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Masseninsolvenzen im Kern gesunder Unternehmen verhindern“ Dr. Joachim von Schorlemer

Text: Armin Peter

Endlos-Lockdown, RekordSchulden und verschleppte Insolvenzen: Die Corona-Pandemie sorgt für dunkle Wolken am Konjunkturhimmel. Umso wichtiger ist es, im Superwahljahr 2021 die richtigen Weichen für die Zeit nach der Krise zu stellen. Eine möglichst rasche Wiedergewinnung des vollen wirtschaftlichen Leistungspotentials nach Corona und eine Ausrichtung der Wirtschaft auf die Herausforderungen des nächsten Jahrzehnts sind die beiden Hauptziele, die sich Dr. Joachim von Schorlemer gesetzt hat. Der stellvertretende CEO der ING-DiBa AG wurde mit überwältigender Mehrheit zum Landesvorsitzenden des Wirtschaftsrates Hessen gewählt. Er folgt auf Prof. Dr. Kristina Sinemus, Hessische Staatsministerin für Digitale Strategie und Entwicklung. „Gerade mit Blick auf die großen Unterschiede zwischen vielen Schulen beim Distanzunterricht während des Lockdowns müssen wir auf Landesebene das Th ema digitale Bildung viel stärker diskutieren“, ist von Schorlemer überzeugt. „Es darf nicht sein, dass Kinder wegen mangelnder Infrastruktur zurückfallen, denn das sind doch die Menschen, die morgen in den Arbeitsmarkt eintreten werden und Steuern bezahlen sollen.“

Der dreifache Vater setzt sich deshalb für einen noch flächendeckenderen Breitbandausbau ein. Denn Digitalisierungs-Defizite machen sich auch für Unternehmer bemerkbar: „Deutschland ist ein förderales Land mit Unternehmen, die nicht nur in Metropolen beheimatet sind – wir müssen sicherstellen, dass Betriebe in der Lage sind, so zu arbeiten, wie es im internationalen Wettbewerb nötig ist“, erklärt von Schorlemer. Dazu braucht es eine überzeugende Datenstrategie.“ In seinem Bundesland Hessen kann Joachim von Schorlemer bundesweite Herausforderungen wie unter einem Brennglas beobachten: Während die Metropolregion Frank-

„Masseninsolvenzen im Kern gesunder Unternehmen verhindern“

Foto: AdobeStock©Mojolo

furt am Main auch dank der positiven Rolle des Wirtschaftsrates in Hessen beim Einsatz für schnellere Genehmigungen für Funkmasten zukunftsfähig aufgestellt und bestens angebunden ist, gibt es in Nordhessen

noch immer strukturschwache Regionen. Die könnten mit der richtigen Anbindung aber durchaus attraktiv sein, glaubt von Schorlemer. „Wir beobachten seit Corona dank des Home Offices einen gewissen Aufschwung des ländlichen Raums“, sagt er. „Gerade für Familien sind die günstigeren Mieten und Kaufpreise auf dem Land natürlich attraktiv, da die Metropolregion Frankfurt noch immer zu wenig Wohnraum anbietet.“

Auch Joachim von Schorlemer weiß die Vorzüge des ländlichen Raumes zu schätzen – seit drei Jahrzehnten verbringt er mit seiner Familie viel Zeit an der französischen Atlantikküste. „Und in der Corona-Zeit habe ich wie viele andere vermutlich auch gemerkt: Wir kennen Deutschland noch viel zu wenig. Da gab und gibt es noch viel zu entdecken.“

Angesichts geschlossener Geschäfte und Bankfilialen wandelt sich in der Krise aber neben dem Reiseverhalten auch das Sparverhalten der Bürger fundamental. Nicht nur werde in unsicheren Zeiten mehr Geld zur Seite gelegt, auch die Akzeptanz für Online-Banking sei deutlich gestiegen, erzählt der ING-DiBa Firmenkundenvorstand: „Vor allem jüngere Mitbürger sehen jetzt häufiger die Vorteile von Investment- und Aktiensparen, die Handelsvolumina sind bei uns deutlich gestiegen. Das freut mich auch deshalb sehr, weil man in Zeiten von Niedrigzinsen wirklich nur jedem raten kann, das Geld nicht einfach auf dem Sparbuch oder Konto liegenzulassen.“

