3 minute read

Wir brauchen Technologieoffenheit beim Klimaschutz (Dr. Peter Feldhaus)

von Dr. Peter Feldhaus CEO des Energieversorgungsunternehmens Onyx Power

Klimaneutralität ist die zentrale gesellschaftliche Aufgabe des 21. Jahrhunderts. Wirtschaft und Politik stellen sich gleichermaßen hinter das ambitionierte Vorhaben. Nahezu jedes Unternehmen in Deutschland beschäftigt sich mit der Frage, wie CO 2-Emissionen zeitnah eingespart werden können. Den Handlungsdruck diese Reduktion zeitnah einzuleiten, hat das kürzlich vom Bundesverfassungsgericht verkündete Urteil noch einmal verstärkt.

Klimaneutralität erfordert mitunter die fundamentale Transformation von Wertschöpfungsketten. Dennoch haben die wirtschaftsstärksten Branchen, vom Automobilsektor, über den Maschinenbau, die chemische und pharmazeutische Industrie, bis hin zur Metallerzeugung und -verarbeitung, diese Herausforderung mit Mut und Zuversicht angenommen und entwickeln innovative Lösungen für ein klimafreundliches Wirtschaften.

Dies ist ein wichtiger und richtiger Schritt – vor allem ist es aber ein mutiger. Mutig deshalb, weil die politischen Leitplanken beim Klimaschutz unübersichtlich und nicht ohne Widersprüche sind. Um visionäre Entscheidungen treffen zu können, bedarf es einer langfristigen politischen Strategie, die eine klare Richtung vorgibt und Raum für Innovationen lässt. Denn jede Investition ist ein Schritt in einem unternehmerischen Anpassungsprozess, sie legt Technologien fest, bindet Ressourcen und ist nicht ohne Weiteres revidierbar.

Neben klaren Zielsetzungen ist Technologieoffenheit ein Schlüssel für den Weg in die Klimaneutralität, denn bahnbrechenden Veränderungen geht meist ein Suchprozess mit vielen kleinen Veränderungen voraus. Der Energiesektor ist ein gutes Beispiel. Jederzeit verfügbarer Strom zu wettbewerbsfähigen Konditionen ist für die deutsche Wirtschaft einer der wichtigsten Standortfaktoren. Hier ist es gelungen, den Anteil von Wind und Sonne an der gesamten verbrauchten Strommenge auf mehr als 50 Prozent anzuheben. An einzelnen Tagen decken die erneuerbaren Energien sogar mehr als den Verbrauch.

CO 2-neutralen Erzeugungsquellen gehört die Zukunft. Auf Basis eines breiten gesellschaftlichen Konsenses wurde der Ausstieg aus der Kohleverstromung beschlossen – eine weitreichende Entscheidung, die derzeit umgesetzt wird. Eine in diesem Zusammenhang für den Wirtschaftsstandort Deutschland grundlegende Frage konnte dabei noch nicht beantwortet werden: Wie die Versorgungssicherheit auf dem Weg zur Klimaneutralität nach dem Kohleausstieg gewährleistet werden soll. Denn der Strombedarf lässt sich nicht jederzeit durch Wind und Sonne decken. Das heißt, wir werden weiter Anlagen benötigen, die Strom unabhängig von diesen beiden Energiequellen bereitstellen können. Eine weitgehende Abhängigkeit industrieller Prozesse von aktuellen Wetterlagen ist für eine wettbewerbsfähige Volkswirtschaft schwer vorstellbar und für die meisten Industrien nicht praktikabel.

Um dieses Problem zu lösen, ruhen die Hoffnungen vieler auf der Entwicklung geeigneter Speicher- oder Wasserstofftechnologien. Dass diese Lösungen noch zu entwickeln sind, wird häufig außer Acht gelassen. In den nächsten Jahren wird mehr als die Hälfte der gesicherten Leistung durch das Ende der Kohleverstromung abgebaut werden, bei zeitgleichem prognostizierten Anstieg des Energieverbrauchs. Das Verlagern der stillzulegenden Kohlekraftwerke in die Netzreserve kann zwar temporär die Versorgung sicherstellen, die CO 2-Emissionen werden dabei aber nur verlagert.

Umso wichtiger wäre es daher sicherzustellen, dass vorhandene gesicherte Leistung im System, wo möglich und sinnvoll, durch klimafreundliche Umrüstung erhalten bleibt. Dazu braucht es besagte Technologieoffenheit auf dem Weg zur Klimaneutralität. So können etwa Kohlekraftwerke ohne großen technischen Aufwand auf die thermische Verwertung von Biomasse umgerüstet werden. Andere Länder, darunter Dänemark, die Niederlande und Großbritannien machen von dieser Möglichkeit bereits Gebrauch. Damit kann gesicherte Leistung erhalten bleiben und CO 2-Emissionen werden in signifikantem Umfang eingespart. Des Weiteren könnte Strom aus Biomasse in Ergänzung zu Energie aus Wind und Sonne für die Produktion von grünem Wasserstoff eingesetzt werden.

Welches Potenzial für den unmittelbaren Klimaschutz in dieser Technologie liegt, hat der Gesetzgeber bereits erkannt. Im Zuge der Verabschiedung des Kohleverstromungsbeendigungsgesetzes hat er die Bundesregierung beauftragt, Förderprogramme zur Umrüstung von Kohlekraftwerken auf klimaneutrale Brennstoffe bis Ende 2020 zu erarbeiten. Bisher liegen diese Förderprogramme nicht vor. Eine Reihe von Kraftwerksbetreibern könnte die notwendigen Umrüstungen vornehmen. Dafür ist das Inkrafttreten der Förderprogramme noch in dieser Legislaturperiode essenziell. Nur so kann die Energiewirtschaft ihren Beitrag zur CO 2-Reduktion zeitnah leisten.

Statt auf dem Weg zur Klimaneutralität auf den großen Technologiesprung als Wette auf die Zukunft zu setzen, wäre es zielführend, jeden Beitrag zur Versorgungssicherheit zu nutzen. Die zeitnahe Umrüstung geeigneter Anlagen auf Biomasse könnte als Brückentechnologie ein weiterer Baustein sein, durch den sich der Transformationsprozess hin zur klimaneutralen Energieversorgung, im Einklang mit den unternehmerischen Tätigkeiten im Industrieland Deutschland, durchführen ließe. Dafür bedarf es jedoch eines gewissen Maßes an Technologieoffenheit sowie der Umsetzung der zuvor durch die Politik angekündigten Rahmenbedingungen, damit innovative Projekte angestoßen werden können.

This article is from: