauen. Ich gewinne als Siebtklässler den bekannten SillerenCup und lasse alle Acht- und Neuntklässler hinter mir. Im Jahr darauf verpasse ich den Silleren-Cup, weil ich die Vorausscheidung zur Abfahrt am MarkerCup am Hasliberg bestreiten darf. Er ist die wichtigste Veranstaltung für Nach wuchs-Abfahrer im schulpflichtigen Alter und das Pendant zum Ovo-GrandPrix, der damals nur als Riesenslalom gefahren wurde. Diese Chance darf ich mir nicht entgehen lassen, auch wenn das Datum auf den Silleren-Cup fällt. Mein Vater bedauert das sehr. Zu gerne hätte er mich als zweimaligen oder gar dreimaligen Silleren-Cup-Sieger gesehen. Drei Siege hat in der langen Ge schichte dieses Cups keiner erreicht.

Erste internationale Wettkämpfe

Ich schaffe den Aufstieg ins Nachwuchskader des Berner Oberländischen Ski verbands BOSV. Noch während meiner Schulzeit gelingt mir der Sprung ins In terregions-Kader. Dort führt der legendäre österreichische Trainer Karl Frehs

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Hans Pieren setzte sich an vielen Skiclubrennen durch. (Wanzenried)

ner ein strenges, aber erfolgreiches Regime. Als wir fünfzehnjährig sind, bestreiten wir regelmässig FIS-Rennen im benachbarten Ausland, mal an Wo chenenden, mal auch während der Woche. Die Schulkommission muss die da mit verbundenen Abwesenheiten bewilligen. Meine Lehrerinnen und Lehrer Hans Jaggi, Roland Teuscher und Christine von Ballmoos setzen sich erfolg reich für mich ein. Manchmal kommt es zu unerwarteten Absenzen. An einem Sonntagabend klingelt bei meiner Mutter das Telefon: Meine Klassenlehrerin von Ballmoos ist am Apparat. Ich bin mit der Interregion an einem Wettkampf in Italien und hätte heimkehren sollen. «Hans kommt heute Abend nicht mehr nach Hause. Er darf ein weiteres Rennen bestreiten.» Sie hat die Information vom Trainer erhalten. Der Montagsunterricht findet ohne mich statt. «Piiiiren, immer wieder Piiiiren!»

An den Zusammenzügen der Nachwuchsfahrer geht es manchmal hoch zu und her. Gusti Oehrli, Bernhard Fahner und ich dürfen ein SSV-Sichtungsrennen im Unterwallis bestreiten. Nach der Ankunft präparieren wir vorerst unsere Ski; punkt vier Uhr nachmittags rufen uns die Trainer zum Konditionstraining. Gus ti ist noch nicht fertig. Er stürzt trotzdem aus dem Skiraum, will sich nicht ver späten. Nach absolviertem Training geht Gusti zurück in den Skiraum und stellt mit Entsetzen fest, dass er vergessen hat, das heisse, mit Meta-Tabletten ge füllte Bügeleisen vom Ski zu nehmen. Es ist mittlerweile erkaltet; ein Stück Be lag, so gross wie das Eisen, klebt an diesem und hinterlässt ein tiefes Loch im Belag. Gusti ist gezwungen, auf seinen Ersatzski zurückzugreifen, und muss sich um Spott und Häme nicht mehr sorgen. Sein Missgeschick ist Tagesge spräch unter uns jungen Burschen.

Abends steht unser Sinn noch nicht nach der verordneten Nachtruhe in den Gruppenunterkünften. Eine Kissenschlacht ist angesagt. Einer von uns flüchtet zur Tür hinaus, ich lege mich mit meinem Kissen auf der obersten Koje bei der Tür auf die Lauer und «pässle» auf seine Rückkehr. Die Tür öffnet sich, ich hole aus und dresche mein «Chüssi» mit voller Kraft auf den auftauchenden Kopf.

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Hans Pierens Lehrvertrag mit Hans Thüler als Koch im Hotel Schönegg. Man beachte die besondere Vereinbarung.

