JAHRBUCH 2006 ÖSTERREICHISCHE GESELLSCHAFT FÜR ALPIN- UND HÖHENMEDIZIN
ALPINE NOTFALLMEDIZIN – FLUGRETTUNG VA R I A
HERAUSGEBER: W. D O M E J W. S C H O B E R S B E R G E R G. SUMANN F. B E R G H O L D
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IMPRESSUM Herausgeber: DOMEJ Wolfgang, Univ.-Prof. Dr. med., Sekretär-Stellvertreter der ÖGAHM, ARGE-Alpinmedizin, Klinische Abteilung für Lungenkrankheiten, Medizinische Universitätsklinik, Medizinische Universität Graz (MUG), Auenbruggerplatz 20, A-8036 Graz. E-Mail: wolfgang.domej@meduni-graz.at SCHOBERSBERGER Wolfgang, Univ.-Prof. Dr. med., Vizepräsident der ÖGAHM, Vorstand am Institut für Urlaubs-, Reise- und Höhenmedizin an der Privaten Universität für Gesundheitswissenschaften, Medizinische Informatik und Technik (UMIT), Eduard Wallnöfer-Zentrum 1, A-6060 Hall i. Tirol. E-Mail: wolfgang.schobersberger@umit.at SUMANN Günther, MSc., OA Dr. med., Kassier-Stellvertreter der ÖGAHM, Klinische Abteilung für Allgemeine und Chirurgische Intensivmedizin, Universitätsklinik für Anästhesie und allg. Intensivmedizin, Medizinische Universität Innsbruck, Anichstraße 35, A-6020 Innsbruck. E-Mail: guenther.sumann@uibk.ac.at BERGHOLD Franz, Univ.-Prof. Dr. med., Präsident der ÖGAHM, Salzburger Platz 130, A-5710 Kaprun. E-Mail: bergi@sbg.at
Verleger: Österreichische Gesellschaft für Alpin- und Höhenmedizin Satz, Gestaltung und Druck: Raggl digital graphic + print GmbH, Rossaugasse 1, A-6020 Innsbruck ISBN-Nr.: 3-9501312-6-4 Alle Rechte vorbehalten Umschlagbild U1: „Alpinärztekreuz“ auf der Inneren Sommerwand, Stubaier Alpen Foto: Horst Fankhauser Umschlagbild U4: Aufstieg zur Großen Scharte, Eisenerzer Alpen Foto: Univ. Prof. Dr. Wolfgang Domej
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VORWORT Diesmal reihen wir bereits das 17. alpinmedizinische Jahrbuch der Österreichischen Gesellschaft für Alpin- und Höhenmedizin in das nun fast 20 Zentimeter breite Jahrbuch-Regal, und ich frage mich, wie es möglich war, dass sich diese 1989 von Elmar Jenny begründete Tradition so lange Jahre halten konnte, und zwar deshalb, weil sich ausgerechnet in diesen fast zwei Jahrzehnten doch manches grundlegend und geradezu dramatisch verändert hat. Da fand - erstens - mittlerweile der Siegeszug der Informationstechnologie Internet statt. Das führte zu einem Massensterben von wissenschaftlichen bzw. fachlichen Printmedien, die heute zunehmend online auftreten. Fast skurill: Während unsere Fachgesellschaft im April 1989 in erster Linie als Informationsplattform (um Interessenten Zugang zu alpin- und höhenmedizinischen Inhalten zu ermöglichen) gegründet wurde, wäre eine derartige Zielsetzung heute völlig absurd und daher mit Sicherheit zum Scheitern verurteilt. Im selben Zeitraum fand – zweitens – ein Paradigmenwechsel statt (so Hermann Fröschl kürzlich in den Salzburger Nachrichten), der das gesellschaftliche Klima von Grund auf verändert hat. Eigennutz und Egoismus nehmen überhand, so Fröschl, und der gesellschaftliche Zusammenhalt wird dramatisch brüchiger. Vereine und Fachgesellschaften wie die unsere geraten in den Schleudersog unserer Zeit: Ihre Daseinsberechtigung besteht nur mehr im „Mitglieder-Service“. Man konsumiert als „Mitglied“, ohne an einer aktiven Mitgestaltung auch nur irgendwie interessiert zu sein. Es findet sich ja auch kaum mehr jemand, der ehrenamtliche, „idealistische“ (wie altmodisch!) Aufgaben zu übernehmen bereit wäre. Als Folge hat das Massensterben der Vereine bereits eingesetzt. Im Grunde wären also die Österreichische Gesellschaft für Alpin- und Höhenmedizin und ihre Aktivitäten anachronistisch und daher mittlerweile überflüssig. Trotzdem gibt es uns noch, und noch dazu auf einem konstant hohen Mitgliederniveau vor allem jüngerer Kolleginnen und Kollegen. Nehmen Eigennutz und Egoismus doch nicht so überhand wie allenthalben befürchtet? Gibt es „Informationen“ und „Werte“, die das Internet nicht oder nicht ausreichend vermitteln kann?
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Dazu folgende These des genialen Jeremy Rifkins (aus „Der Europäische Traum“): Die Sozialwissenschaft zeigt auf, dass der Dienst an der Gemeinschaft etwas ganz anderes ist als die Arbeit auf dem Markt. Also Martkapitalismus versus Zivilgesellschaft. In der Zivilgesellschaft leistet man seinen Beitrag, um das Sozialkapital der Gemeinschaft voranzubringen. Ziel sind das Gemeinwohl und der soziale Zusammenhalt, nicht die Akkumulation von Reichtum. Laut Adam Smiths Definition von Marktkapitalismus kommt das Gemeinwohl dadurch voran, dass jeder seinen Eigeninteressen folgt. Die Zivilgesellschaft geht vom genauen Gegenteil aus: Indem jeder Einzelne für andere da ist und damit das höherwertige Gemeinwohl optimiert, wird auch sein eigenes Wohlergehen gefördert. In der globalisierten Welt mit ihren entpersonalisierten Marktkräften ist die Zivilgesellschaft zu einem wichtigen sozialen Rückzugsgebiet geworden. Hier können Menschen Intimität und Vertrauen herstellen, gemeinsame Ziele und eine kollektive Identität entwickeln. Die Zivilgesellschaft ist das Gegengift zu einer Welt, die sich zunehmend rein kommerziell definiert. Wenn diese Thesen stimmen, dann hat auch eine Fachgesellschaft wie die unsere nicht nur weiterhin eine Daseinsberechtigung, sondern sogar beträchtliche Zukunftschancen. Vor allem, wenn wir uns bei aller Wissenschaftlichkeit auch weiterhin ganz eng dem Bergsteigen verbunden fühlen. Ganz im Sinne dieser so wichtigen Zivilgesellschaft gilt allen Autoren dieses Jahrbuches, aber auch den bewährten und wie immer sehr bemühten Herausgebern Univ. Prof. Dr. Wolfgang Schobersberger (Hall, Tirol), Univ. Prof. Dr. Wolfgang Domej (Graz) und OA Dr. G. Sumann (Innsbruck) unser ganz großer Dank.
Univ. Prof. Dr. Franz Berghold Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Alpin- und Höhenmedizin
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Inhalt Impressum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 Vorwort des Präsidenten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 Autorenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9
Fachartikel M. Burtscher, P. Sachse Das individuelle Anstrengungsempfinden im Bergsport . . . . . . . . . . . . . . . 11 W. Kirschner, R. Pühringer, W. Geser, B. Penz Der Zusammenhang zwischen ausgewählten Persönlichkeitsmerkmalen und körperlicher Fitness bei Heeresbergführern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 Ch. Guger, M. Tannheimer, S. Krausert, W. Domej, G. Edlinger Veränderungen des EEG, EKG und der Konzentrationsfähigkeit mit der Höhe in simulierten Bedingungen, am Kilimanjaro und im Karakorum . . . . . . . . 27 Ch. Szubski, W. Löscher, M. Burtscher Auswirkungen von Hypoxie auf neuromuskuläre Aktivierung, motokortikale Erregbarkeit und zentrale Ermüdung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 E. Wöhrnschimmel Frauen und Bergsport . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 Ch. Högenauer Gastrointestinale Probleme, Höhe und Alpinsport . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 W. Domej, G. Schwaberger, Th. Valentin, E. Flögel, C. Pietsch, Ch. Guger Asthma bronchiale und Höhe – Vorteil oder Risiko? . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 F. Elsensohn Sanitätsrucksack und Notarztrucksack beim terrestrischen Einsatz – gibt es Standards? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103
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P. Paal, V. Wenzel, A. von Goedecke, H. Brugger Mund-zu-Masken-Beatmung – eine Alternative im Bergrettungsdienst? . 113 W. Beikircher, R. Oberhammer Das Lawinenunglück im Frankbachtal in Südtirol (I) am 19.2.2005 . . . . . 127 B. Schatz, M. Grasslober, M. Fellinger, F.J. Seibert, W. Seggl Knieprobleme beim Bergsteigen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 G. Wirnsberger Eingeschränkte Nierenfunktion – Worauf müssen wir bei Patienten beim Bergsport achten? . . . . . . . . . . . . 151 R. Waanders, W. Studer DARIX: Index für Höhenanpassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 R. Lazar, M. Winkler Terrestrische Strahlung in alpiner Umgebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 H. Grillhofer Höhlenrettung und Höhlenunfälle in Österreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 W. Schobersberger, H. Partsch Neues zur Reisethrombose: Update 2006 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199
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Autorenliste BEIKIRCHER Werner, Dr. med., Sanitätsbetrieb Bruneck, Krankenhaus Bruneck, Abteilung für Anästhesie und Intensivmedizin, Spitalstraße 11, I-39031 Bruneck. E-Mail: werner.beikircher@sb-bruneck.it BURTSCHER Martin, Univ.-Prof. DDr., Vizepräsident der ÖGAHM, Institut für Sportwissenschaften, Leopold Franzens Universität Innsbruck, Fürstenweg 185, A-6020 Innsbruck. E-Mail: martin.burtscher@uibk.ac.at DOMEJ Wolfgang, Univ.-Prof. Dr. med., Sekretär Stellvertreter der ÖGAHM, ARGE Alpinmedizin, Klinische Abteilung für Lungenkrankheiten, Medizinische Universitätsklinik Graz (MUG), Auenbruggerplatz 20, A-8036 Graz. E-Mail: wolfgang.domej@meduni-graz.at ELSENSOHN Fidel, Dr. med., Bundesarzt des Österreichischen Bergrettungsdienstes, Vizepäsident der IKAR MEDCOM, Schlösslestraße 36, A-6832 Röthis. E-Mail: fidel.elsensohn@aon.at GRILLHOFER Heinrich, Österreichische Höhlenrettung, Einsatzstelle Graz, Rückertgasse 9, A-8010 Graz. E-Mail: heinrich.grillhofer@unigraz.at GUGER Christoph, Dipl.Ing. Dr.techn., g.tec medical engeneering GmbH, Guger Technologies OEG, Sierningstrasse 14, A-4521 Schiedlberg. E-Mail: guger@gtec.at HÖGENAUER Christoph, Univ.-Prof. Dr.med., Klinische Abteilung für Gastroenterologie und Hepatologie, Universitätsklinik für Innere Medizin, ARGE Alpinmedizin, Auenbruggerplatz 15, A-8036 Graz. E-Mail: christoph.hoegenauer@meduni-graz.at KIRSCHNER Werner, Dr., Institut für Sportwissenschaften, Leopold Franzens Universität Innsbruck, Fürstenweg 185, A-6020 Innsbruck. EMail: werner.kirschner@uibk.ac.at
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LAZAR Reinhold, Univ.-Prof. Dr., Institut für Geographie und Raumforschung, Universität Graz, Heinrichstraße 36, A-8010 Graz. E-Mail: reinhold.lazar@uni-graz.at PAAL Peter, Dr.med., ICAR MEDCOM, Universitätsklinik für Anästhesie und Allgemeine Intensivmedizin, Medizinische Universität Innsbruck, Anichstraße 35, A-6020 Innsbruck. E-Mail: peter.paal@uibk.ac.at SCHATZ Bernd, OA Dr. med., Universitätsklinik für Unfallchirurgie, Medizinische Universität Graz, ARGE Alpinmedizin, Auenbruggerplatz 7a, A-8036 Graz. E-Mail: bernd.schatz@klinikum-graz.at SCHOBERSBERGER Wolfgang, Univ.-Prof. Dr. med., Vizepräsident der ÖGAHM, Vorstand am Institut für Urlaubs-, Reise- und Höhenmedizin, Private Universität für Gesundheitswissenschaften, Medizinische Informatik und Technik (UMIT), Eduard Wallnöfer-Zentrum 1, A-6060 Hall in Tirol. E-Mail: wolfgang.schobersberger@umit.at SZUBSKI Christoph, Mag., Institut für Sportwissenschaften, Leopold Franzens Universität Innsbruck, Fürstenweg 185, A-6020 Innsbruck. EMail: christoph.szubski@umit.at WAANDERS Robb, Dr.med., Kassier der ÖGAHM, Bahnhofstraße 16/2, A-6800 Feldkirch. E-Mail: robb.waanders@lkhr.at WÖHRNSCHIMMEL Eva, Dr.med., ARGE Alpinmedizin, Medizinische Universität Graz, Auenbruggerplatz 20, A-8036 Graz. E-Mail: eva.weiz@aon.at WIRNSBERGER Gerhard, Univ.-Prof. Dr.med., Klinische Abteilung für Nephrologie, Medizinische Universitätsklinik Graz, Auenbruggerplatz 15, A-8036 Graz. E-Mail: gerhard.wirnsberger@meduni-graz.at
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Martin Burtscher und Pierre Sachse
Das individuelle Anstrengungsempfinden i m B e r gspor t Rating of perceived exertion in mountain sports activities S U M M A RY The simple evaluation of the individual and current psychophysical performance in mountain sports is of utmost importance. Whether the rating of the perceived exertion represents an adequate tool for this evaluation will be discussed. Based on the Stevens power law, Borg introduced a scale for the relatively simple determination of the current perceived exertion. Empirical findings clearly indicate that the perceived exertion summarizes all factors influencing the exercise tolerance. Therefore, the perceived exertion represents a simple tool for the optimization of exercise intensity, acclimatization, and safety and thus may help to maximize the success of mountaineering activities. Keywords: perceived exertion, psychophysical performance, mountaineering, exercise tolerance
Z U S A M M E N FA S S U N G Die einfache Bestimmung der aktuellen physischen und psychischen Leistungsfähigkeit bei der Bergsportausübung ist von großer Bedeutung. Inwieweit dabei das individuelle Anstrengungsempfinden als ein mögliches Kriterium für diese Beurteilung herangezogen werden kann, wird diskutiert. Basierend auf der Stevens´schen Potenzfunktion wurde die Borg-Skala eingeführt, die ein einfaches, aber effektives und relativ valides Hilfsmittel zur Bestimmung des Anstrengungsempfindens darstellt. Empirische Befunde machen deutlich, dass das subjektive Anstrengungsempfinden als Gesamtausdruck der die Belastungstoleranz beeinflussenden Faktoren verstanden werden kann und somit ein einfaches Werkzeug zur individuellen Belastungsdosierung, zur Optimierung der Akklimatisation und Sicherheit und damit zur Maximierung des Tourenoder Expeditionserfolges darstellt. Schlüsselwörter: Anstrengungsempfinden, psychophysische Leistungsfähigkeit, Bergsport, Belastungstoleranz
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EINLEITUNG Die körperliche und psychische Leistungsfähigkeit im Bergsport trägt nicht nur zum Gipfelerfolg, sondern auch zum Genuss und Erlebniswert sowie zur Sicherheit der Unternehmung bei (1). Die individuelle Leistungsfähigkeit wird durch verschiedene Faktoren beeinflusst, die am Berg im Vergleich zum Tal ganz andere Bedeutung erlangen können. Neben dem allgemeinen Trainingszustand sind es beispielsweise die Höhe, Wegbeschaffenheit, Witterung, das Schuhwerk und die Kleidung sowie Tragelast, die das individuelle Belastungsempfinden und somit die Leistungsfähigkeit in ungewohnter Weise beeinflussen. So können einerseits die Beinkraft bei steilem Anstieg und schwerer Zusatzlast, Kälte bei inadäquater Ausrüstung oder Atemnot bei obstruktiver Atemwegserkrankung rasch zur Leistungslimitierung führen. Andererseits erfährt der anfängliche Abfall der Dauerleistungsfähigkeit bei akuter Höhenexposition schon nach wenigen Tagen wieder eine deutliche Verbesserung (2). Alle diese Veränderungen sind komplexer Natur und von charakteristischen physiologischen Reaktionen begleitet, die allerdings ihren kumulativen Niederschlag am ehesten im subjektiven Anstrengungsgefühl finden. Für die individuelle Optimierung der Belastungsgestaltung ist eine möglichst zuverlässige Beurteilung des Einflusses der angeführten Veränderungen notwendig. Inwieweit dabei das individuelle Anstrengungsempfinden ein mögliches Kriterium für diese Beurteilung darstellt, soll in den nachfolgenden Ausführungen diskutiert werden.
PSYCHOPHYSISCHES GESETZ: STEVENS`SCHE POTENZFUNKTION Stanley S. Stevens hat zweifellos zum modernen Verständnis der Psychophysik – der Wechselwirkung zwischen objektiv messbaren physischen Prozessen und dem subjektiven mentalen Erleben – beigetragen (3). Er beschreibt die Beziehung zwischen der menschlichen Empfindungsstärke (E) und der Reizstärke (R) als Potenzfunktion: E ~ Rn. Physiologische Experimente zeigen, dass dieser Zusammenhang auch für objektive Parameter der Reizverarbeitung gilt. Während der Exponent meistens < 1 ist und damit die Empfindungsstärke deutlich langsamer wächst als die Reizstärke, beträgt er für das Belastungsempfinden etwa 2 (4). Das heißt, dass beispielsweise eine Verdoppelung der Leistung am Fahrradergometer eine 4-fache Zunahme des Belastungsempfindens bewirkt. Aber auch der Zeitfaktor bei gleich bleibender Belastung beeinflusst das Belastungsempfinden. Der Zeitexponent beträgt etwa 0,4 (4). Das bedeutet einerseits, dass trotz gleich bleibender Belastung (Reizstärke) das Anstrengungsgefühl (Empfindungsstärke) allmählich zunimmt, andererseits aber auch,
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dass bei nur geringer Reduktion der Belastungsintensität die Belastungsdauer bis zur Erschöpfung markant zunimmt.
ANSTRENGUNGSEMPFINDEN: BORG-SKALA Die Stevens´sche Potenzfunktion ist dann nicht leicht in die Praxis umzusetzen, wenn es darauf ankommt, das Belastungsempfinden oder Anstrengungsgefühl verschiedener Personen zu vergleichen. So wurde von Borg eine Skala von 0–10 (und zuvor eine andere von 6–20) zur Beurteilung des Anstrengungsgefühls entwickelt und geprüft (Rate of perceived exertion) (5). Das subjektive Anstrengungsempfinden wird durch Begriffe wie leicht, mittel oder schwer charakterisiert und diesen Werten zugeordnet (siehe Tabelle 1). Ein besonderer Vorteil der individuellen Erfassung des Anstrengungsempfindens liegt in der Möglichkeit, Empfindungen aus Muskulatur, Atmung oder HerzKreislauf-System getrennt zu erfassen und ferner die verschiedensten Einflüsse als Gesamtempfindung auszudrücken (Abb. 1). Die Borg-Skala (6) kann als ein einfaches, aber effektives und relativ valides Hilfsmittel zur Bestimmung des Anstrengungsempfindens erachtet werden.
Tabelle 1: Borg-Skala
Anstrengungsempfinden
Wertung
Null Sehr leicht Leicht Moderat Etwas schwer Schwer
0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10
Sehr schwer Sehr, sehr schwer Maximal
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Undifferenzierte Anstrengung Abneigung
Körperliche Anstrengung
Motivation
Kardio-pulmonale Anstrengung
Allgemeine Anstrengung
Lokal muskuläre Anstrengung
Schwitzen, Kurzatmigkeit, Müdigkeit Unbehagen, Herzklopfen Beschwerden
Muskelschmerzen, Antrieb, “Schwere” Beine Energie, Entschlossenheit
Physiologische Reaktionen Abb. 1: Entstehung des undifferenzierten Anstrengungsempfindens (modifiziert nach Pandolf et al., 7) Insbesondere im Bergsport, bei welchem u.a. Faktoren wie der Trainingszustand, die akuten Höhenreaktionen, die Bergerfahrung und das Rucksackgewicht die Leistungsfähigkeit unmittelbar beeinflussen, ist die Beurteilung des Anstrengungsempfindens und dessen Determinanten besonders dienlich.
ANSTRENGUNGSEMPFINDEN: EMPIRISCHE BEFUNDE Bei einem Wingate-Test (supramaximale Belastung für 30 Sekunden) zum Beispiel ist das subjektive Anstrengungsempfinden schon nach wenigen Sekunden maximal und wird fast unerträglich, obwohl die Leistung schon nach 8–10 Sekunden wieder deutlich abfällt. Die Diskrepanz zwischen dem „zentralen Befehl“ (central command) zur maximalen Leistung und dem tatsächlichen Abfall der Leistung führt zum Gefühl der Ermüdung. Bei einem ansteigenden Belastungstest am Fahrrad in Tallage „hinkt“ bei Normalpersonen das atembedingte Anstrengungsempfinden etwas dem Anstrengungsempfinden aus der Arbeitsmuskulatur der Beine nach (Abb. 2). Somit führt die Beinermüdung zum Abbruch. Bei einer Belastung am Handkurbelergometer sind die Verhältnisse ähnlich, nur wird hierbei der Abbruch bei wesentlich geringerer Leistung der vergleichsweise schwächeren Armmuskulatur erreicht (Abb. 3). 14
maximal
10 maximal sehr, sehr schwer 9 sehr schwer schwer etwas schwer moderat leicht sehr leicht
sehr, sehr schwer
8 7 6 5 4 3 2 1 0
10 9
Arme Atmung
8
Beine Atmung
sehr schwer
7 6
schwer etwas schwer
5
moderat leicht
3
sehr leicht
4 2 1 0
0
50 100 150 200 250 300
0
15
30
45
60
75
Leistung (Watt)
Leistung (Watt)
Abb. 2 / 3: Anstrengungsempfinden in den Beinen bzw. Armen oder durch die Atmung hervorgerufen bei einer ansteigenden Fahrrad- (Abb. 2, aus Ref. 8) oder Armergometrie (Abb.3, aus Ref. 9) bei gesunden Personen. Wenn eine Fahrradergometrie bei Personen mit einer obstruktiven Atemwegserkrankung durchgeführt wird, fällt auf, dass die atmungsbedingte Anstrengung bei den jeweiligen Intensitätsstufen ähnlich ausgeprägt ist wie das Anstrengungsempfinden in den Beinen. maximal 10 sehr, sehr schwer 9 8 sehr schwer 7 6 schwer 5 etwas schwer moderat leicht sehr leicht
Beine Atmung
4 3 2 1 0 0
50
100
150
Leistung (Watt)
Abb. 4: Anstrengungsempfinden in den Beinen oder durch die Atmung hervorgerufen bei einer ansteigenden Fahrradergometrie bei Personen mit obstruktiver Atemwegserkrankung (aus Ref. 10). Wir führten mit 15 Personen einen Stufentest in Tallage und anschließend an 3 aufeinander folgenden Tagen in einer Höhe von etwa 3.500 m durch (11). Wurde die Untersuchungsgruppe in gut trainierte und weniger trainierte Personen geteilt, zeigte sich bei den weniger trainierten Probanden ein durchwegs deutlicheres Anstrengungsgefühl als bei den gut trainierten (Abb. 5). Wurden Personen mit AMS-Symptomen (acute mountain sickness) mit jenen ohne derartige Symptome verglichen, stieg das Anstrengungsgefühl am ersten Höhentag verglichen zu Tallage in der AMS-Gruppe signifikant mehr an als bei Personen
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ohne AMS (vgl. Abb. 6). Wenn die AMS-Symptome am dritten Tag wieder abgeklungen waren, war auch das Anstrengungsempfinden in beiden Subgruppen wieder gleich. Dies demonstriert anschaulich, wie gut die Borg-Skala geeignet ist, die verschiedenen Einflüsse auf die Belastungstoleranz integriert zu erfassen. maximal 10 sehr, sehr schwer 9 8 sehr schwer 7
maximal 10 sehr, sehr schwer 9 8 sehr schwer 7
Gut trainiert Wenig trainiert
6
schwer etwas schwer moderat leicht sehr leicht
AMS+ AMS-
6
5 4 3
schwer
5
etwas schwer moderat
4
2 1 0
leicht sehr leicht
2
*
3 1 0
Tal
Höhe1
Höhe2
Höhe3
Tal
Höhe1
Höhe2
Höhe3
Abb. 5 / 6: Veränderung des allgemeinen Anstrengungsempfindens während eines Stufentests im Tal und an 3 aufeinander folgenden Höhentagen (3.500 m). In der Abb. 5 werden gut trainierte und weniger trainierte Personen verglichen und in der Abb. 6 Personen mit Symptomen der akuten Bergkrankheit (am 1. Tag in der Höhe) und jenen ohne Symptome (11). 5,5
schwer
5,0 4,5
etwas schwer
4,0 3,5
moderat
3,0 2,5
leicht
2,0
R2 = 0,9
1,5 2,5
3,0
3,5
4,0
4,5
5,0
5,5
Blutlaktat (mmol/l)
Abb. 7: Zusammenhang zwischen der Blutlaktatkonzentration und dem Anstrengungsempfinden bei einem Stufentest am ersten Tag des Höhenaufenthaltes (3.500 m). Wir fanden bei allen Tests, besonders aber am 1. Höhentag, eine enge Korrelation zwischen dem subjektiven Anstrengungsempfinden und der Blutlaktatkonzentration (Abb. 7). Ähnliche Zusammenhänge mit dem Anstrengungsge-
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fühl werden auch für andere Belastungsreaktionen wie das Atemminutenvolumen, die Sauerstoffaufnahme, die Kohlendioxidabgabe oder die Herzfrequenz berichtet (12). Dies unterstreicht zwar die Nahbeziehung der differenzierten und undifferenzierten Anstrengungsempfindungen zu metabolischen und kardiorespiratorischen Parametern (vgl. Abb. 1), dennoch sind diese aufwändiger erfassbar und scheinen für den interindividuellen Vergleich weniger brauchbar als das subjektive Anstrengungsgefühl.
RESÜMEE Die Ergebnisse machen deutlich, dass das subjektive Anstrengungsempfinden als Gesamtausdruck der die Belastungstoleranz beeinflussenden Faktoren verstanden werden kann und somit ein einfaches Werkzeug zur individuellen Belastungsdosierung, zur Optimierung der Akklimatisation und Sicherheit und damit zur Maximierung des Touren- oder Expeditionserfolges darstellt. Für weitere, differenzierte Studien (auch zum Anstrengungsempfinden) im Bereich des Bergsports erachten wir es für sinnvoll, grundlegende Erkenntnisse aus der (Arbeits-)Psychologie zur Belastungs-/ Beanspruchungsforschung unmittelbar einzubeziehen. In diesen Konzepten wird zwischen äußerlich beobachtbaren Belastungen und deren Wirkungen unterschieden. Dabei wird unter psychischer Belastung („stress“) die Gesamtheit aller erfassbaren Einflüsse, die von außen auf den Menschen zukommen und psychisch auf ihn einwirken, verstanden. Psychische Beanspruchung („strain“) steht hingegen für die zeitlich unmittelbare und nicht langfristige Auswirkung der psychischen Belastung auf die Person in Abhängigkeit von ihren eigenen habituellen und augenblicklichen Voraussetzungen einschließlich der individuellen Auseinandersetzungsstrategien (13, 14).
L I T E R AT U R (1)
Burtscher, M.: Endurance performance of the elderly mountaineer: requirements, limitations, testing, and training. Wien. Klein. Wochenschrift 116, 703–714 (2004)
(2)
Burtscher, M., Faulhaber, M., Flatz, M., Likar, R., Nachbauer, W.: Effects of short-term acclimatization to altitude (3.200 m) on aerobic and anerobic exercise performance. Int. J. Sports Med. 27, 629–635 (2006)
(3)
Stevens, S.S.: On the psychophysical law. Psychological Review. 64 (3), 153–181 (1957)
17
(4)
Jones, N.L., Killian, K.J.: Exercise limitation in health and disease. NEJM 343, 632–641 (2000)
(5)
Borg, G.: Psychophysical studies of effort and exertion: some historical, theoretical and empirical aspects. In: Borg G., Ottoson D. eds. The perception of exertion in physical work. London, Macmillan Press: 3–12 (1986)
(6)
Borg, G.: Borg’s perceived exertion and pain scales. Human Kinetics: Champaign (1998)
(7)
Pandolf, K.B., Burse, R.L., Goldman, R.F.: Differentiated ratings of perceived exertion during physical conditioning of older individuals using leg-weight loading. Perecp. Motor Skills 40, 563–574 (1975)
(8)
Kearon, M.C., Summers, E., Jones, N.L., Campbell, E.M., Killian, K.J.: Effort and dyspnoea during work of varying intensity and duration. Eur. Respir. J. 4, 917–925 (1991)
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Capodaglio, E.M.: Comparison between the CR10 Borg´s scale and the VAS (visual analog scale) during an arm-cranking exercise. J. Occup. Rehab. 11, 69–74 (2001)
(10) Hamilton, A.L., Killian, K.J., Summers, E., Jones, N.L.: Muscle strength, symptom intensity, and exercise capacity in patients with cardiorespiratory disorders. Am. J. Respir. Crit. Care Med., 152, 2021–2031 (1995) (11) Burtscher, M., Quinn, C., Lämmle, T., Moser, P.: Fitnessabhängige Blutlaktatkonzentration bei submaximaler Belastung während eines 3-tägigen Höhenaufenthaltes (3.480 m). In: Domej, W., Schobersberger, W., Waanders, R., Bergold, F. eds. Jahrbuch 2005, Österr. Ges. für Alpin- und Höhenmedizin, Innsbruck: 143–152 (2005) (12) LeMura, L.M., von Duvillard, S.P., Stanek, F.: Time course changes and physiological factors related to central and peripheral determinants of perceived exertion in highly trained adolescent alpine skiers. JEP 4, 29–40 (2001) (13) Hacker, W.: Allgemeine Arbeitspsychologie. Psychische Regulation von Wissens-, Denk- und körperlicher Arbeit. Huber: Bern (2005) (14) Richter, P., Hacker, W.: Belastung und Beanspruchung. Asanger: Heidelberg (1998) 18
We r n e r K i r s c h n e r, R e i n h a r d P ü h r i n g e r, W i l l i G e s e r, B e r n h a r d P e n z
Der Zusammenhang zwischen ausgewählten Persönlichkeitsmerkmalen und körperlicher Fitness bei Heeresbergführern S U M M A RY This investigation examines at a group of 61 male army members, who are involved in Austrian alpine education, if various personality features and stressspecific parameters which have an empirically and theoretically reasonable connection to sports activities are also related to physiological and sportsspecific parameters. As physical fitness is a major professional target for this occupational group, we additionally assume that it is also influenced by jobrelated behaviour patterns. Psychological features were recorded by the following standardised questionnaires: the scales of distraction, reaction control, resignation tendency, trivialisation, flight and positive self-instruction by the “Stress Processing Questionnaire“ (SVF / SPQ). Neuroticism, extroversion and conscientiousness by the “Neo-Five-Factor-Inventory“ by Costa and McCrae in the German version (Neo-FFI). The scales of competence conviction and internal control conviction by the “Questionnaire about Competence and Control Conviction“ (FKK / QCC). The scales subjective significance of work, ambition, willingness to tire out, striving for perfection, experiencing success and satisfaction in life by the questionnaire developed to record “Work-related Behaviour and Experience Patterns“ (AVEM/WBEP). Physical fitness was recorded by means of lactate spiroergometry (bicycle ergometry: 3 min/50 watts, increase up to exhaustion) and various sports-specific tests (balance: Stabilometer – 30 seconds; strength: arm muscles/trunk muscles; speed of reaction: 4-way-reaction; flexibility: trunk-bend forward). The feature extraversion shows the highest correlation with the sports-related abilities which were investigated, especially on endurance ability and strength. Neuroticism is negatively connected to the majority of the sports-related abilities investigated. The more pronounced the persuasion of competency, the better flexibility and strength values of abdominal and back muscles, which also tend to show a significant connection with internal conviction about control. As far as work-related attitude patterns are concerned, a 19
positive attitude towards a mountain guide’s work is accompanied by a higher development of motor strength. Experiencing success in a military mountain guide’s work correlates positively with flexibility and tends to correlate positively with endurance values. There is a clear connection between satisfaction in life and endurance performance ability. As far as habitual patterns for coping with stress are concerned, relatively few significant connections were found. Especially in features which are closely connected to sports activities (e.g. situation control) no significant connections to the parameters of performance ability in sports were shown. Keywords: Army, Stress Processing Questionnaire, endurance performance, personality features
Z U S A M M E N FA S S U N G Die vorliegende Untersuchung überprüft an einer Gruppe von 61 in der österreichischen Alpinausbildung tätigen Heeresangehörigen (männlich), ob diverse Persönlichkeitsmerkmale und stressspezifische Parameter, die in einer empirisch und theoretisch begründbaren Beziehung zu sportlichen Aktivitäten stehen, auch mit physiologischen und sportmotorischen Parametern zusammenhängen. Da körperliche Fitness in dieser Berufsgruppe ein zentrales Berufsziel darstellt, nehmen wir außerdem an, dass sie auch von arbeitsbezogenen Verhaltensmustern beeinflusst wird. Die psychologischen Merkmale wurden mit Hilfe der folgenden standardisierten Fragebögen erfasst: Die Skalen Ablenkung, Reaktionskontrolle, Resignationstendenz, Bagatellisierung, Flucht und positive Selbstinstruktion des Stressverarbeitungsfragebogens (SVF). Neurotizismus, Extraversion und Gewissenhaftigkeit des Neo-Fünf-Faktoren-Inventars nach Costa und McCrae in der deutschen Fassung (Neo-FFI). Die Skalen Kompetenzüberzeugung und internale Kontrollüberzeugung aus dem Fragebogen zu Kompetenz- und Kontrollüberzeugungen (FKK). Die Skalen subjektive Bedeutung der Arbeit, Ehrgeiz, Verausgabungsbereitschaft, Perfektionsstreben, Erfolgserleben und Lebenszufriedenheit des Fragebogens zur Erfassung Arbeitsbezogener Verhaltens- und Erlebensmuster (AVEM). Die körperliche Fitness wurde mittels Laktat-Spiroergometrie (Fahrradergometrie: 3 min/50 Watt Steigerung bis zur Ausbelastung) und einer Reihe sportmotorischer Tests (Gleichgewicht: Stabilometer – 30 Sekunden); Kraft: Armmuskulatur/Rumpfmuskulatur; Reaktionsschnelligkeit: 4-fach-Reaktion; Beweglichkeit: Rumpfbeuge vorwärts) erfasst. Das Merkmal Extraversion korreliert am stärksten mit den erhobenen sportmotorischen Fähigkeiten, insbesondere mit der Ausdauerleistungsfähigkeit und 20
der Kraft. Neurotizismus steht mit einem Großteil der erhobenen sportmotorischen Fähigkeiten in einem negativen Zusammenhang, Je höher die Kompetenzüberzeugung ausgeprägt ist, desto besser sind die Beweglichkeit und die Kraftwerte der Bauch- und Rückenmuskulatur, die auch mit internaler Kontrollüberzeugung in einem der Tendenz nach signifikanten Zusammenhang steht. Was die arbeitsbezogenen Einstellungsmuster betrifft, gehen positive Einstellungen zur Arbeit des Bergführers mit höheren Ausprägungen der motorischen Kraft einher. Erfolgserleben im Beruf des Heeresbergführers korreliert positiv mit Beweglichkeit und der Tendenz nach positiv mit Ausdauerwerten. Lebenszufriedenheit steht in einem deutlichen Zusammenhang mit der Ausdauerleistungsfähigkeit. In Bezug auf die habituellen Stressverarbeitungsmuster konnten relativ wenige signifikante Zusammenhänge festgestellt werden. Gerade bei Merkmalen, die in einem engen inhaltlichen Zusammenhang mit sportlicher Aktivität (z.B. Situationskontrolle) stehen, zeigten sich keine signifikanten Zusammenhänge zu den Parametern der sportlichen Leistungsfähigkeit. Schlüsselwörter: Alpinausbildung, Heeresbergführer, körperliche Fitness, psychologische Merkmale
PROBLEMSTELLUNG Es gehört zu den beruflichen Aufgaben von Heeresbergführern, sich durch qualifiziertes Training um eine körperliche Fitness auf hohem Niveau und sehr gute sportliche Leistungsfähigkeit zu bemühen. Inwieweit die Verbesserung körperlicher Leistungsfähigkeit mit hervorragenden psychischen Fähigkeiten (z.B. Stressresistenz, Umgang mit außergewöhnlichen Belastungen) einhergeht, ist Gegenstand einer am Institut für Sportwissenschaften in Zusammenarbeit mit dem Institut für Psychologie der Universität Innsbruck und dem österreichischen Bundesheer durchgeführten Studie. Zahlreiche Untersuchungen an Sportlern unterschiedlicher Sportarten belegen (1), dass deren körperliche Leistungsfähigkeit sowie deren physisches und psychisches Wohlbefinden in einem positiven Zusammenhang mit ausgewählten Persönlichkeitsmerkmalen (z.B. Kompetenzüberzeugung, Stressbewältigung) stehen. Ein zu vermutender Zusammenhang zwischen sportlicher Aktivität und Stressbewältigung ergibt sich aus der Tatsache, dass sportliche Tätigkeit zu einem großen Teil aus der Bewältigung von Stresssituationen besteht. In einschlägigen sportpsychologischen Arbeiten konnte nachgewiesen werden, dass intensi21
ve sportliche Tätigkeit zu Veränderungen in der habituellen Stressbewältigung führt (2). Da vermutlich der im Rahmen der Berufsausübung geleistete Trainingsumfang, die Trainingsintensität und die Qualität des Trainings von arbeits- und berufsbezogenen Einstellungen beeinflusst sind, kann angenommen werden, dass sich positive Arbeitseinstellungen bei Heeresbergführern auch in einer besseren körperlichen Leistungsfähigkeit niederschlagen. Die vorliegende Untersuchung überprüft, ob diverse Persönlichkeitsmerkmale und stressspezifische Parameter, die in einer empirisch und theoretisch begründbaren Beziehung zu sportlichen Aktivitäten stehen, auch mit physiologischen und sportmotorischen Parametern zusammenhängen. Da körperliche Fitness in dieser Berufsgruppe ein zentrales Berufsziel darstellt, nehmen wir außerdem an, dass sie auch von arbeitsbezogenen Verhaltensmustern beeinflusst wird. Die Studie wurde an einer Gruppe von 61 in der Alpinausbildung in Österreich tätigen Heeresangehörigen durchgeführt.
