KUNST IN DER KRISE II W
as hilft in der Krise? Wie in der letzten Ausgabe übermitteln der Staatsoper verbundene Persönlichkeiten, welche Kunstmomente ihnen in Ausnahmesituationen helfen.
BEFREIT | Richard Dehmel vertont von Richard Strauss (op.39/4) Du wirst nicht weinen. Leise Wirst du lächeln und wie zur Reise Geb’ ich dir Blick und Kuss zurück. Unsre lieben vier Wände, du hast sie bereitet, Ich habe sie dir zur Welt geweitet; O Glück! Dann wirst du heiß meine Hände fassen Und wirst mir deine Seele lassen, Lässt unsern Kindern mich zurück. Du schenktest mir dein ganzes Leben, Ich will es ihnen wieder geben; O Glück! Es wird sehr bald sein, wir wissen’s beide, Wir haben einander befreit vom Leide, So gab’ ich dich der Welt zurück! Dann wirst du mir nur noch im Traum erscheinen Und mich segnen und mit mir weinen; O Glück! Christian Thielemann
ES FÄLLT MIR SCHWER Ich gebe zu, es fällt mir schwer, mich in diesen Tagen auf Kunst zu konzentrieren. Ich höre Musik, aber eher zufällig und oberflächlich, ich lese eher Zeitungen als Literatur, ich zwinge mich, eine tägliche Übroutine aufrecht zu erhalten, was viel Überwindung kostet, da die Arbeit wie in einem schalltoten Raum scheinbar ohne Wirkung bleibt. Ohne konkrete Ziele, Termine oder Aufgaben wird das Singen zu etwas Mechanischem, ein Training, das zwar die Muskeln und das Gedächtnis warmhält, durch die (noch) fehlende Aussicht auf Auftritte seltsam emotionslos bleibt. Was mich wirklich berührt, sind Bilder. Bilder, die vor fast 600 Jahren in Flandern entstanden
22
N° 239
www.wiener-staatsoper.at
sind, als die paar Künstler, die das Können – und das Glück – hatten, für den Burgundischen Hof und seine Umgebung, die reichen Kirchenfürsten oder das gerade entstehende wohlhabende Bürgertum zu arbeiten, die Malerei revolutionierten. Auch wenn es nicht die Originale sind, sondern nur Reproduktionen in Büchern, überträgt sich auch in dieser Form die Magie dieser Meisterwerke, laden die Abbildungen ein zum Studieren und Bewundern der Details und bisweilen auch zu ihrer ursprünglichen Bestimmung – zum Meditieren. Einmal in der Wunderwelt der Bilder von Robert Campin, Jan Van Eyck und Rogier Van der Weyden angekommen, scheinen Kategorien wie Zeit oder Raum aufgehoben. Und solange das nicht beim gemeinsamen Erleben von Opernaufführungen oder Konzerten möglich ist, bin ich glücklich über diese Alternative.
KS Adrian Eröd
OPTIMISTISCH In dieser schwierigen Zeit ist es nicht leicht, ruhig zu bleiben, davon ausgehen zu dürfen, dass das Leben wieder normal und wolkenlos sein wird … Im Moment will ich keine wertvolle Zeit verschwenden, deshalb lerne ich neue Rollen und bereite mich auf die Fortsetzung unseres künstlerischen Lebens vor. Ich habe drei wichtige Produktionen verloren: Tannhäuser an der Scala, Ballo in maschera hier an der Staatsoper und beim Maggio musicale in Florenz … Leider bekommen wir Sänger in dieser schwierigen Situa tion keine Unterstützung … Aber trotzdem, Optimismus ist wichtig – ich male gerne, lese Bücher zu verschiedenen Themen. Jeden Tag arbeite ich online mit meinen Studenten von der Musikuniversität. Das ist gar nicht so einfach, aber es ist eine Gelegenheit für zukünftige Sänger, das Studium weiterzuführen. Ich wünsche unserem Publikum viel Gesundheit und uns allen ein baldiges Wiedersehen in den Opernhäusern und Konzertsälen, um die wunderbare Musik live zu genießen. KS Krassimira Stoyanova