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Er gehört leider nicht meinem Rennkollegen, es ist Trainer Morerod, der bei uns für Ordnung sorgen will. «Piiiiren, schon wieder Piiiiren, immer wieder Piiii ren», schreit der Romand wutentbrannt. Anscheinend bin ich ihm schon bei an derer Gelegenheit unangenehm aufgefallen. Ich bin mir zwar keiner weiteren Schandtaten bewusst und glaube, mich in den Trainings-Zusammenzügen je weils ordentlich benommen zu haben. Morerod war wohl anderer Ansicht.

Stufe um Stufe aufwärts

Nach der Schulzeit beginne ich eine Lehre als Koch. Es ist vorgesehen, dass ich während der Sommersaison im Hotel meines Vaters in Interlaken und im Winter im Hotel Schönegg in Adelboden arbeite. Das Besitzerpaar Berthy und Hans Thüler ermöglicht mir, meine Skirennkarriere auch als «Stift» fortzuset zen. Hans ist nämlich ein grosser Skifan und war in seiner Jugend selbst im BOSV-Kader. Nach meinem ersten Lehr-Halbjahr verkauft mein Vater das Hotel in Interlaken, ich darf nun die gesamte Lehrzeit in der «Schönegg» bei Thülers absolvieren. Sie gewähren mir die nötige Freizeit fürs Training und für die winterlichen Rennen – ein grosser Schritt des Hotelier-Ehepaars, für den ich noch heute dankbar bin. Für Hans Thüler birgt meine Lehrzeit ein gewisses Risiko, denn er ist in der Prüfungskommission des Wirteverbandes. Manchmal sieht mich die Küchenbrigade im Januar und Februar nur an drei Tagen, und im Dorf heisst es unter Berufskollegen: «Bei der Abschlussprüfung wird der Thü ler mit seinem Stift, der nie da ist, auf die Welt kommen.» Sie irren sich: Mir ge lingt die beste Note der männlichen Adelbodner Kochlehrlinge. Das lässt die Meckerer verstummen – eine kleine Genugtuung für mich und meinen Lehr meister.

Trotzdem: während der Lehrzeit komme ich sportlich nicht so schnell vor wärts, wie ich es mir wünsche. Das hat auch mit den immerwährenden Reorga nisationen im Skiverband zu tun. Als Achtzehnjähriger schaffe ich 1980 den Sprung in die damalige Trainingsgruppe sechs für Nachwuchsfahrer. Das ist mit mehr Gratismaterial, offizieller Bekleidung und finanziellen Entlastungen

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Nachwuchsrennen auf der Tschentenalp. Hans ist schnell unterwegs. (Wanzenried)

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verbunden. In diese Zeit fällt mein Entschluss, künftig auf das Bestreiten von Abfahrtsrennen zu verzichten. Es geht mir da zu schnell, ich habe schlicht Angst vor den hohen Tempi. Mein Entscheid steht fest, nachdem ich mich an den Schweizermeisterschaften ein letztes Mal aus dem Abfahrts-Starthäus chen katapultiert habe: Künftig gilt meine ganze Konzentration dem Riesensla lom und dem Slalom. Speedrennen ohne das nötige Selbstvertrauen sind zu gefährlich.

Nach einem Jahr löst der Verband die Gruppe sechs aus finanziellen Grün den auf, und ich finde mich im Interregional-Kader wieder. Dort verbleibe ich bis im Frühling 1982 – eine lange Zeit, wie mir scheint. Dank guten EuropacupResultaten im letzten Winter meiner Lehrzeit gelingt der ersehnte Sprung ins B-Kader. Der Traum von der grossen Skikarriere kann beginnen!

Den steten Aufstieg verdanke ich neben meiner Beharrlichkeit den damali gen Trainern und Funktionären des Skiclubs Adelboden, insbesondere dem langjährigen Clubpräsidenten Fred Rubi. Der Verein hilft bei der Finanzierung der jungen Fahrerinnen und Fahrer und übernimmt einen grossen Teil der Rei se- und Übernachtungsspesen. Den grössten Anteil an meiner Skikarriere hat jedoch mein Vater. Er unterstützt mich mit allen Kräften, sei es beim Präparie ren des Materials oder bei den Fahrten an die Rennen, bis ich mit achtzehn Jah ren den Führerausweis mache. Er ist aber kein Fanatiker, sondern bleibt eher im Hintergrund, ohne mich übermässig unter Druck zu setzen. Meine Eltern freuen sich einfach, wenn es gut läuft. «Nät naalaa gwinnt», pflegt mein Vater je weils zu sagen, wenn ich mal der Konkurrenz hinterherfahre oder hadere. Es soll zu meinem Lebensmotto werden. Sein früher Tod im Jahr 1984 trifft mich hart, ich verliere ein grosses Vorbild und einen guten Freund.