METHODE Folgende standardisierte Erhebungsinstrumente wurden im Rahmen der 7 Monate dauernden Erhebungsphase eingesetzt: Die Skalen Neurotizismus, Extraversion und Gewissenhaftigkeit des Neo-Fünf-Faktoren-Inventars nach Costa und McCrae in der deutschen Fassung (3). Die Skalen Kompetenzüberzeugung und internale Kontrollüberzeugung aus dem Fragebogen zu Kompetenz- und Kontrollüberzeugungen (4). Die psychologischen Merkmale ausgewählter Stressmechanismen wurden mit Hilfe folgender Fragebögen erfasst: Die Skalen Ablenkung, Reaktionskontrolle, Resignationstendenz, Bagatellisierung und Flucht des Stressverarbeitungsfragebogens (5). Die Skalen Subjektive Bedeutung der Arbeit, Ehrgeiz, Verausgabungsbereitschaft, Perfektionsstreben, Erfolgserleben und Lebenszufriedenheit des Fragebogens zur Erfassung arbeitsbezogener Verhaltens- und Erlebensmuster (6). Die körperliche Fitness wurde mittels Laktat-Spiroergometrie (Fahrradergometrie: 3 min/50 Watt Steigerung bis zur Ausbelastung) und einer Reihe sportmotorischer Tests [Koordinationsfähigkeit; Kraft (Armmuskulatur/Rumpfmuskulatur); Reaktionsschnelligkeit: 4-fach-Reaktion; Beweglichkeit: Rumpfbeuge vorwärts] erhoben.
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ERGEBNISSE NEO-FFI
Bedeutung der Arbeit
Ehrgeiz
Verausgaben
Perfektion
Erfolg
Lebenszufriedenheit
Ablenkung
Reaktionskontrolle
Resignat. Tendenz
Bagatellisierung
Situationskontrolle
Flucht
Reaktion
-0,07
0,19
-0,15
-0,01
-0,13
0,24
0,00
0,11
-0,02
-0,05
-015
0,02
-0,04
0,12
-0,12
-0,19
0,08
Hangkraft
0,13
-0,03
0,25
0,07
0,07
0,28
0,36
0,37
0,30
0,26
0,06
0,09
0,11
0,08
0,14
0,22
0,21
Beugehang
0,39
-0,24
0,04
0,04
0,08
-0,18
-0,02
-0,04
-0,02
0,24
0,23
0,03
0,00
-0,06
0,25
0,17
-0,09
Rumpfkraft
0,09
0,02
0,00
0,27
0,24
0,10
-0,03
0,21
0,16
-0,02
-0,02
0,12
-0,02
0,03
-0,10
0,23
0,04
Koordination
0,17
-0,13
0,19
0,04
-0,13
0,04
-0,08
0,01
0,08
0,13
0,13
0,09
0,06
0,01
0,18
0,06
0,09
Beweglichkeit
0,36
-0,13
-0,02
0,24
0,21
-0,25
-0,11
-0,10
0,21
0,26
-0,03
0,12
-0,02
-0,03
0,33
0,22
-0,13
HF4 MMOL
0,26
-0,15
0,20
0,16
0,07
0,01
0,11
0,12
0,16
0,24
0,37
0,35
0,03
-0,07
0,25
0,14
0,11
VO2 MAX
0,25
-0,24
0,20
0,11
-0,02
0,12
0,02
-0,06
-0,04
0,25
0,36
-0,03
0,02
-0,01
0,44
-0,01
-0,08
VO2 4mml
0,27
-0,23
0,11
0,16
-0,01
0,10
-0,10
-0,06
0,27
0,20
0,47
0,07
0,10
-0,06
0,20
0,13
-0,29
Max. Wattleist.
0,22
-0,25
0,19
0,03
-0,04
0,00
-0,06
-0,09
-0,01
0,22
0,32
0,07
-0,03
-0,06
0,11
-0,01
-0,09
Extraversion
Internale Kontrolle
SVF-120
Selbstkompetenz
AVEM
Gewissen
FKK
Neurotizismus
ERGEBNISSE
Wie in oben stehender Tabelle ersichtlich ist, korreliert das Merkmal „Extraversion“ (Probanden mit hohen Werten in Extraversion sind gesellig, aktiv, gesprächig, heiter und optimistisch) am stärksten mit den erhobenen sportmotorischen Fähigkeiten, insbesondere mit der Armkraft und der Beweglichkeit. „Neurotizismus“ (Probanden mit hohen Werten in Neurotizismus neigen dazu, nervös, traurig, unsicher, ängstlich und verlegen zu sein) beeinflusst vor allem die Ausdauerleistungsfähigkeit negativ. Das Persönlichkeitsmerkmal „Gewissenhaftigkeit“ (die Skala Gewissenhaftigkeit unterscheidet ordentliche, zuverlässige, ehrgeizige, pünktliche, disziplinierte und systematische von nachlässigen und gleichgültigen Personen) korreliert zufrieden stellend mit einem Kraftmaß. Je höher die Ausprägung der „Kompetenzüberzeugung“ (Person mit hohem Selbstvertrauen, die in Problemsituationen viele Handlungsmöglichkeiten sieht) und der „internalen Kontrollüberzeugung“ (Person, die über wichtige Ereignisse im Leben bestimmt und die eigenen Handlungen als wirksam und effektiv erlebt) ist, desto besser sind Beweglichkeit und Kraftwerte der Rumpfmuskulatur. Was die „Arbeitsbezogenen Einstellungsmuster“ betrifft, gehen positive Einstellungen zur Arbeit einher mit höheren Ausprägungen der Kraftfähigkeit. Heeresbergführer, die beruflich nach einem „Höchstmaß an Perfektion“ streben, zeigen offensichtlich bessere Werte in der Ausdauerleistungsfähigkeit. Der Aspekt „Erfolgserleben im Beruf“ des Heeresbergführers steht in einem positiven Zusammenhang mit Beweglichkeit, Kraft- und mit Ausdauerwerten. Die „Lebenszufriedenheit“ (Zufriedenheit mit der gesamten, auch über die Arbeit hinausgehenden Lebenssituation) steht in einem deutlichen, positiven Zusammenhang mit der Ausdauerleistungsfähigkeit.
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Im Rahmen der „Stressverarbeitenden Strategien“ (SVF-120) ergaben sich die deutlichsten Zusammenhänge für den Faktor „Bagatellisierung“ (Intensität, Dauer oder Gewichtigkeit einer Belastung herabspielen) und zwar in Bezug auf die Beweglichkeit und Ausdauerleistungsfähigkeit. Der Faktor „Flucht“ (Resignative Tendenz bei Belastungen) korreliert negativ mit der maximalen Sauerstoffaufnahmefähigkeit. Nicht interpretierbar ist der negative Zusammenhang zwischen subjektiver Bedeutung der Arbeit und Beweglichkeit. In Bezug auf die habituellen Stressverarbeitungsmuster konnten relativ wenige signifikante Zusammenhänge festgestellt werden. Gerade bei Merkmalen, die in einem engen inhaltlichen Zusammenhang mit sportlicher Aktivität (z.B. Situationskontrolle) stehen, zeigten sich keine signifikanten Zusammenhänge zu den Parametern der sportlichen Leistungsfähigkeit.
RESÜMEE Es zeigte sich, dass Persönlichkeitsmerkmale im engeren Sinn und arbeitsbezogene Einstellungen in einem Zusammenhang mit physiologischen und motorischen Merkmalen stehen. Die Korrelationen sind insgesamt allerdings eher niedrig. Die Extraversion korreliert mit nahezu allen Parametern der physischen Leistungsfähigkeit. Da Extraversion in einem positiven Zusammenhang mit beruflicher Motivation steht, kann angenommen werden, dass extravertiertere Heeresbergführer zu höheren physischen Leistungen bereit sind und dadurch ihre Ausdauerleistungsfähigkeit und Kraft verbessert ist. Die positiven Werte der Koordinationsfähigkeit könnten mit den bei Extraversion oft beobachteten habituellen physiologischen Reaktionsmustern zu tun haben. Neurotizismus verhält sich spiegelbildlich zu Extraversion und scheint die physische Leistungsfähigkeit eher zu beeinträchtigen. Arbeitsbezogene Verhaltens- und Erlebensmuster haben vermutlich gerade auf jene physischen Merkmale einen Einfluss, die im beruflichen Anforderungsprofil spezifisch sind. Heeresbergführer sind im hohen Maße Anforderungen ausgesetzt, die Armkraft erfordern, z.B. Klettern, Abseilen, schwere Ausrüstungsgegenstände tragen. Daher ist es plausibel, dass sich in diesem Merkmal die deutlichsten Zusammenhänge finden. Was die habituelle Stressverarbeitung betrifft, sind die Ergebnisse nicht erwartungskonform. Einzig das Stressverarbeitungsmuster „Bagatellisierung“ korreliert mit mehreren Leistungsparametern. Bei der Bewältigung von Anforde-
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rungen, die auch mit Gefahren, physischer Überforderung, Schmerzen etc. verbunden sind, scheint Bagatellisierung funktional zu sein. Der positive Zusammenhang zwischen Lebenszufriedenheit und Ausdauerleistung deutet darauf hin, dass die Verfassung (Status des Herz-Kreislauf-Systems) vermutlich am stärksten von allen physischen Leistungsmerkmalen mit allgemeinem Wohlbefinden assoziiert ist. Wir danken dem Österreichischen Bundesheer und den an der Untersuchung beteiligten Personen für die Bereitschaft zur Zusammenarbeit und die ausgezeichnete Kooperation bei der Durchführung der Untersuchung.
L I T E R AT U R (1)
Schlicht, W.: Sport und Primärprävention. Hogrefe: Göttingen (1994)
(2)
Stoll, O.: Persönlichkeitsprofile und habituelle Stressbewältigung. In: Sportwissenschaft (27), 2, 161–172 (1997)
(3)
Ostendorf, F., Angleitner, A.: NEO-PI-R. NEO Persönlichkeitsinventar nach Costa und McCrae. Revidierte Fassung. Göttingen: Hogrefe (2004)
(4)
Krampen, G.: Fragebogen zu Kompetenz- und Kontrollüberzeugungen (FKK). Göttingen: Hogrefe (1991)
(5)
Janke, W., Erdmann, G., Kallus, W.: Stressverarbeitungsfragebogen (SVF) mit SVF 120. Göttingen: Hogrefe (1997)
(6)
Schaarschmidt, U., Fischer, A.: AVEM. Arbeitsbezogenes Verhaltens- und Erlebnismuster. [Manual und Fragebogen mit Auswertungsblatt]. Frankfurt am Main: Swets (1996)
25
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C h r i s t o p h G u g e r, M a r k u s Ta n n h e i m e r, S t e f a n K r a u s e r t , Wo l f g a n g D o m e j , G ü n t e r E d l i n g e r
Veränderungen des EEG, EKG und der Konzentrationsfähigkeit mit der Höhe in simulierten Bedingungen, am Kilimanjaro und im Karakorum Changes in EEG, ECG and mental concentration with altitude in simulated conditions, on Kilimanjaro and in the Karakorum S U M M A RY With increasing altitude, the concentration of oxygen in the air remains constant but its partial pressure drops. In order to describe how this affects the body, experiments were performed in a hypobaric chamber (4.000 m), on Kilimanjaro (5.896 m) and in the Karakorum (6.304 m). The subjects had to perform a reaction time task at different altitudes. The EEG and ECG were recorded simultaneously. Additionally, the oxygen saturation of the blood was measured at different altitudes. The subjects filled out a Lake Louise questionnaire that describes the degree of altitude mountain sickness (AMS). On Kilimanjaro, the group also performed the d2-test of attention to quantify processing speed and concentration at different altitudes. This work explains the study design, the performed measurements and the planned signal analysis. Keywords: high altitude medicine, EEG, ECG, Lake Louis Score, d2-test
Z U S A M M E N FA S S U N G Mit dem Anstieg der Höhe bleibt die Konzentration des Sauerstoffs in der Luft konstant, allerdings sinkt der Sauerstoffpartialdruck ab. Um den Einfluss dieses Effektes auf den menschlichen Körper zu untersuchen wurden Experimente in einer Unterdruckkammer (4.000 m), am Kilimanjaro (5.896 m) und im Karakorum (6.304 m) durchgeführt. Die Versuchspersonen führten in verschiedenen Höhen einen Reaktionstest durch. Simultan wurde das EKG und
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das EEG gemessen. Zusätzlich wurde die Sauerstoffsättigung des Blutes auf verschiedenen Höhen erhoben. Die Versuchspersonen füllten auch einen LakeLouise-Fragebogen aus, um die Höhensymptomatik zu beschreiben. Am Kilimanjaro führte die Gruppe zusätzlich einen d2-Aufmerksamkeits- und Belastungstest durch. Diese Arbeit beschreibt das Studiendesign, die durchgeführten Messungen und die geplanten Auswertungen der Daten. Schlüsselwörter: Höhenmedizin, EEG, EKG, Lake-Louis-Score, d2-Test
INTRODUCTION Even with little subjective awareness of the reduced amount of oxygen at an altitude of 2.700 m, the cardiovascular and central nervous system are already affected (1). A study on the Dachstein showed that the heart rate (HR) increased from 69,1 bpm at 990 m altitude to 80,4 bpm at 2.700 m altitude in a group of 10 subjects (1). Additionally, heart-rate variability (HRV) parameters were decreased. The RMSSD (root mean square of squared differences of adjacent heart beat intervals) changed from 33,0 to 28,5 ms; the pNN50 (the number of heart beat intervals which differ by more than 50 ms divided by the total amount of heart beats) from 9,6 % to 0,9 % and the SDNN index (standard deviation of successive heart beat interval differences) from 58,1 ms to 41,1 ms. All changes were significant. The HRV parameters in the frequency domain can be used to describe the parasympathetic and sympathetic nervous systems. The normalized low frequency component (LFnorm), which describes the activity around 0,04–0,15 Hz, represents the activity of the sympathetic system. The normalized high frequency component (HFnorm) describes variations between 0,15 – 0,4 Hz and mainly represents the parasympathetic system. In the Dachstein study, LFnorm activity increased from 51,1 to 65,4 and HFnorm decreased from 35,1 to 25,0. The LF/HF ratio also increased from 2,1 to 4,4. This clearly shows that with the increase in altitude, the sympathetic system becomes more active compared to the parasympathetic system. These effects were also shown in a study in a hypobaric chamber at 5.000 m altitude (2) in long-term exposure studies to altitudes above 4.000 m (3,4,5) and in mountaineers at 2.700 m and 3.700 m (6). It is well known that the execution of movement is accompanied by a desynchronization of mu and central beta rhythms over the corresponding cortical representation areas (7). The movement-related power decrease in a specific frequency band (event-related desynchronization, ERD) can be found in EEG traces 28
measured over the sensorimotor areas during e.g. finger movements. A right hand finger movement produces an ERD in the left hemisphere close to electrode position C3 of the international 10/20 electrode system. Similarly, a left hand movement results in an EEG desynchronization over the right hemisphere close to C4. The recovery phase from the movement starts with movement offset and typically lasts between 1 and 2 seconds. In this phase, the mu rhythm slowly returns to its resting state while bursts of short-lasting oscillations in the beta band occur after the movement offset. The peak of such a postmovement beta event-related synchronization (ERS) occurs at about 0,6 to 1 second after movement offset (7). In contrast to an ERD, an ERS indicates a power increase in a specific frequency band. The post-movement beta ERS (beta rebound) occurs mainly on the contralateral side (with respect to the movement side) but also with a smaller amplitude on the ipsilateral side. It displays a strict somatotopic organization and coincides with reduced corticospinal excitability (8). An ERD in the alpha band is characteristic of perceptual, judgment and memory tasks. The power decrease is greater with increased task complexity or attention (9, 10). Event-related EEG changes were also analyzed in the Dachstein study. The subject had to press a button as fast as possible after a green light flashed. This button press was analyzed with the ERD and ERS method. The study showed that the ERD in the alpha range stayed almost constant between 990 m and 2.700 m, but the ERS (beta rebound) decreased from +42 % at 990 m to +12 % at 2.700 m. This study showed for the first time that the post-movement beta ERS (beta rebound) is significantly attenuated at the high altitude compared to the low altitude measurement (1). Both self-paced finger movement and electrical median nerve stimulation are terminated by a beta rebound of similar magnitude and latency (11). Corticospinal excitability was shown in the reaction time movement tasks to be significantly reduced in the first second after EMG offset (12). These findings support the hypothesis that beta ERS could be related to an idling or deactivated state (7,13), or even active immobilization of the motor cortex (14). Such a beta rebound originates mainly in the pre-central localized motor cortex and is attenuated or even suppressed during activation of the motor cortex (8,15). The beta ERS can therefore be seen as an inverse marker for the excitability level of motor cortex neurons with an attenuation when the excitability level is increased. The suppressed post-movement beta ERS at the altitude of 2.700 m may therefore be interpreted as a result of an increased cortical excitability level when compared with the reference altitude of 990 m (1). At an altitude of 2.700 m, essential sensory/motor functions are not inhibited, but the time to learn a new task is already increased (16).
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The ERD indicates the activated cortical areas involved in the processing of cognitive information and production of motor behaviour. An increased ERD can be the result of a larger neural network involved in the task of information processing. Such an enhancement of ERD can be found in Parkinson patients (17), in subjects with lower IQs (18) or during increased task complexity (19). ERD changes in the alpha band, however, were not significant when the results from 2.700 m and 990 m in the Dachstein study were compared. One explanation can be the relatively low altitude of 2,700 m. The present study therefore investigates the changes of ERD at higher altitudes. A higher ERD could be expected with increasing altitude. Furthermore, the changes of the beta-rebound will be investigated with the increasing altitude above 2.700 m. An interesting question is if the high altitude acclimatization also affects the ERD and the ERS. It can be expected that with successful adaptation, the beta-rebound will return to the values found at sea level. Studies also showed decreased finger-tapping speed, reduction of short-term memory and aphasic deficits (20) after hypoxic exposure to an altitude of 8.850 m in a chamber simulation. Mountaineers who had climbed above 8.500 m also showed a decrease in performance in a neuropsychometric test two to ten months after having returned to low altitude. The study showed EEG and magnetic resonance imaging (MRI) abnormalities (20). The findings support the presumption that non-life-threatening hypoxia may damage the brain at extreme altitudes. The present study introduces the d2-test as instrument to quantify the effect of altitude. It is a standard instrument for quantifying concentration, speed and attention in clinical and applied settings (21). The test was originally developed to investigate aptitude for driving a motor vehicle. Basically the subject has to differentiate similar visual symbols as fast as possible. The number of correctly processed items is a marker for individual attention and concentration performance. The test lasts approximately 5 minutes and can also be performed simultaneously by groups. The Lake Louise Score (LLS) was created in Canada in 1991 and 1993 (22). It is a simplified and standardized scoring system that allows diagnosis and quantification of mountain sickness in altitude research. Currently, it is widely used by mountaineers and trekkers because it is short, has a simple format and is easy to complete. The LLS is sensitive enough to detect altitude mountain sickness (AMS), but the very specific scoring system also avoids over-diagnosis. The present work describes the study design to investigate the changes of EEG, ECG, LLS, SpO2 and d2-test parameters during fast ascents and during acclimatization to high altitudes.
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EXPERIMENTS AND METHODS In summer 2006 experiments were performed at Kilimanjaro/Tanzania, in a hypobaric chamber in Königsbrück/Germany and during the first ascent to the Shimshal Whitehorn in the Karakorum/Pakistan. Participating subjects (i) Kilimanjaro In July 2006 eight healthy subjects (3 female, 5 male, 31–36 years) participated in the experiment on Kilimanjaro. 7 subjects participated the first time. 1 subject participated 2 years earlier in the same experiment in the Alps. 7 subjects were right handed, 1 subject was left handed. (ii) Königsbrück In September 2006 twelve healthy subjects (all male, 21–33 years) participated in the experiment in the hypobaric chamber in Königsbrück. All subjects participated the first time in the experiment. All 12 subjects were right handed. (iii) Shimshal In July 2006 four healthy subjects (1 female, 3 male, 31–37 years) climbed the Shimshal Whitehorn and performed the experiment. All subjects participated the first time in the experiment. All 4 subjects were right handed.
EXPERIMENTS The experiments at Kilimanjaro, in Königsbrück and at Shimshal consisted of different parts. First EEG and ECG data was acquired to investigate the autonomous and central nervous system during a reaction time task. Afterwards the oxygen saturation was measured and a Lake Louise Score questionnaire was filled out. Additionally, on Kilimanjaro a d2-test was performed. The subjects were informed of potential risks, where after a written consent was obtained. After arrival at a new altitude, the subjects rested at least for 1 hour prior to the experiment. A detailed description of the experiments is given below: (I) EEG, ECG, reaction time task EEG and ECG were recorded while the subjects performed a psycho-physiological experiment (reaction time task). Each measurement lasted about 6 minutes. The subjects were sitting in front of the flashing light and were instructed not to move during the experiment so as to assure high data quality. A Pocket PC-based EEG and ECG recording system g.MOBIlab (g.tec medi-
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cal engineering GmbH, Graz, Austria) was used for biosignal acquisition and to display the reaction time paradigm. One channel of ECG (Einthoven I) and two bipolar EEG channels were recorded. The EEG electrodes were mounted 2,5 cm posterior and 2,5 cm anterior to electrode positions C3 and C4 of the international 10/20 electrode system. Gold electrodes were used for a high signal quality. The EEG ground electrode was mounted on the forehead. Signals were recorded at a sampling frequency of 256 Hz and with a resolution of 16 Bits. The protocol of the reaction time experiment is illustrated in Figure 1. At second two a green or red light flashes for 200 ms. The subject's task is to press a button with the right index finger as fast as possible in response to a green flash but refrain in the case of a red flash. The duration of the trial is 5 seconds. To avoid adaptations of the subject, each trial is followed by a random interval of 0 to 2 seconds. The blinking sequence of the green light (50 times) and the red light (10 times) is randomly distributed. A complete experiment consists of 60 trials. Green light (50x) Red light (10x) Button Press 0-2s
0
1
2
3
4
5
6
7
Time [s]
Fig. 1: Timing of the paradigm. At 2 s of the trial a green or a red light flashes. If the green light flashes the subject has to press the button as fast as possible. The subject is not allowed to press the button if the red light flashes. (ii) Oxygen saturation The oxygen saturation (SpO2) was measured with a portable measurement device (SPO 5500 P, Graseby Medical Ltd, UK) which was fixed on the index finger. (iii) Lake Louise Score (LLS) The questionnaire contains 8 questions about headache, gastrointestinal symptoms, fatigue/weakness, dizziness, difficulty sleeping, mental status, ataxia and peripheral oedema. AMS is present if there was an altitude rise AND the per-
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son has headache AND at least another symptom AND a total score equal or above 5 is reached. The minimum score 0 means that the subject is healthy; the maximum score is 25. (iv) d2-test The test shows 14 rows with 47 signs each (total of 658 items) as shown in Figure 2. The task is to differentiate the symbols d or p with 1 to 4 dashes. Every d with 2 dashes has to be crossed out with a pencil. For each row 20 seconds are available. All other signs should not be marked. Each row contains 21 or 22 targets in random order. Each row is a small test on its own and allows the investigation of the performance over time. The test counts the number of items processed (TN), the percentage of errors (E%), the concentration performance (CP â&#x20AC;&#x201C; the number of correctly processed items minus the incorrectly crossed items), the errors (E) and the TN minus E (TN-E) as well as the fluctuation rate (FR). About 5 minutes are needed to perform the test. Important is that the test can also be performed by a group simultaneously.
Fig. 2: First 3 lines of the d2-test showing the processed items.
MEASUREMENT POINTS (i) Kilimanjaro The height profile of the Kilimanjaro climb is shown in Figure 3. First Mt. Meru was climbed for acclimatization and afterwards Mt. Kilimanjaro was climbed over the Machame route. The Machame route is one of the most popular routes of the mountain. In total the experiment was performed 3 times: (i) at 3,570 m at Saddle hut on the way to Mt. Meru, (ii) at 4,633 m in the Barafu camp on the way to the summit of Mt. Kilimanjaro and (iii) at sea level in Mombasa at 0 m altitude. The measurement lasted for all 8 subjects approximately for 1,5 hours at every measurement time point. Figure 4 shows the reaction time experiment performed on the way to Mt. Meru. 33
Fig. 3: Height profile of the Mt. Meru and Mt. Kilimanjaro climb. The numbers on the x-axis indicate the day; B – breakfast, L – lunch, D – dinner. The climb started at 1.380 m in Arusha. The first measurement point (MP) was at 3.570 m in the Saddle hut on the way to Mt. Meru. The second measurement point was at 4.633 m in the Barafu camp. This is the last camp before reaching the Uhuru Peak (highest summit of Mt. Kilimanjaro). The third measurement was performed at 0 m altitude in Mombasa 7 days after the climb.
Fig. 4. C. Guger during the EEG and ECG measurements at Kilimanjaro in the Saddle hut.
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(ii) Königsbrück The height profile artificially produced by the hypobaric chamber in Königsbrück is given in Figure 5. In total the experiment was performed first after 11 hours at 4,000 m and after one hour back on sea level. The 12 people were divided into 2 groups of 6 people to perform the experiment on different days because of the limited size of the hypobaric chamber and because of the handling of the experiments. The measurements lasted for 6 subjects approximately for 1 hour at every measurement time point. Figure 6 shows the subject sitting in the hypobaric chamber and performing the reaction time experiment.
Fig. 5: Height profile artificially produced by the hypobaric chamber in Königsbrück. The ascent started with an elevation gain of 1m/s until 1.000 m were reached. Thereafter the elevation gain was 5 m/s. Then a constant altitude of 4.000 m was kept for 12 hours. The descent was done with 5 m/s until sea level was reached again. The first measurement point (MP) was between hours 10 to 11. The second MP was 1 hour after returning to sea level between hours 13 and 14. (iii) Shimshal The height profile of the Shimshal climb is given in Figure 7. The experiment was performed 6 times. The measurements lasted for all subjects about 45 minutes. Figure 8 illustrates the experimental setup.
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Fig. 6: Measurements in the hypobaric chamber in KĂśnigsbrĂźck
Fig. 7: Height profile of the expedition in the Karakorum, Pakistan. The number on the x-axis indicates the day. After reaching Islamabad, the group took a jeep ride to Gilgit, Passu and Shimshal where the Shimshal Whitehorn was the first time visible. Therefore an initial experiment was performed at 2.500 m and at 3,100 m some days later. Then the first ascent of the Chukurrthadest Sar West
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in history was performed by the group. The mountain has ice slopes up to 60 degrees. After the tour to 5.366 m the third experiment was performed. Then another first ascent in history of the Sunrise Peak east was made. The next two experiments were performed at 3.100 m and 4.480 m respectively. 4.480 m is already the altitude of the Whitehorn base camp (BC). Finally the first ascent in history was made to the Whitehorn which has an altitude of 6.304 m. The route contains ice slopes of up to 75 degrees. The last experiment was again performed in Shimshal at 3.100 m.
Fig. 8: Markus Tannheimer during the experiment in front of the Chukurthadest Sar.
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In all three locations first the reaction time task was performed. Then the SpO2 was determined and the LLS was filled out. At Kilimanjaro additionally the d2- test was performed.
D ATA A N A LY S I S EEG The bandpower in the alpha (8-13 Hz) and in the beta (14–30 Hz) frequency ranges will be calculated for both electrode positions. This allows to investigate the mental load during the reaction time paradigm with the finger movement. The analysis will show the changes of the ERD and ERS with the ascent and acclimatization. ECG The ECG recordings will be used to calculate the QRS complexes. Then the time interval from the R-peak of one QRS complex to that of the previous is calculated and termed the RR interval. The variations in the heart rate are quantified by HRV analysis in the time domain and the frequency domain. (i) HRV Time Domain The simplest time-domain variable is the mean heart rate (MeanHR) in bpm. More complex measurements can be divided into two classes: (i) those derived from direct measurements of the heart rate: the SDNN index is the mean of the standard deviation of 30-second segments and describes the variability due to cycles longer than 30 seconds; (ii) those derived from the RR interval difference between consecutive intervals: the NN50 is the number of intervals which differ by more than 50 ms from the previous interval. pNN50 is the NN50 divided by the total number of NN intervals. RMSSD is calculated as the square root of the mean squared difference of successive RR intervals. (ii) HRV Frequency Domain Power spectrum (PS) analysis provides the basic information on how power is distributed as a function of frequency. Three main spectral components can be distinguished: (i) very low frequency (VLF): < 0,04 Hz, (ii) low frequency (LF): 0,04–0,15 Hz and (iii) high frequency (HF): 0,15–0,4 Hz. The unit of these parameters is ms2. For normalization the LF (LFnorm) and HF (HFnorm) components are divided by the total power minus the VLF component. This minimizes the effect of the total power on LF and HF. The LF/HF ratio describes the balanced behavior of both components.
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Oxygen saturation and LLS The oxygen saturation and the LLS can be compared for the different measurement points. d2-test The d2-test gives several parameters (TN, E %, CP, E, TN-E and FR) which can be used to compare the different measurement points. The parameters can also be compared to group studies performed with large populations in different countries at sea level. Correlation analysis This analysis allows to investigate the correlation of the different parameters to each other. Therefore the HR, HRV, bandpower in the alpha and beta region, oxygen saturation, LLS and the d2 test parameters can be correlated. Reaction time The individual reaction time from the light flash until the button press can be analyzed at the different altitude levels.
DISCUSSION During the study data was acquired at very high altitudes in real life conditions and in simulated conditions. The experiment in the hypobaric chamber allows to quantify the effects of a fast ascent to 4.000 m. The Kilimanjaro study investigates the ascent to 3.570 m within 3 days and to 4.633 m within 8 days. Additionally it will show the effects of the acclimatization tour to Mt. Meru (4.566 m) before reaching Mt. Kilimanjaro. The expedition to Shimshal enables the comparison at altitudes of 2.500 m, 3.100 m and 4.480 m. The measurements at 3.100 m were several times repeated to investigate the effect of climbs to altitudes above 4.000 m during the acclimatization process. It is the first time that EEG and ECG activity was acquired during a well defined work load at altitudes above 2,700 m. This will allow to investigate the changes of heart-rate, heart-rate variability including sympathetic and parasympathetic activity at different altitudes. The EEG parameters ERD and ERS in the alpha and beta ranges allow to quantify changes of the central nervous system. Of special interest is the relation of the EEG and ECG changes to the LLS and to the oxygen saturation. LLS and oxygen saturation are widely used methods 39
to describe high altitude effects. This will allow to investigate the EEG and ECG changes of subjects with high LLS and low oxygen saturation. It was also the first time that the d2-test was used at altitude. The concentration performance might be an easy to determine and important parameter for AMS scoring.
ACKNOWLEDGEMENT We are grateful to Eva Hornbachner, Elisabeth Pranzl, Nicole Guger-Ulrich, Mike Gruber, Hannes Stiebitzhofer, Robert Leeb, and Herbert Ramoser for their participation in the Kilimanjaro study, to Matthias Braun, Matthias Robl and Alexandra Robl for their participation in the Shimshal expedition and to all the participants of the German Bundeswehr in the study in Königsbrück, Germany. We are also grateful to Dr. Welsch and to the Bundeswehr for the possibility to perform the study in the modern high altitude chamber in Königsbrück in Germany. The project was partially funded by the European Union project PRESENCCIA and the FFG in Austria.
