Bergeerleben - AVS-Magazin März 2021

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Führen am Berg

Gut geführt Über Vorbilder, Selbsterfahrung und Fremdorientierung Es gibt Menschen, die das Leben ­eines jungen Menschen prägen. Für mich waren es Bergführer, die ich bei vielen AVS-Ausbildungs­ kursen kennenlernen durfte. Ihre Vorbildwirkung war nicht selten ausschlaggebend für bestimmte Entscheidungen in meinem Leben und das Ziel, nicht ein exzellenter, sondern ein alter Bergsteiger zu werden.

G

etrieben vom Drang nach Frei­ heit hatte ich in jungen Jahren das Glück, das Abenteuer in den Bergen kennenzulernen. Die Berg­ landschaften waren für mich – und sind es heute noch – ein Ort, in denen mein Geist bebt, meine Neugier und Fan­ tasie das Grenzenlose sucht. Nie waren es Komfortzonen, in denen die „Seele baumelt“, sondern eine Wildnis, die meine Sinne fordert, sodass ich mich selbst dabei spüre. Nach der Lektüre der B ­ ücher von Reinhard Karl (Erlebnis Berg. Zeit zum Atmen) und Reinhold Messners „7. Grad“ lehnte ich Fremd­ orientierung ab und suchte mich in der Selbsterfahrung. Ich wollte aber auch eine bessere alpine Ausbildung kennen­lernen und nutzte das Kurs­ angebot des Alpenvereins Südtirol, der für mich bis dahin eher ein ver­ staubtes „Knicker­bocker-Image“ ­besaß. Ich wurde eines Besseren be­

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lehrt und habe den Geschmack von Magnesia und die Bodenhaftung der Klebefelle kennengelernt. Bei Kursbeginn stellte uns ein weiß­ bärtiger Mann, ein hauptamtlicher ­Mitarbeiter des AVS, mit ruhiger, groß­ väterlicher Stimme die Bergführer vor. Zu jedem der Gesellen mit braun­ gebranntem Gesicht verlor er einige Sätze über dessen Besonderheiten. Die Bergführer trugen damals rote, mit weißen Streifen durchzogene, meist sonnengebleichte Pullover. Wir nah­ men Beziehung mit den Kursleitern auf, die mit ihrer besonnenen Stimme, ihren selbstsicheren Bewegungen und ihrer unerschütterlichen Art nach und nach unser Vertrauen gewonnen haben. Langsam und stetig „Merkt euch: Es ist leicht, ein guter ­Alpinist zu werden, aber noch wichtiger ist es, ein alter Bergsteiger zu ­werden“, sagte ein etwas kleinerer, muskulöser Blondschopf mit dicken Brillen. Sein Pullover war nicht nur sonnengebleicht, sondern an einigen Stellen ziemlich abgewetzt und löchrig. Er kletterte in Zeitlupe, und wenn sich seine kräftige Hand wie eine Zange um den Griff klammerte, legte er ohne irgendwelche Zweifel die Sohle seiner Kletterschuhe auf den richtigen Tritt. Unabgelenkt hat er sich auf die paar Quadratmeter Fels um sein Sichtfeld konzentriert und

Fotos: Kurt Walde

trotzte unbeeindruckt auf seinem Weg nach oben der Schwer­kraft. Auch bei Skitourenkursen und Weiterbildungen zeigte er mir, wie man richtig eine Spur anlegt und dass die wahre Stärke am Berg die Langsamkeit und zugleich der rastlose Schritt ist. Voraus, aber niemals der Erste sein Ich habe von den Bergführern gelernt, dass sie vorausgehen und niemals mit Autoritätsdruck uns mit einer gu­ ten Portion Selbsterfahrung den Weg zeigen. Eine Lebenserfahrung, die auch mein Berufsleben geprägt hat. Ich erinnere mich an einen smarten Bergführer, einen erfinderischen MacGyver in Sachen Knotentechnik, der öfters in aller Herrgottsfrüh über die Glanwell-Route auf die Santner­ spitze stieg, abseilte und pünktlich zur Öffnungszeit in der Bergsportabtei­ lung seines Arbeitsgebers in Bozen stand. Prägend war für mich auch ein älte­ rer Bergführer, ein Urgestein wie es im Bilderbuch steht, der uns die Flora und die Heilwirkung von Kräutern erklärt hat. Er brannte bei seinen Schilderun­ gen vor Leidenschaft und schilderte uns in bildhafter Sprache, in unver­ kennbarem Hochpusterer Dialekt, wie Warzen und Ekzeme durch das Einwir­ ken von Tinkturen und Salben entfernt werden.


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