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Die Saison für Gewächshausgemüse beginnt , Kann die Kette den Kostenanstieg tragen?

Wer wird für die steigenden Kosten aufkommen? Diese Frage beschäftigt den Markt für Gewächshausgemüse. Zu Beginn einer neuen Saison hat niemand eine wirkliche Antwort auf diese Frage, aber die Kosten scheinen vorerst hauptsächlich auf den Schultern der Erzeuger zu lasten. Sicher ist, dass diese Situation nicht sehr lange zu halten ist. Kann die Branche sich behaupten? Antworten darauf gibt es nicht.

Die Gewächshausgemüsesaison hat Ende Januar mit den ersten Gurken begonnen. Andere Erzeuger folgten mit Auberginen, Zucchini, Paprika und Tomaten. Man könnte meinen, dass alles in Ordnung ist, wenn man es nicht besser wüsste. Denn hinter den Meldungen über frische, gesunde Produkte verbirgt sich in diesem Jahr mehr denn je die Geschichte einer Branche, die ernsthaft besorgt ist. Der Hilferuf, dass vier von zehn niederländischen Erzeugern mit akuten Liquiditätsproblemen zu kämpfen hätten, fand Ende März endlich Gehör. In Belgien ist die Situation ähnlich, und auch in vielen anderen Ländern bekommen die Erzeuger die Folgen zu spüren.

Dass die Branche in der Krise steckt, weiß man eigentlich schon seit letztem Herbst. Als die Energiepreise zu steigen begannen, bekamen die ersten Erzeuger Probleme. Ernten wurden früher gestoppt und die Gewächshäuser blieben länger leer. Manchmal beschlossen die Anbauer sogar, ganz aufzugeben, oder die Gewächshäuser wurden an (Zierpflanzen-)Kollegen übertragen. In diesem Winter belief sich das Volumen der beleuchteten Tomatenernte auf etwa die Hälfte. Wenn nicht wegen leerstehender Gewächshäuser, dann aufgrund der wirtschaftlicheren Beleuchtung und Heizung. Auch bei Gurken, die zunehmend ganzjährig angebaut werden, war ein deutlicher Produktionsrückgang zu verzeichnen.

ZU TEUER

Die Nachwirkungen dieser Entwicklung sind Mitte April immer noch auf dem Markt zu spüren. Viele Erzeuger mühen sich noch immer mit einer zwangsläufig anderen Anbaumethode ab, was sich auf die Erträge auswirkt. Diese sind niedriger, als sie es gewohnt sind. Was man nicht reinsteckt, bekommt man auch nicht wieder raus. Die neue Gewächshausgemüsesaison ist schleppend angelaufen, die Preise sind höher. Anfang April wurden Tomaten noch immer zu bisher nicht erreichten Kilopreisen verkauft. Preise, die weit über den Durchschnittswerten der letzten Jahre liegen, wobei allerdings auch gesagt werden muss, dass die Kosten wesentlich höher sind. Im März war der Preis für niederländische Tomaten doppelt so hoch wie ein Jahr zuvor. Das zeigt, wie außergewöhnlich die derzeitige Marktsituation ist.

Wenn Erzeuger zu Beginn einer Saison früh dran sind, können sie bei dem dann begrenzten Angebot oft mit attraktiven Preisen rechnen. Gewächshauserzeugnisse sind dann gefragt. Auch in Exportländern, in denen schon früh in der Saison keine oder nur begrenzt eigene Ware zur Verfügung steht, ist dann mit viel Sorgfalt und Geschick die Produktion in beheizten und beleuchteten Gewächshäusern möglich. Dieser Vorteil entging

Durch reduzierte Beleuchtung wurde die Ausfärbung der Tomaten ausgebremst.

jenen Erzeugern, die erst später in diesem Jahr auf den Markt kamen. Das Gleiche gilt für die Händler. Für sie bedeuten die geringeren Mengen zu Beginn der Saison, dass der Export schwieriger ist. Darunter leidet vor allem der Tageshandel, wie auf der internationalen Gartenbaumesse Fruit Logistica zu hören war. Wo es weniger Produkte gibt, kann auch weniger ins Ausland transportiert werden. Wobei man sich auch fragen muss, ob sich das bei den stark gestiegenen Transportkosten überhaupt noch rechnet.