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C h r i s t o p h S z u b s k i , Wo l f g a n g L ö s c h e r u n d M a r t i n B u r t s c h e r
Auswirkungen von Hypoxie auf neuromuskuläre Aktivierung, motorkortikale Erregbarkeit und zentrale Ermüdung The effects of hypoxia on neuromuscular activity, motor cortical excitability and central fatigue
S U M M A RY The effects of acute hypoxia on motor cortex excitability, force production, spinal excitability, central and peripheral fatigue were studied in fourteen healthy male subjects. Electrical stimulations of the right ulnar nerve were performed and transcranial magnetic stimulations (TMS) were delivered to the first dorsal interossoeus (FDI) motor cortex area during acute hypoxic and normoxic condition. The stimulations were given in relaxation, during brief maximum voluntary contraction (MVC) and sustained 90s-MVC. Hypoxia was induced by breathing a fraction of inspired oxygen of 12% via a face mask. M-wave, twitch, F-wave, resting motor threshold, recruitment curves, and intracortical inhibition and intracortical facilitation were measured. Moreover, force, motorevoked potential (MEP), silent period (SP) and voluntary activation were determined during brief and sustained isometric maximal right index finger abduction. Force, M-wave, and F-wave were not influenced by the delivery of oxygen. The resting motor threshold was significantly lower in hypoxia (55,9 ± 9,40 %) compared to normoxia (57,50 ± 10,48 %) (P < 0.01), but recruitment curve, intracortical inhibition and facilitation, and MEP were unaffected by hypoxia. In contrast, SP during brief MVC was significantly shortened in hypoxia (158,21 ± 33,96 ms) compared to normoxia (169,42 ± 39,69 ms) (P < 0,05). No hypoxia-related changes in force, M-wave, MEP, normalized MEP, SP, or voluntary activation were observed during the fatiguing MVC and in the recovery phase. At the end of the hypoxic post-exercise period the twitch force was significantly potentiated by 133 % of the pre-fatigue amplitude (P < 0,05). Furthermore, after the cessation of the hypoxic sustained MVC twitch amplitudes recovered more rapidly compared to normoxic values (P < 0,05). Our data demonstrated that acute hypoxia results in increased motor cortical excitabili-
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ty, suggesting alterations in ion channel function and GABAergic mechanisms. However, no indices of hypoxia-induced impairments in central processes were demonstrated during and after the sustained MVC. A potentionated twitch force in hypoxia at the end of the recovery phase is believed to be due to alterations in myosin phosphorylation. Keywords: transcranial magnetic stimulation; hypoxia; motor cortex; motor cortical and spinal excitability; peripheral and central fatigue
Z U S A M M E N FA S S U N G In unserer Studie wurden bei 14 Probanden die Auswirkungen von akuter Hypoxie auf Aktivierungsgrad des motorischen Kortex und Kraftvermögens, der spinalen Erregbarkeit, der peripheren und zentralen Ermüdung untersucht. Elektrische Stimulationen wurden am rechten Ulnarnerv und Transkranielle Magnetstimulationen (TMS) über einer geeigneten Position am motorischen Kortex, die den 1. Dorsalis Interossoeus (FDI) Muskel repräsentiert, abgegeben. Die Stimulationen wurden im entspannten Muskelzustand, während maximaler Muskelkontraktion (MVC) und 90-Sek.-Ermüdungskontraktion durchgeführt. Im hypoxischen Experiment haben die Probanden ein 12 %-Sauerstoffgemisch über eine Gesichtsmaske eingeatmet. M-Welle, F-Welle, Twitch, motorische Schwelle (MS), Rekrutierungskurven, intrakortikale Hemmung und Bahnung wurden gemessen. Zudem wurden Muskelkraft, motorisch evoziertes Potenzial (MEP), Silent Period (SP) und willentliche Aktivierung (WA) während kurzzeitiger und lang andauernder, isometrischer Zeigefingerabduktion bestimmt. Kraft, M-Welle und F-Welle unterschieden sich nicht signifikant zwischen Normoxie und Hypoxie. Die MS war signifikant niedriger im hypoxischen Zustand (55,79 ± 9,40 %) im Vergleich zur Normoxie (57,50 ± 10,48 %) (P < 0,01), wohingegen Rekrutierungskurve, intrakortikale Hemmung und Bahnung, Muskelkraft und MEP unter Hypoxie unverändert blieben. Die SP verkürzte sich aber signifikant von 169,42 ± 39,69 ms (Normoxie) auf 158,21 ± 33,96 ms (Hypoxie). Während der Ermüdungskontraktion und der darauf folgenden Erholungsphase wurden keine hypoxiebedingten Unterschiede in Kraft, M-Welle, SP oder WA konstatiert. Unter Hypoxie lag der Twitch am Ende der Erholungsphase mit 133 % des Ausgangswertes in potenzierter Form vor (P < 0.05). Zudem waren die Twitch-Amplituden fast während der gesamten Erholungsphase signifikant größer unter Hypoxie im Vergleich zu den normoxischen Werten (P < 0,05). Unsere Untersuchungsergebnisse haben zeigen können, dass akute Hypoxie eine erhöhte motorkortikale Erregbarkeit zur Folge hat, die möglicherweise auf veränderte Eigenschaften von kortikalen Ionen-Kanälen und 44
GABA-erge Transmission zurückzuführen ist. Verglichen mit Normoxie wurde während der Ermüdungskontraktion unter hypoxischen Bedingungen ähnliches Vorkommen von zentraler Ermüdung beobachtet. Eine potenzierte TwitchKraft am Ende der hypoxischen Erholungsphase deutet auf Veränderungen in der Myosin Phosphorylierung hin. Schlüsselwörter: Transkranielle Magnetstimulation; Hypoxie; motorischer Kortex; motorkortikale und spinale Erregbarkeit; periphere und zentrale Ermüdung
EINLEITUNG UND PROBLEMSTELLUNG Es wurde immer wieder hervorgehoben, dass verminderte Leistungsfähigkeit unter Hypoxie auf Beeinträchtigungen im Zentralnervensystem (ZNS) zurückzuführen ist (29, 39). Diese Übersichtsartikel gaben jedoch keinen Einblick in die zentralen Mechanismen, die diese Vermutungen hätten stützen können. Die zentralen Neurone benötigen eine konstante und ausreichende Sauerstoffzufuhr, damit die für das Leben notwendigen Prozesse in den Zellen unbeschwert ablaufen können. Eine verminderte O2-Zufuhr präsentiert sich deshalb in einer beeinträchtigten Gehirnleistung (38). Die bisherigen in-vivo-Studien zu Auswirkungen von Hypoxie auf das ZNS konzentrierten sich vor allem auf neuropsychologische Prozesse. Es konnte anhand zahlreicher experimenteller Untersuchungen gezeigt werden, dass z.B. Höhenaufenthalte die kognitive Leistungsfähigkeit beeinträchtigen können (30, 31). Analog zu diesen vorliegenden Arbeiten über neuropsychologische Defizite nach Höhenaufenthalten sind bei COPD-Patienten, im Vergleich zur Normalbevölkerung, ähnliche Beeinträchtigungen in Sprach- und Gedächtnisfunktionen beobachtet worden (22, 25). Die Hypothese vom hypoxiebedingten Einfluss auf supraspinale Mechanismen wird zudem durch psychomotorische Studien bekräftigt, die über verlängerte visuelle und auditive Reaktionszeiten auf einer Höhe von ca. 6.000 m berichteten (13, 14). Diese in-vivo-Untersuchungsergebnisse könnten von mehreren in-vitro-Studien, die eine erhöhte neuronale Sensitivität im hypoxischen Zustand erkennen ließen, gestützt werden (7, 8, 37). Muskelkontraktionen und alltägliche motorische Abläufe sind das Ergebnis eines komplexen Zusammenspiels von zahlreichen Neuronen und -verbindungen im ZNS und intramuskulären Prozessen. Eine unter Hypoxie auftretende funktionale Beeinträchtigung der Neuronenaktivität könnte damit zur Folge haben, dass erbrachte Muskelleistungen als Ganzes negativ beeinflusst werden. Die vorliegenden elektrophysiologischen in-vivo-Studien über Auswirkungen von Hypoxie auf die Aktivität des neuromuskulären Systems haben sich bis dato
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jedoch vor allem mit den peripheren Prozessen befasst. Mehreren Untersuchungen zufolge scheinen die peripheren Mechanismen, so z.B. die neuromuskuläre Transmission und das Muskelmembranpotenzial, weder im entspannten Muskelzustand noch bei Muskelaktivität durch Hypoxie beeinträchtigt zu sein (5, 20, 28). Welche Auswirkungen die Hypoxie auf zentrales Erregbarkeitsniveau im entspannten Muskelzustand oder bei Muskelkontraktion hat, und zwar im Speziellen auf den Aktivierungsgrad des motorischen Kortex, ist bis dato nicht wirklich geklärt worden. Einzig und allein Oliviero et al. (40) konnten in einer ersten in-vivo-Studie mit COPD-Patienten zeigen, dass ein langfristiger hypoxischer Zustand mit Dysfunktionen auf kortikaler Ebene einhergehen könnte. Während einige der vorgestellten Studien vermuten lassen, dass die neuronale Aktivität durch Hypoxie beeinflusst wird, liegen bis dato noch keine in-vivoLiteraturhinweise vor, die auf eine hypoxiebedingte intrakortikale und motorkortiko-spinale Erregbarkeitsmodulation hinweisen würden. Zur Klärung dieser neuen wissenschaftlichen Thematik haben wir für unsere Studie die Methoden der elektrischen Nervstimulation und der Transkraniellen Magnetstimulation (TMS) ausgewählt. Bei der folgenden Studie wurde der Einfluss von experimentell induzierter akuter Hypoxie auf spinale, motorkortiko-spinale und intrakortikale Erregbarkeit beim 1. Dorsalis-Interossoeus-(FDI)-Muskel im muskulären Ruhezustand und bei Muskelaktivierung untersucht. Zudem wurde überprüft, inwieweit Hypoxie zu Veränderungen in den peripheren und zentralen Mechanismen während einer Ermüdungskontraktion führt.
METHODIK Probanden Es haben 14 Probanden (Alter: 21 bis 45 Jahre) an den Experimenten teilgenommen und keiner der Probanden litt an einer neurologischen und kardio-vaskulären Krankheit. Am Untersuchungstag sollten die Probanden keine ungewöhnlichen Hand- oder Fingerübungen durchgeführt haben. Eine Hälfte der Probanden führte die Versuchsreihe zuerst unter Normoxie und 5–10 Tage später unter Hypoxie durch, wohingegen für die andere Hälfte der Probanden eine umgekehrte Reihenfolge gewählt wurde. Versuchsaufbau Der Proband saß auf einem angenehmen Stuhl und seine rechte Hand lag auf einem Tisch in einer rechtwinklig gebeugten Ellbogenposition. Auf diesem Tisch befand sich eine Platte mit einem eingebauten Kraftaufnehmer. Die Handin-
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nenfläche wurde auf diese Platte gelegt und der Zeigefinger an den Dynamometer (Megatron KM 2000) platziert. Beim Abduzieren des Zeigefingers wurde mit dem Mittelgelenk gegen den Dynamometer gedrückt und damit Kraft erzeugt. Um den Einfluss von den anderen Fingern auf die Zeigefingerabduktion einzuschränken, wurden die restlichen 3 Finger blockiert (s. Abb. 1). Die myoelektrische Aktivität (EMG) wurde mit zwei Oberflächen-EMG-Elektroden kontinuierlich am rechten FDI-Muskel gemessen. Alle gemessenen Signale wurden mit Neurolog NL 125 verstärkt und gefiltert (Kraft, 0 – 100 Hz; EMG, 53 Hz – 5 kHz), und mit 10 kHz konvertiert (CED 2501, Micro 1401, Cambridge Electronics Design, England).
S T I M U L AT I O N S A RT E N Elektrische Nervstimulation Um Informationen über periphere Mechanismen zu erhalten, wurde der FDIMuskel mit einem elektrischen DIGITIMER Stimulator transkutan über den rechten Ulnarisnerv stimuliert. Der unmittelbar nach einer abgegebenen elektrischen Nervstimulation sichtbare EMG-Ausschlag wird M-Welle (Muskelsummenaktionspotenzial) genannt (s. Abb. 3A). Die Stimulationsintensität wurde mit einer supramaximalen Intensität durchgeführt. Da sich der Zeigefinger durchgehend am Kraftaufnehmer befand, konnte nach jeder durchgeführten Nervstimulation ein unmittelbarer Ausschlag im Kraftsignal konstatiert und analysiert werden. Dieser Ausschlag wird Twitch genannt (s. Abb. 3B). Um die Erregbarkeit der spinalen Motoneurone zu erfassen, wurde zudem die F-Welle gemessen. Transkranielle Magnetstimulation (TMS) Zur Erfassung intrakortikaler und motorkortiko-spinaler Effekte kam die Methode der Transkraniellen Magnetstimulation (TMS) (Magstim 200, Magstim, Dyfed, UK) zur Anwendung. Das sich in der verwendeten Spule stark aufbauende elektrische Feld induzierte ein Magnetfeld, welches durch ein erneutes Aufbauen eines elektrischen Feldes die Aktivierung kortikaler Neurone auslöste. Bei diesen Versuchsreihen wurde eine individuell-optimale Position der TMS-Spule am linken primären motorischen Kortex gesucht, der sog. „hot spot“, um mittels Stimuli den rechten (kontralateralen) FDI-Muskel zu aktivieren (s. Abb. 1). Es wurden verschiedene Stimulationstechniken angewendet und mehrere Parameter berechnet, die sich bei diversen Studien zur Erfassung des intrakortikalen Aktivierungsgrades und der motorkortiko-spinalen Erregbarkeit bewährt haben: – Der unmittelbar nach einer TMS-Stimulation erkennbare EMG-Ausschlag
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wird motorisch evoziertes Potenzial (MEP) genannt. Das Ausmaß der MEPAmplitude wird durch den intrakortikalen Erregbarkeitsgrad, die Weiterleitung von Impulsen über die kortiko-spinale Bahn und die Erregbarkeit spinaler Motoneurone zum Zeitpunkt der Stimulation beeinflusst. – Die motorische Schwelle (MS) wird als die niedrigste TMS-Stimulationsintensität bezeichnet, bei der ein noch definiertes MEP-Signal in der entspannten Muskulatur erfasst werden kann. Sie repräsentiert vor allem den Erregbarkeitszustand der Membranpotenziale im motorischen Kortex. – Die Rekrutierungskurve der MEPs spiegelt die motorkortiko-spinale Erregbarkeit in Bezug zur TMS-Stimulationsstärke wider. Dabei wird die Stimulationsintensität stufenartig erhöht. – Mit der Doppelpulsstimulations-Methode („paired pulse“) können genauere Informationen über intrakortikale Mechanismen im motorischen Kortex erhalten werden. – Die sog. Silent Period (SP) ist als eine Zeitphase von vorübergehend völlig ausbleibender willkürlicher Muskelaktivierung charakterisiert und ist unmittelbar nach dem MEP-Ausschlag zu erkennen. Sie soll vor allem Informationen über hemmende Mechanismen innerhalb des motorischen Kortex liefern.
Abb. 1: Platte mit eingebautem Kraftaufnehmer (linkes Bild). Lokalisation der TMS-Spule (rechtes Bild)
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HYPOXIE Bei den Hypoxie-Experimenten wurden die Probanden mittels eines HypoxieGenerators (Hypoxico OHG, Germany), in dem die Umgebungsluft mit Nitrogen gemischt wurde, in einen hypoxischen Zustand versetzt (normobarische Hypoxie). Das produzierte 12 %-O2-Gasgemisch (FIO2 = 12 %) wurde von den Probanden über eine Gesichtsmaske inhaliert. Eine zu schnelle Abnahme der Sauerstoffsättigung bei den Probanden wurde durch eine stufenartige Reduzierung der FIO2 verhindert. Die arterielle Sauerstoffsättigung (SaO2) und die Herzfrequenz wurden mit einem am linken Zeigefinger fixierten Oximeter (Onyx, Nonin Medical Inc., USA) kontrolliert. Die Experimente wurden erst ca. 20 Minuten nach dem Beginn der Inhalation des 12 %-O2-Gasgemisches durchgeführt (4), da sich die verminderte SaO2 erst nach diesem Zeitraum stabil verhalten hat. Die Probanden befanden sich insgesamt ca. 45 Minuten im stabilen hypoxischen Zustand. Bei den Versuchsreihen im normoxischen Zustand wurde den Probanden eine lose Gesichtsmaske aufgesetzt, um zumindest die gleichen äußeren Bedingungen bei der Durchführung von Muskelkontraktionen zu wahren.
VERSUCHSPROTOKOLL 1. Versuchsreihe Entspannter Muskelzustand Es wurde eine individuell-optimale Position der TMS-Spule am linken primären motorischen Kortex gesucht, der sog. „hot spot“, um mittels Stimuli den kontralateralen, d.h., den rechten, FDI-Muskel zu aktivieren. Folglich wurde die motorische Schwelle (MS) im entspannten FDI-Muskelzustand bestimmt. Dabei musste die MEP-Amplitude bei 5 von 10 Stimulationen eine Amplitude von mindestens 50 µV erreichen. Danach wurde die Rekrutierungskurve des FDI-motorischen Kortex anhand einer allmählichen Erhöhung der Stimulationsintensität von 100, 110, 120, 130 bis 140 % der MS erfasst. Jeweils 5 Stimulationen pro Stimulationsintensität wurden im Abstand von 4 Sekunden abgegeben. Folglich wurden die intrakortikale Hemmung „inhibition“(ICI) und intrakortikale Bahnung „facilitation“ (ICF) mittels der DoppelpulsstimulusTechnik untersucht, bei der einem überschwelligen Teststimulus ein unterschwelliger konditionierender Stimulus vorausging. Der Konditionierungsstimulus wurde auf 80 % und der Teststimulus auf 120 % der MS gesetzt. Das Interstimulus-Zeitintervall (ISI) zwischen den beiden Stimulationen betrug entweder 2 ms oder 12 ms. Die 2 ms- und 12 ms-Protokolle wurden verwendet, um die ICI bzw. die ICF zu messen. Die Stimulationen erfolgten im Abstand
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von 4 Sekunden und in randomisierter Reihenfolge. Es folgten in 3-Sek.-Intervallen 20 Nervstimulationen, um die F-Wellen zu messen. Die Probanden wurden schließlich gebeten, ihren rechten Zeigefinger an den Kraftsensor anzulehnen, ohne dabei Kraft auszuüben. Es wurden 3 Nervstimulationen mit einem zeitlichen Abstand von 5 Sekunden durchgeführt, um M-Wellen und TwitchKräfte zu messen.
Muskelaktivierung Nach einigen submaximalen und maximalen Aufwärmkontraktionen führten die Probanden schließlich 6 kurzzeitige maximale Zeigefingerabduktionen (Dauer: 3 Sek.) mit einer Serienpause von 1 min durch. Während dieser isometrischen Maximalkontraktionen (MVCs) wurde entweder eine TMS-Stimulation (140 % der MS) oder eine Nervstimulation, d.h., insgesamt jeweils 3 Stimulationen (s. Abb. 2A), in randomisierter Reihenfolge abgegeben. Die Stimulationen wurden beim Erreichen des Kraftmaximums manuell ausgelöst. Die Probanden wurden darauf hingewiesen, unmittelbar nach der Stimulation sofort wieder für ca. 1 Sek. maximal gegen den Kraftaufnehmer zu drücken. 2. Versuchsreihe Ermüdende Maximalkontraktion Ca. 5 Minuten nach den Kontroll-MVCs begannen die Probanden mit einer MVC-Kontraktion von 90 Sek. Dauer. Während dieser Ermüdungskontraktion wurden 5 Stimulationsserien mit jeweils einer Nervstimulation und einer TMSStimulation pro Serie im zeitlichen Abstand von 2 Sek. abgegeben. Die erste Stimulationsserie erfolgte 3 Sekunden nach dem Kontraktionsbeginn und die weiteren Serien wurden im Abstand von ca. 20 Sek. wiederholt. Erholungsphase Unmittelbar nach der Ermüdungskontraktion wurden sowohl weitere Stimulationsserien abgegeben als auch mehrere MVCs durchgeführt, um die Erholungsphase nach der lang andauernden Kontraktion zu kontrollieren. Eine Stimulationsserie bestand aus einer jeweils im entspannten Muskelzustand und bei MVC abgegebenen Nervstimulation. Diesen Stimulationen folgte eine TMSStimulation während einer weiteren MVC. Diese insgesamt drei Stimulationen wurden in einem Abstand von 5 Sek. abgegeben. Es wurden insgesamt 4 Stimulationsserien, jeweils 10 Sek., 60 Sek., 180 Sek. und ca. 5 min nach Beendigung der Ermüdungskontraktion, durchgeführt (s. Abb. 2B).
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Abb. 2: Versuchsprotokoll mit den durchgeführten MVC- und Stimulationsserien vor (A), während und nach der Ermüdungskontraktion (B).
D AT E N A N A LY S E Zur Berechnung der Amplitude von der M-Welle, F-Welle und vom MEP wird der Abstand zwischen dem niedrigsten und höchsten Wert innerhalb des EMGAusschlags verwendet (s. Abb. 3A und 3C). Beim Twitch wurde die Amplitude des Kraft-Ausschlags in N angegeben (s. Abb. 3B). Die Berechnung der Länge der SP erfolgte über die Zeitdauer vom Stimulus-Artefakt bis zur Rückkehr des EMG-Signals (s. Abb. 3C). Die motorische Schwelle (MS) wurde in Prozent der maximal möglichen Stimulatorintensität (=100 %) angegeben. Beim Doppelpulsstimulations-Protokoll wurden die MEP-Amplituden des Teststimulus 100 % gesetzt und die konditionierten MEP-Signale (ICI und ICF) zu diesem Wert prozentuell normiert. Kraftwerte wurden über einen 100 ms-Zeitraum unmittelbar vor der TMS-Stimulation gemittelt. Die Berechnung der willentlichen Aktivierung (WA) erfolgte als Prozentsatz nach einem etablierten Berechnungsverfahren: WA (%) = [1 – (Superpotentierter Twitch/Kraft)]*100 (s. Abb. 3D). Da eine MEP-Amplitude sowohl die zentralen als auch peripheren Mechanismen repräsentiert, wurden für das Ermüdungs- und Erholungsprotokoll zusätzlich die MEP-Amplituden an die M-Wellen normiert (27). Alle während und nach der Ermüdungskontraktion erhobenen Parameter, d.h., Kraft, Twitch, M-Welle, MEP, normiertes MEP und SP wurden auf den jeweiligen Vorermüdungs-Kontrollwert bezogen. 51
Bei der statistischen Analyse wurde die Verteilung der Werte mit dem ShapiroWilk’s-W-Test überprüft. Student-t-Tests für abhängige Stichproben und ANOVA mit Messwiederholung wurden verwendet. Der post-hoc-Dunnett-Test wurde fallweise berechnet. Bei nicht normalverteilten Daten wurden der MannWhitney-U-Test und der Friedman-Test verwendet. Die Werte wurden als Mittelwert ± Standardabweichung (im Text) und als Mittelwert ± Standardfehler (in Abbildungen) dargestellt. Das Signifikanzniveau wurde auf P < 0,05 festgesetzt.
Abb. 3: Durch elektrische Nervstimulation ausgelöste M-Welle (A) und Twitch (B) im entspannten Muskelzustand. (C) Exemplarische Darstellung relevanter EMG-Parameter, MEP und SP, nach einer erfolgten TMS-Stimulation während einer Muskelkontraktion. (D) Der nach einer TMS-Stimulation erkennbare Kraftausschlag (Vergrößerung) wird zur weiteren Berechnung der willentlichen Aktivierung verwendet.
ERGEBNISSE Physiologischer Zustand Die reduzierte SaO2 während der Hypoxie (HX) (75,1 ± 2,4 %) im Vergleich zur Normoxie (NX) (97,1 ± 0,8 %) bestätigte einen hypoxischen Zustand der Probanden (P < 0,001). Ähnliche Reaktionen waren bei der Herzfrequenz mit einem Anstieg von 69,2 ± 11,6 S/min unter NX auf 80,8 ± 12,3 S/min unter hypoxischen Bedingungen (P < 0,001) zu beobachten. 52
TMS im entspannten Muskelzustand Die motorische Schwelle (MS) verringerte sich signifikant von 57,5 ± 10,5 % (in NX) auf 55,8 ± 9,4 % (in HX) der maximalen Stimulatorintensität (P < 0,01). Die Abbildung 4 zeigt die individuellen Werte für den normoxischen und hypoxischen Zustand. 10 Probanden zeigten einer Reduzierung der MS unter HX, wohingegen die restlichen 4 Probanden unveränderte Schwellen aufwiesen. Die Rekrutierungskurve des motorischen Kortex zeigte erwartungsgemäß eine allmählich ansteigende MEP-Amplitude unter NX (P < 0,01) und HX (P < 0,01). Es wurden jedoch bei keiner der 5 Stimulationsintensitäten signifikante Unterschiede zwischen den beiden Zuständen beobachtet. Beim Doppelpulsstimulations-Protokoll wurde für das 2 ms- und 12 ms-Stimulationsintervall (s. Abb. 5) eine signifikante Reduzierung (Hemmung) bzw. Erhöhung (Bahnung) der MEP-Amplitude unter NX (P < 0,01) und HX (P < 0,001) konstatiert. Zwischen den beiden O2-Zuständen gab es in der intrakortikalen Hemmung und Bahnung jedoch keine signifikanten Unterschiede.
Abb. 4: Individuelle motorische Schwellen unter Normoxie (■) und Hypoxie (●)
Nervstimulationen in entspanntem Muskelzustand Es wurden keine signifikanten Veränderungen bei der M-Welle (NX, 17,5 ± 3,8 vs. HX, 17,4 ± 2,7 mV) und beim Twitch (NX, 8,3 ± 2,4 vs. HX, 7,8 ± 3,0 N) zwischen den beiden O2-Zuständen konstatiert. Auch die Amplitude der F-Welle blieb unter HX unverändert (NX, 2,3 ± 1,3 vs. HX, 2,1 ± 1,1 %).
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Abb. 5: Exemplarische MEP-Signale beim Doppelpuls-TMS-Stimulationsverfahren. Verglichen mit der MEP-Amplitude beim Teststimulus (A) wurde das MEP-Signal beim Zeitintervall (ISI) von 2 ms zwischen den beiden TMS-Stimulationen „gehemmt“ (B) und beim ISI von 12 ms „gebahnt“ (C).
Motorkortiko-spinale Erregbarkeit während MVC Die Maximalkraft zeigte unter HX (53,8 ± 11,6 N) im Vergleich zu NX (54,3 ± 12,9 N) keine signifikanten Veränderungen. Die MEP-Amplitude unterschied sich nicht signifikant zwischen NX (5,3 ± 1,8 mV) und HX (6,1 ± 2,7 mV), wohingegen sich die Silent-Period (SP)-Dauer unter HX signifikant verkürzte (169,4 ± 39,7 vs. 158,2 ± 34,0 ms, P < 0,05). Bei der WA wurde ebenfalls kein signifikanter Unterschied zwischen NX (96,9 ± 1,8) und HX (96,6 ± 1,8 %) konstatiert.
Kraft und periphere Ermüdung während und nach der Ermüdungskontraktion Während der Ermüdungskontraktion ist es zur signifikanten Reduzierung der Kraftleistung in NX (38,7 ± 9,9 %) und HX (46,3 ± 11,4 %) gekommen und sie blieb auch bis zum Ende der 5-minütigen Erholungsphase unter dem Vorermüdungskraftwert (83,0 ± 10,0 % bei NX und 79,0 ± 13,7 % bei HX, P < 0,01), d.h. die Muskelkraft hat sich während dieser Zeit nicht vollständig erholt. Während der Ermüdungskontraktion und in der Erholungsphase gab es zwischen NX und HX zu keinem Zeitpunkt signifikante Unterschiede in der Kraftleistung. Die Amplitude der M-Welle reduzierte sich sowohl in NX (73,8 ± 30,8 %, P < 0,01) als auch in HX (75,4 ± 20,7 %, P < 0,01) erst am Ende der Ermüdungskontraktion. Die M-Wellen unterschieden sich zwischen den O2-Zuständen zu 54
keinem Messzeitpunkt signifikant. Die Amplituden der M-Wellen im entspannten Muskelzustand waren unmittelbar nach der Ermüdungskontraktion in NX und HX zwar im Vergleich zu den Ausgangswerten signifikant reduziert (88,8 ± 7,6 % bzw. 91,1 ± 9,1 %) (P < 0.01), sie erholten sich jedoch schnell und erreichten nach 5 Minuten ihre Vorermüdungswerte wieder (NX: 101,2 ± 9,6 %, HX: 101,7 ± 8,8 %) (P > 0,05). Auch hier unterschieden sich die NXund HX-Werte zu keinem Messzeitpunkt signifikant. Einen etwas anderen Verlauf hatte in der Erholungsphase jedoch die TwitchKraft. Die unmittelbar nach Beendigung der Ermüdungskontraktion teilweise signifikant reduzierten Twitch-Kräfte (NX, 61,7 ± 18,4 %, P < 0,01; HX, 74,7 ± 35,8 %, P > 0,05) erreichten am Ende der Erholungsphase ihren Ausgangswert wieder. In HX konnte sogar ein „potenzierter“ Twitch von 133,8 ± 51,7 % des Vorermüdungswertes beobachtet werden, d.h. bei der vierten elektrischen Stimulation lag im Vergleich zur Ausgangsstimulation ein signifikant größerer Twitch vor (P < 0,05). Verglichen mit der NX erholte sich die Twitch-Amplitude in HX zudem tendenziell schneller von der Ermüdungskontraktion und war ab dem zweiten Stimulationszeitpunkt signifikant größer als die Amplitude in der normoxischen Erholungsphase (2.–4. Messzeitpunkt, P < 0,05) (s. Abb. 6A). Zentrale Ermüdung während und nach der Ermüdungskontraktion In NX erhöhte sich die MEP-Amplitude gegen Ende der Ermüdungskontraktion um 150,9 ± 38,9 % des Ausgangswertes (P < 0,01), wohingegen das hypoxische MEP-Signal nur gering bis auf einen Wert von 127,0 ± 42,3 % angestiegen ist (P > 0,05). Die MEPs unterschieden sich jedoch zwischen NX und HX zu keinem Stimulationszeitpunkt signifikant. Da das MEP-Signal auch die peripheren Mechanismen repräsentiert (s. Methodik), hätte die verringerte M-Welle bei unseren Messungen die MEP-Amplitude beeinflussen können. Um diesen Effekt zu relativieren, wurden die MEPSignale mit der jeweiligen M-Welle in Verhältnis gesetzt (normiert) (s. Methodik). Bei den normierten MEPs beider Zustände (NX und HX) wurde eine signifikante Steigerung von 241,2 ± 142,8 % bzw. 196,1 ± 92,5 % am Ende der Ermüdungskontraktion beobachtet (P < 0,01). Bis zum Ende der Erholungsphase kehrten sie zu ihren Vorermüdungs-Ausgangswerten zurück. Trotz der teilweise ungleichen Tendenzen während der Ermüdungskontraktion und im Erholungsverlauf wurden dennoch keine signifikanten Unterschiede zwischen dem normoxischen und hypoxischen Zustand beobachtet (s. Abb. 6B). Sowohl bei NX als auch bei HX wurde die SP-Zeitdauer des FDI-Muskels bereits am Anfang der 90-MVC signifikant länger und sie erreichte am Ende der Kontraktion 121,4 ± 17,2 % bzw. 129,3 ± 19,6 % des Ausgangswertes (P < 0,01).
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Die SPs kehrten unmittelbar nach Beendigung der Ermüdungskontraktion in beiden O2-Zuständen zu ihren Ausgangswerten zurück. Es gab zu keinem Zeitpunkt signifikante Unterschiede zwischen NX und HX. Auch die willentliche Aktivierung (WA) verringerte sich kurz vor Beendigung der lang anhaltenden Kontraktion auf 80,7 ± 10,7 % (NX) bzw. 77,7 ± 15,6 % (HX) des Ausgangswertes (P < 0,01). Nach Beendigung der hypoxischen Ermüdungskontraktion erholte sich die WA auf 90,6 ± 6,4 % (HX) (P < 0,01) und 92,3 ± 6,9 % (NX) (P > 0,05) des Ausgangswertes. Es wurden auch hierbei keine signifikanten Unterschiede zwischen NX und HX beobachtet.
Abb. 6: Der Verlauf vom (A) Twitch nach der Ermüdungskontraktion und vom (B) normierten MEP-Signal (MEP/M-Welle) während der Ermüdungskontraktion und Erholungsphase in Normoxie (■) und Hypoxie (■). Mit (*) sind die signifikanten Unterschiede zwischen Normoxie und Hypoxie und mit (§) die signifikanten Veränderungen im Verhältnis zum Ausgangsniveau (=100%) innerhalb der Normoxie (§) bzw. Hypoxie (§) dargestellt (P < 0,05).
DISKUSSION UND SCHLUSSFOLGERUNG Neuromuskuläre und motor-kortikale Erregbarkeit Die Versuche bei entspannter Muskulatur und bei kurzzeitiger Muskelaktivierung haben zeigen können, dass akute Hypoxie keine Auswirkung auf die MEP, intrakortikale Hemmung und Bahnung, Rekrutierungskurve, Kraft und WA hat. Es wurde jedoch eine Reduzierung der motorischen Schwelle (MS) sowie eine Verkürzung der SP im hypoxischen Zustand beobachtet. Die unveränderten Amplituden der M-Welle und F-Welle in unserem Experiment bestätigen die Ergebnisse früherer Studien, die in Hypoxie ebenfalls keine Veränderungen in der neuromuskulären Transmission (10, 20) und spinalen Erregbarkeit (28) feststellen konnten. Die Reduzierung der MS unter Hypoxie war zwar absolut gesehen ziemlich gering (nur 1,7 % der Stimulatorintensität), aber dennoch signifikant. Diese Ver-
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änderung deutet auf eine erhöhte motorkortikale Erregbarkeit im hypoxischen Zustand hin. Da die Hypoxie keine Veränderungen in der neuromuskulären Transmission (M-Welle) und motorneuronalen Erregbarkeit (F-Welle) verursacht hat, dürfte die Reduzierung der MS wohl auf Mechanismen im motorischen Kortex zurückzuführen sein. Mehrere Studien unter Normalbedingungen (Normoxie) haben gezeigt, dass die MS vom Membranzustand bzw. von den Ionen-Kanälen motorkortikaler Neuronen abhängig ist (3, 6). In-vitro-Hypoxie-Studien konnten bei isolierten zerebralen Neuronen demonstrieren, dass die Funktion dieser Ionen-Kanäle durch reduzierte Sauerstoffsättigung beeinflusst wird (34, 35) und dass Hypoxie zur neuronalen „Hyper-Erregbarkeit“ führt (9). Damit könnte die in unserer Untersuchung reduzierte MS auf eine erhöhte motorkortikale Erregbarkeit unter Hypoxie hindeuten. Neben der reduzierten MS zeigte auch die SP Hinweise auf Veränderungen im hypoxischen Zustand. Die beobachtete verkürzte SP-Dauer in unseren Hypoxie-Versuchsreihen könnte mit reduzierter intrakortikaler Hemmung in Verbindung gebracht werden. Zumindest könnten die Ergebnisse einiger in-vitro Studien diese Vermutung stützen (35, 46). Im Allgemeinen wird die Länge der SP von der Aktivierung der hemmenden GABA-ergen Interneurone innerhalb des motorischen Kortex abhängig gemacht (26, 47). Trotz der reduzierten MS und verkürzten SP in unserem hypoxischen Experiment, die auf Veränderungen in der Aktivität von Ionen-Kanälen bzw. GABAerge Mechanismen hindeuten, konnten bei den anderen erhobenen Parametern (z.B., Maximalkraft, MEP, Rekrutierungskurve, intrakortikale Hemmung und Bahnung) jedoch keine Veränderungen beobachtet werden. Die Physiologie des motorischen Kortex im hypoxischen Zustand wurde bis dato nur an COPD-Patienten, die einen chronischen Hypoxiezustand repräsentieren, untersucht (40). Im Vergleich zu unserer Studie (akute Hypoxie) wurde bei der Studie an COPD-Patienten keine Reduzierung der MS beobachtet, was auf unterschiedliche Adaptationsmechanismen zwischen akuter und chronischer Hypoxie hindeuten könnte. Eine beobachtete verkürzte SP-Dauer bei COPD-Patienten bestätigt jedoch das Ergebnis unserer Studie. Ermüdungskontraktion Die Kraft verringerte sich erwartungsgemäß gegen Ende der Ermüdungskontraktion. Zwischen den normoxischen und hypoxischen Kraftverläufen wurden bei unserer Untersuchung weder im Verlauf noch nach der 90-Sek.-Ermüdungskontraktion signifikante Unterschiede konstatiert. Die früheren Studien zur Muskelermüdung und Kraftverläufen unter Hypoxie liefern widersprüchliche Ergebnisse, d.h. es wurde im hypoxischen Zustand sowohl gleich bleibende (2, 12, 20) als auch erhöhte (1, 11, 17) Muskelermüdung beobachtet. Diese
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unterschiedlichen Ergebnisse könnten auf eine Reihe von methodologischen Faktoren, wie z.B. vom untersuchten Muskel, von der Kontraktionsdauer oder -intensität und von der Kontraktionsform, zurückzuführen sein. Allgemein betrachtet werden periphere und zentrale Prozesse für die Muskelermüdung verantwortlich gemacht, die mittlerweile in periphere und zentrale Ermüdung unterteilt werden (19, 44). Die periphere Ermüdung wird als Kraftverlust infolge von beeinträchtigenden Prozessen an der neuromuskulären Verbindung (direkt oder distal von ihr gelegen) definiert und üblicherweise mittels der peripheren Nervstimulation kontrolliert. Es können während ermüdenden Belastungen jedoch auch Aktivierungsmodulationen im ZNS auftreten und zur Reduzierung der Kraftleistung beitragen. Dieses Phänomen ist als zentrale Ermüdung bekannt und wurde in letzter Zeit unter Anwendung der TMS vermehrt untersucht. Beim zweiten Teil dieser Untersuchungsreihe wurde der Einfluss von akuter Hypoxie auf periphere Mechanismen (mittels peripherer Nervstimulation) und motorkortiko-spinale Erregbarkeit (mittels TMS-Stimulation) während und nach einer MVC-Ermüdungskontraktion untersucht. Periphere Ermüdung Die bei mehreren normoxischen Studien beobachtete Verringerung der M-Wellen-Amplitude (periphere Nervstimulation) im Verlauf von Ermüdungskontraktionen (15, 16) wurde auch in dieser Studie unter Hypoxie vorgefunden. Diese Beeinträchtigung der neuromuskulären Transmission während der maximalen Ermüdungskontraktion wurde also auch in unserem Hypoxie-Protokoll beobachtet. Ähnliche Ergebnisse wurden bereits von anderen Autoren präsentiert (10, 20). Bei der Twitch-Kraft unter Hypoxie wurde in unserer Studie jedoch eine frühere Rückkehr der Amplitude zum Ausgangswert beobachtet, d.h. die hypoxischen Twitch-Werte waren in der Erholungsphase weniger reduziert als die normoxischen Amplituden. Zudem war der Twitch am Ende der hypoxischen Erholungsphase signifikant höher als der Vorermüdungs-Ausgangswert. Diese unter Hypoxie gezeigte „Potenzierung“ beim Twitch-Signal ist bis dato nur in der Studie von Dousset et al. (10) konstatiert worden. Diese Erkenntnis bezog sich jedoch nur auf den Vorermüdungszustand, da Dousset und seine Mitarbeiter diesen Parameter unter Ermüdung nicht weiter beobachtet haben. Die frühere Erholung der Twitch-Amplitude unter Hypoxie könnte auf eine Veränderung in der „Erregungs-Kontraktion Koppelung“ zurückzuführen sein. Die zusätzlich sichtbare Potenzierung beim Twitch wurde bis dato, zumindest bei Normoxie, sowohl nach kurzer Muskelkontraktion (24, 45) als auch nach kurzer Ermüdungskontraktion (21, 23, 24) mit eine Veränderung der Myosin-Phos-
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phorylierung in Verbindung gebracht. Es sind jedoch keine Studien bekannt, die den Einfluss von Hypoxie auf die Mechanismen der Myosin-Phosphorylierung untersucht hätten und damit auf eine kurzfristig erhöhte Kontraktilität nach einer Kontraktion hindeuten würden. Eine mögliche spekulative Ursachenforschung wird deshalb im Folgenden nicht vorgenommen. Zentrale Ermüdung Die in unserer Studie beobachteten Veränderungen in der MEP-Amplitude, SP und WA im Verlauf der normoxischen Ermüdungs-MVC haben die Ergebnisse anderer normoxischen Studien bestätigt (18, 41, 43), und damit ein Indiz für eine nicht optimale Aktivierung des motorischen Kortex oder Beeinträchtigung der motorkortiko-spinalen Erregbarkeit (zentrale Ermüdung) geliefert. Doch auch die Signalverläufe in unserem hypoxischen Experiment zeigten den gleichen Trend, d.h. es gab keine Unterschiede im Ausmaß der zentralen Ermüdung zwischen Normoxie und Hypoxie. Zudem kehrten die veränderten Signale nach Beendigung der Ermüdungskontraktion relativ schnell zu ihren Ausgangwerten zurück. Damit konnte ebenfalls zum ersten Mal gezeigt werden, dass der unter Normoxie beobachtete Erholungsverlauf (42, 43) auch unter Hypoxie dem gleichen Muster entspricht. Die bis dato vorgelegten Studien zur neuromuskulären Ermüdung unter Hypoxie beschränkten sich auf die Kontrolle der Muskelkraft und teilweise auch auf die peripheren Mechanismen (periphere Ermüdung). Diese Studie ist die erste ihrer Art, die den Einfluss von Hypoxie auch auf die motorkortikale Erregbarkeit in Ruhe und während einer Ermüdungskontraktion untersucht hat (zentrale Ermüdung). Der im Verlauf der „zentralen Ermüdung“ vermutete Unterschied zwischen Normoxie und Hypoxie ist überraschenderweise nicht konstatiert worden.
