STRASSENGESCHICHTEN
Stethoskop und Wünschelrute Die Gemeinde St. Martin in Passeier hat gleich mehreren Ehrenbürgern eine Straße gewidmet. Zum Beispiel den beiden Ärzten Dr. Johann Hillebrandt und Dr. Luis Wallnöfer. Letzterer hat sich nicht nur als Mediziner, sondern auch als Heimatforscher einen Namen gemacht.
Der Menschenfreund
Alois Wallnöfer wurde am 22. Februar 1885 in Schluderns als Sohn der Bauersleute Josef Wallnöfer und Katharina Anstein geboren. Nach seiner Matura am Gymnasium in Meran studierte er in Innsbruck Medizin und promovierte kurz vor Kriegsausbruch. Als Arzt leistete er in Galizien seinen Dienst, geriet aber schon im Jänner 1915 in Kriegsgefangenschaft. In Sibirien war er als Doktor drei Jahre lang zur Bekämpfung des Bauch- und Flecktyphus im Einsatz und kehrte erst im Mai 1918 in seine Heimat zurück. Wenige Monate vor Kriegsende – im Rang eines Offiziersarzts beim Kaiserschützen-Regiment in Wels – heiratete er im Gratscher St.-Magdalena-Kirchlein die Schuldirektorentochter Aloisia Maria Menghin. Der Ehe entsprangen
zwei Söhne, Oswald und Max. Sein Beruf brachte ihn von Wels nach Salzburg und von dort nach Eppan, Aldein und schließlich nach St. Martin. Als Gemeindearzt besuchte er immer wieder die Bergbauern auf den entlegenen Höfen, um sie davon zu überzeugen, Medikamente für die Erste Hilfe im Haus zu haben. Freud und Leid standen oft eng beieinander. Wenige Monate nach seiner Erhebung zum Cavaliere musste er den frühen Tod seiner Frau verkraften. Als Alois Pichler, vulgo Michele Luis, ein Original, das wegen seiner alten Heilkenntnisse bei Krankheiten von Vieh und Mensch weit über das Tal hinaus geschätzt war, 1954 zur letzten Ruhe getragen wurde, sprach Wallnöfer tiefempfundene Abschiedsworte am offenen Sarg. Zehn Jahre später, am 24. Juni 1964, ereilte ihn unerwartet der Tod. Noch drei Tage zuvor, am Tag des Hl. Aloisius von Gonzaga, hatte ihm die örtliche Musikkapelle mit einem Ständchen zum Namenstag gratuliert. Sein Sarg wurde vor dem Gemeindehaus aufgestellt, umgeben von Kränzen und Blumengestecken. Südtiroler Ärzte erwiesen ihm die letzte Ehre, ebenso der Heimatschutzverein und der Frontkämpferverband. In einem Nachruf wird er als vorbildlicher Arzt beschrieben, der fast vier Jahrzehnte lang in St. Martin überaus segensreich wirkte. Nicht nur das Fachliche, auch das Menschliche war ihm ein großes Anliegen. In Fällen, in denen sich Familien in finanzieller Not befanden, verzichtete er bereitwillig auf sein Honorar und gab Medikamente kostenlos ab.
und widmete sich mit großem Einsatz der Heimatkunde. Seine Forschungsergebnisse publizierte er u. a. im erwähnten „Schlern“. Das Ganglegg beispielweise, eine von Moränenschutt bedeckte Schieferkuppe am Sonnenberg oberhalb seines Heimatortes Schluderns, wurde von ihm und seinem späteren Schwiegervater Alois Menghin als prähistorische Stätte entdeckt. Erste kleinere systematische Grabungen wurden zwischen 1911 und 1916 veranlasst. Doch ihn auf Wallburgen und Schalensteine festzulegen, wäre zu kurz gegriffen. Veröffentlichungen zur Familiengeschichte der Wallnöfer, zur Passeirer Malerschule, zu Bestattungsbräuchen oder dem Tischler Sebastian
benannte Straße
Pircher, der Stradivari- und Guarneri-Geigen nachbaute, stammen ebenso aus seiner Feder. Etwas kurios wirkt heute für manchen sein Einsatz der Wünschelrute. 1931 zum Beispiel fand ein Rutengänger aus Morter unter seiner Führung bei einigen Häusern, in denen es Krebserkrankungen und Fälle von chronischem Rheumatismus oder Kinderlähmung gab, Wasseradern unter den Häusern oder sogar unter dem Bett.
FRANZ HAT AT DEN DURCHBLICK LICK ! ER TRÄGT PICHLER‘S OPTIC
Der Wissenschaftsfreund IN LANA
Schon früh kultivierte er, neben der Medizin, seine Leidenschaft für die Vor- und Frühgeschichte
Nach dem Gemeindearzt
Christian Zelger
LEBENSLUST
Die Südtiroler Kulturzeitschrift „Der Schlern“ gratulierte Wallnöfer im August 1950 zur Verleihung gleich zweier Ehrentitel. Der „Ordine Militare dei Cavalieri del Soccorso“ und die „Accademia Internazionale di Scienze Mediche“ ernannten den langjährigen Gemeindearzt von St. Martin zum Cavaliere (Ritter) und Korrespondierenden Mitglied in Anerkennung seiner Verdienste um die medizinische Wissenschaft. Als russischer Kriegsgefangener hatte er die Lebertherapie bei Blutkrankheiten und Sehnervenschwäche entdeckt und durch seine Forschungen auf dem Gebiet der Schilddrüsen- und Kropfbehandlung einen weit über die Grenzen reichenden Ruf erworben. Interessantes Detail: Dr. med. Wallnöfer stellte auch Pendel und Wünschelrute in den Dienst der Medizin, damals wohl keine Ungewöhnlichkeit.
BAZ 15/22
9