KOLUMNE
Lieferengpässe von Medikamenten Don Quijote in der Pharmawelt
Das Thema der Medikamentenversorgung gehört zu meinem Beruf und Lieferschwierigkeiten von Pharmafirmen gab’s schon früher. Waren es in den 90er Jahren noch wenige kurze Engpässe wurden es mit den Jahren immer mehr und die Dauer immer länger. Aktuell sind wir bei über 550 nicht lieferbaren Medikamenten. Stellen Sie sich ein älteres Ehepaar vor, das seine Medikamente für die folgende Woche vorbereitet. Menschen in einem Alter von über 70 Jahren haben laut der Krankenversicherung Helsana im Durchschnitt etwa 9 Medikamente verordnet, die sie zu unterschiedlichen Tageszeiten, meist mehrmals täglich und in bestimmten Abständen, einnehmen müssen. Das an sich ist schon kompliziert genug. Jetzt kommen noch die Lieferengpässe dazu. Obwohl verschiedene Medikamente mit dem selben Wirkstoff herausgegeben werden, sehen die Tabletten immer anders aus. Dass heisst, dass es einmal grüne runde Tabletten gibt und ein
Enea Martinelli Interlaken
anderes Mal rote ovale Tabletten. Sie ahnen es: Fehler sind so vorprogram miert. Damit sind nicht nur ältere Menschen zeitweilig überfordert, sondern viele, die mehrere Medikamente zu sich nehmen oder sie für Dritte vorbereiten müssen. Wenn dann ein Wirkstoff über längere Zeit gänzlich fehlt, so müssen Therapien umgestellt werden, was mit zusätzlichen Arztbesuchen verbunden ist. Lieferschwierigkeiten haben in der Regel einen Zusammenhang mit Kosten, der Globalisierung und der
Konzentration der Wirkstoffproduktion mehrheitlich in China oder Indien – sowohl bei Generikafirmen wie auch bei Originalherstellern. Fliegt eine Fabrik in die Luft, so wie vor zwei Jahren im chinesischen Tanjin, fegt ein Wirbelsturm über ein Gebiet wo mehrere Wirkstoffhersteller angesiedelt sind, so wie in Puerto Rico, oder ist ein Wirkstoff verunreinigt wie beim Valsartan dann hat das länger dauernde globale Auswirkungen – auch auf die Schweiz. Nicht nur beim betroffenen Wirkstoff selber sondern auch bei den möglichen Alternativen. Der Aufwand die Patientinnen und Patienten adäquat zu versorgen ist deutlich grösser geworden. Die Verunsicherung ist gross. In einer Mangelsituation steht bei den Patientinnen und Patienten sehr oft in erster Linie die Hausapotheke, der Hausarzt oder eben die versorgende Spitalapotheke in der Kritik. Auch mein Team und ich waren mit dem Vorwurf mangelhafter Nachschuborganisation konfrontier t.
«Und die Behörden und die Krankenkassen? Sie ignorieren das Thema und finden, dass dies primär unser Problem sei und wir die Lage nicht im Griff hätten; sie leben auf einem anderen Planeten.»
Bödeli / BrienzInfo 90