SCHLUSSFOLGERUNG Aus den Untersuchungsergebnissen geht hervor, dass ein akuter Hypoxiezustand zur erhöhten motorkortikalen Erregbarkeit führt und mit verändertem Aktivierungsgrad der kortikalen Ionen-Kanäle und GABA-ergen Mechanismen erklärt werden könnte. Diese hypoxiebedingten Veränderungen hatten in unserer Studie jedoch keinen nennenswerten Einfluss auf die Muskelkraftleistung. Ebenso wurde kein Unterschied zwischen der normoxischen und hypoxischen „zentralen Ermüdung“ während und nach einer 90-Sek.-Ermüdungskontraktion beobachtet. Jedoch deutet die erhöhte Twitch-Potenzierung in der hypoxischen Erholungsphase auf Veränderungen in der Myosin-Phosphorylierung im Muskel hin. Obwohl hier die Entwicklung und der Verlauf der Ermüdung unter Hypoxie aus59
schließlich aus dem Blickwinkel der motorkortikal-spinalen Aktivierungsmodulationen und peripheren Mechanismen untersucht worden ist, sollte hervorgehoben werden, dass die Beziehung zwischen Ermüdung und Hypoxie nicht auf diese zu reduzieren ist. So gehen Muskelermüdungsaktionen z.B. auch mit erhöhter Einflussnahme vom ipsilateralen sensomotorischen Kortex einher (32, 33). Aufgrund der vorliegenden Komplexität sollten deshalb bei zukünftigen Hypoxie-Studien, z.B. bei größeren Muskeln oder bei eher komplexeren Bewegungsabläufen, bedacht werden, dass vermehrt auch Prozesse in prämotorischen und supplementär-motorischen Arealen sowie in den Basal-Ganglien, im Thalamus und im Kleinhirn berücksichtigt und untersucht werden müssten.
FÖRDERUNG Dieses Projekt wurde von der Österreichischen Gesellschaft für Alpin- und Höhenmedizin (ÖGAHM) sowie der Universität Innsbruck unterstützt.
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Eva Wöhrnschimmel
F r a u e n u n d B e r gspor t Women and mountaineering S U M M A RY "It cannot be denied that the female sex possesses a certain physical dexterity. Though women usually do things badly, they always do them gracefully” (Paul Preuss, 1912). Women have proven that they can hold their own in the mountains. With more and more women spending their free time doing sports, even alpine sports, a new area of medicine is opening up. Anatomical and physiological gender dimorphism affects performance, meaning that men and women tend to excel in different kinds of sports. Women are particularly suited for endurance exercise. Research has also shown that sports have a positive effect on pregnancy, reducing the risk for gestational diabetes, thrombosis and haemorrhoids, and increasing physical well-being. The particular sport as well as duration and intensity of training should, however, be tailored to the individual pregnant woman. Keywords: gender medicine, endurance, mountaineering, pregnancy, menstruation
Z U S A M M E N FA S S U N G „Eine gewisse körperliche Geschicklichkeit kann man dem weiblichen Geschlecht nicht absprechen. Sie machen ihre Sache gewöhnlich schlecht, aber fast immer graziös“ (Paul Preuss, 1912). Mittlerweile haben Frauen bewiesen, dass sie am Berg genauso „ihren Mann stellen“. Da sich immer mehr Frauen auch alpinen Sportarten zuwenden, ergeben sich für die Medizin neue Herausforderungen. Aus anatomischen und physiologischen Unterschieden zwischen Mann und Frau ergeben sich Leistungsdifferenzen in den verschiedenen Sportarten, wobei sich Frauen für Ausdauersportarten besonders gut eignen. Forschungsergebnisse haben gezeigt, dass aerober Ausdauersport den Verlauf einer Schwangerschaft positiv beeinflusst. Das Risiko, an Gestationsdiabetes, Thrombose oder Hämorrhoiden zu erkranken, wird verringert und das körperliche Wohlbefinden gesteigert. Jedoch sollte die Sportart, die Belastungsintensität und die Belastungsdauer auf die werdende Mutter abgestimmt sein.
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Schlüsselwörter: geschlechtsspezifische Medizin, Ausdauersport, Bergsteigen, Schwangerschaft, Menstruation
EINLEITUNG Bezüglich der körperlichen Leistungsfähigkeit zeigen sich bis zur Pubertät zwischen Knaben und Mädchen keine signifikanten Unterschiede (1). Untersuchungen haben gezeigt, dass 10- bis 12-jährige Mädchen bei der Fahrradergometrie im Mittel 3,2 W/kg und gleichaltrige Burschen 3,3 W/kg leisten können (2). Erst mit Einsetzen der Pubertät kommt es unter Einfluss der Sexualhormone zur Entwicklung von anatomischen und physiologischen Unterschieden. Dies zeigt sich auch in der ergometrischen Leistungsfähigkeit. Bei 15-jährigen Mädchen liegt die Leistungsfähigkeit unverändert bei 3,2 W/kg, während bei gleichaltrigen Knaben bereits 4,0 W/kg geleistet werden können (2). Frauen sind in der Regel kleiner, haben einen tieferen Körperschwerpunkt und vor allem eine andere Körperzusammensetzung. Verglichen mit den Männern ist der Fettanteil wesentlich größer, während die Muskelmasse kleiner ist. Dementsprechend sind auch jene Organe kleiner dimensioniert, die für die Versorgung der aktiven Körpermasse zuständig sind. Aufgrund anatomischer und physiologischer Unterschiede ergeben sich in der Folge Leistungsdifferenzen in den verschiedenen Sportarten.
AUSDAUER Die aerobe Leistungsfähigkeit kann durch Ausdauertraining verbessert werden. Leistungsbegrenzend sind neben der anaeroben Schwelle die maximale Sauerstoffaufnahme und die Bewegungsökonomie. Die Muskulatur der Frauen enthält mehr rote Muskelfasern, was zu Folge hat, dass eine Stunde Nettotrainingszeit bei Frauen mehr Leistungszuwachs bewirkt als bei Männern (2). Die Sauerstofftransportkapazität ist beim weiblichen Geschlecht auf Grund eines geringeren Hämoglobingehaltes etwas geringer, was jedoch durch einen höheren 2,3-Biphosphoglycerat-Gehalt und eine geringere Affinität von Sauerstoff zu Hämoglobin wettgemacht wird. Die relative VO2 max ist bei Frauen um ca. 10 % niedriger als beim männlichen Geschlecht. Weiters haben Frauen einen wesentlich geringeren Anteil an sauerstoffkonsumierender Muskulatur. Betrachtet man nur die fettfreie Körpermasse, ergeben sich kaum noch Unterschiede bezüglich der Leistungsfähigkeit. Beweisend für die gute Ausdauerleistung von Frauen ist der Vergleich einiger
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Weltrekorde: So schrumpfte die Leistungsdifferenz beim 200-m-Lauf zwischen Mann und Frau in den letzten Jahren auf 10,5 %, beim Marathon auf 8,4 % und beträgt beim 100-m-Lauf inzwischen nur mehr 5,3 % (1). Immer wieder hört man in den Medien von Spitzenleistungen, die Frauen auch beim Höhenbergsteigen oder Klettern erbringen. Dies beweist, dass das weibliche Geschlecht für jegliche Art von Bergsport genauso gut geeignet ist wie die männlichen Kollegen.
KRAFT Der Kraftzuwachs ist bei Männern unter Einfluss von Testosteron größer. Bei Burschen kommt es mit Einsetzen der Pubertät zu einem kontinuierlichen Kraftzuwachs. Schließlich beträgt die Kraftdifferenz bei Mann und Frau etwa ein Drittel. Bei Männern zeigt sich auch ein besseres Ansprechen der Muskulatur auf Trainingsreize, da sie einen größeren Anteil an Muskelmasse haben. Bezogen auf Kraft und Muskelquerschnitt zeigt sich, dass unabhängig von Alter und Geschlecht die Kraft/cm2 annähernd gleich ist. Bei den kürzeren Distanzen ist das weibliche Geschlecht aufgrund der geringeren Kraftausdauer unterlegen.
F L E X I B I L I T Ä T, K O O R D I N AT I O N U N D S C H N E L L I G K E I T Die Flexibilität ist bei Frauen aufgrund ihrer Beweglichkeit besser ausgeprägt. Dieses Plus an Beweglichkeit bringt jedoch auch wieder eine erhöhte Verletzungsgefahr mit sich. Man vermutet, dass aufgrund der weiblichen Sexualhormone die feinmotorische Koordination bei Frauen besser ausgeprägt ist, während Männer eine bessere zielgerichtete Koordination aufweisen. Bezüglich der Schnelligkeit ist die Frau dem Mann aufgrund der geringeren Kraftausdauer unterlegen. Das neuromuskuläre Zusammenspiel und die Reaktionsfähigkeit sind bei beiden Geschlechtern gleich entwickelt.
M E N S T R U AT I O N In der Follikelphase, vom 1. Tag der Menstruation bis zum Eisprung, scheint die Ausdauerleistungsfähigkeit nicht beeinträchtigt zu sein. Auch ist die Kraft unter dem Einfluss von Östrogen gut trainierbar. In der Lutealphase, vom Eisprung bis zur Menstruation, kommt es zu einem Abfall der Steroidhormone. Die Leistungsfähigkeit ist geringfügig reduziert. Dies hat jedoch keinen Einfluss auf den Breitensport. Allerdings wird die Leistungsfähigkeit durch das prämenstruelle Syndrom mehr oder weniger stark beeinträchtigt. Frauen kla-
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gen in dieser Phase oft über Schmerzen, Schweregefühl in der Brust und Übelkeit. Weiters kommt es durch den Hormonabfall in der Lutealphase zu Störungen des Kohlenhydratstoffwechsels. 5 % aller Frauen leiden unter Zyklusstörungen, im Leistungssport bis zu 50 %. Durch das umfangreiche Training kommt es zu einer chronischen Aktivierung der Stressachse mit erhöhter Kortisol-Produktion, die zu einer Hemmung der Gonadenachse und somit zu einer verminderten Östrogenproduktion führt. So besteht beispielsweise eine inverse Korrelation zwischen Auftreten von Zyklusstörungen und wöchentlicher Laufstrecke. Die Folge der Zyklusstörungen sind Essstörungen, Osteopenie und Osteoporose.
H Ö H E U N D S C H WA N G E R S C H A F T Die Schwangerschaft bewirkt durch die hormonellen Veränderungen zahlreiche physiologische und anatomische Veränderungen. Es kommt zu einer Gewichtszunahme, der Bandapparat lockert sich und der Körperschwerpunkt verlagert sich nach vorne. Weiters nimmt das Herzminutenvolumen und die Herzfrequenz zu, womit im ersten Trimenon eine Zunahme der Leistungsfähigkeit verbunden ist. Mittlerweile hat sich gezeigt, dass Sport in einer komplikationslosen Schwangerschaft positive Auswirkungen hat, auch wenn vorher kein Sport betrieben wurde. Die amerikanische Gesellschaft der Gynäkologen und Geburtshelfer empfiehlt eine Belastungsintensität von 60 – 90 % der maximalen Herzfrequenz oder 50–85 % der VO2 max (1). Eine gesunde Mutter hat einen arteriellen pO2 von 85–100 mmHg und einen intrauterinen venösen pO2 von 44 mmHg. Der pO2 in der Umbilikalvene beträgt 30–35 mmHg und in der Umbilikalarterie 10–15 mmHg (3). Dank der hohen O2-Affinität des fetalen Hämoglobins hat eine Verminderung der arteriellen Oxygenierung mütterlicherseits kaum Einfluss auf den Fetus. Die Plazenta sorgt für einen konstanten pCO2-Gradienten, ist relativ undurchlässig für Bicarbonat und hält die O2-Versorung des Ungeborenen aufrecht (4). Während der Schwangerschaft kommt es zu einem Anstieg der mütterlichen Ventilation und zu einer gesteigerten Sauerstoffausschöpfung seitens des Fetus. Aus diesen Gründen bleibt auch im Falle einer Reduktion des Blutflusses in der Plazenta oder eines mütterlichen arteriellen O2-Abfalles die Sauerstoffversorgung erstaunlich stabil. Sport in moderater Intensität und Dauer führt zu einer Stärkung der Muskulatur, erhält die Fitness, schützt vor Gestationsdiabetes, reduziert morgendliche Übelkeit und bewirkt eine schnellere Erholung nach der
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Geburt. Allerdings sollten schwangere Sportlerinnen Hyperthermie, höhergradige Hypoxiereize sowie verletzungsanfällige Sportarten mit ruckartigen Beschleunigungen und abruptem Abbremsen unbedingt meiden.
I N T R A U T E R I N E S WA C H S T U M Das Geburtsgewicht nimmt im Schnitt um 100 g pro 1.000 m Wohnhöhe der Mutter ab (3). Kein direkter Zusammenhang besteht zwischen Höhe und dem Alter der Mutter bzw. deren Körpergröße. Grund für das verringerte Geburtsgewicht ist ein vermindertes intrauterines Wachstum ab der Mitte des letzten Trimenons (5). Auslöser für diese Veränderung dürfte eine Reduktion des intrauterinen arteriellen Blutflusses sein, der zu einem Missverhältnis zwischen O2Angebot und O2-Bedarf beim Fetus führt. Die Säuglingssterblichkeit in der Höhe ist, eine medizinische Grundversorgung vorausgesetzt, nicht erhöht, da Neugeborene organisch voll entwickelt sind. Diese Veränderungen betreffen schwangere Flachländerinnen, die sich länger in großen Höhen aufhalten.
E M P F E H L U N G E N F Ü R S C H WA N G E R E Gesunde Schwangere können Ausflüge in Höhen bis zu 3.000 m unternehmen, ohne dabei sich oder das Ungeborene zu gefährden. Frauen mit Schwangerschaftskomplikationen, welcher Art auch immer, sollten auf eine unnötige Höhenexposition verzichten. Die Empfehlung für einen Aufenthalt in den Bergen lautet: 3.000 m für maximal zwei Wochen für eine „normal“ schwangere, nichtrauchende Aktivbergsteigerin bis in den submaximalen Belastungsbereich. Schwangere Frauen sollten ihre sportlichen Ambitionen unbedingt weiterhin beibehalten. Am Beginn der Schwangerschaft kommt es aufgrund der Zunahme des Herzminutenvolumens und des Blutvolumens sogar zu einer Leistungssteigerung. Jedoch sollten die Belastungsdauer und die Belastungsintensität den Umständen angepasst werden. Außerdem wird von der Ausübung verletzungsanfälliger Sportarten abgeraten. Frauen, die noch nie Sport betrieben haben, sollten spätestens in der Schwangerschaft damit beginnen. Nordic Walking wäre zum Beispiel für Anfängerinnen sehr empfehlenswert (Abb. 1) (6). Weiters ist jedoch zu bedenken, dass in vielen Ländern die medizinische Infrastruktur sowie die hygienischen Verhältnisse nicht dem mitteleuropäischen Standard entsprechen. Reisende sind dann insbesondere Infektionskrankheiten ausgesetzt, die für eine werdende Mutter bzw. für das Ungeborene ein Risiko darstellen können.
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• günstige Ausdauersportarten in der SS: Wandern, Walken, Joggen, Schilanglaufen • ungünstig: Sportarten mit hohem Sturzrisiko! • Extrembelastungen bis 3.500 m bei normaler SS • Ausnahme: Risikoschwangerschaft! • beste Zeit für Fernreisen: 14. – 34. SS-Woche bei normalem SS-Verlauf • ab 4.500 m Gefahr hypoxischer Schädigung des Kindes Abb. 1: Empfehlungen während der Schwangerschaft
K L E T T E R N U N D S C H WA N G E R S C H A F T Klettern sollten in der Schwangerschaft nur jene Frauen, die diese Sportart schon vorher ausgeübt haben und entsprechend routiniert sind.
Abb. 2: Moderate Klettertouren in der Schwangerschaft möglich Kleinere Stürze beim Sportklettern sowie ein zwischendurch erhöhter intraabdomineller Druck stellen im ersten Trimenon keine wesentliche Gefahr dar. Trotzdem sollte mit fortschreitender Schwangerschaft auf eine Topropesicherung übergegangen werden. Empfohlen wird auch die Verwendung eines Kombigurtes, da dieser einen geringeren Druck auf den Bauchraum ausübt. Bei Risikoschwangerschaften sollte auch die routinierte Kletterin auf Klettertouren verzichten (7).
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B E R G S T E I G E N U N D O R A L E K O N T R A Z E P T I VA Viele Sportlerinnen bzw. Bergsteigerinnen nehmen orale Kontrazeptiva, da sich dadurch der Zyklus gut regulieren lässt. Obwohl große Höhen mit höherem Flüssigkeitsverlust einhergehen und Kälte thrombosefördernd wirkt, gibt es bis dato keine Studie, die eine erhöhte Thromboseprävalenz unter Pilleneinnahme in großen Höhen bestätigt. Somit ist eine Pillenpause nicht notwendig. Zu beachten ist jedoch, dass im Falle einer Reisediarrhoe die Empfängnisverhütung eventuell nicht mehr gewährleistet ist (6).
AKUTE HÖHENKRANKHEIT Bezüglich der Wahrscheinlichkeit einer akuten Höhenunverträglichkeit und des Schweregrades einer akuten Höhenkrankheit gibt es keine geschlechtsspezifischen Unterschiede. Der Menstruationszyklus hat ebenfalls keinen Einfluss auf die Symptome der akuten Höhenkrankheit. Progesteron könnte protektiv wirksam sein, indem es auch eine atemanaleptische Komponente hat. Ein Vorteil hinsichtlich der Entwicklung einer akuten Höhenkrankheit ist jedoch nicht ausreichend bewiesen (8).
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Christoph Högenauer
Gastrointestinale Probleme, Höhe und Alpinspor t Gastrointestinal problems, high altitude and alpine sports S U M M A RY Gastrointestinal disease and symptoms are frequent problems during travels at high altitude. This review summarises the most important gastrointestinal complaints and their postulated mechanisms under these conditions. Observed problems are diarrhea, significant weight loss, dyspeptic diseases, bloating and flatulence. Diarrhea, as the most reported disease during high altitude expeditions is often caused by infectious agents due to a high faecal contamination of trekking (tracking) routs and difficulties in the decontamination of drinking water under high altitude conditions. Other causes for diarrhea are osmotic diarrhea due to a high magnesium content of glacier water and diarrhea due to extreme physical exercise (runner´s diarrhea). Pathophysiological mechanisms of weight loss in high altitudes areas are multifactorial and poorly understood. Probable factors include increase energy exposure due to exercise and cold and impaired appetite, the latter might be caused by alter levels of GI-hormones. Dyspeptic conditions include gastritis, peptic ulcer disease and gastroesophageal reflux disease. These problems are caused by a high rate of H.pylori infection in inhabitants of high altitude areas and by impaired gastrointestinal blood supply due to exercise and probably height exposition. Flatulence and meteorism is a less dangerous however tiresome problem in higher areas. The main mechanism is an increase in intestinal gas volume due to the low air pressure. Although gastrointestinal problems are common at high altitude areas, little scientific publications are available about their pathophysiologic mechanisms. Further publications on the physiologic mechanisms of high altitude influence on the GI-tract remain warranted. Keywords: High altitude, diarrhoea, gastrointestinal tract
Z U S A M M E N FA S S U N G Gastrointestinale Erkrankungen und Symptome sind eine gängige Erscheinung bei Höhenaufenthalten. Diese Übersichtsarbeit fasst die häufigsten gastroin-
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testinalen Probleme und deren möglichen Ursachen zusammen. Am häufigsten sind Diarrhö, Gewichtsverlust, dyspeptische Erkrankungen und Meteorismus/Flatulenz. Der Durchfall ist die am öftesten beobachtete Erkrankung. Dieser wird vor allem von bakteriellen und parasitären Erregern bei Expeditionen in großer Höhe durch eine hohe Rate an fäkaler Kontamination von Treckingrouten und eine erschwerte Dekontamination von Trinkwasser unter Höhenbedingungen ausgelöst. Weitere Auslöser sind eine durch hohe Magnesiumkonzentration im Gletscherwasser bedingte osmotische Diarrhö sowie eine Diarrhö durch körperliche Anstrengung (Runner´s diarrhea). Ein pathophysiologisch nur bedingt erklärtes Phänomen ist der Gewichtsverlust bei Höhenaufenthalten. Als Ursachen werden ein erhöhter Energieverbrauch durch Kälte und körperliche Anstrengung sowie ein Appetitverlust postuliert, letzterer vermutlich durch veränderten GI-Hormonspiegel. Dyspeptische Symptome, Gastritis und Reflux werden im Alpinsport vor allem durch sportliche Betätigung verursacht, die hohe Rate an Gastritis und peptischen Erkrankungen bei Höhenbewohnern durch eine hohe Prävalenz an H.pylori Infektionen. Eine lästige Begleiterscheinung bei Höhenaufenthalten sind verstärkte Flatulenz und Meteorismus. Diese kommen in erster Linie durch eine erhöhte Ausdehnung von Darmgasen bei niedrigem Luftdruck zustande. Obwohl gastrointestinale Symptome bei Höhenexposition sehr häufig sind, existieren bisher nur wenige Daten über deren Pathophysiologie. Eine genauere Klärung physiologischer Mechanismen von Höheneinflüssen auf den GI-Trakt ist in Zukunft notwendig. Schlüsselwörter: Alpinsport, Diarrhoe, Gastrointestinaltrakt
EINLEITUNG Gastrointestinale Symptome und Erkrankungen sind ein häufiges Problem bei Expeditionen und sportlichen Aktivitäten in großer Höhe. Diese können zu einer beträchtlichen körperlichen und psychischen Einschränkung von Alpinsportlern und Teilnehmern an Bergexpeditionen führen. In den widrigen Umständen von Expeditionen in extremer Höhe führen sie mitunter auch zu einer potentiellen vitalen Gefährdung. Dass gastrointestinale Probleme im Vergleich zu anderen Erkrankungen und Verletzungen wesentlich häufiger als erwartet auftreten, veranschaulichen berichtete Erkrankungen, die während einer Mount Everest Expedition 1992 auftraten (1). An dieser Expedition nahmen 35 Bergsteiger sowie 20 Sherpas und Träger teil. Die berichteten Erkrankungen und deren Häufigkeit sind in Tabelle 1 aufgelistet. In einer weiteren Studie über Erkrankungen von jugendlichen Teilnehmern an mehreren Expeditionen wurde eine ähnliche Häufung von gastrointestinalen Erkrankungen bei Aufenthalten in Höhen 74
Fallzahl
Gastrointestinale Erkrankungen
50
Gastroenteritis/Durchfall gastrointestinale Blutung Dyspepsie anhaltendes Erbrechen Hämorrhoiden
43 1 2 1 3
Akute Höhenkrankheit
26
Mild Schwer
24 2
Trauma
22
Fraktur Weichteilverletzung Erfrierung Sonnenbrand
1 10 6 5
Erkrankungen des Respirationstrakts
37
Halsschmerzen Husten Infektionen
14 18 5
Zahnerkrankungen
4
Abszess verlorene Kronen
2 2
Tab. 1: Häufigkeit von gastrointestinalen Erkrankungen im Vergleich zu anderen medizinischen Problemen im Rahmen einer Mount-Everest-Expedition (55 Teilnehmer) Adaptiert nach A´Court C et al. How to do it: Doctor on a mountaineering expedition. BMJ 1995; 310: 1248
von > 2.500 m gefunden (2). Grundsätzlich führen im Alpinsport folgende drei Hauptfaktoren zu gastrointestinalen Problemen: • Höheneinflüsse • körperliche/sportliche Aktivität • andere Umwelteinflüsse In dieser Arbeit sind die häufigsten gastrointestinalen Erkrankungen und Symptome im Alpinsport sowie deren möglichen Ursachen einzeln abgehandelt.
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DIARRHÖ/GASTROENTERITIS Durchfallerkrankungen, die gehäuft im Rahmen von Höhenaufenthalten und alpinsportlichen Betätigungen auftreten, lassen sich im Wesentlichen in drei Gruppen von Ursachen unterteilen. Infektiöse Genese In den anfangs erwähnten Publikationen zeigt sich, dass die infektiöse Gastroenteritis vermutlich die am meisten beobachtete Erkrankung bei Bergexpeditionen ist. Gastrointestinale Infektionen werden gehäuft bei Höhenaufenthalten und hochalpinen Expeditionen vor allem in Ländern der Dritten Welt (Himalaja, Anden) mit niedrigem hygienischem Status beobachtet. Häufige Infektionserreger bakterieller Genese sind Salmonellen, Shigellen sowie enterotoxische E.coli (ETEC, häufigste Erreger der traveller´s diarrhea) (Abb. 1). Die zweite Gruppe an wichtigen Durchfallserregern in diesen Regionen sind Protozoen, vor allem Giardia lamblia und Entamoeba histolytica. Die Übertragung der Keime erfolgt fäkooral, da populäre Bergrouten einen hohen Grad an fäkaler Kontamination aufweisen (1). Zusätzlich kommt es durch Windverfrachtungen von Schnee zu einer weitreichenden Kontamination durch diese Erreger im hochalpinen Gelände. Da diese Krankheitserreger auch tiefen Temperaturen widerstehen, ist Trinkwasser, das aus Schnee und Eis gewonnen wird, als potentiell kontaminiert anzusehen. Erschwerend ist eine durch die tiefen Temperaturen bedingte unzureichende Händehygiene vor dem Essen und Kochen. Der Durchfall wird entweder von einer Darmentzündung durch Invasion der Keime verursacht (Salmonellen, Shigellen, Amöben) oder durch bakterielle Toxine ausgelöst. Letztere, wie die von enterotoxischen E.coli (ETEC) produzierten Toxi-
Abb. 1: Enterotoxische E.coli
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ne, führen über eine Aktivierung der aktiven Chloridsekretion vor allem im Dünndarm zu einer sekretorischen Diarrhö und in weiterer Folge zu massiven Flüssigkeits- und Elektrolytverlusten. Die Prophylaxe von infektiösen Durchfallserkrankungen bei Höhenaufenthalten ist im Prinzip ähnlich den Empfehlungen bei Reisen in Ländern mit niedrigem hygienischem Status. Das Abkochen oder die chemische Sterilisation des Trinkwassers und der damit kontaminierten Nahrungsmittel sind die wichtigsten Maßnahmen. Zu beachten ist jedoch, dass in großer Höhe der Siedepunkt des Wassers bei niedrigerer Temperatur als auf Meeresniveau liegt. Daher ist ein längeres Kochen des Wassers zum Abtöten der Keime notwendig, z.B. auf 4.500 m Höhe ist ein Kochen von 24 Minuten notwendig. Osmotische Diarrhö Eine weitere Genese des Durchfalls in Höhenaufenthalten ist osmotisch bedingt. In diesem Fall führen durch den Darm nicht absorbierte Stoffe zu einer vermehrten Wasserretention im Darm und in weiterer Folge zur Diarrhö. Eine der Ursachen ist ein im Gletscherwasser häufig beobachteter erhöhter Magnesiumgehalt. Magnesiumionen werden nur zu circa 15 % im Darm absorbiert, der Rest verbleibt im Darmlumen und führt abhängig von der Menge zu einer Erhöhung des Stuhlwassers und des Stuhlvolumens (Abb. 2) (3). Zusätzlich kann eine koh-
Abb. 2: Die Steigerung des Stuhlvolumens bei osmotischer Diarrhö durch Magnesium ist proportional abhängig zur aufgenommenen Menge an Magnesiumionen (adaptiert nach Ref. 3).
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lenhydratreiche Kost über im Dünndarm malabsorbierte Kohlenhydrate eine osmotische Diarrhö verursachen. Insbesondere Fruktose, die häufig als Süßstoff verwendet wird, kann nur begrenzt im Dünndarm absorbiert werden. Diarrhö durch extreme körperliche Anstrengung (Runner´s diarrhea) Diarrhö oder Urgenz zum Stuhlgang ist ein gängiges Phänomen, das bei verschiedenen sportlichen Betätigungen (z.B. Marathon, Radfahren, Triathlon, long-distance walking) beobachtet wurde. Laut Literatur sind 20–50 % aller Sportler betroffen (4). In einer Studie an Läufern berichteten 60 % der Befragten über eine Unterbrechung des Laufens zum Stuhlgang im Training und 12 % während eines Wettkampfs (5). Zu beachten ist, dass in dieser Form des Durchfalls häufig Blutbeimengungen im Stuhl gefunden wurden. Ein positiver Hämocculttest ist bei 8–87 % der Fälle von Runner´s diarrhea beschrieben (6). Die Ursache dieser Art von Durchfall ist multifaktoriell. Einerseits kommt es bei starker körperlicher Betätigung zu einer Reduktion der Darmdurchblutung im mesenteriellen Stromgebiet um bis zu 80 %, wobei auch Fälle von ischämischer Colitis beschrieben sind. Andere postulierte Faktoren sind eine Reduktion der intestinalen Glukoseabsorption, eine Steigerung der Darmpermeabilität und eine Reduktion der Wasser- und Flüssigkeitsabsorption durch adrenerge Stimulation. Eine Beschleunigung der intestinalen Transitzeit spielt vermutlich keine Rolle. Therapie von Durchfallerkrankungen Die wichtigste therapeutische Maßnahme insbesondere bei schweren Durchfallserkrankungen ist eine Substitution von Flüssigkeit und Elektrolyten. Wenn möglich, kann diese parenteral über Infusionen erfolgen. Unter Expeditionsbedingungen ist jedoch meist nur eine orale Substitution auf Basis von WHO-artigen Lösungen möglich. Letztere beruhen auf dem Natrium-Glukose Kotransporter im Dünndarm, der bei toxinvermittelter Diarrhö funktionsfähig bleibt. Entsprechende Rehydratationslösungen enthalten hohe Mengen an Natriumchlorid, Kalium und Glukose beziehungsweise kurzkettigen Kohlenhydraten. Eine weitere Therapieoption ist die Verlangsamung der Darmpassage zur Steigerung der Absorption durch Opiate wie Loperamid (Imodium®, Enterobene®) oder die klassische Opium-Tinktur. Bei Durchfall durch invasive Keime insbesondere bei blutigem Durchfall ist eine Anwendung dieser Medikamente relative kontraindiziert. Bei invasiven Keimen ist in Abhängigkeit des Krankheitsbildes eine Antibiotikatherapie zu überlegen. Je nach Keim empfiehlt sich primär die Anwendung von Ciprofloxacin (Ciproxin®), Cotrimoxazol (Bactrim®) und Clarithromycin (Klacid®). Bei Protozoeninfektionen ist Metronidazol (Anaerobex®) das Mittel der ersten Wahl.
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GEWICHTSVERLUST Ein weiteres und wichtiges Phänomen bei Höhenaufenthalten ist ein deutlicher Gewichtsverlust (7). Die Genese ist multifaktoriell, mitverantwortlich sind Faktoren wie ein erhöhter Energieverbrauch durch starke körperliche Betätigung und Kälteexposition (7). Jedoch führt der Aufenthalt in großer Höhe alleine ohne die oben genannten Faktoren bereits zu Gewichtsverlust. Dies konnte in einem Experiment an gesunden Probanden in simulierten Bedingungen von 8.848 m für 31 Tage in einer Unterdruckkammer gezeigt werden (8). In diesem Experiment wurden Faktoren wie Kälteexposition und körperliche Belastung ausgeschaltet. Unter diesen Bedingungen kam es trotz ausreichend vorhandener Nahrung zu einem mittleren Gewichtsverlust von 5 kg pro Proband. Vermutete Mechanismen sind ein Appetitverlust und eine Abneigung gegen fettreiche Mahlzeiten, welche zumeist ab Höhen von über 5.000 m auftreten. Diese sind vermutlich durch erhöhte Serumspiegel von Leptin, Cholezystochinin (CCK) und Zytokinen bedingt (7). Ob eine geringere Absorption von Nahrungsstoffen im Darm eine weitere Ursache ist, ist bisher fraglich. In Untersuchungen wurde sowohl eine verminderte Xylose- (bis zu - 35 %) und Glucoseabsorption (bis zu - 15%) auf 6.300 m als auch eine reduzierte Disaccharidaseaktivität (bis zu - 62 %) gefunden (7). Im Gegensatz dazu sind sowohl Absorption von Proteinen und Fetten als auch Kalorienverlust über den Stuhl normal (9). Um einen starken Gewichtsverlust bei Expeditionen in großer Höhe zumindest teilweise zu vermeiden, empfiehlt sich eine kohlenhydratreiche Ernährung, mehrere Mahlzeiten am Tag (zusätzlich Snacks), mindestens eine warme Mahlzeit am Tag sowie reichliche Flüssigkeitszufuhr.