In den Wochen vor Ostern stiegen die Preise u.a. für Gurken, Auberginen und Strauchtomaten stark an – und das, obwohl die Preise gerade bei Strauchtomaten schon hoch waren. Der Tageshandel ist darüber nicht gerade glücklich. Hohe Preise sind gut, aber die Preisstände von den bis Ostern gehandelten Tomaten machen den Tageshandel sehr schwer, so die Einschätzung auf dem Markt. Daher wünschen sich die Händler, dass die Preise ein wenig fallen. Strauchtomaten zu rund 2,50 Euro sind ‚zu viel des Guten‘. Auch Gurken- und Auberginenpreise von mehr als 1 Euro in der Woche vor Ostern sind eine Besonderheit. Die große Frage auf dem Markt ist, was nach Ostern passieren wird. Während dieser Bericht geschrieben wird, ist damit zu rechnen, dass aufgrund der Aufschiebung des Anbaus und der angepassten Anbaupläne plötzlich viele Erzeugnisse auf einmal auf den Markt kommen werden. Kostenkrise hin oder her, es gilt das Gesetz von Angebot und Nachfrage. Es ist zu befürchten, dass der Preis dann einbricht, während gerade jetzt gute Preise so erwünscht sind, um die enorm gestiegenen Kosten halbwegs zu decken.

ZU WELCHEM PREIS LIEFERN SIE?

Diese Kosten sind immer noch Gegenstand von Gesprächen, auch wenn die Kaufverträge für diese Saison bereits abgeschlossen sind. Wenn schon nicht für diese Saison, dann für den nächsten Winter. Auf der Käuferseite der Kette möchte man von den Erzeugern und Erzeugerverbänden gerne wissen: Zu welchem Preis liefern Sie? Für die Erzeuger und Erzeugerverbände stellt sich dann die Frage: Legt man die Kosten für eine ganze Saison fest? Oder baut man Flexibilität für den Fall ein, dass die Kosten während der Saison noch weiter steigen - oder sinken, obwohl dies im Moment unwahrscheinlich erscheint – die sich dann auch etwas im Preis niederschlägt? Im letzteren Fall sind ausdrücklich auch die großen Supermarktketten berücksichtigt. Können und wollen diese Großabnehmer von Gewächshausgemüse mehr für ein gutes, nachhaltiges Produkt aus niederländischen oder belgischen Gewächshäusern bezahlen? Für die Situation der Erzeuger wird Verständnis aufgebracht. Es scheint auch ein Bewusstsein für die Notwendigkeit von Preiserhöhungen zu geben, denn immer mehr Menschen sind sich dessen bewusst. Dies ändert jedoch nichts an der Tatsache, dass bei Preiserhöhungen jeder Cent berücksichtigt wird. Wenn sich herausstellt, dass der Preis zwecks Kostendeckung nicht um 15 Cent, sondern um zehn Cent erhöht werden muss, wie es kürzlich ein Supermarktleiter in einem Fernsehbeitrag sagte, dann ist dies die bevorzugte Option. Unterdessen beklagen die Erzeuger und Erzeugerverbände die Tatsache, dass die Supermärkte ‚keine Stellung beziehen‘. Dieselben Erzeugerverbände bestimmen derzeit ihre eigene Position und die ihrer Erzeuger. Die Taschenrechner werden auf den Tisch gelegt und für jedes Produkt und jede Tomatensorte wird berechnet, was das Produkt bei einem Gaspreis von x oder y einbringen muss. Für einige

Manche Erzeuger wechselten auf andere Kulturen, Tomaten wurden beispielsweise zunehmend durch Erdbeeren oder Gurken abgelöst

