Führen am Berg
Es zählt die Gemeinschaft Über das Führen auf Vereinstour
Seit mehr als 40 Jahren ist Hanni Riegler Tourenbegleiterin in der AVS-Sektion St. Pauls. Vom Hüttenlager bis zur Skihochtour auf die Viertausender der Westalpen: Hanni hat unzählige Menschen für den Alpenverein Südtirol in die Berge begleitet. Im Interview erzählt sie von ihrer Sicht auf das Führen, von Verantwortung und Motivation. Worin liegt der Unterschied z wischen einer vom Bergführer geführten Tour und einer Vereinstour? Der Bergführer wird dafür bezahlt, dass er dem Gast das bestmögliche Erlebnis liefert. Er bietet eine Dienst leistung an. Bei der Vereinstour geht es hingegen um die Gemeinschaft, 18
Bergeerleben 01/21
arum, ein Ziel, ein Erlebnis gemein d sam zu erreichen. Wir Tourenbegleiter im AVS bieten zwar auch eine Dienst leistung an, aber als solcher schenke ich den Tag, meine Zeit, mein Know how der Vereinsgemeinschaft. Es ist ein Dienst an der Allgemeinheit, wie ihn so viele Ehrenamtliche – sei es bei der Feuerwehr oder der Bergrettung usw. – in Südtirol leisten. Für mich be deutet Ehrenamtlichkeit auch Freiheit. Auf Vereinstour steht im Gegensatz zur Individualtour die Gemeinschaft und nicht der Einzelne im Vordergrund. In der Gemeinschaft kann der Einzelne oft höhere Ziele meistern als allein. Der Einzelne scheitert oft an der Tou renwahl, an technischem Wissen wie Kartenlesen oder auch am Umgang mit der Ausrüstung. Die Gruppe kann
Hanni Riegler unterwegs am Klettersteig … … und auf AVS-Tour (3. v. r.) Fotos: Privat
hier gut unterstützen, außerdem ist jedes Erlebnis in der Gruppe verstärkt. Ich beobachte bei unseren Sektions ausflügen, dass auch selbstständige Bergsteiger mit dem Verein gehen, das zeigt einmal mehr, dass es nicht nur um eine geführte Tour geht, son dern um das gemeinsame Erlebnis. Steht das unentgeltliche Touren angebot des AVS nicht auch in Konkurrenz zu jenem der Berg führer? Wenn wir Tourenbegleiter bei dem Angebot bleiben, für das wir ausge bildet sind, gibt es kaum Konkurrenz. Wir dürfen uns aber nicht dazu verlei ten lassen, über unsere Grenzen zu gehen. Selbstgefälligkeit hat bei der Tourenplanung nichts zu suchen. Zu anspruchsvolle Touren sind gefährlich und Angelegenheit der Bergführer. Natürlich habe ich, wenn ich z. B. den Ortler ins Tourenprogramm aufnehme, schon am nächsten Tag zig Anmeldun gen aus dem ganzen Land. Aber das darf nicht unser Ziel sein. Die Promi nenz des Gipfels hat sowieso nichts mit dem Erlebnis für die Gruppe zu tun. Wer den Ortler besteigen will, soll sich einen Bergführer nehmen. Und schon gar nicht kann ich als Touren begleiter vier Leute im Seil haben, wo sogar der Bergführer nur zwei Gäste auf eine Route mitnimmt. Wie wichtig ist es für die Sicherheit, die persönlichen Grenzen zu kennen? Als Tourenbegleiter muss ich meine Grenzen kennen und respektieren. Wir Tourenbegleiter haben alle einen unterschiedlichen alpinistischen Hin tergrund, aber grundsätzlich gilt es, bei der Auswahl der Führungstouren mindestens ein bis zwei Stufen unter dem eigenen Leistungsvermögen zu bleiben, um immer eine Reserve für Unvorhergesehenes wie einen Wetter umbruch zu haben. Auf Vereinstour