GASTROINTESTINALE MOTILITÄT Störungen im Bereich der gastrointestinalen Motilität können zu Symptomen wie Übelkeit/Erbrechen, Völlegefühl, Meteorismus, Durchfall und Obstipation führen. Einflüsse von Höhe konnten bisher auf die Magen- und Kolonmotilität gezeigt werden. In einem Tierexperiment bei Ratten unter simulierten Höhenbedingungen von 5.000 m wurde eine Hemmung der Magenmotilität anhand einer verminderten Amplitude und Anzahl der Kontraktionen gemessen (10). Durch Vagotomie der Ratten konnte dieser Effekt verhindert werden. Im selben Experiment wurde eine Steigerung der Kolonmotilität zu Beginn und am Ende der simulierten Höhenbedingungen beobachtet, dieser Effekt war unabhängig von einer Vagotomie. Eine weitere Studie an 30 gesunden Probanden in einer simulierten Höhe von 2.500 m fand eine signifikante verlängerte Magenentleerungszeit statt, insbesondere bei faserreicher Ernährung (20 g/Mahlzeit) (11).
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Zusammenfassend sind Höheneinflüsse auf die gastrointestinale Motilität zumindest teilweise durch zentrale Faktoren ausgelöst und können die Genese einiger Symptome bei Höhenaufenthalten partiell erklären.
DYSPEPSIE, GASTRITIS, PEPTISCHES ULCUS UND GASTROÖSOPHAGEALE REFLUXERKRANKUNG (GERD) Säurebedingte Erkrankungen des oberen Gastrointestinaltrakts zählen generell zu den häufigsten Erkrankungen. Durch eine hohe Rate an Durchseuchung mit Helicobacter pylori sind diese Erkrankungen mit einer hohen Inzidenz bei Bewohnern von hoch gelegenen Regionen wie z.B. den Anden beschrieben. Auffällig ist jedoch eine schwerere Form der Gastritis im Vergleich zu Bewohnern von Gebieten auf Seehöhe (12). Daher werden zusätzliche magenaggressive Faktoren und ein Mangel an Magenschleimhaut-protektiven Faktoren postuliert. Die Häufigkeit dieser Erkrankungen ist bisher bei Alpinsportlern noch nicht genau untersucht worden, jedoch ist eine sehr hohe Prävalenz in anderen Ausdauersportarten wie dem Laufen beschrieben. In einer Untersuchung an jungen Sportlern hatten 17/24 (71 %) eine erosive Gastritis (Abb. 3), 1/24 (4 %) ein peptisches Ulcus und 8/24 (33 %) eine Ösophagitis (6). Als Ursache wird unter anderem eine reduzierte Magendurchblutung vermutet. Ebenso sind gastroösophageale Refluxsymptome sowie ein gemessener pathologischer Reflux bei verschiedenen Sportarten zu beobachten, insbesondere bei Nahrungsaufnahme vor sportlicher Betätigung (13). Die Prophylaxe und Therapie derartiger Erkrankungen und Symptome beinhaltet die üblichen Säureblocker wie Protonenpumpenhemmer und H2-Blocker sowie – in milden Fällen – Antazida.
Abb. 3: Endoskopischer Aspekt einer erosiven Gastritis.
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F L AT U L E N Z / M E T E O R I S M U S Eine erhöhte Flatulenz beziehungsweise Meteorismus wird bei Passagieren und Bordpersonal von Langstreckenflügen beschrieben. Der Kabineninnendruck auf diesen Flügen entspricht 1.500–2.500 Höhenmetern. Prinzipiell betrifft dieser Umstand auch alle anderen Arten der Höhenexposition wie den Alpinsport. Die Ursache ist hauptsächlich eine physikalische. Durch die Abnahme des Luftdrucks kommt es zu einer Volumenszunahme der Darmgase. Wie in Tabelle 2 gezeigt, ist die Gasausdehnung in 10.000 m die vierfache im Vergleich zur Seehöhe. Die Darmgase werden durch verschluckte Luft, kohlendioxydhaltige Getränke sowie durch die bakterielle Fermentation von im Dünndarm nicht absorbierten Kohlenhydraten und Proteinen gebildet. Die Hauptbestandteile sind die geruchslosen Gase Stickstoff, Wasserstoff und Kohlendioxyd (14). Das intestinale Gasvolumen ist sehr variabel und beträgt zwischen 150–500 ml. Ein Höhenaufenthalt kann somit zu einer signifikanten Zunahme des Darmgasvolumens führen. Als zusätzlicher Auslöser für diese Symptome kommen Änderungen in der Magen- und Darmmotilität in Frage (siehe oben). Höhe Seehöhe 1.800 m 10.000 m
Gasvolumen 100 ml 130 ml 400 ml
Tab. 2: Einfluss von Höhe auf die Gasausdehnung.
P F O RTA D E RT H R O M B O S E Eine hohe Rate an der an und für sich seltenen Pfortaderthrombose wurde in einer kürzlich publizierten Arbeit bei indischen Soldaten mit längerem Höhenaufenthalt beschrieben. In dieser Publikation wurden 26 Fälle von höhenassoziierter mit 11 Fällen von nicht höhenassoziierter Pfortaderthrombose verglichen (15). Bei den Patienten mit der höhenassoziierten Form wurde ein Höhenaufenthalt von 4.000 bis 6.500 m mit einer durchschnittlichen Dauer von 12 Monaten (1–20 Monate) angegeben. Es handelte sich zumeist um junge Patienten im mittleren Alter von 27 Jahren. Auffallend im Gegensatz zur nicht höhenassoziierten Form war eine geringe Rate an thrombophilen Grunderkrankungen und zusätzlicher Beteiligung von mehreren pfortaderassoziierten Gefäßen (15). Ein thrombophiles Risiko durch den Höhenaufenthalt an sich, vermutlich durch Exsikkose, wurde postuliert.
KONKLUSION Obwohl gastrointestinale Probleme häufig bei Höhenaufenthalten und sportlichen Betätigungen vorkommen, sind publizierte Daten über deren genaue Inzi-
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denz und über mögliche pathophysiologische Mechanismen nur sehr spärlich. Eine genauere Erforschung der gastrointestinalen Veränderungen durch Höhe erscheint daher in Zukunft notwenig und kann auch zum besseren generellen Verständnis physiologischer und pathophysiologischer Vorgänge im MagenDarm-Trakt beitragen.
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Wo l f g a n g D o m e j , G ü n t h e r S c h w a b e r g e r, T h o m a s Va l e n t i n , E r i c h F l ö g e l , C l e m e n s P i e t s c h , Christoph Guger
Asthma bronchiale und Höhe – Vorteil oder Risiko? Bronchial asthma and altitude – benefit or risk? S U M M A RY It is an old wives' tale that only healthy people can climb high mountains. Asthmatics mostly benefit from a stay at moderate altitudes (1,500–2,500 m). Up to 2,000 m, the reduction of pollen and fine particulate matter seems to be beneficial despite mild altitude hypoxia. The majority of patients with extrinsic asthma feel better at moderate altitudes. Due to an increase in catechola-mine and cortisol secretion, asthma symptoms will decrease with bronchial hyperresponsiveness. It was no coincidence that asthma clinics were built to utilize the benefits of climatic conditions. High-altitude climate therapy for asthmatics has a long tradition in Europe and is the successor to the century-old moun-tain climate therapy for tuberculosis. Depending on the altitude, exposure to hypoxic atmosphere may affect patients with lung disease, and very high altitude can compromise respiratory function in asthmatics. Nevertheless, patients with chronic stable asthmatic disease can enjoy such alpine sports as hiking, mountaineering, and skiing. Keywords: Asthma bronchiale, moderate altitude, high mountain-climate therapy, rehabilitation
Z U S A M M E N FA S S U N G Es ist ein Ammenmärchen, dass nur Gesunde hohe Berge ersteigen können. Asthmatiker profitieren meistens von einem Aufenthalt in mittlerer Höhenlage (1.500–2.500 m). Bis zu einer Höhe von 2.000 m dürfte der Vorteil durch verminderten Pollen- und Partikelflug trotz mäßiger Höhenhypoxie überwiegen. Der Großteil der Patienten mit exogen allergischem Asthma bronchiale empfindet bei einem Höhenaufenthalt eine deutliche subjektive Besserung der 85
Beschwerden. Die bronchiale Hyperreaktivität und Asthmasymptomatik nehmen mit dem Anstieg der Katecholamin- und Cortisolsekretion ab. Es ist daher kein Zufall, dass sich spezielle Asthmakliniken in mittlerer Höhenlage etablierten, um die Vorteile des Höhenklimas für Patienten therapeutisch nutzbar zu machen. Als adjuvanter Therapieansatz bei Asthma bronchiale hat die höhenklimatische Therapie in Europa eine jahrzehntelange Tradition und folgt der Klimabehandlung der Tuberkulose während des letzten Jahrhunderts. In Abhängigkeit von der Höhe haben Asthmatiker allerdings das Risiko einer Verschlechterung ihrer respiratorischen Funktion. Trotzdem können Asthmatiker im stabilen symptomfreien Intervall alpinen Sportarten wie Wandern, Bergsteigen und Schifahren nachgehen. Schlüsselwörter:Asthma bronchiale, mittlere Höhe, Höhenklimatherapie, Asthma-Rehabilitation
EINLEITUNG Bei geschätzt 700.000 Asthmatikern und 1,6 Mio. Alpinwanderern pro Jahr in Österreich sind Menschen mit Asthma bronchiale, die alpine Höhen aufsuchen, keine Seltenheit. In der Höhe überwiegen in der Regel die adrenerge Stimulation sowie aerogene Allergen- und Partikelarmut, die zu einer meist zeitlich begrenzten Abnahme der Asthmasymptomatik und bronchialen Entzündung führen (1, 2). Weltweite Studien bestätigen die deutlich geringere Milben-, Schimmelpilz- und Pollenbelastung mittlerer und großer Höhen, wofür in erster Linie die verminderte Luftfeuchtigkeit verantwortlich ist, die alle 1.000 m um etwa 25 % abnimmt. Ab einer Höhe von 1.500 m sind Hausstaubmilben auch in Innenräumen nicht mehr lebensfähig (3, 4); infolgedessen ist die Asthmaprävalenz mit positivem Hauttest auf Hausstaubmilbe bei Schulkindern, die in alpinen Höhenlagen leben, signifikant niedriger als auf Meeresspiegelniveau (5). In der Regel besteht eine negative Korrelation zwischen Asthmaprävalenz und geographischer Höhe (3). Kinder in einem Lebensraum zwischen 800 und 1.200 m haben im Gegensatz zu Kindern im Tiefland eine zweimal niedrigere Asthmaprävalenz (6). Demzufolge sind in der Höhe lebende Kinder mit Asthma bronchiale auch signifikant weniger symptomatisch. Bei Asthmakindern führt eine Allergenkarenz im Rahmen eines längeren Höhenaufenthaltes nicht nur zu einer Abnahme der unspezifischen bronchialen Reaktivität, sondern auch zu einer Senkung der Allergensensitivität, der asthmatischen Spätreaktion sowie des IgE-Spiegels (7). Ein Höhenaufenthalt senkt die bronchiale Reaktivität auch auf hypoosmolare Aerosolinhalation (Nebel, Niederschlag) (8) und verbessert darüber hinaus die dynamische Lungenfunktion und Belastungstoleranz. Die 86
Verminderung der bronchialen Reaktivität dürfte in erster Linie mit der Protektion durch höhere Cortisol- und Katecholaminspiegel in Zusammenhang stehen (1). Aber auch Erwachsene mit schwerem persistierendem Asthma und regulärer medikamentöser Behandlung (Tab. 1) zeigten in einem Parallelgruppenvergleich nach mehrwöchigem Höhenaufenthalt einen deutlichen zusätzlichen Benefit bezüglich Entzündungsaktivität und Krankheitskontrolle (9). Ein allergen- und schadstoffarmes Höhenklima bedeutet somit für den Asthmatiker meist eine verbesserte Langzeitkontrolle und in vielen Fällen auch eine Reduktion seines medikamentösen Therapieniveaus. Grad
Symptome
Bronchodilatator
PEF (%)
intermittierend
keine
< 1x/Monat (SABA)
80
mild persistierend
< 1x/Woche
< 1x/Woche (SABA , ICS)
80
moderat persistierend
>1x/Woche gelegentliches nächtliches Erwachen
an meisten Tagen (SABA, ICS + LABA)
60 < 80
schwer persistierend
regelmäßig nächtliche Symptomatik
4x/Tag (SABA, ICS+ LABA+ OCS)
60
Tab. 1: Einteilung von Asthma bronchiale und Therapie SABA: kurz wirksamer ß2-Agonist, ICS: inhalatives Glukokortikoid, LABA: lang wirksamer ß2-Agonist, OCS: orales Glukokortikoid, PEF: exspiratorischer Spitzenfluss
ASTHMA UND BELASTUNGSBEDINGTE BRONCHOKONSTRIKTION (EIB) Eine belastungsbedingte bronchokonstriktive Dysfunktion unterscheidet sich pathogenetisch von exogenem Asthma und wirkt sich im Ausdauersport leistungsmindernd aus (10). 80–90 % aller Asthmatiker leiden zugleich an einer Belastungskomponente ihrer Erkrankung (exercise-induced bronchoconstriction, EIB). Aber auch bei 3–10 % der Normalbevölkerung tritt diese mehr oder weniger ausgeprägte, in erster Linie von der Belastungsintensität und -dauer abhängige Bronchokonstriktion auf, wobei höhenklimatische Faktoren modifizierend wirksam sein können (11, 12). Trockenkaltlufthyperventilation und Schleimhautexsikkose sind wesentliche pathogentische Faktoren der EIB (13),
87
wobei die Kaltluftprovokation eine probate klinische Untersuchungsmethode zur Diagnostik bronchialer Hyperreagibiltät vor allem in der pädiatrischen Pneumologie darstellt (14). Dem Atemwärmeverlust unter belastungsbedingter oraler Hyperventilation folgt nach Wiedererwärmung eine Kongestion der Bronchialschleimhaut, die, wie auch der begleitende Exsikkationseffekt (Erhöhung extrazellulärer Osmolarität, Elektrolytverschiebung, Freisetzung bronchospastisch wirksamer Mediatoren) zu obstruktiver Ventilationseinschränkung führt. Zu EIB prädisponieren vor allem Ausdauersportarten im Freien mit hohen Trainingsintensitäten und exzessiver Kaltlufthyperventilation (Tab. 2), wozu auch fast alle alpinsportlichen Aktivitäten zählen. In diesem Zusammenhang konnte gezeigt werden, dass eine submaximale aerobe Ausdauerbelastung in der Höhe zu signifikanter Aktivierung des Immunsystems führt, was spekulativ auch mit der Entstehung der EIB in Verbindung stehen könnte (15). Flachlandbewohner mit mildem kontrolliertem Asthma zeigten am höchsten Punkt ihres 2-wöchigen Himalayatrekkings einen signifikanten Abfall des exspiratorischen Spitzenflusses (PEF), wobei es nach einer zusätzlichen Laufbelastung zu keinem weiteren Abfall des PEF, jedoch zu einer deutlichen Abnahme der Sauerstoffsättigung kam (16). Auf diese Weise könnte sich der höhere Hypoxämiegrad bei Asthmatikern nachteilig auf die Höhenanpassung auswirken. * Schilanglauf * Schitourenwettkampf * Radrennsport * Eiskunstlauf * Fußball * Eishockey * Langstreckenlauf * Geländelauf
50-70% 50% 45% 30% 12-50% 19% 17% 14%
Tab. 2: Asthmaprävalenz einiger Freiluftsportarten Unter allen Teilnehmern der Winterspiele in Nagano 1998 ergab sich in den Disziplinen nordische Kombination, Schilanglauf und Eisschnelllauf zusammengenommen eine Asthmaprävalenz von 61 % (17). Dagegen war die Prävalenz im Rahmen der olympischen Sommerspiele in Atlanta in den Disziplinen Radsport und Mountainbiking mit 45 % deutlich geringer (18). Wie Beispiele aus dem Spitzensport immer wieder eindrucksvoll unter Beweis stellen, ist unter individuell angepasster antiasthmatischer Therapie eine leistungsmäßige Ebenbürtigkeit von Asthmatikern durchaus möglich (19). Auch Österreichs Aushängeschild des alpinen Schirennsportes Hermann Maier benötigte bei den Winterspielen 2006 in Sestriere eine entsprechende medikamentöse Prävention. Als
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Asthmatiker musste er seine inhalative Therapie vor seinem ersten Bewerb vom IOC und der FIS genehmigen lassen. Viele Alpinsportler sind sich allerdings ihrer EIB gar nicht bewusst. So entwickelten 15 von 31 wettkampferfahrenen Alpinisten nach einem Schitourenwettkampf eine EIB, ohne dass sich 10 der betroffenen Alpinsportler dieses Problems bewusst waren (20). „Auspowern“ in kalter Umgebungsluft ist bei Alpinsportlern mit Neigung zu EIB daher keinesfalls ratsam (21). Asthma/EIB unter Schifahrern wird wegen der außergewöhnlichen Häufigkeit mitunter bereits als „Schi-Asthma“ bezeichnet. Schlittenhunde stellen dafür ein geeignetes Modell dar (Abb. 1). So konnte im Anschluss an ein Schlittenhunderennen über 1.100 Meilen (Iditarod Trail/Alaska) eine deutliche entzündliche Zellkomposition in der bronchoalveolären Lavageflüssigkeit (BALF) der Tiere nachgewiesen werden (exercise-induced inflammation) (Abb. 2) (22). Noch 4 Monate nach intensivem Wettkampftraining wurde bei den Tieren eine mäßiggradige Obstruktion peripherer Atemwege registriert (23). Es liegt die Vermutung nahe, dass wiederholte Ausdauerbelastungen in kalter Umgebungsluft zu einer peripher bronchokonstriktiven Dysfunktion führen können, die sich auch nach Sistieren des Reizes nicht mehr vollständig zurückbildet. Es ist auch gut vorstellbar, dass bei Menschen mit genetischer Disposition zu Asthma bronchiale die Krankheit durch häufig wiederkehrende Kaltlufthyperventilationsmanöver und unvollständige Atemluftkonditionierung manifest werden kann. Empfehlungen zur Prävention der EIB betreffen neben der regulären Medikation und allgemeinen Maßnahmen eine entsprechende Prämedikation, am besten mit 2 Hüben eines kurzwirksamen ß2-Agonisten (SABA) 15 Minuten vor Belastungsbeginn (Tab. 3). Die meisten Patienten mit EIB erreichen dadurch eine Protektion von mindestens drei Stunden.
Abb. 1: Alaska-Schlittenhunde: Tiermodell für „Schi-Asthma“
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60 n. Belastung Ruhe
50
40
30
20
10
0 Gesamt
MA
LY
NEU
EO
Endoscore
Abb. 2: „Schi-Asthma“: BALF-Zellanalyse bei ausdauerbelasteten und ruhenden Tieren. MA: Makrophagen, LY: Lymphozyten, NEU: neutrophile GZ., EO: eosinophile GZ. (Zellen/mL x 104) (22) medikamentös * kurz wirksame ß2-Agonisten (SABA) Fenoterol (Berotec£), Sultanol (Salbutamol£) Terbutalin (Bricanyl£) * Cromone DNCG (Intal£, Ditec£) Nedocromil-Natrium (Tilade£) * Leukotrien-Rezeptor-Antagonisten Montelukast (Singulair£) * inhalative Kortikosteroide (ICS) Fluticason (Flixotide£) Budesonid (Pulmicort£, Miflonide£)
nicht-medikamentös * ausreichendes Aufwärmen vor körperlicher Belastung * ausreichende Trinkmenge * Meidung unspezifischer Triggerfaktoren * kein „Auspowern“ in kalter Höhenatmosphäre * Atemmuskeltraining (z.B. PowerLung£ Sport) * Nasenatmung zur Atemluftkonditionierung * bei großer Kälte evtl. Sturmhaube oder Maske zur Vorwärmung der Inspirationsluft
Tab. 3: Prävention belastungsbedingter Bronchokonstriktion (EIB) Einen gewissen Schutz vor EIB bieten auch Sturmhauben bzw. Atemluft-Vorwärmemasken, wie sie der Silbermedaillengewinner (Salt Lake City 2002) und Gewinner dreier Weltcupbewerbe im Schilanglauf, Peter Schlickenrieder, bei sehr kalten Außentemperaturen im Training verwendete. Eine einfache Gesichtsmaske kann die Inspirationsluft um 5–10°C vorwärmen und gleichzeitig den respiratorischen Flüssigkeitsverlust reduzieren (24, 25, 26). Masken zur Atemluftvorwärmung sind allerdings in den klassischen Bergsportdisziplinen bisher weitgehend unbekannt geblieben. 90
ASTHMAMEDIKAMENTE UNTER HÖHENEINFLUSS Die meisten Medikamente wurden zur Anwendung auf Normalhöhe entwickelt und sollten zwischen 8 und 25°C appliziert werden (27). Leider existieren kaum brauchbare Literaturangaben zur Stabilität von inhalativen ß2-Mimetika oder Kortikoiden unter extremen Umweltbedingungen. Dosieraerosole und Pulverinhalatoren gewährleisten auch noch unter hypobaren Bedingungen der Höhe eine konstante Wirkstoffabgabe; Sprays sind zudem extrem kälteresistent. Dosieraerosole sollten jedoch niemals Temperaturen über 50 °C ausgesetzt werden, da darüber Explosionsgefahr besteht. Es versteht sich von selbst, dass Pulverinhalationssysteme vor Feuchtigkeitseinwirkung und Kondenswasserbildung dauerhaft geschützt werden müssen, da es sonst zur Verklumpung der Wirksubstanz kommen kann, wodurch die inhalative Applikation unter Umständen verunmöglicht wird. Erfahrungen zeigen, dass die in Tab. 3 angeführten Substanzen bis zu extremen Temperaturbereichen (-20/+60°) stabil und wirksam bleiben (27). Inhalationssysteme (z.B. Diskus), bei denen der Wirkstoff verblistert ist, sind gegen Feuchtigkeit weitgehend unempfindlich. Das Mundstück sollte jedoch nach jeder Verwendung gut gereinigt werden, damit keine Laktosereste haften bleiben, die unter Kälteeinfluss eventuell verkleben und die Funktionstüchtigkeit des Systems einschränken können. Für Dosieraerosole gilt dasselbe, wenn auch in eingeschränkter Form, da die Wirkstoffsuspension im Metallbehälter bzgl. Feuchtigkeit und Temperatur auf jeden Fall empfindlicher ist als bei Systemen mit verblisterten Wirkstoffen.
H Ö H E N H U S T E N – E I N A S T H M A Ä Q U I VA L E N T ? Bei Kleinkindern ist Husten oftmals als Asthmaäquivalent zu werten und nicht selten das einzige Symptom, das auf Asthma bronchiale hinweist. Inwieweit der beim Höhenbergsteigen häufig auftretende Höhenhusten (high altitude cough/HAC) (28) ein Äquivalent der EIB oder gar eine eigene Krankheitsentität darstellt, ist zur Zeit nicht bekannt (29, 30). Simulierte Aufstiege in einer Unterdruckkammer bis auf Everesthöhe zeigten jedenfalls, dass Lufttrockenheit und -kälte als Auslöser des HAC gegenüber hypobarer Hypoxie deutlich nachrangig sind.
BRONCHIALE HYPERREAKTIVITÄT UND HÖHE Erschöpfende Belastungsprofile mit exzessiver Kaltlufthyperventilation (z.B. Berglauf) können auch bei gesunden Sportlern zu einer vorübergehenden Steigerung der bronchialen Reaktivität führen (31). Da tierexperimentell eine
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alveoläre Hypoxie die unspezifische bronchiale Reaktivität über Mastzellmediatoren verstärkt (32), wäre auch über diesen Mechanismus eine Zunahme asthmatischer Beschwerden in der Höhe verständlich. Das zytotoxische eosinophile kationische Peptid (ECP), das sowohl Mastzellen als auch basophile Granulozyten zu degranulieren vermag und dessen Serumspiegel mit der individuellen bronchialen Reaktivität eng korreliert, steigt auch bei gesunden, trainierten Personen im Rahmen einer mehrstündigen submaximalen Ausdauerbelastung in mittlerer Höhe signifikant an, wobei dynamische Lungenfunktionsparameter zeitverschoben erst nach beendeter Höhenexposition ähnlich einer asthmatischen Spätreaktion abnehmen (31). In diesem Zusammenhang bestätigen auch BALF-Analysen asthmatischer und nicht asthmatischer Schilangläufer im Anschluss an hohe aerobe Ausdauerbelastung entzündliche Veränderungen peripherer Atemwege (33), wobei vor allem der Lymphozytengehalt deutlich ansteigt (Abb. 3). Unter diesem Aspekt stellt sich die Frage, ob eine belastungsbedingte inflammatorische Steigerung der bronchialen Reaktivität unter den Umgebungsbedingungen der Höhe eher einen physiologischen Abwehrmechanismus darstellt oder ob es sich dabei bereits um ein pathogenes Reaktionsmuster im Vorfeld einer Asthmaerkrankung handelt. Bei kontrolliertem Asthma überwiegt zumindest in mittlerer Höhe der gesundheitliche Vorteil.
Abb. 3: BALF-Befunde bei Langläufern mit und ohne „Schi-Asthma“ (Con: gesunde Kontrollen, NBHR: keine bronchiale Hyperreaktivität, NA: Nichtasthmatiker, BHR: bronchiale Hyperreaktivität, SA: Schi-Asthma)(33)
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ASTHMA UND HÖHENKLINIKEN Der Stellenwert des Höhenklimas in der adjuvanten Asthmatherapie ist heute unbestritten (Tab. 4). In der Schweiz, Italien, Deutschland und in östlichen Nachbarstaaten bestehen spezielle Einrichtungen zur Höhenklimatherapie von Asthma bronchiale und allergischen Erkrankungen (Tab. 5) (34, 35, 36, 37). Besonders die Institutionen in Davos haben lange Tradition, entwickelten sich diese doch vielfach aus Heilstätten zur Therapie der Tuberkulose (38). * Reduktion der bronchialen Hyperreaktivität (BHR) * Abnahme der Entzündungsparameter * Besserung der klinischen Symptomatik * Besserung der Belastungstoleranz * Reduktion des Therapieniveaus * optimierte Bedingungen für das Krankheitsstaging * Akklimatisationseffekte
Tab. 4: Positive Faktoren der Höhenklimatherapie bei Asthma bronchiale Einrichtung * Asthmasanatorium Tadschikistan * Instituto Pio XII, Misurina (Italien) * Zürcher Höhenklinik Davos (Schweiz) * Hochgebirgsklinik Davos (Schweiz) * Alpine Kinderklinik Davos (Schweiz) * Nederlands Astmacentrum Davos (Schweiz) * Luzerner Höhenklinik Montana, Crans Montana (Schweiz) * Klinik Santa Maria – Oberjoch, Allgäu (Deutschland) * Rehabilitationsklinik Mittelberg, Allgäu (Deutschland) * CJD Asthmazentrum Berchtesgaden, Obersalzberg (Deutschland)
Höhe 3.500 m 1.756 m 1.686 m 1.590 m 1.585 m 1.564 m 1.500 m 1.200 m 1.050 m 1.000 m
Tab. 5: Beispiele für Asthmakliniken in Höhenlage
A S T H M A U N D A L P I N S P O RT Sport ist heute ein wichtiger Bestandteil der Rehabilitation von Asthmatikern. Vom medizinischen Standpunkt bestehen bei stabilem Asthma auch gegenüber Alpinsportarten, die im Notfall jederzeit abgebrochen werden können, keine Einwände. Als empfehlenswerte Disziplinen gelten Nordic Walking, Bergwandern, Bergsteigen, Mountainbiking, aber auch Gletschertouren, Hochgebirgswandern, Trekking, Alpin- und Tourenschilauf, Schilanglauf, Snowboarding und Schneeschuhwandern; alle Disziplinen jedoch ohne Wettkampfcharakter.
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Bergläufe und Klettertouren sind nur mit Vorbehalt geeignet. Eine stabile Asthmaerkrankung bzw. ein medikamentös gut eingestelltes Asthma stellen selbst in großen Höhen kein größeres Problem als in Normalhöhe dar. Oftmals steht die Angst vor einem Asthmaanfall in keiner Relation zur Erkrankung. Allerdings gibt es eine Reihe sowohl positiver (Bronchodilatation) als auch negativer (Bronchokonstriktion) Provokationsfaktoren (Tab. 6), deren Nettoeffekt auf die Ventilation nicht immer klar abgeschätzt werden kann. Dazu kommt, dass die mechanischen Eigenschaften der Lunge nicht nur durch eine Bronchokonstriktion, sondern auch durch eine verminderte mukoziliäre Clearance oder Kongestion der Atemwege in kalter hypoxischer Umgebung beeinträchtigt werden können (39). negativer Einfluss * osmotische Reize (Niederschlag) * verminderte Luftfeuchtigkeit * hohe mechanische Belastung * Kaltlufthyperventilation * muskuläre Erschöpfung * Oxidantien/ROS (Ozon) * Exsikkose
positiver Einfluss * adrenerger Hypoxiestress * verminderte Outdoor-Allergenbelastung * verminderte aerogene Partikelbelastung * optimale Akklimatisation * verminderte Luftdichte
Tab. 6: Einflüsse auf die Atmung in der Höhe Es gibt Hinweise, dass Asthmatiker trotz regelmäßiger Kontrolle und normaler Alltagsbelastung in großen Höhen mit milder Bronchokonstriktion sowie signifikanter Abnahme des exspiratorischen Spitzenflusses (peak exspiratory flow, PEF) reagieren und in der Folge eine ausgeprägtere Höhenhypoxämie als Gesunde aufweisen (16). Demgegenüber stehen als Indikator einer bevorstehenden Asthmaexazerbation ein vermehrter Bedarf inhalativer Bronchodilatatoren und als Risiko wiederholte erschöpfende Belastungen z.B. während eines Höhentrekkings (40). Ein Peakflowmeter gehört daher in den Rucksack eines jeden alpinen Leistungssportlers und Trekkers mit Asthma. Damit kann auf einfache Art und Weise eine subjektive Verschlechterung der respiratorischen Situation objektiviert werden und danach die Medikation durch den geschulten Asthmatiker selbst angepasst werden (Abb. 4) (Tab. 7) (41). Die Frage, ob im sehr seltenen Extremfall einer Asthmaexazerbation in alpiner Höhenlage ein höheres gesundheitliches Risiko verbunden ist als auf Normalhöhe, ist situationsabhängig. Bereits eine milde Bronchokonstriktion reduziert das Atemminutenvolumen des Alpinsportlers beträchtlich und damit auch seine maximale Performance. Alpines Sport- und Eisklettern, Paragleiten oder Gleitschirmfliegen sind Asthmatikern in Bezug auf einen nicht unmittelbar möglichen notfallmedizinischen Beistand daher nicht zu empfehlen.
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Abb. 4: Peakflowmetriekontrolle unterwegs
Peakflowmetertypen AFS Low Range Mini-Wright Asthmacheck Peak Flow Meter Ferraris PocketPeak Peak Flow Meter
Atemfluss, L/min 30-400 60-810 60-800
Micropeak Peak-Flow-Meter Personal Best Peak-Flow-Meter Standard Range Mini-Wright Vitalograph Peak Flow Meter “asmaPLAN+ Pediatric“ Vitalograph Peak Flow Meter “asmaPLAN+“ Vitalograph Peak Flow Meter Standard Model 4300
60-900 60-800 60-800 50-280 50-800 50-800
Verwendung Kinder Erwachsene Kinder und Erwachsene Erwachsene Erwachsene Erwachsene Kinder Erwachsene Erwachsene
Tab. 7: Einige für den Outdoorbereich geeignete Peakflowmeter
A S T H M A B R O N C H I A L E U N D A K K L I M AT I S AT I O N Ab einer Schwellenhöhe von 2.500 m ist eine dauerhafte Anpassung an die Höhe erforderlich, um optimal leistungsfähig zu sein. Die damit verbundenen hypoxiegesteuerten Anpassungsvorgänge unterscheiden sich beim Asthmatiker nicht von jenen gesunder Alpinsportler. Die notwendige Akklimatisation jenseits der Schwellenhöhe sollte allerdings auf keinen Fall auf die leichte Schulter genommen werden. Es gibt Hinweise aus der Literatur, dass allein durch prolongierte Hypoxiebedingungen sowohl bei Mensch als auch Tier eine Bronchokonstriktion hervorgerufen werden kann (42). Daher ist es auch vorstellbar, dass bei 95
Asthmatikern infolge ausgeprägterer hypobarer Hypoxie zusätzlich eine subklinische bronchiale Kongestion eintreten kann, wodurch sich Lungenfunktion und Hypoxämie weiter verschlechtern (43).
ASTHMA BRONCHIALE UND HYPOXIESTRESS Oxidativer Stress bedeutet ein Ungleichgewicht zwischen oxidativer und antioxidativer Kapazität mit Verschiebung zur Seite reaktiver Sauerstoff- und Stickstoffverbindungen (ROS/RNS). Sauerstoffradikale können durch verschiedene enzymatische und chemische Prozesse generiert oder auf direktem Wege inhaliert werden und spielen eine bedeutende Rolle in der Pathogenese von Asthma und anderen Atemwegserkrankungen (44). Eine akute Exposition gegenüber hypobarer Hypoxie geht mit erhöhtem plasmatischen Hypoxiestress einher (45), wobei Auswirkungen auf Asthmatiker nicht untersucht sind. So kann z.B. die bronchiale Reaktivität insbesondere von Asthmatikern unter erhöhter troposphärischer Ozonbelastung, von der auch Reinluftgebiete im Gebirge nicht ausgenommen sind, zunehmen. Andererseits führen hohe physische Belastungen und Training in kalter Umgebung zu verstärkter endogener Generation von ROS (46, 47). Gesunde Landarbeiter einschließlich eines Asthmatikers zeigten bei Ozonbelastungen zwischen 30 und 110 µg/m3 in den Schweizer Bergen eine ganzjährig stabile Lungenfunktion (48), sodass der inhalativ-oxidative Stress in den Bergen innerhalb der gegebenen Ozongrenzwerte von untergeordneter Bedeutung sein dürfte.
ASTHMA BRONCHIALE UND HÖHENKRANKHEIT Obwohl in den seltenen Fällen einer höhenbedingten massiven Verschlechterung asthmatischer Beschwerden ein höherer Hypoxämiegrad als auf Meeresspiegelniveau zu erwarten ist, gibt es dazu weder Daten noch kasuistische Berichte (30). Es existieren auch keinerlei Literaturhinweise, die Asthma bronchiale mit erhöhter Prävalenz für Höhenanpassungsstörungen wie akuter Bergkrankheit (acute mountain sickness, AMS) oder Höhenlungenödem (high altitude pulmonary edema, HAPE) in Verbindung bringen. Im Rahmen einer einzigen Studie wurde bei einer Probandengruppe milder Asthmatiker die Auswirkung von Acetazolamid (Diamox®) über 2 Tage 750 mg zur AMS Prophylaxe im Rahmen eines Aufstieges auf 3.200 m randomisiert und plazebokontrolliert untersucht (49). Danach zeigte die Verumgruppe seltener AMS-Symptome sowie eine signifikant höhere nächtliche Sauerstoffsättigung. Sieben der acht Asthmatiker in der Plazebogruppe entwickelten dagegen AMS-Symptome.
