2 minute read
Europa hat seine Zukunft selbst in der Hand (Dr. Martin Brudermüller)
von Dr. Martin Brudermüller (Vorsitzender des Vorstandes BASF SE)
Die Corona-Krise hat gezeigt: Wir können auch digital! Quer durch die Wirtschaft haben Unternehmen Kreativität, Flexibilität und Eigenverantwortung gezeigt. BASF etwa hat kurz fristig 40.000 von 120.000 Mitarbeitern ins Homeoffice geschickt. Das heißt: Die Wirtschaft kann viel, wenn sie Raum für Unternehmertum hat. Auch die Politik hat schnell auf die Pandemie reagiert. Sehr rasch wurden Mittel zur Förderung und Sicherung vieler Akteure zur Verfügung gestellt – von der Bundesregierung und dann auch von der EU.
Nicht alle Maßnahmen waren perfekt. Wie könnten sie auch? Schließlich ist dies ein Experiment mit ständiger Anpassung an eine dynamische Entwicklung mit stets neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen. Bisher hat Deutschland die Krise vergleichsweise gut gemeistert. Und einiges spricht dafür, dass dies auch weiterhin gelingt. Natürlich werden auch Schwächen sichtbar. Ganz wesentlich eine uns lang bekannte Schwäche: Deutschland ist einfach viel zu langsam bei der Umsetzung von Maßnahmen. Daraus müssen wir lernen, wir müssen schneller werden. Das gilt nicht bei der Bekämpfung des Virus, sondern auch für Politikfelder, die unsere Zukunft bestimmen.
Denn eines ist völlig klar: Die Transformation zu mehr Nachhaltigkeit der Wirtschaft muss und wird sich beschleunigen. Schon lange vor Corona haben wir als Wirtschaft mit diesem Wandel begonnen. Mit und nach Corona wird dies nicht einfacher werden – im Gegenteil. Statt die Veränderungen mit einer robusten Industrie und soliden Staatsreserven anzu gehen, stecken wir heute in einer Rezession historischer Dimension. Wir sind von einer Insolvenzwelle bedroht, Investitionen werden zurückgeschraubt. Und weder die Bundesregierung noch die EU haben die fiskalische Feuerkraft für einen weiteren „Wumms“.
Wir stehen vor einer Jahrhundertaufgabe. Unserer Verantwortung für konsequenten Klimaschutz müssen wir gerecht werden. Allerdings befinden wir uns in einer denkbar schlechten Ausgangsposition – nicht nur aufgrund der Rezession, sondern auch, weil der Rest der Welt sich gerade geopolitisch neu sortiert und andere Prioritäten setzt. Die USA und China sind auf ihren Großmächte-Konflikt fokussiert. Klimaschutz wird auch in China kommen und unter Biden in den USA. Aber beide Länder haben nicht das gleiche klimapolitische Ambitionsniveau wie die EU. Das führt zu Schieflagen im globalen Wettbewerb – zu Lasten Europas. Deshalb können wir diese Aufgabe nur als ein starkes und einiges Europa meistern.
Hoffentlich haben uns die US-Wahlen dafür endgültig die Augen geöffnet. Wir sollten nicht immer verängstigt über den Atlantik oder in Richtung Pazifik schauen. Stattdessen müssen wir nach Paris, nach Warschau, Stockholm, Rom und nach Brüssel schauen. Den Schlüssel für eine erfolgreiche Zukunft haben wir Europäer gemeinsam selbst in der Hand.