Prolog Juni 2020 | Wiener Staatsoper

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Thomas Platzer

DER HERR DER ZAHLEN I

m Jahr 1981 trat Thomas Platzer in die Öster­ reichischen Bundestheater ein, seit fast 21 Jahren ist er der kaufmännische Leiter der Wiener Staatsoper. Mit Ende der Direktion Dominique Meyer tritt er in den Ruhestand – Zeit für einen Blick hinter die wirtschaftlichen Kulissen des Hauses. Wenn Sie sich als kaufmännischer Direktor in eine beliebige Vorstellung setzen: Können Sie den Abend genießen? Oder läuft bei Ihnen automatisch ein Taxameter mit, der die Kosten anzeigt? Thomas Platzer: Ich gebe zu, dass es mir in den ersten beiden Jahren als kaufmännischer Leiter der Staatsoper genauso gegangen ist und ich in Gedanken immer bei den Kosten war. Ich sah nicht Sängerinnen und Sänger auf der Bühne, sondern nur das Geld herumlaufen. Besonders in puncto Kostüme: Da rechnete ich laufend mit, so und so lange sieht man das Kostüm, so und so viel hat es gekostet. Das ist natürlich so etwas wie eine Berufskrankheit. Aber es legte sich zum Glück schnell und seit langem genieße ich Vorstellungen ebenso wie jeder andere. Wenn ich zusätzlich weiß, dass die wirtschaftliche Auslastung stimmt – dann freue ich mich natürlich doppelt. Welche Freude überwiegt in einem solchen Fall? Jene über einen künstlerischen oder den finanziellen Erfolg? Thomas Platzer: Da wohnen zwei Seelen in meiner Brust, denn für einen kaufmännischen Leiter

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N° 239

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gibt es immer beide Aspekte: das Geld und die künstlerische Qualität. Im Ideal­fall stimmt beides und die Seelen freuen sich gleicher­maßen. Viele Künstler wurden in ihren Beruf gleichsam hineingeboren und fühlten sich der Musik von Anfang an verbunden. War es bei Ihnen bezüglich des Wirtschaftlichen, des Zahlenwesens ebenso? Thomas Platzer: Schwierige Frage. In meiner Jugend fand ich Mathematik stets sehr spannend. Das Tüfteln an komplexen Fragestellungen, das Lösen von Wahrscheinlichkeitsrechnungen oder komplizierten Gleichungen mit mehreren Unbekannten zog mich eindeutig an. Insofern würde ich sagen, dass es schon so etwas wie eine Vorliebe für die Welt der Zahlen gibt. Das hat sich quer durch mein Leben gezogen. Als zum Beispiel das Computerzeitalter anbrach, eröffnete sich für mich ein neues, herausforderndes Feld, das ich zum Teil im Selbststudium beackerte. Ich weiß noch, wie ich mir ein umfangreiches Excel-Buch kaufte und es auf der Suche nach Anwendungsmöglichkeiten für meinen Beruf durcharbeitete. Weil Sie das Selbststudium erwähnten: Was am Beruf des kaufmännischen Geschäftsführers eines Opernhauses ist tatsächlich lehrbar, was kann man nur aus der Erfahrung erwerben? Thomas Platzer: Ich denke, ich bin diesbezüglich ein Unikat und werde es auch bleiben, denn mein Werdegang ist ja nicht alltäglich. Ich traf


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