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Trotz der hohen Inzidenz wurde im Rahmen dieser Studie nicht geprüft, ob die Inzidenz auch signifikant höher gegenüber einer nichtasthmatischen Kontrollgruppe unter denselben Studienbedingungen liegt. Aus Sicherheitsgründen (Analgetika-Asthma) sollten bei Höhenkopfschmerz keine Salizylate bzw. nicht-steroidalen Antirheumatika zur Anwendung kommen, sondern am besten Analgetika auf Paracetamalolbasis. * Alpinsport nur bei stabiler, kontrollierter Asthmaerkrankung * keine Unterbrechung der Basismedikation * vertrautes Handling der Notfallmedikamente * Meiden von exzessiver Kaltlufthyperventilation * rechtzeitiges Zurücknehmen körperlicher Aktivität, kein „Auspowern“ * Atemkälteschutz (Sturmhaube, Schal) * bei respiratorischem Infekt große Höhen meiden (Infektasthma) * Peak Flow Meter bei Trekkingtouren mitführen * Trekking in großen Höhen in Gruppe mit Begleitarzt * kein passiver exzessiver Höhenanstieg bei moderat-schwerem Asthma (Seilbahn, Hubschrauber) * bei optimaler Therapie u. unauffälliger Lungenfunktion auch extreme Höhen möglich * Medikamenteninhalation direkt vor Kälteexposition
Tab. 8: Empfehlungen für den Alpinsport bei Asthma bronchiale
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Fidel Elsensohn
Sanitätsrucksack und Notarztrucksack beim terrestrischen Einsatz – gibt es Standards? Rescue bags for first responders and mountain emergency physicians – are there standards? S U M M A RY This article reflects a survey about contents of rescue bags for first responders and mountain emergency physicians. It was done by a questionnaire among the member organizations of the medical commission of ICAR-CISA. The aim was to find out, if there are standards in medical equipment used in mountain rescue teams. We found a great conformity following the international standards of prehospital care. However, there were differences in monitoring equipment and drugs, either according to national regulations or training and tactics of rescue operations. We discuss the problems of terrestric mountain rescue in order to bring useful equipment to the site of an accident and to reduce space and weight of this equipment. We summarized the results in a table. This is only a suggestion. It is of great importance, that every rescuer is trained in the use of all devices. Any emergency physician should only use those drugs he used to handle. Contents and drugs must be regularly checked. Keywords: Medical-Emergency-Bag, Ground Mountain Rescue, Mountain Rescue Service
Z U S A M M E N FA S S U N G Dieser Artikel reflektiert das Ergebnis einer Umfrage über die Inhalte von Einsatzrucksäcken und Notarztrucksäcken unter den Mitgliedsorganisationen der Medizinischen Kommission der IKAR. Das Ziel dieser Untersuchung war, ob es Standards in der medizinischen Notfallausrüstung der verschiedenen Bergrettungsdienste gibt. Wir fanden eine große Übereinstimmung entsprechend den internationalen Standards prähospitaler Notfallmedizin. Allerdings gibt es erhebliche Unterschiede infolge unterschiedlicher gesetzlicher Bestimmungen in den einzelnen Mitgliedsländern und unterschiedlicher Einsatzstrategien und Ausbildungsgrade. Der bodengebundene Bergrettungseinsatz hat seine eigenen
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Gesetzmäßigkeiten und nicht alles, was machbar ist, ist auch sinnvoll. Das Gewicht und die Größe der Ausrüstung sind von entscheidender Bedeutung, und trotzdem müssen die notwendigen Geräte und Medikamente am Unfallort vorhanden sein. In einer tabellarischen Aufstellung wird am Ende versucht, die Ergebnisse der Umfrage zusammenzufassen. Dies stellt allerdings nur einen Vorschlag dar. Es ist von entscheidender Bedeutung, dass die BergretterInnen im Umgang mit dem Inhalt der Einsatz- und Notarztrucksäcke geschult sind. Der Bergrettungsarzt soll nur jene Medikamente verwenden, mit deren Wirkung und Nebenwirkung er vertraut ist. Die Geräte und Medikamente müssen regelmäßig auf ihre Funktionstüchtigkeit und Ablaufdatum überprüft werden. Schlüsselwörter: Notarztrucksack, Einsatzrucksack, terrestrischer alpiner Einsatz, Bergrettungsdienst
S Z E N A R I E N B E I M T E R R E S T R I S C H E N E I N S AT Z Die Diskussion um Einsatz- und Notarztrucksäcke, deren Größe und Inhalt sind so alt, wie es eine alpine Notfallmedizin im Bergrettungseinsatz gibt. Die stürmische Entwicklung der präklinischen Notfallmedizin in den Bergen der letzten 25 Jahre hat nicht nur die Ausbildung der Bergretter und Notärzte revolutioniert, sondern auch die Ausrüstung beim Bergrettungseinsatz stark beeinflusst. Die Professionalisierung der alpinen Flugrettung mit ihrer enormen Effizienz durch die Möglichkeit einer optimierten präklinischen Behandlung auch von schwer verletzten Patienten hat natürlich auch Auswirkungen auf den bodengebundenen Einsatz. Warum sollen (müssen) für diesen nicht die gleichen Standards gelten? Das Szenario beim terrestrischen Bergrettungseinsatz ist allerdings ein ganz anderes. Üblicherweise trifft ein schnelles Ersthelferteam am Unfallort ein. Ein Notarzt ist in den seltensten Fällen dabei. Trotzdem ist eine genaue Erstuntersuchung und Versorgung durch dieses Team gefordert. In erster Linie ist natürlich eine fundierte Erste-Hilfe-Ausbildung der Bergretter die Basis dafür. Daneben sind wenige, aber ausgewählte Hilfsmittel notwendig, um eine optimale Erstversorgung durchführen zu können. Abhängig vom Ausbildungsstand (in vielen Ortsstellen sind Rettungs- und/oder Notfallsanitäter Mitglieder der Einsatzteams) können unterschiedliche Erstmaßnahmen gesetzt werden. Für diese genügt meistens ein leichter, mit den notwendigsten Geräten ausgestatteter Einsatzrucksack. Falls ein Notarzt mit der Hauptmannschaft nachrückt, wird in dieser ein kompletter Notarztrucksack zur Ausrüstung gehören. In Anbetracht des erheblichen Gewichts einer kompletten Notarztausrüstung erscheint es notwendig, über Sinn und Zweckmäßigkeit der Ausrüstung zu diskutieren. 104
W E L C H E M E D I Z I N I S C H E A U S R Ü S T U N G B R A U C H E N E R S TH E L F E R U N D A L P I N E R N O TA R Z T I M E I N S AT Z ? Abhängig von der Situation eines Bergrettungseinsatzes sind die Ersthelfer nach Erreichen des Unfallortes vorerst mit der Sicherung des Patienten und der Bergung aus der unmittelbaren Gefahrenzone beschäftigt. Gleichzeitig soll ein erster Notfallcheck mit Erstdiagnose erfolgen, um die nachfolgenden Einheiten über weitere Rettungsmittel zu informieren. Die Erstversorgung besteht im Wesentlichen aus der Aufrechterhaltung der Vitalfunktionen, Verhinderung einer Unterkühlung, Schienung von Extremitätenverletzungen und Lagerung. Eine Umfrage unter den Mitgliedern der IKAR MEDCOM (Internationale Kommission für alpine Notfallmedizin) hat ergeben, dass nahezu alle Ersthelferteams mit Verbandsmaterial, Splints, Rettungsdecke und Beatmungsmasken ausgerüstet sind. Abhängig vom Ausbildungsstand der Ersthelfer sind Monitoringsysteme und Sauerstoff vorhanden. In angloamerikanischen Rettungssystemen mit Paramedics als Ersthelfer sind Medikamente Standard der Erstausrüstung. Diese beschränken sich allerdings überwiegend auf orale Schmerzmittel und Nitroglycerin (abhängig von nationalen Gesetzen), obwohl erstaunlicherweise nicht alle Systeme, die Medikamente verabreichen, auch ein Blutdruckmessgerät in dieser Ausrüstung vorhalten (Tab. 1). Die wenigsten Einsatzrucksäcke sind mit einem Tympanothermometer, einem Blutdruckmessgerät oder Pulsoxymeter ausgestattet. Einerseits sind diese Geräte teuer und unter Extrembedingungen störanfällig, andererseits sind in vielen Bergrettungsdiensten die Ersthelfer nicht in der Handhabung dieser Geräte und der richtigen Interpretation der Ergebnisse ausgebildet. Die bisherigen automatischen externen Defibrillatoren (AED) waren einerseits groß und schwer, andererseits 95
95
100
90 60
60 45
45 30
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20
15
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15
0
R et t Ad ung sd he ec si vVe ke rb an d Sp D ru l Be ck ints at ver m b Be un an d gs at b m un eut e gs m l as Bl Sa ke ut dr u A u b er Bl ckm sa toff u ut dr ess gg uc ge erä km rä t es t m sg an er ä . Ty t os m z. p. B l Pul th s ut e zu oxy rm ck m et er r m es ie. sg M ke ed e in ik rät e a m M ed en t ik am e en te
120 100 80 60 40 20 0
Tab .1
105
fehlte bei den für den Bergrettungsdienst sinnvollen Public Access Defibrillatoren (PAD) die Möglichkeit eines Monitorings in Form einer EKG-Ableitung. Die neuesten Geräte sind nur noch ca. 500 g schwer und besitzen eine EKGAbleitung. Zudem wurde die Funktion bei großer Kälte sichergestellt. Zusammen mit einem leichten Pulsoxymeter, einem Blutdruckmessgerät und einem Tympanothermometer sind die wesentlichsten Monitoringfunktionen für einen arztbegleiteten Bergrettungseinsatz gegeben.
E I N S AT Z R U C K S A C K F Ü R E R S T H E L F E RT E A M S I M T E R R E S T R I S C H E N B E R G R E T T U N G S E I N S AT Z Das Fachreferat Medizin/erste Hilfe des Bundesverbandes des Österreichischen Bergrettungsdienstes hat im Frühjahr 2006 einen Vorschlag für die Bestückung eines Einsatzrucksacks erarbeitet. Das Ziel war ein möglichst kleiner, leichter und nur mit dem Notwendigsten ausgestatteter Rucksack, in dem auch noch Platz für persönliche Ausrüstung ist. Wichtig ist, dass jeder Bergretter mit den Geräten und Materialien vertraut und regelmäßig in deren Handhabung geschult ist. Verbandsmaterial: 2 Samsplint®(biegbare gepolsterte Aluminiumschienen), 1 HWS-Immobilisation (z.B. Stiffneck®) 3 Dreiecktücher, 10 sterile, nicht klebende Wundauflagen, 1 adhäsive Binde
Abb. 1: Notarzt-Ausrüstung im Bodenrettungsdienst – im Bergrettungseinsatz kaum möglich
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(z.B. PEHA Haft®), 3 Idealbinden, 3 OP-Site-Folien®, Leukotape. Pocketmask Kälteschutz: 2–3 Wärmebeutel (20 x 30 cm), Alu-Rettungsdecken (z.B. Blizzard-Rettungsdecke®), Fleecehaube für den Verletzten, Fäustlinge, Schibrille, evtl. heißes, gezuckertes Getränk. Fakultativ (abhängig vom Ausbildungsstand der Ersthelfer und von der Einsatzstruktur): Tympanothermometer, Blutdruckmessgerät, AED, Sauerstoff mit Inhalationsmaske. Sonstiges: Sanitäterweste, Patientenkennzeichnung (PLS), wasserfester Stift, LED-Stirnlampe. Insgesamt sollte das Gewicht 8–9 kg nicht überschreiten. Mit dieser Ausrüstung kann eine Erstversorgung eines im Gebirge verletzten oder erkrankten Menschen sichergestellt werden.
D E R N O TA R Z T R U C K S A C K B E I M T E R R E S T R I S C H E N E I N S AT Z Über die Ausrüstung in einem Notarztrucksack für den Bergrettungseinsatz gibt es wahrscheinlich ebenso viele Meinungen wie unterschiedliche Rucksäcke. Entscheidend ist, dass die Bestückung der Erfahrung und den Kenntnissen des jeweiligen Bergrettungsarztes angepasst sein muss. Ein Anästhesist wird mit vielen Medikamenten umgehen können, mit denen ein praktischer Arzt, der gelegentlich zu einem Bergrettungseinsatz gerufen wird, eher zurückhaltender sein wird, wenn es um den Einsatz von z.B. Relaxantien und Narkotika geht. Ebenso ist das Gewicht von entscheidender Bedeutung. Ein Notarztrucksack wie er in einem NAW oder NAH eingesetzt wird, wird nur mit großer Verzögerung beim Verletzten eintreffen. Es gilt also nach bestimmten Kriterien einen Notarztrucksack auszurüsten. 1. Mit welchen Verletzungs- und Erkrankungsmustern muss ich rechnen? 2. Was ist vor Ort machbar – was ist sinnvoll? 3. Welches Monitoringsystem brauche ich? 4. Wie lange ist die Transportdauer – gibt es Transporthindernisse? 5. Wie ist meine Erfahrung im Umgang mit den Medikamenten und Geräten? Ad 1. Überwiegend beim Bergrettungseinsatz sind Traumen, neben akuten kardialen und pulmologischen Erkrankungen, Unterkühlung, Erschöpfung und gelegentlich allergische und chirurgische Notfälle. Daraus ergibt sich die unbedingt notwendige Ausrüstung. Auf das vertraute „Viel hilft viel“ sollte zuguns-ten der Zweckmäßigkeit verzichtet werden, auch wenn es uns Notärzten oft schwer fällt. Ad 2. Die Frage „stay and play oder scoop and run“ ist oft zu plakativ, um den gegebenen Anforderungen gerecht zu werden. Der alpine Notarzt darf aller-
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dings durch eine überbordende und zeitaufwendige Diagnostik und Therapie nicht den gesamten Einsatz erschweren oder gar verunmöglichen. Die Frage einer Sauerstofftherapie muss in ihrer Gesamtheit betrachtet werden. Es ist nicht sinnvoll, für einen Abtransport über 2 Stunden mit einer Sauerstofftherapie zu beginnen, wenn ich nur Sauerstoff für eine Stunde vorrätig habe. Ein Nachtransport scheitert oft an logistischen Problemen. Zudem erhöht eine 2- oder gar 5-l-Sauerstoffflasche das Gewicht eines Notarztrucksackes erheblich und führt deshalb zu einer Verzögerung des Therapiebeginns. Ad 3. Mit den heutigen kleinen und leichten Monitoringsystemen ist es möglich, auch unter schwierigen klimatischen und geographischen Bedingungen ein ausreichendes Monitoring durchzuführen (siehe oben). Ad 4. Die Transportdauer ist neben der Erstversorgung ein entscheidender Punkt, den es zu beachten gilt. Einmal begonnene Maßnahmen müssen bis zur Übergabe an den nachfolgenden Notarztdienst lückenlos durchgeführt werden können. Es sind dabei vor allem die Analgosedierung und die Schockbekämpfung zu berücksichtigen. Eine Intubation mit Narkose vor Ort, die auf Grund fehlender Medikamente nicht tief genug geführt werden kann, führt zu einer Katastrophe. Eine Intubationsnarkose muss beim bodengebundenen Bergrettungseinsatz nicht nur im Hinblick auf die Probleme bei der Intubation vor Ort, sondern vor allem auch auf die nachfolgenden Probleme beim Abtransport gut überlegt werden. Steilstufen und unwegsames Gelände führen hier rasch an die Grenzen des Machbaren. Ad 5. Der alpine Notarzt muss mit seinen Medikamenten und Geräten vertraut sein. Im Rucksack sollten nur jene vorhanden sein, deren Handhabung, Wirkungen und Risken er sehr genau kennt. Es sollte selbstverständlich sein, dass diese durch ihn selbst oder entsprechend geschultes Personal regelmäßig auf Funktionstüchtigkeit und Ablaufdatum überprüft werden. Die oben zitierte Umfrage unter den Mitgliedsländern der IKAR MEDCOM hat bezüglich der Ausrüstung und Medikamente folgendes Ergebnis erbracht (Tab. 2). Zu berücksichtigen ist dabei, dass über 80 % aller bodengebundenen Systeme einen Ersthelferrucksack vorhalten und daher einige hier fehlende Geräte bereits im Ersthelferrucksack an den Unfallort gebracht werden (z.B. Tympanothermometer, RR-Messgeräte, Beatmungsmasken etc.) Traumaversorgung: Die wichtigste notärztliche Tätigkeit vor Ort ist die Schmerzbekämpfung. Diese erfolgt in erster Linie durch Ruhigstellung und Analgesierung. Die am häufigsten verwendeten Medikamente sind dabei Morphine und Ketamin. Einige Organisationen halten zusätzlich NSAR in Form von Metimazol oder Paracetamol vor. Die am häufigsten verwendeten Sedativa sind Midazolam, Diazepam (> 80 %) und Hypnomidate. Etwas mehr als die Hälfte aller Organisationen haben ein
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IKAR MEDCOM MATERIAL 100100 95
100
100 95 75
30 13 Kapnograph.
Tymponotherm
Oesophagustherm.
Manuelle
Elekt. Absaugung
5
Andere
22
20
Pulsox.
30
Nasophar. Tubus
Combitube
orotracheale Intub.
Sauerstoff
Beatmungsmaske
Pulsoxymeter.
Beatmungsbeutel
Blutdruckmessung
Larynxmaske
17
17
Thoracostomieset
33
30
AED
EKG
Druckverband
Amoutationsset
Splint/HWS
Adhesiv Verband
Nahtmaterial
30
AED mit
40 25
75
65
50
EKG mit Defibr.
50
95
95
85
kontroll. Beatmung
120 100 80 60 40 20 0
Tab. 2 Muskelrelaxans im Rucksack. Das Risiko einer präklinischen Verwendung dieser Medikamente durch wenig erfahrene Bergrettungsärzte ist erheblich. Am häufigsten wird Succamethonium gefolgt von Rocuronium verwendet. Ein Viertel aller Systeme verwendet überhaupt keine Muskelrelaxantien. Generell führen alle Organisationen kristalloide Infusionslösungen (üblicherweise 2 x 500 ml) zur Schockbekämpfung in ihren Notarztrucksäcken mit. Über 50 % verwenden hyperonkotische/hyperosmolare Lösungen. In Mitteleuropa wird dazu überwiegend Hyperhes® verwendet. ACLS: Die hierfür gebräuchlichsten Medikamente sind in Tab. 3 aufgeführt. Die präklinische Lyse wird nur von sehr wenigen Systemen angeboten (Diagnose, Monitoring, Kosten). IKAR MEDCOM ACLS Medikamente 120 100 80 60 40 20 0
95
100 85 45
40 10
10
Ad se re na lin A Be trop i ta bl n oc k Li er c Am oc ai n io da AC ron E e In hi b. Va AS so S pr es N sin or ad r D en op am Fu ro in se m D id ig ita lis
10
bo ly hr om
40 20
pr ae k
lin
.T
90
80
Tab. 3
109
33
Für pulmologische Notfälle werden inhalative Betamimetika nahezu ausnahmslos mitgeführt. Ebenso Antihistaminika für allergische Notfälle. Zwei Drittel aller Notarztrucksäcke sind mit intravenösen Steroiden ausgerüstet. Nur ein Viertel bis ca. ein Drittel verwenden Theophyllin und inhalative Steroide im Bergrettungseinsatz. Beatmung: Beatmungsbeutel und Masken, zusammen mit der Möglichkeit einer orotrachealen Intubation und Absaugmöglichkeit, sind durchwegs im Rucksack. Alternative Ventilationsmöglichkeiten (Combitube, Larynxmaske) finden sich hingegen nur in sehr wenigen Fällen. Sauerstoff findet sich trotz des hohen Gewichts in 85 % in der Notfallausrüstung (Tab. 4).
150
IKAR MEDCOM Umfrage Beatmung
95
95
85
50
100
100
95
33 17
30
20 5
as ke Sa u ko er st nt of ro f l l. Be at or m ot un ra g ch ea le In tu b. C om bi tu be La ry nx m N as as ke op ha r. Tu Th bu or s ac os M to m an ie ue se ll e t Ab sa u El gu ek ng t. Ab sa ug un g
m
m un gs
Be at
Be at
m un gs
be ut el
0
17
Tab. 4 Interessant ist auch die Frage, ob ein Notarztrucksack generell im Bergrettungseinsatz verwendet wird. Dies ist in den meisten Fällen der Fall. Zu 65 % verbleibt der Rucksack aber beim Arzt, nur in einem Drittel der Fälle wird er auch ohne Arzt zum Unfallort gebracht. Dies deckt sich in etwa mit der Häufigkeit von Ersthelferteams die mit einem gut ausgerüsteten Einsatzrucksack erste Hilfe leisten. Generell kann festgestellt werden, dass heute im Bereich der IKAR-Mitgliedsländer bei jedem Einsatz ein medizinisch gut ausgerüstetes Team dem Verletzten helfen kann. Die Auswahl der Medikamente erfolgt in 70 % durch den Bergrettungsarzt, gelegentlich nach Vorschlägen durch ein Fachgremium der Organisationen. In ca. 20 % folgt die Bestückung durch den Bergrettungsdienst nach einem einheitlichen Muster. Dies überwiegend dort, wo der Bergrettungsdienst eine Teilorganisation einer größeren Gesamtorganisation ist. Aus der Summe der Daten einen einheitlichen Standard zu definieren ist kaum möglich. Es soll hier nur der Versuch eines Vorschlages in groben Umrissen
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Trauma
Schienungs- und Immobilisationsmaterial (sofern nicht bereits im Ersthelferrucksack am Unfallort) OP-Site Folie®
Kälteschutz (Alu-Rettungs-decken) Wärmebeutel, Schere, chir. Pinzette, Skalpell, sterile Handschuhe
Infusionen
2x 500 ml kristalloide Lösung 1x250 ml hyperonkot.-/hyperosmolare Lösung
4 Verweilkanülen, Fixationspflaster, Verbandsmaterial zur Fixierung
Analgetika
Opiate, Ketamin, ev. Paracetamol, Metimazol
Ev. Synth. Opiate (Dipidolor®, Fentanyl®) Ketamin zusammen mit Sedativum
Hypnotika
Midazolam, Diazepam, Etomidate
Relaxantien
Succamethonium, Rocuronium
Bronchodilatatoren Inhal. Betamimetika und Steroide,
Cave!, je nach Erfahrung ev. iv.Steroide
Andere
Antiallergikum, Steroide (Methylprednisolon, Dexamethason) Furosemid, Glukose 40% mit NaCl
ACLS
Adrenalin, ASS, Nitrogylcerin, Atropin, Antiarrhythmika (Sedacorone), Beta-Blocker
Nur wenn Monitoring möglich (AED mit Ableitung)
Ventilation
Beatmungsbeutel mit Filter und 3 Masken, Laryngoskop mit Ersatzbatterien, 2 Spatel, Mandrin, Magillzange, Blockerspritze, Tubusfixierung, Absaugpumpe (manuell)
Plastikspatel bevorzugen wegen Gefahr des Anfrierens an der Zunge bei großer Kälte, ev. O2 ev. Combitube, ev. Thorakostomieset und Harnsack
Monitoring
Blutdruckmessung, Pulsoxymetrie, Tympano- ev.AED mit Ableitungsmöglichkeit thermometer, Blutzuckermessgerät, Stethoskop
Anderes
Stirnlampe (LED), Schere, Fremdkörperpinzette, Warnweste (Notarzt), PLS mit wasserfestem Stift,
zusätzlich ev. persönliche Ausrüstung und warme Getränke
erbracht werden, was sich als notwendig und sinnvoll erwiesen hat und internationalen Standards entspricht. Natürlich ist dieser Vorschlag den jeweiligen nationalen Regeln anzupassen. Die Wahl der Ausrüstung in den Fällen, in denen ein Einsatzrucksack für Ersthelfer und ein Notarztrucksack zum Einsatz kommen, sollte aus Gewichtsgründen auf Redundanz geachtet werden. Die Ersthelfer sollten nur die unbedingt notwendige Ausrüstung so schnell wie möglich zum Einsatzort bringen. Wenn möglich, sollte bei jedem Bergrettungseinsatz ein Notarzt mit entsprechender Ausrüstung Mitglied des Rettungsteams sein. Die Medikamentenliste im Notarztrucksack sollte den Kenntnissen und der Erfahrung des Notarztes angepasst sein. Wenn möglich, sollte der Ortsstellenarzt die Medikamentenliste selbst zusammenstellen.
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Eine regelmäßige Schulung der BergretterInnen an den Geräten ist obligat. Die Geräte müssen von geschulten BergretterInnen regelmäßig auf ihre Funktionstüchtigkeit überprüft werden. Die Medikamente müssen entweder vom Ortsstellenarzt selbst oder von geschulten Mitgliedern auf Ablaufdatum und richtige Lagerung überprüft werden. Die Mitglieder des Rettungsteams müssen über den Inhalt des Notarztrucksacks, dessen Handhabung und über den Verwendungszweck regelmäßig geschult werden.
DANKSAGUNG: Ich danke allen Mitgliedern der IKAR MEDCOM für die freundliche Unterstützung durch die Datenübermittlung ihrer Organisationen.
L I T E R AT U R : Adäquate Fachliteratur zu diesem Thema ist nicht zu finden. Es gibt Fachliteratur zu allen möglichen Geräten und Medikamenten. Eine Liste würde hier jeden Rahmen sprengen.
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P e t e r P a a l , Vo l k e r We n z e l , A c h i m v o n G o e d e c k e , H e r m a n n B r u g g e r
Mund-zu-Masken-Beatmung â&#x20AC;&#x201C; eine Alternative im Bergrettungsdienst? Mouth-to-mask ventilation â&#x20AC;&#x201C; an alternative ventilation technique in mountain rescue?
S U M M A RY Mouth-to-mouth ventilation remains the standard ventilation technique for bystanders in Basic Life Support. In the absence of any barrier devices, mountain rescuers should ventilate a patient without delay, since the risk of infection seems to be low, and time until artificial ventilation is performed by an Advanced Life Support-team is much longer in the mountains than in an urban setting. Since the risk of infection is reduced with a mouth-to-mask ventilation device, the barrier for a rescuer to provide ventilation should be decreased. Moreover, when mouth-to-mask is compared to mouth-to-mouth ventilation, ventilation quality, defined as percentage of ventilations with a tidal volume within a set range (normally 700â&#x20AC;&#x201C;1000 ml), is better, and peak airway pressure, and stomach inflation are lower. Also, lesser trained rescuers perform mouthto-mask ventilation better than bag-valve-mask ventilation. Mouth-to-mask ventilation devices are efficient, simple to use, small, light, and comparatively cheap. Due to the current evidence, the Medical Commission of the International Commission for Alpine Rescue (ICAR MEDCOM) has issued a recommendation for the application of mouth-to-mask ventilation in mountain rescue. Regular feedback-aided training in small groups may be useful for acquisition and retention of ventilation skills. Nevertheless, tracheal intubation remains the gold standard for securing the airway, and ventilation in mountain rescue, but it should be reserved for very experienced rescuers, usually the emergency physician. Keywords: Artificial Ventilation; Basic Life Support; Cardiopulmonary Resuscitation; Mouth-to-mask ventilation; Training
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Z U S A M M E N FA S S U N G Nach wie vor ist die Mund-zu-Mund-Beatmung die Standardbeatmungstechnik bei Basic-Life-Support-Maßnahmen ohne Hilfsmittel. Auch in der Bergrettung sollte sie ohne Verzögerung begonnen werden, wenn keine alternativen Beatmungshilfen vorhanden sind, da das Infektionsrisiko gering und die Zeit bis zur Beatmung durch ein Notarztteam in der Regel länger ist als in der Stadt. Die Verringerung des Infektionsrisikos durch die Verwendung einer Beatmungsmaske sollte die Hemmungen des Retters eine Beatmung durchzuführen zusätzlich abbauen. Zudem ist bei der Mund-zu-Masken-Beatmung gegenüber der Mund-zu-Mund-Beatmung die Beatmungsqualität, definiert als Anteil von Beatmungen mit einem Tidalvolumen innerhalb eines vorgegebenen Bereiches (meist 700–1000 ml) besser, wobei sowohl Atemwegsspitzendruck als auch Magenbeatmung geringer sind. Weniger erfahrene Retter führen eine Mundzu-Masken-Beatmung besser durch als eine Beatmung mit dem Beatmungsbeutel. Die Geräte für die Mund-zu-Masken-Beatmung sind effizient, einfach in der Anwendung, klein, leicht und relativ günstig. Daher hat die Internationale Kommission für Alpine Notfallmedizin (ICAR MEDCOM) eine Empfehlung zur Durchführung der Mund-zu-Masken-Beatmung im Bergrettungsdienst ausgesprochen. Ein regelmäßiges, feedbackunterstütztes Training in kleinen Gruppen ist allerdings Voraussetzung für die Aneignung und Aufrechterhaltung einer guten Beatmungstechnik. Natürlich bleibt die endotracheale Intubation auch in der Bergrettung der Goldstandard der Atemwegssicherung und Beatmung; sie sollte aber sehr erfahrenen Helfern, in der Regel dem Notarzt, vorbehalten bleiben. Schlüsselwörter: Basic Life Support; kardiopulmonale Reanimation; künstliche Beatmung; Mund-zu-Masken-Beatmung; Training
EINLEITUNG Eine rasche Basisreanimation (Basic Life Support, BLS) verbessert die Überlebenschance und die neurologische Erholung von Patienten nach einem Herzstillstand (7). Darüber hinaus hängt die Prognose wesentlich von der Qualität der BLS-Maßnahmen ab (12). Insbesondere bei der Versorgung von Lawinenopfern mit schwerer Hypothermie kann bei Bergrettungseinsätzen BLS auch über mehrere Stunden notwendig sein (13, 24, 29). In diesen speziellen Herzstillstand-Situationen ist die Prognose gut, wenn die BLS-Maßnahmen kontinuierlich und effizient durchgeführt werden (34). Deshalb sollten Bergretter die nötige Ausrüstung und auch die Fähigkeit haben, eine fachgerechte Beatmung
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durchzuführen. Ideale Hilfsmittel für die Beatmung im Bergrettungsdienst sollten effizient, einfach zu benutzen, klein, leicht und günstig in der Anschaffung sein.
PAT H O P H Y S I O L O G I E D E R B E AT M U N G B E I M U N G E S C H Ü T Z T E N AT E M W E G Nach einem Herzstillstand fällt der Druck des unteren Ösophagussphinkters innerhalb weniger Minuten von 20–30 cm H2O auf ca. 5 cm H2O ab (11). Dieser erniedrigte Ösophagussphinkterdruck erhöht die Wahrscheinlichkeit einer Magenbeatmung bei einem Patienten im Herzstillstand erheblich. Die Überblähung des Magens verlagert das Zwerchfell nach kranial, senkt somit die Compliance der Lunge, wodurch wiederum ein höherer Beatmungsdruck erforderlich wird. Somit entsteht durch die zunehmende Magenbeatmung bei gleichzeitig abnehmender Lungenbeatmung ein Circulus Vitiosus (Abb. 1) (37). Deshalb ist eine Beatmungstechnik wichtig, die einerseits die Lungenbeatmung optimiert, andererseits aber die gefährliche Magenbeatmung minimiert. Magenbeatmung n Lungenbeatmung p
Intragastraler Druck n
Magenbeatmung n Kraniale Verschiebung des Zwerchfells n
Umverteilung des Tidalvolumens von der Lunge zum Magen n
Lungenausdehnung p
Atemwegsspitzendruck n
Lungencompliance p
Abb. 1: Circulus vitiosus der Magenbeatmung, mit sinkender Lungencompliance, steigendem Atemwegsspitzendruck, weiter steigender Magenbeatmung und sinkender Lungenbeatmung.
B E AT M U N G I M H E R Z S T I L L S TA N D In einer Untersuchung beatmeten professionelle Sanitäter Patienten im Herzstillstand mit einer Frequenz von ca. 30/min statt mit der empfohlenen Frequenz von 10/min; eine solche Hyperventilation erhöht den intrathorakalen Druck und verschlechtert bei der kardiopulmonalen Reanimation (CPR) den venösen
115
Rückfluss zum Herz und damit den koronaren Perfusionsdruck, was für das Überleben des Patienten prognostisch ungünstig ist (2). In mehreren Untersuchungen konnte gezeigt werden, dass das übliche BLS-Training nur sehr eingeschränkt für die Schulung einer korrekten Beatmung geeignet ist: nur 30–60 % der Beatmungen wurden nach einem BLS-Training korrekt durchgeführt (30, 40). Im Abstand von 6 bis 12 Monaten nach einem BLS-Training beatmeten Studienteilnehmer ein CPR-Phantom mit einem überhöhten Atemzugvolumen (Tidalvolumen), zu hohem Atemwegsspitzendruck und einer zu hohen Beatmungsfrequenz (38). Diese Tatsache spricht für kürzere Trainingsintervalle. Dabei sei erwähnt, dass auch Notärzte nur alle 15–45 Einsatztage Patienten präklinisch beatmen (42); für den Bergretter ist eine noch viel niedrigere Frequenz zu erwarten. In einer Studie in Seattle zeigte sich kein Unterschied im Überleben von Patienten im Herzstillstand, die ohne Beatmung reanimiert wurden, im Vergleich zu Patienten, die mit Beatmung reanimiert wurden (14). Sollte deshalb im Rahmen von Bergrettungseinsätzen überhaupt nicht mehr beatmet werden, zumal eine korrekte Beatmung sehr schwierig ist und eine schlechte Beatmung schwere Nebenwirkungen haben kann? Einige Argumente sprechen für eine Reanimation mit Beatmung bei Bergrettungseinsätzen. Die Eintreffzeiten für das Notarztteam sind in der Regel länger als in der Stadt und eine Reanimation mit Beatmung gilt dann als prognostisch günstig, wenn nicht innerhalb von circa fünf bis zehn Minuten nach dem Herzstillstand ein halbautomatischer Defibrillator (AED) oder ein Notarzt zur Durchführung von Advanced-Life-Support-Maßnahmen verfügbar sind (17, 23). In der einleitend genannten Studie aus Seattle waren die Anfahrtszeiten im Durchschnitt fünf Minuten, eine Beatmung der Patienten im Herzstillstand war somit prognostisch noch nicht relevant. Im Gegensatz dazu sollte in der Bergrettung immer eine Reanimation mit Beatmung durchgeführt werden, um eine möglichst gute Oxygenierung und Kohlendioxid-Eliminierung zu gewährleisten. Entsprechend der CPR-Richtlinien dauert bei der Beatmung die Inspirationszeit eine Sekunde, und eine korrekte Lungenbeatmung wird durch deutliche Exkursionsbewegungen des Brustkorbes kontrolliert (15).
