A&W 05/2021

Page 26

26 5/21 AUTO&SIE

«IN EINEM CLASSIC CAR ZU FAHREN, IST WIE DIGITAL DETOX» Isabelle Riederer, ir@awverlag.ch

Einen an der Ampel haben!

D

ass die Stadt Zürich am liebsten alle Autos verbannen, verbrennen oder verbieten würde, ist bekannt. Da das aber nicht so einfach ist, werden Autobesitzerinnen und -besitzer in Zürich schikaniert, bis die Rückspiegel traurig von der A-Säule herunterhängen und die Besitzer freiwillig auf ihren fahrbaren Untersatz verzichten. Nachdem bereits teilweise klammheimlich über Nacht immer mal wieder Parkplätze aus der blauen Zone verschwinden, hat die Stadt Zürich jetzt offenbar ein neue Art des Autobashings gefunden. Apropos blaue Zone: Ich frage mich, wie das funktioniert? Hat die Stadt Zürich vielleicht so was wie nachtaktive Heinzelmännchen, die zur Geisterstunde aus den Büschen kommen und still und leise die blauen Markierungen abschleifen? Aber zurück zum neusten Clou: Ampeln! Wo immer es geht, werden jetzt neue Ampeln gepflanzt – ob sinnvoll oder nicht. Meine neue Hassampel steht seit einigen Wochen an der Bellerivestrasse – direkt auf Höhe des Strandbads Tiefenbrunnen. Neulich fuhr ich also auf der Bellerivestrasse Richtung Rapperswil und zack, stand da diese Ampel und leuchtete rot. Fussgänger waren weit und breit keine zu sehen. Nun gut. Nach fünf Minuten Stillstand wurden die ersten Autofahrer nervös und fingen an zu hupen, nach zehn Minuten leuchtete die Ampel immer noch rot. Das Hupen wurde intensiver und die Autokolonne immer länger. Nach 20 Minuten rief ich bei der Polizei an. Die wusste nichts von einer neuen Ampel, gelobte aber, vorbeizuschauen. Irgendwann riss dann auch bei mir der Geduldsfaden und ich fuhr über Rot weiter. Auf dem Rückweg wollte ich wissen, ob die Ampel jetzt wenigstens funktioniert. Doch schon von weitem sah ich, sie war rot, und bog kurz vorher rechts ab. Dieses Spiel mach ich nicht nochmal mit.

Seit über zwei Jahren ist Ulrike Lutz Leiterin von Porsche ­Classic. Wie sie als Quereinsteigerin ihren Platz bei Porsche fand und was sie von Elektro-Nachrüstkits für Oldtimer hält, ­erzählt sie im Interview. Interview: Isabelle Riederer AUTO&Wirtschaft: Frau Lutz, Sie sind Leiterin von Porsche Classic. Wie ist Ihr Werdegang? Ulrike Lutz: Ich bin eine klassische Quereinsteigerin. Ursprünglich habe ich Verwaltungswissenschaften studiert, mein Herz hat aber schon immer für das Werkstatt- und Schlosserhandwerk geschlagen. Das lag sicher auch an meinem Vater und zwei Vettern, die allesamt grosse Autoliebhaber waren. Meine Familie wollte aber, dass ich etwas lerne, was für Frauen zu dieser Zeit üblich war. Wir einigten uns darauf, dass ich dieses Studium absolviere und danach machen kann, was ich wollte, und das tat ich dann auch. Ich habe mein Studium erfolgreich abgeschlossen und steuerte danach direkt auf Porsche zu, um dort meine berufliche Zukunft zu suchen. Zu Beginn noch als klassische Aushilfe, habe ich mich dann über die Jahre weiterentwickelt und in zahlreichen Positionen in verschiedenen Bereichen Erfahrungen gesammelt, bis ich im Januar 2019 die Leitung von Porsche Classic übernehmen durfte. Sie haben es selber erwähnt, dass Sie in einem autoverrückten Umfeld gross wurden. Ist das auch der Grund für Ihre Autofaszination? Ich glaube, mein Umfeld hatte sicher einen Einfluss darauf, aber es war mir schon in die Wiege gelegt. Schon als kleines Mädchen wünschte ich mir zum Geburtstag lieber einen Bagger oder ein Modellauto als Puppen. Diese Begeisterung für technische Dinge war einfach immer schon da. Ich glaube, das ist auch etwas, dass man einfach hat beziehungsweise was einem die Natur mitgegeben hat. Schon als kleines Mädchen war meine Modellautosammlung für mich wichtiger als alles andere. Classic Cars üben für viele noch einmal eine ganze andere Faszina­ tion aus. Wie ist das bei Ihnen?