Erzeuger mit festen Gasverträgen bedeutet dies, dass sie mit einem Gaspreis von etwa 18 Eurocent rechnen müssen. Sie spüren die gestiegenen Gaskosten (noch) nicht. Erzeuger, die keine günstige Gasversorgung haben, die ihre Verträge gekündigt haben, die zu Tagespreisen mit Gas heizen müssen oder die keine KraftWärme-Kopplungsanlage, sondern nur einen Heizkessel haben, müssen mit völlig anderen Energiekosten rechnen. In der Zeit vor Ostern lag der Gaspreis bei rund 1 Euro pro Megawattstunde. Kein Taschenrechner kann bei diesem Gaspreis auf dem aktuellen Markt einen langfristigen Anbau kalkulieren, schon gar nicht einen beleuchteten Winteranbau. In den kommenden Monaten müssen hierzu Entscheidungen getroffen werden.

KOSTENSICHERHEIT

Vor allem die Unsicherheit über den Gaspreis gefährdet den rentablen Anbau in nordwesteuropäischen Gewächshäusern. Im Jahr 2021 machten die Energiekosten mehr als ein Viertel der Gesamtkosten der niederländischen Gewächshausproduzenten aus. In den vergangenen Monaten, noch vor dem Ausbruch des Krieges in der Ukraine, schwankten die Energiepreise derart stark, dass sich keinerlei Schlussfolgerungen ziehen lassen. Es stellt sich die Frage, ob die Festlegung des Gaspreises eine Lösung ist. In Frankreich wurde vorgeschlagen, den Gaspreis auf 70 Eurocent festzusetzen. Auf diese Weise wüsste der Erzeuger, mit welchen Kosten er zu rechnen hat. Aufgrund der ‚beispiellosen Situation‘ hat die Europäische Kommission den Mitgliedstaaten viel mehr Spielraum für die Gewährung staatlicher Unterstützung gegeben. Dadurch haben die Länder die Möglichkeit, zum Beispiel gasintensive Branchen wie den Gewächshausgartenbau zu kompensieren. Ob und in welchem Umfang die einzelnen Mitgliedsstaaten davon Gebrauch machen, bleibt abzuwarten. Vom niederländischen Kabinett werden für Ende April Maßnahmen erwartet. In den Niederlanden werden staatliche Hilfen in der Regel nicht so schnell beschlossen, so dass die Erwartungen schon im Vorfeld der Maßnahmen gedämpft sind. Eine Intervention auf dem Energiemarkt durch Festlegung des Gaspreises wird nicht sofort erwartet.

Es stellt sich auch die Frage, ob dies letztlich die Lösung des großen Ganzen ist. Scheinbar muss in Zukunft mit höheren Kosten gerechnet werden und auf lange Sicht auch mit den Kosten, die ein Anbau ohne Gas mit sich bringt. Über Letzteres wird schon länger nachgedacht. Die Branche arbeitet auch hart daran, nachhaltiger zu werden, wie man immer wieder betont. Die notwendigen Schritte sind bereits eingeleitet worden. Niederländische Erzeuger beispielsweise setzen sich für geothermische Energie ein und betreiben ihre eigenen Anlagen. In den letzten zehn Jahren wurde der Neue Anbau etabliert, eine Anbaumethode, die sich auf eine hohe Produktion bei geringerem Energieverbrauch konzentriert. Die zunehmende Nachhaltigkeit ist jedoch mit Investitionen und anderen Kosten verbunden. Die Steigerung der Nachhaltigkeit ist nicht kostenlos. Kurzfristig ist es wichtig, dass die Erzeuger weiterhin rentabel arbeiten können, dass sie für uns und für alle Gemüse und Obst, aber auch Blumen und Pflanzen anbauen können. Der in Den Haag vorgeschlagene Verzicht auf den Anbau von Zierpflanzen sorgte für Stirnrunzeln und Verärgerung. Von der Regierung bereitgestellte Überbrückungskredite können den Erzeugern helfen, diese schwierigen Zeiten zu überstehen. Erzeuger, mitunter seit Generationen, sind nicht Erzeuger geworden, um ein leeres Gewächshaus oder ein laufendes Heizkraftwerk zu betrachten, das Strom zur Einspeisung ins Netz erzeugt. Für einige Erzeuger ist dies eine gute Einnahmequelle, da die Gaspreise auch die Strompreise in die Höhe getrieben haben, aber genau wie ihre Kollegen ohne diesen Vorteil bauen sie letztendlich doch lieber Gemüse, Obst, Blumen und Pflanzen an.