B E AT M U N G S T E C H N I K E N B E I B A S I C L I F E S U P P O RT Mund-zu-Gesichtstuch-Beatmung Die Durchführung einer Mund-zu-Mund-Beatmung benötigt keine Hilfsmittel und ist daher die Standardtechnik für Laienhelfer oder professionelle Helfer ohne Ausrüstung, falls keine anderen Hilfsmittel zur Verfügung stehen (3, 4, 15). Viele Ersthelfer scheuen sich aber eine Mund-zu-Mund-Beatmung bei 116
einem Patienten im Herzstillstand durchzuführen, da sie eine mögliche Infektion mit Krankheitserregern wie z.B. HIV befürchten (28). Zum Beispiel würden ca. 80 % der Befragten einer Studie in den USA einen 4-jährigen Jungen aus einem Schwimmbecken retten und beatmen, aber nur ca. 10 % würden in San Francisco einen in einem Bus kollabierten 40-jährigen Mann beatmen (25). Einzelne bakterielle Infektionen wurden mit Mund-zu-Mund-Beatmung in Verbindung gebracht, wie z.B. Mycobacterium Tuberculosis, Helicobacter Pylori, Neisseria Meningitidis, Neisseria Gonorrhoeae, Shigella Sonnei, Salmonella Infantis und Streptococcus Pyogenes. Obwohl virale Infekte wie SARS (6) und Herpes Simplex (26) beschrieben wurden, wurden bis heute keine gefürchteten viralen Infektionen mit HIV und Hepatitis B oder C berichtet. Die Beatmungsluft enthält bei der Mund-zu-Mund-Beatmung ca. 17 % O2 und ca. 4 % CO2 (36); dies kann unter Umständen eine bereits bestehende Hypoxie und Hyperkapnie verstärken, welche wiederum unabhängige Parameter für ein schlechteres Outcome bei Herzstillstand sind (18). Die Beatmungsqualität, definiert als prozentualer Anteil von Beatmungen mit einem Tidalvolumen innerhalb eines vorgegebenen Bereiches (meist 700–1000 ml), ist nach BLS-Training niedrig (5, 32). Sie kann aber durch ein akustisches Feedback der CPR-Phantome signifikant verbessert werden (40, 41). Zusammenfassend zeichnet sich die Mundzu-Mund-Beatmung dadurch aus, dass sie ohne Hilfsmittel einfach und rasch durchzuführen ist. Falls keine weiteren Hilfsmittel zur Verfügung stehen, sollte bei einem Kreislaufstillstand im Gebirge nach wie vor sowohl Herzdruckmassage als auch Mund-zu-Mund-Beatmung durchgeführt werden. Stehen hingegen Hilfsmittel zur Verfügung, sollten diese jedoch immer zur Beatmung verwendet werden. Mund-zu-Gesichtstuch-Beatmung Bei sechs von acht Gesichtstüchern (sog. face-shields) bot der eingebaute Filter keinen ausreichenden Schutz vor einer bakteriellen Infektion (9). Die Beatmungsluft ist bei der Mund-zu-Gesichtstuch-Beatmung ähnlich wie bei der Mund-zu-Mund-Beatmung. Eine kürzlich durchgeführte Untersuchung zeigte für eine Mund-zu-Gesichtstuch-Beatmung im Vergleich mit der Mund-zuMund-Beatmung eine bessere Beatmungsqualität (Tab. 1) (eigene unveröffentlichte Daten). Darüber hinaus wurde mit verschiedenen Gesichtstüchern ein zu geringes Tidalvolumen erzielt, sodass statt der Mund-zu-Gesichtstuch-Beatmung die Mund-zu-Masken- oder die Beutel-Masken-Beatmung empfohlen wurde (1, 31). Mund-zu-Masken-Beatmung Hilfsmittel für die Mund-zu-Masken-Beatmung besitzen ein integriertes Ein-
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Abb. 2: Für die Mund-zu-Gesichtstuch-Beatmung wird das Gesichtstuch entsprechend der Zeichnung auf das Gesicht des Patienten gelegt. Dabei soll darauf geachtet werden, dass der Bakterienfilter des Gesichtstuches über dem Mund des Patienten zu liegen kommt und diese Position während der Beatmung beibehalten wird. Wie bei anderen Beatmungstechniken auch, wird der obere Atemweg durch Kopfüberstrecken und Kinnanheben offen gehalten (Bild mit freundlicher Genehmigung von Laerdal, Stavanger, Norwegen). Weg-Ventil, das einen adäquaten Schutz vor bakteriellen Infekten bietet (9). Eine Mund-zu-Masken-Beatmung bietet gegenüber der Mund-zu-Mund-Beatmung eine bessere Beatmungsqualität und geringere Magenbeatmung (30). Diese Vorteile sind auch 12 Monate nach dem Training noch nachweisbar (Tab. 1) (eigene unveröffentlichte Daten). Bei manchen Geräten zur Mund-zu-MaskenBeatmung kann über einen Adapter eine zusätzliche Sauerstoffquelle angeschlossen werden, womit die inspiratorische Sauerstofffraktion erhöht und die inspiratorische Kohlendioxidfraktion verringert werden kann (33). Die Mundzu-Masken-Beatmung erzielt gegenüber der Beutel-Masken-Beatmung signifikant mehr korrekte Beatmungen (8). Zudem hat sich in einer vergleichenden Untersuchung zwischen Mund-zu-Mund-, Mund-zu-Masken- und Beutel-Masken-Beatmung die Mund-zu-Masken-Beatmung mit zusätzlichem Sauerstoff als die effizienteste Beatmungstechnik erwiesen (20).
118
Mund-zu-Mund-
Mund-zu-
Mund-zu-Masken-
Beatmung
Gesichtstuch-
Beatmung
Beatmung Atemfrequenz*
11Æ13 n
11Æ13 n
12Æ13 n
Atemwegsspitzen-
16Æ25 n
10Æ17 n
12Æ14 n
85Æ100% n
42Æ58% n
47Æ62% n
1090Æ1400 n
690Æ1010 n
820Æ960 n
20Æ10% Ļ
11Æ21% n
32Æ26% Ļ
druck (cm H20)* Magenbeatmung#
Tidalvolumen (ml)*
Tidalvolumen 700-1000 ml*
Tabelle 1: Beatmungsparameter nach einem 10-Minuten-Training und 12 Monate später für Mund-zu-Mund-, Mund-zu-Masken- und Mund-zu-Gesichtstuch-Beatmung; n_ zeigt eine Erhöhung gegenüber den Werten vom Vorjahr, g p zeigt eine Erniedrigung an; P bezieht sich auf den Unterschied der Werte bei Training und 12 Monate später (*P < 0,001, #P< 0,05; eigene unveröffentlichte Daten). Beutel-Masken-Beatmung Das Infektionsrisiko für den Helfer erscheint bei Verwendung eines Beatmungsbeutels verschwindend gering. Die inspiratorische O2-Fraktion kann je nach zusätzlicher Sauerstoffzufuhr und Benutzung eines Reservoirs zwischen
Abb. 3: Für die Mund-zu-Masken-Beatmung werden die Atemwege durch Anheben des Kinns des Patienten geöffnet; zusätzlich wird der Kopf nach hinten überstreckt, falls eine Halswirbelsäulenverletzung ausgeschlossen werden kann. Die Maske wird mit dem doppelten C-Griff auf dem Gesicht des Patienten fixiert.
119
21–100 % variieren. Das Tidalvolumen bei der Beutel-Masken-Beatmung mit nur einer Hand am Gesicht des Patienten (einfacher C-Griff) ist geringer als bei der Mund-zu-Masken-Beatmung, bei der zwei Hände zur Fixierung der Maske auf dem Gesicht verwendet werden (doppelter C-Griff) (Abb. 3) (16, 35). Häufig tritt bei Anwendung des einfachen C-Griffes eine Maskenleckage auf, deshalb konnte z.B. in einer Studie die Hälfte der Probanden das geforderte minimale Tidalvolumen nicht erreichen (19). Für weniger geübte Retter wird somit empfohlen, dass ein Helfer die Maske mit doppeltem C-Griff hält, während ein zweiter Helfer den Beatmungsbeutel bedient (Abb. 4) (8, 20, 35).
Abb. 4: Bei der Verwendung eines Beatmungsbeutels empfiehlt sich für weniger geübte Retter der doppelte C-Griff. Dabei fixiert der erste Helfer mit beiden Händen die Maske am Gesicht des Patienten und öffnet die Atemwege. Der zweite Helfer bedient den Beatmungsbeutel.
W I E K A N N D I E B E AT M U N G S T E C H N I K V E R B E S S E RT W E R D E N ? Die Beatmung bei BLS ist eine komplexe psychomotorische Fähigkeit (39). Eine Untersuchung stellte im Titel die Frage zur Diskussion, ob nicht etwa „das Problem einer niedrigen Trainingseffizienz bei BLS-Kursen der Ausbilder, und nicht der Schüler oder der Lehrplan sein könnte“. Zum Beispiel hatten BLSInstruktoren alle Absolventen eines BLS-Kurses positiv benotet, obwohl dieselben Teilnehmer bei einer anschließenden computergestützten Prüfung alle durchfielen (22). Bessere Ergebnisse werden mit einem BLS-Training in klei-
120
neren Gruppen erzielt, mit mehr Praxis und weniger Theorie (22) und mit feedbackgebenden CPR-Phantomen (40, 41). Die Fähigkeit, eine korrekte Beatmung durchzuführen, lässt nach dem BLS-Training im Laufe der Zeit nach (21), deshalb empfehlen einige Autoren die Wiederholung des BLS-Trainings alle sechs bis zwölf Monate (10, 27).
FA Z I T Nach wie vor ist die Mund-zu-Mund-Beatmung die Standardbeatmungstechnik bei Basic-Life-Support-Maßnahmen ohne Hilfsmittel. Auch in der Bergrettung sollte sie ohne Verzögerung begonnen werden, wenn keine alternativen Beatmungshilfen vorhanden sind, da das Infektionsrisiko gering und die Zeit bis zur Beatmung durch ein Notarztteam in der Regel länger ist als in der Stadt. Die Verringerung des Infektionsrisikos durch die Verwendung einer Beatmungsmaske sollte die Hemmungen des Retters eine Beatmung durchzuführen zusätzlich abbauen. Zudem ist bei der Mund-zu-Masken-Beatmung gegenüber der Mund-zu-Mund-Beatmung die Beatmungsqualität, definiert als Anteil von Beatmungen mit einem Tidalvolumen innerhalb eines vorgegebenen Bereiches (meist 700–1000 ml), besser, wobei sowohl Atemwegsspitzendruck als auch Magenbeatmung geringer sind. Weniger erfahrene Retter führen eine Mund-zuMasken-Beatmung besser durch als eine Beatmung mit dem Beatmungsbeutel. Die Geräte für die Mund-zu-Masken-Beatmung sind effizient, einfach in der Anwendung, klein, leicht und relativ günstig. Daher hat die Internationale Kommission für Alpine Notfallmedizin (ICAR MEDCOM) eine Empfehlung zur Durchführung der Mund-zu-Masken-Beatmung im Bergrettungsdienst ausgesprochen. Ein regelmäßiges, feedbackunterstütztes Training in kleinen Gruppen ist allerdings Voraussetzung für die Aneignung und Aufrechterhaltung einer guten Beatmungstechnik. Natürlich bleibt die endotracheale Intubation auch in der Bergrettung der Goldstandard der Atemwegssicherung und Beatmung, sie sollte aber sehr erfahrenen Helfern, in der Regel dem Notarzt, vorbehalten bleiben. Unabhängig von der eingesetzten Beatmungstechnik ist zu beachten, dass die Atemmechanik vor allem beim Herzstillstand eine Magenbeatmung extrem wahrscheinlich macht, deshalb sollte mit möglichst niedrigen Beatmungsdrücken beatmet werden.
L I T E R AT U R (1)
Anonymous: Part 3: Adult Basic Life Support. Resuscitation 36, 42–46 (2000)
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We r n e r B e i k i r c h e r, R o s m a r i e O b e r h a m m e r
Das Lawinenunglück im Frankbachtal in Südtirol (I) am 19.02.2005 The avalanche accident in Frankbachtal in Southtyrol (I) the 19. 02. 2005 S U M M A RY The treatment of an avalanche victim with a core temperature below 25° C is a rarely episode in the alpine regions too. The following article describes the case of a patient with a severe hypothermia (22° C) after an avalanche accident with a burial time of 100 minutes in a death of 3 m an a circulatory arrest during the transport to the nearest hospital. Particularly is the fast reduction of core temperature with around 8,6° – 9° C/h. An overview of the emergency treatment, the rewarming strategies with percutaneous extracorporeal circulation, the intrahospital course, the neurological outcome and the current literature will be given. Keywords: Hypothermia, avalanche accident, cardiopulmonary resuscitation, extracorporeal circulation, rewarming
Z U S A M M E N FA S S U N G Die Versorgung eines Lawinenverschütteten bei einer Temperatur unter 25° C stellt auch in alpinen Regionen ein seltenes Ereignis dar. Der vorliegende Fall beschreibt einen jungen Patienten mit einer schweren Hypothermie (22° C) nach 100-minütiger Lawinenverschüttung, der in 3 m Tiefe aufgefunden wird und auf dem Transport ins nächstgelegene Krankenhaus einen Herz-Kreislauf-Stillstand erleidet. Ungewöhnlich ist die rasche Abkühlung von zirka 8,6° – 9° C/h. Neben der Versorgung am Notfallort werden die Wiedererwärmung an der HerzLungen-Maschine (HLM), der weitere Verlauf und die aktuelle Literatur diskutiert. Schlüsselwörter: Hypothermie, Lawinenunfall, kardiopulmonale Reanimation, extrakorporale Zirkulation, Wiedererwärmung
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U N FA L L D Y N A M I K Der 19. Februar 2005 ist ein schöner Tag im Nordosten Südtirols, nicht allzu kalt, nicht zu viel Wind. Wind hat es nun schon Wochen lang gegeben in diesem Jahr, stürmischen Wind, Nordstau ohne Unterlass, immer wieder Schnee auf der Nordseite der Zillertaler Alpen. Auf deren Südseite, im Frankbachtal, einem kurzen Seitental des Ahrntales und eingerahmt von hohen Dreitausendern, ist an diesem Morgen eine Schitourengruppe unterwegs, vier Männer mit Ziel Frankbachjoch oder Keilbachspitze.
Die Südseite des Zillertaler Hauptkammes mit Großer Löffler (links) und Keilbachspitze (rechts) (Werner Beikircher) Die Männer sind zwischen 30 und 63 Jahre alt, eine eingespielte Truppe, schon seit Jahren gemeinsam auf Tour. Der 19. Februar 2005 ist einer der ersten schönen Tage nach einer längeren Sturmperiode, die haushohe Schneefahnen über die Grate des Großen Löfflers trug, tage- und nächtelang die Kare der Zillertaler Südseite einwehte mit meterhohen Dünen. Es ist ein Tag, auf den schon viele gewartet hatten, und ein Wochenende, an dem sehr viele unterwegs sein würden nach langer Tourenpause. Am frühen Vormittag erreicht die Gruppe eine kleine Geländesenke im Latschenbereich, auf 2.100 m Höhe. Die schmale Senke steigt nach Westen an, bergseitig flankiert von einem steilen, etwa 50 m hohen Hang, gegen das Ahrntal begrenzt durch einen wenig ausgeprägten, latschenbestandenen Rücken. Der 128
Älteste der Gruppe, er ist der Erfahrenste, legt die Spur. Auf Schilänge dahinter folgt der Hauptdarsteller dieses Berichtes und dann mit jeweils deutlichem Abstand die anderen zwei. Sie halten sich im tiefsten Punkt der Senke, wollen vermeiden, den steilen bergseitigen Hang zu ihrer Rechten anzuschneiden. Hier im Windschatten ist es warm, man geht mit offenem Hemd. Um 9.35 Uhr haben sie fast das obere Ende der Senke erreicht und beabsichtigen nach links auf den Latschenrücken hinauszusteigen, da fällt der rechtsseitige Hang ohne Vorwarnung in sich zusammen. Mit einem Knall setzt sich die Flanke aus windgepresstem Triebschnee in Bewegung, zerreißt in Tausende von großen und kleinen Schollen wie ein aufbrechendes Eismeer. Dem Führer der Gruppe gelingt noch der Ruf – „die Lahn kommt“ – da ist sie auch schon da. Der Zweite versucht im Fallen das nicht eingeschaltete Lawinenverschüttetengerät, das er um die Brust trägt, zu aktivieren, Augenblicke später wird es dunkel. Eingepresst in einen gigantischen Schraubstock, hört er deutlich, wie sich mit schleifendem Geräusch Schneeschicht um Schneeschicht über ihm zusammenschiebt, es hat sie genau in der Sohle der schmalen Senke erwischt. Ohne jegliche Panik, so wird er später erzählen, wird ihm klar, dass alles aus ist. Bald danach, er schätzt etwa eine Minute, wird er bewusstlos.
Übersicht Lawinenkegel (Oskar Lechner, BRD St. Johann)
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Der 19. Februar ist ein schöner Tag und vier Nebentäler weiter westlich, im Weißenbacher Tal, ist eine Schitourengruppe des Bergrettungsdienstes Antholz unterwegs, mit ihr ein Lawinenhund. Es ist 10.01 Uhr, als ihre Dienstpiepser, die sie auch auf privaten Touren meistens dabeihaben, Alarm geben und sie sich über Funk bei der Landesnotrufzentrale 118 in Bozen melden. Sie erklären sich einsatzbereit, es wird ein Lawinenunfall im benachbarten Frankbachtal durchgegeben. Dort hat die Lawine die flache Senke, über die die Vierergruppe aufgestiegen war, fast eingeebnet. In dieser Stauzone waren die Schneemassen nach nur etwa 40 Metern Absturz zum Stehen gekommen. Herrschten Spannungen bis zum Hangfuß? War es Fernauslösung? Der Lawinenlagebericht gibt für den 19. Februar Gefahrenstufe 2, also mäßig, für die Südtiroler Seite des Alpenhauptkammes eine Einschätzung, die manche Experten nicht teilen in diesen Tagen; für diese Schitourengeher letztlich ohne Auswirkung, sie hatten den Lagebericht ohnehin nicht konsultiert. Der Führer der Gruppe und der Zweite sind weg, der Dritte bis zu den Knien verschüttet, der Letzte wird auf den abgehenden Schollen lediglich umgeworfen, ein paar Meter nach unten gespült, aber nicht vom Schnee überfahren. Hastig beginnen die zwei Übriggebliebenen mit der LVS-Suche, kriegen aber kein Signal, auf dem ganzen Lawinenkegel – so groß etwa wie ein Fußballfeld – gibt es keine Antwort. Vielleicht ahnen sie auch schon, dass ihre Kameraden ihr LVS nicht eingeschaltet hatten, einen entsprechenden Check beim Start am Morgen hatte man nicht durchgeführt. Verzweifelt wird nun versucht, mit dem Handy Hilfe herbeizuholen, doch gibt es an dieser Stelle keine Netzabdeckung; einer der beiden steigt schließlich in die Schi, fährt etwa 200 Höhenmeter ab und kann dort endlich den Notruf an die Landesnotrufzentrale in Bozen absetzen. Es ist 9.47 Uhr. Um 10.05 Uhr sind bereits zwei Rettungshubschrauber in der Luft. Bald nacheinander treffen die EC 135 des Aiut Alpin Dolomites und die BK 117 der Landesflugrettung (Pelikan I) an der Unglücksstelle ein; sie haben Lawinenhunde an Bord, einen von der Flugbasis des Aiut Alpin Dolomites in Gröden und jenen des BRD Antholz, den man zusammen mit den BRD-Männern im nahe gelegenen Weissenbacher Tal aufgenommen hatte. Rasch wird der erste Hund über die Lawine geführt, doch er ist unsicher, zeigt nicht sauber an. Überall ein Höllenlärm, inzwischen ist auch der Hubschrauber der Finanzwache aus Bozen eingeflogen, eine schwere, große Agusta Bell 412. Die Maschinen wechseln sich ab, holen Flug um Flug Bergretter und Feuerwehrleute von der Einsatzzentrale in St. Johann unten im Ahrntal. Die ersten Sondierketten werden zusammengestellt, suchen nach dem Korridorverfahren die ersten Streifen durch. Die Hunde haben getauscht, jener aus dem Weißen-
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bacher Tal schlägt im linken, westlichen Teil des Kegels an; eine der Sondierketten wechselt nach links hinüber, rastert das vom Hund angezeigte Areal.
V E R S O R G U N G A M L AW I N E N K E G E L Das Arbeiten am Unglücksort gestaltet sich extrem schwierig. Taumelndes Voranstochern in der Wüste aus verkeilten Schollen, keine Verständigung mit der Landesnotrufzentrale, Funkloch am Lawinenkegel. Um 11.00 Uhr ein erster Hoffnungsschimmer aus der Mitte der Sondenkette – Latsche oder Mensch? Mit den großen Metallschaufeln des BRD St. Johann geht das Graben schnell und es dauert nur 15 Minuten, bis die von der Sonde angezeigte Tiefe von knapp 3 Metern erreicht ist. Dort trifft man auf den ersten Verschütteten, er liegt auf dem Rücken und der Lawinenhundeführer arbeitet sich behutsam zum Kopf des Opfers vor. Es ist unser Patient und er scheint vorerst unsagbares Glück gehabt zu haben. Eine große festgepresste Schneescholle hatte sich über seinen Kopf geschoben und damit einen 10 cm hohen Hohlraum gebaut, so groß wie die Schublade eines Nachtkästchens.
Schaufelmannschaft am 3 m tiefen Grabungsloch (Oskar Lechner, BRD St. Johann)
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Er ist nach 1 Stunde und 40 Minuten Verschüttungsdauer bewusstlos, aber die Atemwege sind frei und als beim Vergrößern der Atemhöhle ein paar Krümel Schnee in seinen Mund fallen, zeigt er einen schwachen Hustenstoß. Der beistehende Arzt stellt vorhandene Atmung und Kreislauf fest, es ist nun 11.20 Uhr. Beim Vorgraben zum ersten Verschütteten stößt man in etwa gleicher Tiefe auf einen zweiten Rucksack, es ist jener des Gruppenführers, der knapp daneben zu Liegen gekommen war, ebenfalls auf dem Rücken. Auch sein Kopf wird schnell freigewühlt, doch wird sofort klar, dass die Lage aussichtslos ist. Eine Atemhöhle ist nicht vorhanden, Mund und Nase sind mit Schnee ausgemauert. Eine zunächst von den Bergrettungsmännern begonnene Reanimation wird von den Ärzten abgebrochen. Der Gruppenführer ist tot. Nachdem der Patient aus dem Loch befreit ist, wird sofort die Intubation vorbereitet. Gezielte Abwehrbewegungen auf Schmerzreiz erfordern eine Narkose, [welche mit Propofol 50 mg und Succinylcholin 100 mg über eine Vene am rechten Handrücken eingeleitet wird]. Nach [orotrachealer] Platzierung des Tubus wird bei laufender Infusion von NaCl 0,9 % [mit Vecuronium] nachrelaxiert. Im Anschluss an die Intubation ist der Puls an der Halsschlagader weiterhin gut tastbar mit einer Frequenz von etwa 60/min. Zehn Minuten später, um 11.30 Uhr erfolgt die Messung der Körperkerntemperatur über die tympanale (Trommelfell-) Temperatursonde des Hubschrauber-Defis (MRL PIC), sie ergibt 22° C. Der Patient wird nun vorsichtig auf die Vakuummatratze gelagert und mit Alufolien isoliert, einige kleine chemische Wärmebeutel (wie sie in Sportgeschäften erhältlich sind) werden aktiviert und auf den Brustkorb gelegt (große Wärme-Gel-Kissen, wie sie die Bergrettung vorrätig hält, sind zu diesem Zeitpunkt noch nicht am Grabungsort).
A B T R A N S P O RT D E S PAT I E N T E N Um 11.35 Uhr ist der Patient eingepackt und transportfertig, doch folgt nun ein dramatischer, unerklärlicher Zeitverlust, dessen Ursache auch im Nachhinein nicht mehr exakt analysiert werden kann. Funkprobleme am Lawinenkegel, die Hubschrauber aus Geländegründen weit abseits vom Unfallsort, Uneinigkeit darüber, ob der Patient zum Hubschrauber oder umgekehrt verbracht werden soll, führen dazu, dass dieser erst nach weiteren 25 Minuten vom Behandlungsort direkt aufgewindet wird. Um 12.11 Uhr ist der Heli in der Luft Richtung Krankenhaus Bruneck, der Flugarzt bestätigt via Funk stabile Kreislaufverhältnisse.
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Aufwinden des Lawinenopfers (Oskar Lechner, BRD St. Johann)
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Danach wird der Tote ausgeflogen, seine Körperkerntemperatur betrug ebenfalls 22° C. Unterdessen hat sich unbemerkt von den Rettungsmannschaften und Ärzten eine zweite folgenschwere Panne ereignet. Da aus dem Funkloch am Unglücksort keine Verbindung mit der Landesnotrufzentrale in Bozen möglich ist, läuft die einzige Vermittlung der Informationen über die Piloten der Hubschrauber, die auf ihren unablässigen Transportflügen aus dem Tal herauf in der Luft Verbindung zur LNZ (Landesnotrufzentrale) 118 aufnehmen können. Aus einem dieser Hubschrauber erfährt die Zentrale die schicksalsträchtige Nachricht, dass beim Überlebenden keine Klarheit bezüglich einer Atemhöhle vorliege, eine offensichtliche Ungenauigkeit oder Desinformation, die dem diensthabenden Arzt der Notrufzentrale daraufhin die einzig mögliche Triagevariante vorgibt. Und statt dass unser Patient nun direkt an eine Klinik mit Herz-Lungen-Maschine geflogen wird, wie es das IKAR-Protokoll für die reale Situation dieses Patienten vorsieht, wird er – gemäß den Vorgaben bei unsicherer Atemhöhle – an das nächstgelegene Krankenhaus zur Kalium-Bestimmung transportiert. Die Höhe des Kaliumspiegels im Blut dient nämlich als Indikator des Zellsterbens im Gehirn (eine Chance auf Wiederbelebung besteht nur bis 12 mmol/L). Um 12.15 Uhr wird die Intensivstation des Krankenhauses Bruneck über den Anflug der EC 135 des Aiut Alpin Dolomites informiert, zwei Ärzte begeben sich zum Dachlandeplatz. Um 12.18 Uhr landet die Maschine, es ist hier windstill und sonnig, nicht besonders kalt. Nach Öffnen der Seitentüre berichtet der Flugarzt, dass der Patient während des Fluges einen Kreislaufstillstand erlitten hätte, nun seit einigen Minuten pulslos sei. Rasch wird der Flugrettungssack aus dem Heli gezogen und neben den Kufen auf dem Landeplatz geöffnet, dabei wird die venöse Leitung am Handrücken ausgerissen. Der Defi-Monitor zeigt Kammerflimmern, sofort wird mit der Herzdruckmassage begonnen. Ein von vorneherein wenig erfolgversprechender Defibrillationsversuch misslingt, da die Akkus des Defibrillators leer sind, vermutlich hatte ihnen die Kälte am Lawinenkegel den Rest gegeben. Unter laufender Reanimation kann ausreichend Blut aus einer Vene [Vena jugularis interna] am Hals gewonnen werden, nach frustranen Punktionsversuchen über die Leistengefäße. Einer der Ärzte läuft in die Intensivstation zur Blutgasanalyse. In der Zwischenzeit wird ein neuer venöser Zugang am rechten Handrücken gelegt sowie zwei Kontrollmessungen der Kerntemperatur durchgeführt, wieder mit der tympanalen Sonde des Heli-Defis; sie ergeben 21,7° und 21,9° C. Drei Minuten später liegen die Ergebnisse der Blutgasanalyse vor: pH 6,877, PCO2 111 mmHg, PO2 23,3 mmHg, HCO3 9,4 mmol/L, Kalium 4,3 mmol/L, 134
Natrium 140 mmol/L, Calcium 1,30 mmol/L, Chlorid 103 mmol/L, Glukose 277 mg/dl, Laktat 105 mg/dl, Base-Excess –12,3 mmol/L. Bestärkt durch die ausgezeichneten Kaliumwerte wird abermals die Univ.-Klinik Innsbruck kontaktiert. Mit nur kurzer Reanimationsunterbrechung wird der Patient wieder eingeladen, ein Rettungssanitäter des Weißen Kreuzes zur Unterstützung der Heli-Crew mit an Bord genommen. Er sollte seine Hände nicht mehr vom Brustkorb des Lawinenopfers nehmen, bis in den Herz-OP. Um 12.28 Uhr hebt der RTH vom Dachlandeplatz ab. Nach dreiminütigem Auftanken in der Nähe des Krankenhauses geht es unter fortgesetzter Reanimation endgültig Richtung Innsbruck, in gerader Linie über die Zillertaler Alpen. Um 13.15 Uhr landet die EC 135 auf dem Hubschrauberturm der Chirurgischen Universitätsklinik Innsbruck. Noch immer unter Reanimation wird der Patient in den Schockraum gebracht. Der Patient hat bis hierher schon unglaubliches Glück gehabt. Durch eine Reihe von schicksalhaft günstigen Zufällen hat er alle Voraussetzungen, vielleicht ohne allzu große Schäden davonzukommen. Die wichtigste Weichenstellung für sein Überleben allerdings spielte auf einer anderen Ebene. Der Februar des Jahres 2005 ist eine schlechte Zeit für Tourengeher, besonders in Nordtirol; der Winter wird später als einer der opferreichsten der letzten 20 Jahre in die Statistik eingehen. Und er ist ein noch schlechterer Monat für die Ärzte der Univ.-Klinik Innsbruck. Allein in der Woche vor dem 19. 02. waren 5 verschüttete Tourengeher unter Reanimationsbedingungen eingeflogen worden, und alle waren sie trotz Maximaltherapie spätestens zwei Tage später an den Folgen des erlittenen Sauerstoffmangels verstorben. Frustration machte sich breit unter den behandelnden Teams, vor allem aber der berechtigte Zweifel, ob die Selektion der Lawinenopfer vor Ort nach den Kriterien der Lawinentriage bei den Rettungsmannschaften im Gelände wohl korrekt durchgeführt würde. Auch für unseren Patienten mussten diesbezügliche Zweifel zuerst ausgeräumt werden. Auch eine ansonsten für Übernahmen sehr disponible Struktur wie die Univ.-Klinik hat das Recht auf kritische Fragen. Dem diensthabenden Arzt in der LNZ 118 in Bozen gelang die Überzeugungsarbeit, der Patient durfte fliegen.
WEITERBEHANDLUNG IN DER KLINIK Beim Eintreffen in den Schockraum (13.20 Uhr) zeigt sich weiterhin ein Kammerflimmern. Der Versuch einer Defibrillation bleibt erfolglos. Der Patient wird unverzüglich in den kardiochirurgischen Operationssaal gebracht, wo bei einer ösophageal-gemessenen Körperkerntemperatur von 24° C und zwei weiteren 135
erfolglosen Defibrillationen um 13.45 Uhr der Anschluss an die Herz-LungenMaschine (HLM) erfolgt. Die Kanülierung erfolgt perkutan über die Leistengefäße. Um 14.45 Uhr weist der Patient eine ösophageal gemessene Temperatur von 34,5° C auf und nach 5 Defibrillationen einen Sinusrhythmus. Seit Auftreten des Kammerflimmerns sind in der Zwischenzeit 150 Minuten vergangen.
Patient mit funktionslosem LVS-Gerät im Herz-OP Univ.-Klinik Innsbruck. Bereits eingebaut die Gefässzugänge in der Leiste für die Herzlungenmaschine (Anton Jeller, Kardiotechnik, Univ.-Klinik Innsbruck) Beim Abgang von der HLM zeigt sich ein ausgeprägtes Lungenödem, etwa 600 ml einer leicht schaumigen klaren Flüssigkeit können endotracheal abgesaugt werden, der Wedge-Druck liegt bei 19 mmHg und der systolisch pulmonale Druck bei 31 mmHg. Das behandelnde Team entscheidet sich für eine venoarterielle extrakorporale Membranoxygenierung (ECMO), um eine Entlastung der hypothermie-indizierten Herzpumpschwäche zu erzielen. Gleichzeitig wird mit einer positiv inotropen Therapie mit Milrinon in einer Dosierung von 1,4 µg/kg/min über 15 Minuten und dann 0,5 µg/kg/min, Adrenalin (0,053 µg/ kg/min) und Dopamin in Nierendosis (2 µg/kg/min) begonnen. Der Patient wird um 17.30 Uhr mit ECMO und Katecholaminsupport kreislaufstabil und normotherm (36,3° C ösophageal gemessen) auf der Intensivstation aufgenommen. Im weiteren Verlauf wird eine pflegeadaptierte Analgosedierung durchgeführt.
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Am dritten Tag erfolgt um 15.00 Uhr der Ausbau der ECMO. Nach Reduktion der Analgosedierung beginnt der Patient nach weiteren zwei Tagen selbst zu atmen und klart in der Folge rasch auf. Die Katecholamine und Milrinon können stufenweise reduziert und abgesetzt werden. 6 Tage nach der Lawinenverschüttung kann der Patient problemlos extubiert werden. Er ist in der Folge immer wach und orientiert und kann am Folgetag zur weiteren Betreuung auf die unfallchirurgische Normalstation verlegt werden. Aufgrund einer therapiebedürftigen posttraumatischen Belastungsreaktion wird der Patient nach 1 Woche für weitere 3 Tage auf die psychiatrische Abteilung des Heimatkrankenhauses verlegt. Danach kann der Patient in häusliche Pflege entlassen werden. Der Patient zeigt einen weitgehend unauffälligen psychopathologischen und neurologischen Befund und kann kurze Zeit nach dem Ereignis wieder seiner beruflichen Tätigkeit nachgehen.
DISKUSSION 22° C nach 100 Minuten Verschüttung: Die viel zitierte durchschnittliche Abkühlungsgeschwindigkeit von 3° C pro Stunde umfasst den gesamten Zeitraum zwischen Verschüttung, Bergung und Transport ins Krankenhaus [1, 3, 4, 21]. Unser Patient weist nach einer etwas 100-minütigen Lawinenverschüttung eine Körperkerntemperatur von lediglich 22° C auf. Mit einer Abkühlungsrate von ca. 8,6 – 9° C/h ist der vorliegende Fall eine Rarität. Grissom et al. (9) konnten aufzeigen, das die Auskühlungsgeschwindigkeit eines Lawinenverschütteten beim Vorliegen einer Hyperkapnie (1,3 ± 0,5° C/h bei ETCO2 59,6 ± 7,4 mmHg) doppelt so hoch ist wie bei Normokapnie (0,6 ± 0,6° C/h bei ETCO2 34,2 ±5,4 mmHg). Sie führen diese Daten auf eine Herabsetzung der Temperaturschwelle, bei der ein kälteinduziertes Shivering auftritt, und auf einen gesteigerten Wärmeverlust durch Verdunstung einerseits und Erwärmung der Einatemluft durch hyperkapnieinduzierte Hyperventilation andererseits zurück. Wagner et al. (31) und Johnston (14) et al. konnten in vorausgehenden Studien ähnliche Testergebnisse erzielen. Die Hypoxie kann unabhängig von einer vorliegenden Hyperkapnie ebenfalls die Auskühlungsgeschwindigkeit erhöhen (15). Die Vermutung liegt also nahe, dass Abkühlungsgeschwindigkeiten nicht nur von äußeren Bedingungen wie Wind, Feuchtigkeit, Temperatur und dem Vorliegen einer Atemhöhle, sondern auch von individuellen Faktoren wie Köperkonstitution, Schwitzen, Kleidung, ETCO2, paO2, vorliegenden Verletzungen v. a. SHT mit Störungen der Thermoregulation und anderen unbekannten Variab137
len abhängen. Je rascher es zu einer durch den Anstieg des arteriellen CO2bedingten Bewusstlosigkeit und Versagens des Kältezitterns und einem Absinken der Körperkerntemperatur und der damit verbundenen Reduktion des O2Bedarfs kommt, umso wahrscheinlicher wird ein Überleben. Ein Absinken der Körperkerntemperatur von 1° C senkt den O2-Bedarf um immerhin 6 % (33). Die Größe der Atemhöhle, die Schneebeschaffenheit, psychologische Faktoren, Unterschiede in der individuellen Atemantwort auf Hypoxie und Hyperkapnie und unbekannte Faktoren sind nach Brugger et al. (5) auch der Grund für die interindividuellen Unterschiede im Absinken der SpO2 und damit überlebensentscheidend. Das ungewöhnlich rasche Absinken der Körperkerntemperatur im vorliegenden Fall dürfte wohl hauptverantwortlich sein nicht nur für das Überleben, sondern auch für das sehr gute neurologische Outcome des Patienten.
M U S K E L R E L A X AT I O N : G E FA H R O D E R G E W I N N ? Wissenschaftliche Daten zeigen, dass Muskelrelaxantien den Sauerstoffverbrauch beim bewusstlosen hypothermen Patienten aufgrund des wegfallenden Kältezitterns signifikant senken können (13). Die Art des verwendeten Muskelrelaxans spielt dabei keine Rolle. Optimale Intubationsbedingungen einschließlich einer adäquaten Relaxierung sind für eine sichere und rasche Intubation am Lawinenkegel sicherlich wünschenswert. An die Möglichkeit einer suxamethoniuminduzierten Hyperkaliämie bei Hypothermie (19) muss gedacht werden und der Notarzt sollte vor Ort auf die Verwendung eines depolarisierenden Muskelrelaxans wegen der Bedeutung des Kaliumwertes im weiteren Patientenmanagement verzichten. Wurde zur Patientenversorgung trotzdem ein depolarisierendes Muskelrelaxans verwendet, darf ein erhöhter Kaliumwert nicht zum Abbruch der Wiederbelebungs- und Wiedererwärmungsmaßnamen führen. Die Wirkdauer von nichtdepolarisierenden Muskelrelaxantien ist bereits bei milder Hypothermie verlängert (6, 11, 20), Empfehlungen bei schwerer Hypothermie fehlen.