Ich begeistere mich nicht nur für Klassiker, sondern auch für neue Fahrzeuge. Aber natürlich gilt: Umso älter die Fahrzeuge, umso mehr Erinnerungen verbindet man mit diesen Modellen. Klassische Fahrzeuge sind im Vergleich zu Neufahrzeugen viel unterschiedlicher, es gab früher mehr unterschiedliche Formen und mutigere Farben, als man heute im Strassenverkehr sieht. Vor allem glänzen sie viel mehr, weil früher viel mehr Chrom zum Einsatz kam. Klassiker sind natürlich auch in Bezug auf die Soundkulisse einmalig. Das Interieur hat einen ganz speziellen Geruch. Ich liebe diesen Moment, wenn man bei einem Oldtimer die Türe öffnet, sich reinsetzt und wohlfühlt, das ist ein ganz besonderes Gefühl. Im Gegensatz zu Neufahrzeugen sind Classic Cars keine Smart­ phones auf vier Rädern. Fehlt da nicht manchmal etwas? Im Gegenteil, das ist gerade das Schöne an klassischen Fahrzeugen. Natürlich kann man sein Smartphone immer noch mitnehmen, aber man hat nicht diesen Digitalisierungsgrad wie bei Neufahrzeugen. In einem klassischen Auto ist man mit der Maschine allein und lässt das Moderne für einen Moment hinter sich. Wir nennen das auch gern «Digital Detox». Für mich sind es zwei Welten, die sich aber nicht ausschliessen. Kaum jemand würde heutzutage im Alltag auf moderne Assistenzsysteme im Auto verzichten wollen, aber um abzuschalten und aus dieser digitalen Welt zu entfliehen, gibt es nichts Schöneres als mit einem Oldtimer eine Ausfahrt zu machen. Wie muss man sich einen ­normalen Arbeitstag der Leiterin von Porsche Classic vorstellen? Es gibt zwei Varianten – vor und seit Corona. Seit Beginn der Pandemie verbringe ich sehr viel mehr Zeit vor meinem Computer und in digitalen Meetings. Aber abgesehen davon ist

mein Arbeitsalltag sehr vielfältig, da ein grosser Bereich dahintersteckt. Wir kümmern uns vor allem darum, dass unsere Klassik-Fahrzeuge auch weiterhin fahrbereit bleiben und die Ersatzteile verfügbar sind. Zu unserem Verantwortungsbereich gehören insgesamt mehr als 60’000 Ersatz- und Zubehörteile und die PorscheClassic-Werksrestaurierung. Zudem betreuen wir weltweit alle Porsche Classic-Partner und Porsche-ClassicZentren. Ein wichtiges Anliegen von Porsche Classic ist es ausserdem, Know-how an junge Mechaniker weiterzugeben. Ein weiterer Bestandteil unserer Arbeit sind zudem zahlreiche Events, bei denen der direkte Kontakt zu unseren Kunden und das Einholen von Feedback für uns sehr wichtig sind. So habe ich das grosse Vergnügen, in vielen verschiedenen Themen tief eingebunden zu sein und trotzdem immer wieder am Produkt zu arbeiten und mich mit den Technikern und Mechanikern im Team auszutauschen. Frauen sind in der Automobilbran­ che oft noch in der Unterzahl –

Ulrike Lutz, Leiterin Porsche Classic.


Turn static files into dynamic content formats.

Create a flipbook

Articles inside

Kommunikation

4min
pages 56-57

Modellvorschau

8min
pages 50-53

Markenstatistik

3min
page 49

WIRTSCHAFT Modellstatistik

4min
page 48

PLANEN & BAUEN Burger Engineering

2min
page 43

AWS Architekten

5min
pages 46-47

Irega

4min
pages 44-45

Fripoo

2min
page 42

KSU

3min
page 40

ESA

2min
page 38

Thommen-Furler

2min
page 39

SAG

2min
page 37

MTS Meguiar’s

2min
page 33

Otto Christ AG

5min
pages 30-31

Aquarama

1min
page 32

Maxolen

3min
page 36

Riwax

2min
pages 34-35

TITELTHEMA Kärcher

4min
pages 28-29

AUTO&SIE Ulrike Lutz

8min
pages 26-27

Elektro-Statistik

2min
page 25

ELECTRIC WOW Volkswagen ID.4

2min
page 24

Handschalter sterben aus

14min
pages 18-23

Imaweb übernimmt Stieger

2min
page 15

Swiss-Moto 2022

2min
page 16

transport-CH 2021

2min
page 17

ESA auf der transport-CH

5min
pages 10-11

Händlerradar 2021

3min
page 9

Persönliche Daten im Auto

2min
page 14
Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.