Ein Jugendkamerad erinnert sich

Der Adelbodner Hanspeter Bärtschi ist ein Jahrgänger von Hans. Er blickt zurück auf die gemeinsame Zeit mit seinem langjährigen Trainings- und Renngefährten in der Adelbodner JO.

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Für den B-Kader-Fahrer ging das Porto für die vielen Autogrammwünsche ins Geld. Adelboden Tourismus griff dem jungen, erfolgversprechenden Athleten unter die Arme. (Gérard Berthoud)

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Hänsi ist immer technisch hervorragend Ski gefahren. Das verdankt er seinem Vater Heini: Er war Skilehrer und hat seinem Sprössling die richtige Grund technik vom ersten Tag an beigebracht. Hänsi war nie ein übertrieben fleissiger Fahrer. Er machte, was von ihm verlangt wurde, aber nicht überaus viel mehr. Hänsi ging schon damals seinen eigenen Weg. Wenn es jedoch darauf ankam, war er auf der Höhe seines Könnens – eben ein richtiger «Rennhund». Die Ei genschaft, sich im entscheidenden Augenblick auf das Wichtige zu fokussieren, hat ihn schon früh ausgezeichnet. Es ist ein Teil seines Erfolgs in allem, was er angepackt hat.

(Zu) teures Fanpost-Porto

Markus Allenbach war in den Anfängen von Hans Pierens Rennlaufbahn Sportsekretär im Verkehrsbüro Adelboden sowie Sekretär und Techni scher Leiter des Skiclubs, dem Kurdirektor Fred Rubi vorstand.

Hans ist in der Zeit im Skiclub gross geworden, als dieser seinen Trainingsbe trieb professionalisierte. Er hatte schon früh überraschend viele Fans, die per Post Autogramme von ihm verlangten. Die Portokosten gingen für den jungen Sportler ins Geld: Als Mitglied des damaligen B-Kaders wurde er vom Schwei zerischen Skiverband nicht gerade üppig entschädigt. Adelboden Tourismus beschloss im Sinn einer Fördermassnahme, diese Auslagen zu übernehmen und übers Werbebudget abzubuchen.

Allenbach setzte sich sehr für die Entwicklung der jungen Athleten ein. Er scheute sich nicht, beim damaligen Pfarrer Schaub vorzusprechen: Der ob ligatorische Predigtbesuch der Neuntklässler kollidierte öfters mit den sonntäglichen Renneinsätzen. Der Gottesmann zeigte Verständnis, und man fand eine einvernehmliche Lösung. Hans Pieren schenkte seinem Un terstützer einst ein signiertes Poster. «Es hängt heute noch bei mir zu Hau se», sagt Markus Allenbach mit einem Schmunzeln.

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Die wechselvolle Rennkarriere

Hans Pierens Markenzeichen war die Konstanz – und das Fehlen ganz grosser Siege. Der Adelbodner Skilehrersohn fiel schon früh auf. Seine Stärke waren die ausgezeichnete Grundtechnik und die Beharrlichkeit, wenn er Rückschläge ver arbeiten musste. Umso mehr genoss Hans den grössten Erfolg seiner Skikarrie re: den zweiten Platz am 22. Januar 1992 am Chuenisbärgli, dem Hang, auf dem er als kleiner Bub das Skifahren gelernt hatte.

Im Frühling 1981 schliesse ich meine Lehre als Koch ab und schaffe den Sprung in die B-Nationalmannschaft, die dritthöchste Kategorie im Schweizerischen Skiverband. Mit gehörigem Respekt rücke ich in die ersten Sommer-Trainings lager in Saas-Fee, Zermatt und Sölden ein. Es gilt, sich mit etablierten Fahrern zu messen, die teilweise schon Weltcuperfahrung haben. Ich war nie ein «Trai ningsweltmeister» und brauche jeweils eine gewisse Anzahl Skitage, um auf Touren zu kommen. Doch ich habe ein festes Ziel: den Weltcup-Riesenslalom in Adelboden! Wenn ich im Kreis meiner Teamkollegen eine entsprechende Bemerkung fallen lasse, nehmen die Trainingskameraden den Wunsch ange sichts meiner eher mittelmässigen Zeitläufe nicht besonders ernst.

