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Europa muss stärker werden (Wopke Hoekstra)
von Wopke Hoekstra (Finanzminister der Niederlande)
Während der Corona-Krise hat Europa enorme Führungsstärke bewiesen, indem es eine schnelle, solide wirtschaftspolitische Antwort formuliert hat. Wir sind gemeinsam dafür verantwortlich, gestärkt aus dieser Krise hervorzugehen und unsere Widerstandskraft zu stärken, um für die nächste Krise gewappnet zu sein.
Ich bin ein Verfechter der Europäischen Union (EU) und von mehr europäischer Zusammenarbeit. Keines der EU-Länder ist in der Lage, den Problemen, vor denen wir heute stehen, allein die Stirn zu bieten. Das gilt sogar für Deutschland, ganz sicher aber für ein Land von der Größe der Niederlande. Aber gerade weil ich von der Notwendigkeit europäischer Zusammenarbeit überzeugt bin, mache ich mir Sorgen um die EU: Unser Kontinent ist nicht gut in der Lage, sich selbst zu verteidigen und auch nicht immer, auf der politischen Ebene geschlossen zu agieren. Unser Kontinent hat einen mäßig laufenden Wirtschaftsmotor und investiert herzlich wenig in die Wirtschaft der Zukunft.
Künstliche Intelligenz, Nanotechnologie, Biotechnologie – auf all diesen Gebieten machen wir kaum mit. Europa hat mit Begeisterung und Effektivität die Binnengrenzen abgeschafft. Aber die Union hat es nicht gut vermocht, dies mit einem wirksamen Schutz ihrer Außengrenzen zu verbinden. Wenn wir unseren „way of life“ beibehalten wollen, müssen wir den Kurs in einigen Bereichen ändern und modernisieren. Wir müssen aufbrechen zu einem besseren Europa, das für die Zukunft bereit ist.
Nach dem Brexit müssen wir geopolitisch und in Fragen der wirtschaftlichen Sicherheit nach außen geschlossen auftreten. In der heutigen Welt ist es entscheidend, dass Europa machtpolitisch agiert. Reformen müssen unsere Widerstandsfähigkeit steigern, langfristiges Wachstum und die Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen sicherstellen. Der Klimawandel ist eine Herausforderung, die wir nur gemeinsam bestehen können. Hier spielt die europäische Zusammenarbeit eine Schlüsselrolle. Außerdem müssen wir jetzt darüber nachdenken, wie unsere Wirtschaft in 20 Jahren aussehen wird. Wir wissen, dass die Digitalisierung unsere Wirtschaft drastisch verändert. Darum müssen wir jetzt einen großen Sprung bei den Investitionen in Innovation, Künstliche Intelligenz, Nanotechnologie und Biotechnologie nach vorne machen, wollen wir mit den USA und Asien Schritt halten.
Nach der letzten Krise haben wir mit dem ESM und dem europäischen Fiskalpakt die Ausgestaltung der Wirtschafts- und Währungsunion deutlich verbessert. Nun müssen wir mit großen Schritten bei der Bankenunion und dem überarbeiteten ESM-Vertrag nach vorn gehen. Bei all dem dürfen wir den Schutz unserer Lebens standards nicht außer Acht lassen und die Augen nicht vor Verstößen gegen die Rechtsstaatlichkeit verschließen. Es ist jetzt nötiger denn je, die Probleme zu adressieren und nach vorn zu gehen.