WEITERGABE DER KOSTEN

Um dies weiterhin tun zu können, ist es notwendig, dass sie die gestiegenen Kosten teilweise weitergeben können, und das nicht nur für Gas. Die Weitergabe von Kos-

Abgepackte Paprikas

ten ist ein Gesprächsthema auf allen Ebenen der Kette, und das schon seit Monaten. Das ist nicht einfach.

Einerseits, weil die Kette trotz aller Konsolidierungsbemühungen immer noch recht zersplittert ist. Dies ist nicht hilfreich bei der Durchsetzung besserer Preise für Treibhausprodukte. Es fällt schwer, eine einheitliche Front zu bilden. Nicht umsonst sind die Erzeugerverbände damit beschäftigt, sich durch Zusammenschlüsse zu stärken und/oder ihre Anbaufläche durch die Bindung weiterer Erzeuger zu vergrößern. Wenn man groß ist, ist man stärker. Andererseits scheint allen klar zu sein, dass der sehr schnelle, sehr explosive Kostenanstieg so hoch ist, dass Verbraucher ihn letztlich auch nicht tragen können. Die Krise betrifft schließlich alle. Auch zu Hause wird die Heizung auf Sparflamme gedreht, und in immer mehr Haushalten wird der Euro zweimal umgedreht. Eine Gurke für zwei Euro würde die Kosten decken, doch das wäre zu viel. Es wäre auch nicht gut für ‚unsere‘ Marktposition gegenüber internationalen Konkurrenten, bei denen der Anbau weniger gasintensiv ist, die Arbeitskosten niedriger sind und die Qualität von Tomaten oder Paprika immer besser wird. Die Niederlande würden sich selbst aus dem Markt drängen, einheimische Produkte könnten durch billigere Importe ersetzt werden. Dies geschah bereits im letzten Winter, und zwar aus der Not heraus, weil das Angebot in den hiesigen Gewächshäusern viel geringer war. Eine Lösung könnte der Anbau der eigenen Produkte weiter im Süden sein, wie es der Supermarkt gerne hätte, um das ganze Jahr über Produkte von einem Lieferanten zu erhalten.

Selbst wenn der Preis für eine Gurke nicht auf zwei Euro steigt, werden ‚wir‘ früher oder später wahrscheinlich doch den Preis für die aktuelle Krise zahlen. Wenn nicht, weil die Gurke oder Tomate (viel) teurer wird, dann weil die Steuern steigen, um die staatliche Zusatzförderung finanziell zu ermöglichen. Auch in der CoronaZeit wurde eifrig entschädigt. Dass ‚alles‘ teurer wird, erscheint unausweichlich. Die Inflation nimmt zu. Wie teuer es wird, ist höchst ungewiss. Die Branche braucht unbedingt Klarheit und Perspektive. Angesichts der aktuellen Unsicherheit auf dem Markt fehlt diese Perspektive vielen, bisweilen sogar für die nächste Wintersaison. Darauf werden sich die Erzeuger und Händler in der kommenden Zeit konzentrieren, genauso wie auf einen erfolgreichen Abschluss der nach Corona erneut außergewöhnlichen Gewächshausgemüsesaison. 

Auch der Zierpflanzensektor spürt die Folgen.