Endlich beginnt die ersehnte Rennsaison. Der Start gelingt mir recht gut, ich fahre ansprechende FIS- und Europacuprennen. Doch die Qualifikation für Adelboden ist noch nicht geschafft. An einem FIS-Rennen im österreichischen Kirchberg muss ich mich noch gegen Urs Näpflin und Walter Sonderegger durchsetzen, um das ersehnte Adelboden-Ticket zu ergattern. Es gelingt! Mei ne Genugtuung ist gross, ich habe es meinen Kameraden gezeigt, die mich im Sommer noch belächelt haben. Am 12. Januar 1982 fahre ich im deutschen Bad Wiessee mein erstes Slalom-Weltcuprennen. Dann kommt der 19. Januar: Ich starte an meinem Hausberg zum allerersten Weltcup-Riesenslalom. Mein Traum ist wahr geworden. Im ersten Lauf erreiche ich den vierzehnten Rang. Ich erinnere mich, wie mir meine jüngere Schwester Cornelia kurz vor dem

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Die wechselvolle Rennkarriere

Start «viel Glück, Hans!» über das Absperrseil zuruft. Sie ist gerade am Skifah ren, der Rest des Rennens interessiert sie nur am Rande. Nach dem zweiten Durchgang belege ich Platz fünfzehn – mein erster Weltcuppunkt! Ich bin stolz. Nicht jeder schafft das schon in seinem zweiten Weltcupeinsatz. Auch der «Blick» nimmt Notiz von mir. Er schreibt: «Spätzünder Pieren wird fünfzehnter» –dies notabene vier Tage vor meinem zwanzigsten Geburtstag… Vom Erfolg beflügelt, trete ich eine Woche später wiederum in Kirchberg zu einem weite ren Weltcup-Riesenslalom an. Auf der recht weichen Piste gelingt es mir gut, den tiefen Fahrrinnen zu folgen, ich erreiche im ersten Lauf mit Startnummer 49 den vierten Platz. Leider gelingt der zweite Durchgang mit der frühen Start nummer 2 weniger gut, es bleibt Platz siebzehn – immerhin, ich habe meine Visitenkarte im Weltcup abgegeben.

Das beste Riesen-Team aller Zeiten

Wir haben eine äusserst starke Riesenslalom-Mannschaft: Pirmin Zurbriggen, Max Julen, Thomas Bürgler, Martin Hangl, Jean-Luc Fournier, Joel Gaspoz, und Jacques Lüthy liefern ein Spitzenresultat nach dem anderen ab. Wir sind die mit Abstand beste Equipe in dieser Disziplin. Wenn ich Zehnter werde, sind meist drei oder vier Schweizer besser klassiert. Alle belegen regelmässig Plät ze unter den ersten zehn, einige sind Sieg- und Podestfahrer. Jacques Lüthy ist Olympia-Bronzemedaillen-Gewinner. Es herrscht ein extremer Konkurrenz kampf, der uns alle anspornt.

Der Ski-Röstigraben

Im Team haben sich zwei Gruppen gebildet: die Romands und die Deutsch schweizer. Es ist nicht einfach, als Neuling Fuss zu fassen. Ich verstehe mich zwar mit allen gut, bin jedoch lange Zeit trotzdem eher ein Aussenseiter. Dies nicht zuletzt, weil ich in den ersten Jahren zwischen Weltcup-, Europacup- und

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Die altertümliche Skispitze mit Widmung war ein Geschenk der Familie Werni Arnold aus Dietlikon. Hans Pieren freute sich über die originelle Erinnerung an seinen ersten Weltcup punkt. Es war das erste Fan-Geschenk seiner Karriere.

