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Am buntesten Ort im Dählhölzli
Korallenriffe gehören zu den buntesten Ökosystemen auf der Erde. Lange Zeit waren sich die Experten uneinig, ob die Farben der Korallenfische der Tarnung im farbigen Korallenriff dienen oder der Werbung und Warnung. Aber wie so oft in der Natur gibt es kein Entweder-oder, es trifft wahrscheinlich beides zu – und das oft gleichzeitig.
Text und Fotos Doris Slezak
Haben Sie sich schon einmal vor das Korallenriffaquarium im Dählhölzli des Tierparkvereins Bern gestellt, die vielen bunten Fische, wie den Clownfisch, den Achillesdoktorfisch oder den Juwelenfahnenbarsch, bewundert und sich gefragt, warum die Korallenfische eigentlich so bunt sind? Ist es denn nicht kontraproduktiv, als kleiner Fisch so auffallend gefärbt zu sein, sodass er von seinen Fressfeinden sofort entdeckt und verschlungen wird? Nun, dann probieren Sie es einmal aus: Positionieren Sie sich zwei, drei Meter vor dem Korallenriff im Dählhölzli, stellen Sie sich vor, dass Sie ein Raubfisch mit Lust auf ein köstliches Fischfilet, sind und kneifen Sie die Augen zusammen. Da die meisten Fische von Natur aus kurzsichtig sind, können Sie nur bis zu einem Meter entfernte Objekte scharf sehen. Sie werden feststellen, dass die farbigen Fische vor dem bunten Hintergrund des Riffs zu einem flirrenden
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Ganzen verschwimmen. Einen einzelnen Fisch auszumachen und zu fangen, scheint schier unmöglich. Diese Art der Tarnung heisst Somatolyse und bedeutet das Verschmelzen eines Lebewesens mit seiner natürlichen Umgebung. Das Tier wird durch Anpassung an die Struktur und Färbung der Umgebung gewissermassen unsichtbar und ist für den Räuber nicht zu sehen. Zudem sind die farbigen Korallenfische im Meer auch wegen der schrittweisen Absorption des Lichtspektrums unter Wasser gar nicht mehr so bunt. Das langwellige rote Licht wird am schnellsten absorbiert, das gelbe geht etwas tiefer, während das blaue Licht am tiefsten in das Wasser dringt. Viele Korallenfische tragen die wärmeren Farben Rot und Gelb, reflektieren somit nur wenig von der gefilterten Lichtstrahlung und erscheinen dadurch unauffällig dunkel. Sind Fische zudem auffällig gemustert – beispielsweise mit blauen Punkten auf rotem Grund – wie der Leopardenjunker, so wirkt das Rot in einiger Tiefe bräunlich und die blaue Punktzeichnung löst die Körperumrisse auf. So ist der Fisch in seiner blauen Umgebung kaum mehr zu erkennen. Die Verwendung von Komplementärfarben wie Blau und Gelb bietet einen weiteren Vorzug: Sie verschmelzen aus der Entfernung zu Grau. Ein blau-gelb-schwarz gefärbter Paletten-Doktorfisch (alias Dori aus dem Film «Findet Nemo») wirkt daher aus der Ferne grauschwarz und sticht trotz seiner Farbigkeit nicht hervor. Im Flachwasserbereich eines Korallenriffs herrscht hingegen reichlich Sonnenlicht, und das Lichtspektrum ist noch ziemlich vollstän-