Dass Direktbanken ebenso wie traditionelle Geldhäuser im Netz immer häufiger mit Konkurrenz durch FinTechs oder Anbieter digitaler Währungen rechnen müssen, sieht der 63-jährige positiv und gelassen: „Es überrascht mich immer ein wenig, wenn FinTechs als Bedrohung etablierter Banken dargestellt werden, denn es handelt sich in der Realität eher um ein Kooperationsverhältnis“, erklärt er. „Wir arbeiten entlang der Wertschöpfungskette mit diversen Akteuren wie zum Beispiel dem Robo-Advisor „Scalable“ zusammen und binden sie an uns. Kunden zu gewinnen ist etwas ganz anderes als einen gewissen Abschnitt der Wertschöpfungskette perfekt darzustellen.“ Joachim von Schorlemer folgt dem Lebensmotto: Es gibt keine halbleeren, sondern nur halbvolle Gläser.

Doch natürlich blicken derzeit nicht alle Unternehmen mit demselben Optimismus in die Zukunft. Von der Politik erwartet von Schorlemer deshalb mehr Agilität, um in der Nach-Corona-Zeit Wachstum für alle zu entfesseln. „Es wird vor allem darum gehen, Masseninsolvenzen im Kern gesunder Unternehmen zu verhindern“, warnt er. „Dazu braucht es mittelfristig weitere konjunkturstärkende Maßnahmen und Hilfen, gerade für kleine und mittelständische Unternehmen: gute Förderprogramme, steuerliche Hilfen, eine Absenkung der Unternehmenssteuer und bessere Abschreibungsmöglichkeiten. Corona hat uns deutlich vor Augen geführt, was funktioniert und wo es noch Optimierungsbedarf gibt.“ Den sieht er auch bei der Belastung von Arbeitnehmern: „In der nächsten Legislaturperiode muss endlich spürbar an der kalten Progression gearbeitet werden, ich würde mir da ein ganz klares Bekenntnis der Union wünschen“, mahnt von Schorlemer.

Der neue Landesvorsitzende, der mit einer Ärztin verheiratet ist und in seiner Freizeit gerne historische Bücher liest, hat auch an Brüssel präzise Erwartungen: „Europa ist das Modell der Zukunft, aber die EU-Kommission sollte dringend Regulierungen abbauen, anstatt sie weiterauszubauen“, fordert er. „Und wir müssen als EU unsere digitale Souveränität zurückgewinnen, um nicht von China und den USA abgehängt zu werden.“

Um für den erfolgreichen wirtschaftlichen Start nach Corona einen Beitrag zu leisten, startet Joachim von Schorlemer hochmotiviert in seine Amtszeit: „Der Wirtschaftsrat leistet hervorragende Arbeit und muss immer wieder deutlich machen, wo sein Markenkern liegt und wofür wir stehen“, bilanziert er. „Dann werden wir gemeinsam bei vielen Themen durchdringen und zu guten Ergebnissen kommen.“ l

„Corona hat uns deutlich vor Augen geführt, was funktioniert und wo es noch Optimierungsbedarf gibt.“

DiBa AG Foto: ING

Dr. Joachim von Schorlemer

stellvertretender Vorstandsvorsitzender der INGDiBa AG, ist neuer Vorsitzender des Wirtschaftsrates Hessen. In diesem Team engagierter Unternehmer möchte er dazu beitragen, nach Corona das volle wirtschaftliche Leistungspotential zurückzugewinnen und die Wirtschaft auf die Herausforderungen des nächsten Jahrzehnts auszurichten.

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