Das Schönrieder Riesenslalom-Supertalent Michael von Grünigen war einer der Leader im erfolgreichen Schweizer Team. (Keystone)

Die wechselvolle Rennkarriere

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FIS-Rennen hin- und herpendeln muss, denn meine Resultate im Weltcup sind nicht gut und regelmässig genug, um genügend FIS-Punkte zu ergattern. Die beiden Oberwalliser Freunde Pirmin Zurbriggen und Max Julen sind ruhige Ty pen. Die Welschen machen oft ihr eigenes Ding und sind ziemliche Schlitzoh ren. Martin Hangl und Thomas Bürgler sind gute Zimmerkollegen, Martin ist gleich alt wie ich. Mit ihm fahre ich während meiner Karriere die meisten Rie senslalomrennen. Für den Samnauner Hangl ist die Anfahrt ins Training nach Zermatt eine halbe Weltreise. Er nimmt das günstige, zollfreie Benzin aus der elterlichen Tankstelle kanisterweise im Auto mit.

Gegen Ende der Achtzigerjahre kommt eine neue Generation ins Weltcup team. Paul Accola sagt geradeheraus, was er denkt, ist aber ein lieber Kerl mit einem weichen Kern. Pauli ist ein richtiges Natur- und Bewegungstalent. Urs Kälin ist ein ruhiger, ehrgeiziger Schaffer und ein guter Kollege, Steve Locher ein Talent und ein Schlingel, der gut zu den Romands passt. Mit Martin Knöri, Patrick Staub und Michael «Mike» von Grünigen kommen drei weitere Berner Oberländer hinzu. Martin ist während der nächsten Jahre mein Auto- und Zim merkollege. Auch er ist ein Riesenslalomspezialist. Wir verstehen uns sehr gut und verbringen wohl mehr Zeit zusammen als mit unseren Familien zu Hause. Bald stellt sich beim sympathischen Mike von Grünigen heraus, dass er ein Rie senslalom-Ausnahmetalent ist. Da wir aus derselben Region stammen, fahren wir ebenfalls ab und zu gemeinsam an die Rennen. Dabei kommt es zu sehr per sönlichen Gesprächen. Er ist mir nicht böse, als ich im Konditionstraining bei ei nem Sturz das Trial-Motorrad seines Schwagers beschädige. Bei diesem Zwi schenfall bekommen sechs meiner Zähne einiges ab. Ihre Reparatur ist deutlich aufwendiger als jene des Töffs. Meine Zwillinge zu Hause haben wohl ein wenig Bedauern mit dem Vater, aber sie freuen sich dennoch über den süssen Griess brei und den Milchreis, der nun tagelang auf dem Speiseplan steht, bis ich wie der beissen kann.

Doch zurück zum Verlauf meiner Karriere. In meinem zweiten Weltcupjahr erreiche ich im Slalom in Parpan den sechsten Platz – es sollte der beste Slalom meiner Karriere bleiben. An den Riesenslaloms in Adelboden und im schwedi schen Gällivare belege ich die Ränge zehn und vierzehn. Für die Selektion ins A-

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Die wechselvolle Rennkarriere Röstigraben hin oder her – die beiden Markenkollegen Jacques Lüthy und Hans Pieren verstanden sich. (Brecht Stüssi)

Kader reicht es noch nicht; es zählen die FIS- und nicht die Weltcuppunkte. Die beiden zweiten Riesenslalom-Plätze aus dem Europacup vermögen es nicht zu ändern. Leider kann ich den Start-Schwung der beiden ersten Weltcupsaisons nicht weiterziehen und erreiche in der Wettkampfperiode 1983/84 keine Spit zenplätze mehr. Im Europacup reichen ein Slalom- und ein Riesenslalomsieg so wie zwei zweite Plätze nicht für einen Aufstieg in die A-Mannschaft. Deshalb verbleibe ich bis im Frühling 1985 im B-Team – eine zähe Zeit in meiner noch jun gen Laufbahn. Zu Beginn des Winters 1984/85 fehlen gute Resultate, auch im Europacup. Doch mein Trainer Erwin Cavegn glaubt an mich und schenkt mir den Einsatz in Adelboden mit den Worten: «Hans, in Adelboden fährst du, das ist dein Hang!» Und tatsächlich, fast aus dem Nichts gelingt mir vor meiner Haustür endlich wieder ein Spitzenplatz: Am 15. Januar 1985 werde ich am Chuenisbärgli mit Startnummer 36 Fünfter. Es ist mein erstes Weltcuprennen in Adelboden ohne meinen Vater. Das bedeutet die ersehnte Qualifikation für die A-Mannschaft. Auch ohne Top-Ten-Ergebnis verbleibe ich 1985/86 dort

