UPDATE Interview
15 FRAGEN AN
WOTAN WILKE MÖHRING
In einer TV-Komödie trainiert der SCHAUSPIELER Basketballer mit Behinderung. Oder wie er viel lieber sagt: mit besonderen Fähigkeiten. Was er von ihnen lernte und wie viel Punk heute noch in seinem Leben steckt Herr Möhring, Sie haben gerade einen Film mit – wie es im Pressetext heißt – kognitiv beeinträchtigten Menschen gedreht: mit Männern und Frauen, die zum Beispiel das Down-Syndrom haben oder Autismus. Was war das Wichtigste, das Sie von Ihren neuen Schauspielkollegen gelernt haben?
Erst mal merken wir beide gerade, dass es nicht einfach ist, über diese besonderen Menschen zu sprechen. In unserem allgemeinen Sprachgebrauch, also von der sogenannten normalen Seite aus, steht immer die Einschränkung im Zentrum. Wir heben immer nur das hervor, was wir aus unserer Sicht als Einschränkung, als Unvermögen sehen. Das, was sie nicht können. Und dieses Wording finde ich ganz schwierig, unangemessen und falsch. Aber um auf Ihre Frage zu antworten: Was diese Menschen uns allen voraushaben, ist ihre Wahrhaftigkeit, ihre komplette und ständige situative Ehrlichkeit. Da liegt das Herz so was von auf der Zunge, da wird nichts vorgetäuscht. 2
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Wie meinen Sie das?
Ich habe mir während der Dreharbeiten manchmal gedacht: Vielleicht hat einer von denen die Lösung für den Weltfrieden, gegen den Hunger, für die Energieversorgung oder sonst etwas – aber wir lassen sie gar nicht zu Wort kommen, wir lernen nicht deren Sprache. Wir fliegen zum Mond, wissen aber überhaupt nichts über die Menschen neben uns. Diesen Gedanken fand ich nicht nur traurig, sondern er ist auch ein Armutszeugnis für uns als Gesellschaft. In dieser Beziehung haben wir uns nicht wirklich weiterentwickelt. 4
Weil Sie sich offenbar schon Gedanken um angemessene Begriffe gemacht haben – was sagen Sie statt „Menschen mit Behinderung“? Und was ist Ihrer Erfahrung nach diesen Leuten selbst am liebsten?
Grundsätzlich finde ich es wirklich interessant, dass wir mit dem Gendern weit fortgeschritten sind – aber wie Menschen mit Trisomie oder Autismus angesprochen werden wollen oder sollen, darauf haben wir uns noch nicht so richtig einigen können. Denn für sie selbst gibt es natürlich keine Behinderung, die sind, wie sie sind. Sie können vielleicht manche Dinge nicht so, wie die Gesellschaft es vorsieht, aber dafür andere Dinge vielleicht besser als wir. Dinge, die wir nicht können, deswegen würde ich sagen: Menschen mit besonderen Fähig18
keiten. So nenne ich die. Wenn wir uns nur daran orientieren, was diese Menschen in unserer Welt nicht können, dann nehmen wir ihnen ihre Möglichkeiten und uns selbst einen Reichtum, den wir von ihnen annehmen könnten.
„Weil wir Champions sind“ hat auch viele lustige Szenen. Hatten Sie Bedenken, ob man das Leben dieser Menschen überhaupt komisch darstellen darf, ob es in Ordnung ist, über bestimmte Marotten Witze zu machen?
Darüber habe ich nie nachgedacht, ich mache ja auch Witze über andere. Die haben einen super Humor und sind in ihrer Selbstreflexion wirklich schmerzbefreit. Wieso soll ich die anders behandeln, die sind ja schon anders genug. Während des Drehs war ich auch so ein bisschen deren Freund und Trainer und Schauspielervorbild. Und wenn einer müde war, konnte ich dem sagen: „Jetzt reiß dich mal zusammen, Digger. Du bist doch ein starker Mann und keine schlappe Nuss.“ 5
Ein weiteres großes Thema des Films ist das Vatersein. Worin sind Sie selbst als Vater eigentlich richtig gut?
Meine Tochter hat mal zu mir gesagt: „Du bist ein klarer Vater.“ Und das fand ich toll. Als Vater oder
FOTO: JENS KOCH/DDP IMAGES
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