Am 13. Dezember 1987 erreiche ich am Riesenslalom in Alta Badia ex aequo mit Joel Gaspoz den dritten Rang und qualifiziere mich für die erste Startgrup pe. Nun gehöre ich zu der Crème de la crème der Riesenslalomfahrer. Dort ver bleibe ich bis zur Saison 1990/91; dann büsse ich meinen Platz unter den besten fünfzehn Athleten wieder ein. Zurzeit zählen noch die FIS-Punkte für die Eintei lung, was die Leistungen an den Weltcuprennen nicht richtig widerspiegelt. Hät ten – wie ab der kommenden Saison – nur die Weltcuppunkte gezählt, wäre ich besser klassiert. Drei Podestplätze in Europacup-Riesenslaloms zahlen sich mit FIS-Punkten nicht genügend aus. Im Frühling 1991 muss ich, als Siebzehnter des Riesenslalom-Weltcup-Klassements, sogar den Platz unter den nach FIS-Punk ten ersten dreissig Riesenslalomfahrern preisgeben – ich belege Platz zweiund dreissig. Bei den internen Selektionen versetzen mich die Trainer zurück ins BKader – da hat der eine oder andere Verantwortliche die Gelegenheit genutzt, mir eins auszuwischen, wohl weil ich ab und zu offen meine Meinung sage und deshalb nicht zu den besonders «pflegeleichten» Athleten gehöre. Es gilt, die Enttäuschung abzuschütteln und den Blick nach vorne zu richten. «Jetzt erst recht!» ist die Lösung.

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Dynastar, Atomic, Rossignol

Die ersten fünf Weltcupsaisons bestreite ich mit der französischen Skimarke Dynastar mit Marker-Bindungen. Ich brauche neuen Schub und wechsle auf die Saison 1986/87 zur österreichischen Marke Atomic und auf Bindungen der Marke Look. Die Lange-Skischuhe behalte ich. Bei Atomic fühle ich mich schnell und für lange Zeit wohl. Der Besitzer Alois Rohrmoser ist ein Patron der alten Schule; er gibt mir viel Vertrauen. Alois ist bekannt dafür, dass er lange Zeit Verträge per Handschlag abgeschlossen hat. Doch während der Saison 1990/91 gewinne ich den Eindruck, dass Atomic seine Vormachtstellung einge büsst hat. Zurzeit ist mein ehemaliger liechtensteinischer Trainingskollege An dreas Wenzel Rennchef bei der Marke. Ich wünsche mir einen Ski, der in der Spitze härter ist, und tue mein Anliegen Andy kund. Er reagiert zögerlich, es geht nicht vorwärts. Ich muss selbst aktiv werden, wenn ich das Problem lösen will. Doch davon später.

Wenzel eröffnet mir, dass ich für die Amerika- und Schweden-Tournee mit dem Servicemann einer anderen Nation vorliebnehmen müsse. Keine gute Neuigkeit für mich: Das bedeutet viel Zeitverlust und Umtriebe. Ich fühle mich bei meinem Ski-Ausrüster nicht mehr willkommen. Man scheint das Vertrauen in mich verlo ren zu haben. Im darauffolgenden Frühling, nach einem Tennisspiel mit meiner Frau Ursi, sage ich zu ihr: «Ich müsste den Mut haben, den Ski zu wechseln. Man glaubt bei Atomic nicht mehr richtig an mich.» Dem steht jedoch entgegen, dass ich noch einen recht guten Vertrag mit der Firma habe. Der Verlust meines Plat zes in der A-Nationalmannschaft stärkt meine Verhandlungsposition nicht gera de. Wenzel ergreift die Gelegenheit, er kündigt mir den laufenden Vertrag. Nun ist eingetroffen, was ich nicht den Mut gehabt habe, selbst in die Wege zu leiten.

Rossignol und Hanspeter Oesters sanfter Druck

Ich brauche einen Ski, der funktioniert. Aufbauarbeit in einer jungen Firma, etwa dem Schweizer Unternehmen Stöckli, kann ich mir als fast dreissigjähriger Fa

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