VOLUMENTHERAPIE UND PHARMAKA BEI HYPOTHERMIE Wenn das Legen eines peripher-venösen Zuganges ohne wesentliche Zeitverzögerung gelingt, sollte entweder warme NaCl 0,9 %- und/oder Glucose 5 %Lösung verwendet werden. Lactathaltige Lösungen sollten wegen der verminderten Metabolisierungsrate bei Hypothermie nicht verwendet werden (3). 138
Die Metabolisierung von Medikamenten ist verlangsamt, sodass es möglicherweise zu toxischen Plasmakonzentrationen von wiederholt applizierten Medikamenten kommen kann (28). Tierexperimentelle Daten belegen zwar die Steigerung des koronaren Perfusionsdrucks durch Adrenalin, die Überlebensrate konnte aber nicht gesteigert werden (16, 18). Nach den neuen ERC-Leitlinien sollten weder Adrenalin noch andere Medikamente bei einer Körpertemperatur unter 30° C verabreicht werden. Danach sollten die Medikamente halb so oft wie normal und erst bei Erreichen einer Normothermie nach üblichen Protokollen verabreicht werden (28).
D E F I B R I L L AT I O N : W O L I E G T D I E I D E A L E T E M P E R AT U R ? Die Frage, wann und wie oft eine Defibrillation bei einem schwer hypothermen Patienten überhaupt durchgeführt werden sollte, ist nicht geklärt. Wenn ein Versuch misslingt, sollten weitere Versuche erst nach Wiedererwärmung auf über 30° C erfolgen (28). Dass gerade bei niedrigen Außentemperaturen auf eine ausreichende Akkuladung geachtet werden muss, sollte selbstverständlich sein.
W I E D E R E RW Ä R M U N G A N D E R H E R Z - L U N G E N - M A S C H I N E Die Wiedererwärmung schwer hypothermer Patienten an der Herz-LungenMaschine ist ein anerkanntes Verfahren (7, 27, 29, 30, 32). Bislang gibt es keine prognostischen Indikatoren, weder Patientenalter, Typ des kardiopulmonalen Bypasses (femoro-femoral oder atrial-aortal) noch die Ausgangstemperatur sind hilfreich. Patienten, die bereits einen Kreislauf-Stillstand aufweisen, und hypotherme Kletterer oder Lawinenverschüttete weisen eine höhere Mortalität auf als andere hypotherme Patienten. Auch wenn vergleichende Studien über die Effizienz der verschiedenen Erwärmungstechniken fehlen, weist die Erwärmung an der HLM einige wichtige Vorteile auf. Die Gewebsperfusion und die Oxygenierung bleiben bei rascher Erwärmung erhalten. Die Erwärmung hypothermer Patienten mit Herz-Kreislaufstillstand und solcher mit einer Körperkerntemperatur unter 25° C (unabhängig vom Rhythmus) sollte an der HLM erfolgen. Der notfallmäßige perkutane veno-artierelle Bypass über die Femoralgefäße kann nach Schwarz et al. (27) bei Patienten mit prolongiertem kardiogenen Schock oder Herz-Kreislauf-Stillstand hilfreich sein. Patienten mit stabilen Vitalparametern und einer Temperatur zwischen 25 und 28° C können sowohl an der HLM wie durch andere Techniken wiedererwärmt werden (30).
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REPERFUSIONS-LUNGENÖDEM UND VENO-ARTERIELLE ECMO Lungenödeme nach Erwärmung an der Herz-Lungen-Maschine sind je nach Untersuchungskollektiv sehr selten bis häufig (7, 32). In unserem Fall kam es nach Erreichen der Normothermie zu einem schweren so genannten Reperfusions-Lungenödem. Das behandelnde Team entschied sich aus folgenden pathophysiologischen Überlegungen für eine veno-arterielle ECMO: Aufgrund der eingeschränkten kardialen Kontraktilität kommt es zu einem Absinken des linksventrikulären Auswurfes, zu einem Anstieg des linksatrialen Druckes und des intrathorakalen Blutvolumens (ITBV). Damit steigt der intravaskuläre Druck in den Bronchialarterien und Pulmonalvenen, was sich bei unserem Patienten im Wedge-Druck von 19 mmHg und einem systolischen pulomonalarteriellen Druck von 31 mmHg zeigte. Der systemische Blutdruck lag bei 60/35 mmHg. Über den Verlust der Integrität der pulmonalen Kapillaren entwickelt sich ein Lungenödem. Durch eine zumindest teilweise Umgehung des Herzens kann das ITBV und damit das Lungenödem deutlich reduziert werden. Die positiven Auswirkungen auf die Oxygenierung sind selbsterklärend. Aufgrund des akut eintretenden klinisch klaren Bildes eines unverzüglich zu behandelnden Lungenödems wurde auf eine weiterführende detaillierte Ursachenforschung verzichtet. Nach 2 Tagen konnte die ECMO nach schrittweiser Reduktion des ECMO-Flusses problemlos entfernt werden. Im weiteren Verlauf zeigten sich keine respiratorischen Auffälligkeiten.
F R Ü H Z E I T I G E K R I S E N I N T E RV E N T I O N Nach einem Lawinenunfall klagen 28 % der Verschütteten und sogar 41 % der Ganzkörperverschütteten zumindest vorübergehend über psychische Belastungsreaktionen wie Schlafstörungen, Übelkeit, Erbrechen, Appetitlosigkeit; Angst und Schuldgefühle. 18 % der Ganzkörperverschütteten zeigen diese Beschwerden über Jahre. Diese Zahlen zeigen deutlich, dass die Problematik wohl bislang unterschätzt wurde und zeigen die Notwendigkeit einer frühzeitigen Krisenintervention (2). Die in unserem Fall erfolgte Verlegung auf die psychiatrische Abteilung des Heimatkrankenhauses ist damit daraus gerechtfertigt.
FA Z I T F Ü R D I E P R A X I S Neben der Verschüttungsdauer und dem Vorhandensein einer Atemhöhle ist die Körperkerntemperatur eine wichtige Entscheidungshilfe für den Notarzt am Lawinenkegel Wiederbelebungsmaßnahmen zu beginnen und lückenlos bis zum
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nächsten Krankenhaus mit Intensivstation oder bis zum Anschluss an die HerzLungen-Maschine fortzusetzen. Kann eine Klinik mit HLM bei schwerer Hypothermie und vorhandener Atemhöhle nicht direkt angeflogen werden, kann das nächstgelegene Krankenhaus angeflogen werden, um dort eine Serumkaliumbestimmung zur Entscheidungshilfe durchzuführen. Einzelne Fallberichte über das positive neurologische Outcome von schwer hypothermen Patienten sollten den Notarzt vor Ort ermutigen, – trotz scheinbar infauster Prognose – Wiederbelebungsmaßnahmen zu beginnen und den schwer hypothermen Lawinenverschütteten mit Atemhöhle in eine Klinik mit der Möglichkeit einer Wiedererwärmung mittels HLM einzuweisen.
DANKSAGUNG Für die Überlassung von Fotos Oskar Lechner, BRD St. Johann; Anton Jeller, Kardiotechnik, Univ.-Klinik Innsbruck
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B e r n d S c h a t z , M i c h a e l G r a s s l o b e r, M i c h a e l F e l l i n g e r, F r a n z J o s e f S e i b e r t , Wo l f g a n g S e g g l
Knieprobleme beim Bergsteigen Knee problems in mountaineering S U M M A RY Due to long-term overuse and misuse, the knee joint in active mountaineers is subjected to the most intensive stress of any joint in the locomotor system and is therefore susceptible to damage and injury. With available technology, acute injuries are now readily diagnosed and should be referred to specialists promptly. New surgical techniques will usually allow complete recovery. Misdiagnosed injuries to the ligaments, tendons, cartilage and meniscus of the knee that have become chronic are much less amenable to treatment. Mismatch of the anatomical axes, mostly varus deformity, in lower extremity – idiopathic or secondary, following undiagnosed rupture of the anterior cruciate ligament – later leads to serious problems, especially in the knee joint, such as tibiofemoral osteoarthritis. Mountain climbers should always carry ski or hiking poles and also use them, especially when going downhill, to minimize stress to the knee. A slower pace reduces the adduction moment and can decrease the severity of tibiofemoral osteoarthritis. Keywords: Knee injuries, anterior cruciate ligament, varus deformity, meniscus, cartilage, hiking poles
Z U S A M M E N FA S S U N G Das Kniegelenk stellt bei aktiven Bergsteigern mit Abstand das am stärksten belastete Gelenk des Bewegungsapparates dar. Die daraus resultierenden Schäden werden meist erst bei lange andauerndem Missverhältnis zwischen Belastung und Belastbarkeit erkennbar. Akute Kniegelenksverletzungen können heute durch eine verbesserte und frühzeitige Diagnostik rasch und sicher erkannt werden und sollten auf jeden Fall einem Spezialisten vorgestellt werden. Heute stehen auch neue, verbesserte chirurgische Techniken zur Verfügung, die meist zur vollkommenen Rehabilitation des Bergsteigers führen. Die Folgen nicht 145
erkannter oder inadäquat behandelter Verletzungen können besonders Bänder, Sehnen, Knorpel und Menisci dauerhaft schädigen, für deren Behandlung dann trotz aller Fortschritte nur unzureichende Behandlungskonzepte vorhanden sind. Besonderes Augenmerk gebührt der chronischen Fehlbelastung durch Achsenabweichung, zumeist als Varusstellung der unteren Extremität. Diese kann primär vorliegen oder sich nach übergangener Kreuzbandruptur oder medialer Meniskusläsion sekundär einstellen und besonders in mittlerem Lebensalter zum schwer behandelbaren Zustandsbild der Varusgonarthrose führen. Bergsteiger sollten immer angepasste Bergstöcke mit sich führen und ein moderates Gehtempo, vor allem beim Bergabgehen, einhalten, um einerseits großen Belastungen vorzubeugen und bei bereits vorliegender Varusgonarthrose den Gelenksstress zu minimieren. Schlüsselwörter: Knieverletzungen, vorderes Kreuzband, Varusfehlstellung, Meniskus, Knorpel, Bergstöcke
EINLEITUNG Die Wahrscheinlichkeit, dass bei Bergsteigern im Laufe ihrer aktiven bergsteigerischen Laufbahn Knieprobleme auftreten, ist sehr groß. Das Kniegelenk stellt mit Abstand das am häufigsten pathologisch veränderte Gelenk bei Alpinisten dar. Berghold berichtete, dass 80% einer befragten Bergsteigergruppe über gelegentliche bis regelmäßige Beschwerden am Bewegungsapparat klagten, wobei Kniegelenksprobleme mit 67% an erster Stelle standen (1). Patienten mit akuten Verletzungsmustern am Kniegelenk, insbesondere mit „verdrehtem Kniegelenk“, sollten heutzutage durch den flächendeckenden Einsatz der Flugrettung rasch und sicher in stationäre Behandlung kommen. In diesem Zusammenhang ist allerdings dringend davor zu warnen, eine solche „Verdrehsituation“ zu bagatellisieren und eine Bergtour fortzusetzen. Oftmals können selbst schwere Verletzungen wie Rupturen am vorderen Kreuzband vor Ort nicht diagnostiziert werden und sind tückischerweise oft auch relativ asymptomatisch. Gerade die „unhappy triad“, eine Kombinationsverletzung von vorderem Kreuzband, medialem Seitenband und Meniskus, führt zu einer erheblichen akuten Instabilität am Kniegelenk und könnte bagatellisiert dazu führen, dass das Kniegelenk bei der nächsten Richtungsänderung völlig luxiert und dabei schwere Zusatzschäden am Gefäß-Nervenbündel der Poplitealregion verursacht. Bei aktiven Bergsteigern können Verletzungen im Spital durch den breit zugängigen Einsatz von Magnetresonanztomographie vom Spezialisten rasch erkannt und durch moderne Therapiekonzepte behandelt werden. Dadurch erhöht sich die Chance auf eine folgenlose Ausheilung. 146
VORDERES KREUZBAND Nicht unmittelbar versorgte Risse des vorderen Kreuzbandes führen im Laufe der folgenden Jahre zu einer signifikanten Erhöhung der Belastung im medialen Kniegelenkskompartment mit konsekutiver Schädigung des Innenmeniskus und Gelenksknorpels einerseits und zu einer langsam über Jahre entwickelnden Verschiebung der Belastungsachse im Sinne einer Varusgonarthrose, welche nach wie vor eine nicht immer einfach zu behandelnde Situation darstellt (2). Risse der vorderen Kreuzbänder werden heutzutage beim jungen Sportler meist durch eine Sehnenersatzplastik mittels M. semitendinosus-, M. grazilis- oder Patellarsehne ersetzt (Abb. 1).
Abb. 1: Transplantatentnahme der Semitendinosussehne für die vordere Kreuzbandplastik
MENISKUSLÄSIONEN Meniskusrisse entstehen meist durch eine forcierte Flexions-Rotationsbewegung im Kniegelenk. Klinisch steht meist eine schmerzhafte Flexions- und Rotationstestung im Vordergrund. Akute Meniskusverletzungen mit Blockierungssymptomatik können am Berg eine bedrohliche Situation darstellen und deuten auf einen möglichen Korbhenkelriss hin (Abb. 2).
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Abb. 2: Verschiedene Formen von Meniskusrissen Eine Meniskusdeblockade kann vom Geübten durch Traktion und Extension versucht werden; ein rascher Abtransport des Patienten ist in jedem Fall angezeigt. Degenerativ vorgeschädigte Menisci werden nach einer Ruptur meist sparsam arthroskopisch reseziert. Basisnahe, gut durchblutete Meniskusrisse, häufig mediale Korbhenkelläsionen, sollten heutzutage rekonstruiert werden. Verschiedene Nahtsysteme und chirurgische Techniken stehen zur Verfügung (Abb. 2). Komplette Meniskusresektionen stellen einen primären Faktor für eine vorzeitige Entwicklung der Osteoarthrose dar (3). Meniskusersatz oder Meniskustransplantationen sollten speziellen Zentren vorbehalten bleiben und sind derzeit noch im experimentellen Stadium.
VORDERER KNIESCHMERZ Ein häufiges Problem stellt bei Bergsteigern der vordere Knieschmerz dar. Das „anterior knee pain syndrom“ stellt diagnostisch wie therapeutisch eine große Herausforderung für alle sportinteressierten Kollegen dar. Klinisch äußert sich das Krankheitsbild meist als belastungsabhängiger Schmerz vor oder unmittelbar hinter der Kniescheibe. Differentialdiagnostisch kommen Läsionen des Knorpels, des Sehnen- und Bandapparates, des femoro-patellaren Gleitlagers 148
als auch sämtlicher Kniebinnenstrukturen als Schmerzauslöser in Frage. Darüber hinaus können übergeordnete Regionen wie Hüfte oder Lendenwirbelsäule Schmerzen in die Knieregion projizieren. Die Abklärung erfolgt über den Fachmann, die Therapie ist meist konservativ durch spezielle Physiotherapie. Sehr häufig liegt bei Bergsteigern durch die gut trainierte ventrale Oberschenkelmuskulatur eine Verkürzung vor, worüber der Fersen-Glutealabstand rasch Aufschluss geben kann. Ein Dehnungs- und Muskelstärkungsprogramm führt oftmals zu einer Verbesserung (4).
KNIEGELENKSERGUSS Ergüsse des Kniegelenkes stellen eine ernsthafte, funktionsbeeinträchtigende Situation dar. Neben akuten Verletzungen mit Hämarthros können vor allem diffus-degenerative Knorpelschädigungen zu Reizergüssen führen, die einer klinischen und radiologischen Abklärung bedürfen. Selten sind auch internistische Ursachen wie beispielsweise Gerinnungsstörungen in Betracht zu ziehen. Unter gleichzeitiger Gabe nicht steroidaler Antiphlogistika lässt sich auch unterwegs (Trekking) ein akuter Reizerguss oftmals einfach mit lokalen Topfen-MolkeUmschlägen behandeln. Punktionswürdige Ergüsse sollten in der Behandlung allerdings dem erfahrenen Arzt vorbehalten bleiben.
KNORPELLÄSIONEN Akuten Knorpelschäden am Kniegelenk kann heute mittels neuartiger chirurgischer Therapieverfahren mit guten Ergebnissen begegnet werden. Dabei haben sich das osteochondrale Transfersystem („Mosaikplastik“) sowie bei gegebener Indikation die Chondrozytentransplantation aus in vitro gezüchteten Knorpelzellen etabliert (5). Chronische Schäden am hyalinen Gelenksknorpel sind oftmals schwer zu behandeln, wobei physiotherapeutische Therapieansätze meist einer chirurgischen Intervention vorzuziehen sind.
VA R U S G O N A RT H R O S E Durch konsequente Verwendung von Bergstöcken beim Bergsteigen kann vor allem beim Bergabgehen eine signifikante Reduktion der Belastung auf das Kniegelenk erreicht werden. Bei vorliegender Varusgonarthrose können zudem eine veränderte Schritttechnik und längere Gehzeiten am Berg zielführend sein (6). Achsenabweichungen und Längendifferenzen der unteren Extremitäten sind bei
149
allen Problemen rund ums Knie zu berücksichtigen. In einem Teil der Fälle kann die Korrektur der Belastungsachse notwendig werden. Aber weder Gonarthrose noch ein künstlicher Kniegelenksersatz durch eine Totalendoprothese müssen zwingend das Ende der bergsteigerischen Laufbahn darstellen.
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Gerhard Wirnsberger
Eingeschränkte Nierenfunktion – Worauf müssen wir bei Patienten beim B e r gspor t a c h t e n ? Renal insufficiency – What do we do to take care of patients aiming for sporting activities at high altitude? S U M M A RY Renal insufficiency has become of increasing clinical importance over the past decades. In at least 30 % of the 400.000 registered diabetics and 800.000 patients with hypertension exhibit renal proteinuria. Standard renal laboratory tests such as evaluation of serum creatinine of creatinine-clearance are of limited value in patients undergoing sporting activity. Therefore, early detection of proteinuria and/ or renal haematuria are of increasing clinical importance. Nutritional modifications, like protein and sodium chloride restriction, are basic standards in the treatment of patients at ”renal risk“. These modifications have to be taken in consideration with the subjective nutritional habitus. Furthermore, water supply has to be objected. Especially in aged patients physiological changes in the individual water balance are of utmost importance when diuretic therapy is taken into consideration. In chronic renal insufficiency secondary complications such as metabolic acidosis/ high potassium and renal anaemia are points of awareness in patients who go mountain climbing. Keywords: mountain climbing, renal insufficiency, proteinuria, haematuria, dietary recommendation in renal insufficiency
Z U S A M M E N FA S S U N G Bei der sportmedizinischen Beurteilung von bergsportlichen Aktivitäten sollte man bedenken, dass Nierenfunktionsstörungen in der Bevölkerung viel häufiger auftreten als gemeinhin angenommen. Die zwei Hauptgruppen an renal gefährdeten Patienten sind die zur Zeit 400.000 in Österreich registrierten Diabetiker sowie 800.000 Hypertoniker. 151
Um das renale Problem früh zu erfassen, sind die klassischen Nierenfunktionstests nur bedingt geeignet. Bessere Parameter sind der frühe Nachweis einer pathologischen Proteinurie und/oder einer renalen Hämaturie. In beiden erwähnten Patientenkollektiven ist mit einem manifesten Nierenschaden, begleitet von einer Albuminurie, in circa 30 % zu rechnen. Ein wichtiger Therapieansatz ist eine individuell angepasste eiweiß- und kochsalzarme Ernährung, wobei auf den individuellen Ernährungszustand, nicht nur im Rahmen sportlicher Betätigung, genau zu achten ist. Ebenso wichtig ist eine vom Krankheitsstadium abhängige bilanzierte Flüssigkeitszufuhr. Speziell bei älteren Patienten spielen die physiologischen Veränderungen im Wasser- und Elektrolythaushalt mit ihren Konsequenzen für eine erwogene Diuretika-Therapie eine zusätzliche Rolle. Bei einer bereits chronisch fortgeschrittenen Niereninsuffizienz sollte man an die bereits frühzeitig auftretenden Sekundärfolgen wie metabolische Azidose/ Hyperkaliämie und renale Anämie mit ihren für den Patienten bedrohlichen Konsequenzen denken. Schlüsselwörter: Bergsport, Nierenfunktionsstörung, Proteinurie, Hämaturie, Nierendiät
EINLEITUNG Die Erschließung alpiner Regionen für den Massentourismus ermöglicht immer mehr Menschen bergsportlichen Aktivitäten in den verschiedensten Formen nachzukommen, wobei gerade die ältere Generation eine besondere Liebe für die Berge entdeckt hat. Bekanntermaßen wird dabei zu wenig auf die möglichen Gefahren für Leib und Leben geachtet, die nicht nur die besonderen Bedingungen von alpinen Lagen nach sich führen. Von Seiten der Mediziner ist die Auswirkung einer bestehenden Nierenfunktionseinschränkung auf die körperlichen Aktivität in mittleren Gebirgshöhen ein Thema zunehmenden Interesses. Schwerpunktmäßig werden nur wichtige (pathophysiologische) Zusammenhänge und therapeutische Konsequenzen besprochen, sich vertieft mit dieser Thematik auseinander zu setzen würde den Rahmen dieser Abhandlung bei weitem sprengen.
ÄTIOLOGIE VON NIERENSCHÄDEN Wie aus Abbildung 1 ersichtlich, hat sich das ätiologische Spektrum für Nierenerkrankungen in den letzten Jahren deutlich gewandelt (1). Bedingt durch das
152
Medikamentenabusus
10 % vermeidbar
Bluthochdruck
20 bis 25 %
Diabetes mellitus
30 bis 35 %
erbliche Nierenerkrankungen
10 bis 15 %
verzögerbar
beinflußbar Immunologische Nierenerkrankungen
20 %
Abbildung 1: Mögliche Ursachen für ein chronisches Nierenversagen rasche Fortschreiten der Volkskrankheit Arteriosklerose haben die vaskulären Nierenschäden deutlich zugenommen. Speziell die beiden Volkskrankheiten Diabetes mellitus und Hypertonie tragen in diesem Zusammenhang zu dieser Entwicklung bei. Ein Faktum, das uns zu denken geben sollte, da diese Krankheitsgruppe mit ihren kardiovaskulären Folgeerscheinungen prinzipiell vermeidbar wäre. Eine unterschätzte Rolle spielt auch der chronische Medikamentenabusus, wobei in erster Linie die unkontrollierten Einnahmen von nichtsteroidalen Antirheumatika (NSAR) bei chronischen Schmerzzuständen zu nennen sind. Nebenbei erhöht der Analgetikaabusus das Risiko einen kardiovaskulären Tod zu erleiden, der prinzipiell nicht nur auf die selektiven COXII-Hemmer beschränkt ist, sondern ein gruppenspezifisches Phänomen zu sein scheint (2). Primäre Nierenerkrankungen selbst, wie die Glomerulonephritiden, und immunologische Systemerkrankungen wie der Lupus erythematodes und der Morbus Wegener sowie verschiedene erbliche Nierenerkrankungen (Zystennieren, erbliche Stoffwechselstörungen) sind in Bezug auf ihre Häufigkeit in der Bevölkerung über die letzten Jahrzehnte gleich geblieben.
A LT E R S A B H Ä N G I G E N I E R E N F U N K T I O N S E I N S C H R Ä N K U N G E N Wie auch bei anderen Organen, z.B. dem Gehirn, kommt es ca. ab dem 40. Lebensjahr zu einer zunehmenden Verschlechterung der „renalen Funktionsreserve“ (Abbildung 2). Darunter versteht man die Bandbreite zwischen der nor-
153
Glomeruläre Filtrationsrate
malen glomerulären Funktionsrate, die bei Gesunden ca. bei 100–140 ml/min. 120 liegt und einer durch eine Eiweißbelastung bis zu 100 % gesteigerte Filtrationssteigerung. Wenn 100 nun zusätzlich eine Durchblutungsstörung eintritt, wie z.B. im Rahmen einer Herzinsuffizienz, kann es bei einem älteren Patienten bedingt durch eine eingeschränkte Funktionsreserve sehr viel schneller zu einem aku80 ten Nierenversagen kommen als bei einem jüngeren. Mit zunehmendem60Alter kommt es zu einer Reihe weiterer physiologischer Ver40
Physiologisch
20
Herzinssuffizienz
0 0
20
40
60
80
Alter
Abbildung 2: Altersabhängige Veränderung der Nierenfunktion änderungen der Nierenfunktion, von denen die wesentlichen in Tabelle 1 beschrieben sind. Besonders erwähnt sei der mit dem Alter zunehmende Natriumverlust, bedingt durch eine verminderte Natriumrückresorption im tubulären Apparat. Die daraus resultierende verminderte Harnkonzentrierung birgt das Risiko einer Exsikkose. In diesem Zusammenhang ist auch ein für diese Altersgruppe typisch gestörter Durstmechanismus zu bedenken, welcher die Betroffenen den drohenden Flüssigkeitsmangel nicht wahrnehmen lässt. Bedeutsam ist auch eine verminderte Wasserstoffionen-Ausscheidung. Diese verstärkt die Neigung zur metabolischen Azidose und verhindert die Kompensation einer etwaigen respiratorischen Azidose. Daneben fördert eine Azidose, ob respiratorisch oder metabolisch bedingt, eine mit dem Alter zunehmende OsteoblasVerminderte Plasma-Renin und Aldosteron-Spiegel Reduktion der glomerulären Filtrationsrate (GFR) Reduktion des renalen Blutflusses Verminderte Natrium - Rückresorption Verminderte Harnkonzentrierung Gestörter Durstmechanismus Verminderte H+-Ausscheidung (= verminderte Pufferkapazität)
Tabelle 1: Altersabhängige Veränderung der Nierenfunktion
154
teninaktivität und damit direkt die Progression einer bereits bestehenden Osteopenie/Osteoporose (3). Schließlich kommt es im Rahmen einer fortgeschrittenen Nierenfunktionsstörung zu einer erhöhten Kalziumphosphatbelastung und damit zu einem zunehmenden Risiko für diffuse Kalkablagerungen im gesamten Körper (4).
LABORDIAGNOSTISCHE KRITERIEN Wenn man sich mit den Problemen einer Nierenfunktionseinschränkung auseinander setzt, sollte man sich bewusst sein, dass die klassischen Nierenfunktionstests verschiedene systemimmanente diagnostische Fehler in sich bergen. Das häufig zur Beurteilung herangezogene Serum-Kreatinin ist als diagnostischer Marker an sich schon problematisch, da die Menge des freigesetzten Proteins vom Ausmaß der muskulären Aktivität und der Muskelmasse abhängt, d.h. es macht einen großen Unterschied, ob dieser Wert bei einem muskelbepackten Hochleistungssportler oder einem immobilen, betagten Patienten bestimmt wird. Zudem kann die Niere einen Funktionsausfall durch eine verstärkte Aktivität des autoregulativ wirksamen Renin-Angiotensin-Aldosteronsystems (RAAS) kompensieren, d.h. zwischen einem geschätzten Wert von 50 bis 100 % Nierenfunktion sind normale Kreatininwerte im Serum zu erwarten (Abbildung 3). Die alternativ gebräuchliche Kreatinin-Clearance birgt dieselbe Unschärfe betreffend die individuelle Muskelmasse in sich. Besser geeignet wären Nie12 10
Se-Kreatinin (mg/dL)
Behandlung de renalen Komplikationen
8 Abschätzen der Progression
6 Behandlung von Co-Morbiditäten
4
Screening bzw. Risikoreduktion
2 0
0
0,25
0,5
NINS Terminal - Schwer
-
1 Mässig
-
Mild
2 -
Voll kompensiert
-
Anzahl funktionsfähiger Nephrone (Mio.)
”Schaden”
Abbildung 3: Verlauf des Serum-Kreatininspiegels im Vergleich zur Nierenfunktrion. Die Pfeile definieren die diagnostischen u/o therapeutischen Zeitpunte (NINS = Niereninsuffizienz, GFR = glomeruläre Filtrationsrate)
155
Hypertonie
Kardiovaskuläre Erkrankung
Weiblich
50
50
45
45
40
40
35
35
30 25 20 15 10
20 - 39
40 - 59
60 - 79
% mit Mikroalbuminurie
Diabetes
Männlich
30 25 20 15 10
5
5
0
0
80+
20 - 39
Altersgruppe (in Jahren)
Gesund
40 - 59
60 - 79
80+
Altersgruppe (in Jahren)
Abbildung 4: Prävalenz einer Albuminurie bei den 20+ US-amerikanischen Erwachsenen (5) renfunktionstests auf der Basis einer Inulin-Clearance, die aber aus zeitlichen Gründen für die Routineuntersuchungen nicht machbar sind. Daraus folgt: Klassische Nierenfunktionsparameter sind zur Untersuchung über Vorliegen eines möglichen Nierenschadens nur bedingt geeignet. Alternativ sollte frühzeitig der Nachweis einer pathologischen Proteinurie und/oder einer renalen Hämaturie (= direkter Nachweis von Akanthozyten im Harn) erfolgen. Als Standard wird ein täglicher Proteinverlust von weniger als 0,3 g pro Tag als physiologisch akzeptiert, das entspricht einem Proteinverlust von weniger als 0,2 g pro Liter Harn. Von dieser Menge gehen täglich ca. 20 % als Albumin verloren, und ca. 50 % in Form von Uroprotein oder Tamm-Horsefall-Protein. Ein Frühmarker für eine glomeruläre Nierenschädigung ist der Nachweis eines pathologischen Albuminverlusts. Bei einer Menge von 20–200 mg pro Liter Harn spricht man von einer Mikroalbuminurie. Dieser Terminus deshalb, weil diese Menge unter der Nachweisgrenze des konventionellen Harnstreifentests liegt. Große epidemiologische Studien (Abbildung 4) aus den USA konnten belegen, dass die Prävalenz einer Mikroalbuminurie einerseits von der primären Grunderkrankung, andererseits vom Alter der Betroffenen abhängig ist und mit diesem korrelierend deutlich zunimmt. Interessanterweise wird auch in klinisch „gesunden“ Bevölkerungsgruppen in 23 % aller Fälle eine Mikroalbuminurie gefunden. Diese Beobachtungen konnten in großen epidemiologischen Studien zur Inzidenz von kardiovaskulären Erkrankungen korreliert werden. Diese Ergebnisse etablierten die Mikroalbuminurie als unabhängigen Risikofaktor für die Entwicklung etwa einer koronaren Herzkrankheit (Abbildung 5).
156
6
Relatives Risiko
5 4 3 2 1 0 10
100
1000
Albumin im Harn (mg / L)
Abbildung 5: Kardiovaskuläres Mortialitätsrisiko versus Albuminausscheidung im Harn (US-amerikanische Bevölkerung 2001) Ziel jeder therapeutischen Maßnahme muss es daher sein, im Rahmen einer Nierenschädigung nicht nur deren Ursachen, sondern auch das Ausmaß des aktuellen Eiweißverlusts zu reduzieren. Zu diesen unspezifisch-therapeutischen Interventionen gehören in erster Linie eine individuell abgestimmte diätetische Führung.
DIÄTETISCHE THERAPIEANSÄTZE Neben der primär kurativen Intervention und verschiedenen medikamentösen Maßnahmen spielt die ernährungsmedizinische Behandlung eine große Rolle. Die klinische Ernährungsmedizin ist nicht gleichzusetzen mit dem, was sich in den letzten Jahren als Lifestyle-Medizin in der einschlägigen Fachliteratur eingebürgert hat. Zur Ernährungsmedizin gehören nicht Behandlungsmöglichkeiten auf der Basis von Naturheilmitteln chinesischer, indischer oder tibetanischer Herkunft; ebenso nicht die im Sportbereich modern gewordenen Verordnungen von „Functional Food“ oder die Gabe von Nahrungsergänzungsmitteln wie Vitaminen und Spurenelementen. Vielmehr fließen in die Ernährungsmedizin nachvollziehbare wissenschaftliche Erkenntnisse ein, mit denen man diätetisch auf verschiedenen Ebenen die Auswirkungen einer Erkrankung auf den Organismus beeinflussen kann.
WA R U M „ N I E R E N D I Ä T “ ? Bei der eigentlichen Nierendiät (6) gibt es grundsätzlich zwei Therapieansätze (Tabelle 2). Experimentelle und klinische Studien haben bewiesen, dass ein
157
Funktionelle Gründe Eiweiß
GFR
Phosphor Natrium
bzw. Permselektivität
PTH-Sekretion Hypertonie, Ödeme
Metabolische Gründe Harnstoff , Azidose / Hyperkaliämie, Harnsäure Kalzium x Phosphat - Produkt
Tabelle 2: Auswirkungen einer Nierendiät
Natrium-Ausscheidung (x normal)
übermäßiger Eiweißkonsum per se die glomeruläre Filtrationsrate steigert (7). Weiters konnte gezeigt werden, dass sich die Permeabilitätsselektivität des glomerulären Filters erhöht und damit das Risiko eines vermehrten Eiweißverlusts. Weiters ist seit langem bekannt, dass eine Erhöhung des Serum-Phosphatspiegels die Parathormonsekretion der Nebenschilddrüse stimuliert. Zu einer „guten“ Nierendiät gehört weiters eine konsequente Natriumrestriktion, da über eine erhöhte Natriumzufuhr regulative Mechanismen in der Gefäßwand zu einer Vasokonstriktion führen (8). Dieser Effekt spielt bei einem bereits bestehenden arteriellen Hypertonus eine wesentliche Rolle und wird entscheidend vom Body Mass Index und damit vom Körpergewicht beeinflusst (Abbildung 6). Des Wei6
Adipositas
Normal
5 Hoher
4
Salzkonsum
3 2 Niedriger
1
Salzkonsum
0 50
100
150
200
Abbildung 6: Effekt einer bestehenden Adipositas und des Salzkonsums auf den mittleren arteriellen Blutdruck (7)
158
teren führt ein erhöhter Natriumkonsum zu einer verstärkten tubulären Wasserrückresorption und birgt das Risiko einer Überwässerung und einer damit verbundenen Ödemneigung. Ein wichtiger Punkt im Rahmen der Ernährungsempfehlung ist die adäquate Flüssigkeitszufuhr, die prinzipiell nach der Harnmenge und dem Hydratationszustand des Einzelnen (= „Trockengewicht“) definiert wird. Prinzipiell sollte man nach einer ausreichenden Flüssigkeitszufuhr trachten, die ihre Grenzen aber in der Harnausscheidung hat. In diesem Zusammenhang ist auf die gezielte Verordnung von Diuretika hinzuweisen, welche als so genannte „First-LineTherapie“ im Rahmen der arteriellen Hypertonie eine Renaissance erfahren haben. Es ist zu beachten, dass jedes Diuretikum dosisabhängig ein mehr oder weniger ausgeprägtes Nebenwirkungsprofil zeigt (Abbildung 7). Es besteht das Risiko für Störungen der Glukosetoleranz und einer vielschichtigen Elektrolytentgleisung. Bereits eine latente Hypokaliämie und Hyponatriämie können unangenehme klinische Auswirkungen auf die Muskelkraft und Muskelaktivität haben (9). Gerade bei älteren Patienten mit einer kardialen Vorschädigung bestehen Auswirkungen auf die kardiale Erregungsbildung (10). Nicht zu vergessen ist eine durch Diuretika auslösbare metabolische Azidose mit ihren negativen Auswirkungen auf den Eiweißstoffwechsel (und dem damit verbundenen Risiko einer Katabolie). Die Möglichkeit einer durch die Diuretikagabe bedingten gestörten Funktion der Osteoblasten in Form einer „low-turnover“-Osteopathie erhöht das Frakturrisiko und verzögert die Heilungsprozesse im Knochen. Eiweißkonsum führt auch zu einer angeregten Harnstoff- und WasserstoffioDiuretika Renale Na+-Rückresorption Hyponatriämie
Natriurese und Diurese Plasmavolumnen
HMV
Plasma-Renin-Aktivität
Nierendurchblutung
Totaler peripherer Widerstand
Blutdruck
Prärenale Azotämie
Angiotensin II
Glom. Filtrationsrate
ADH Aldosteron
Rückresorption im prox. Tubulus
Rückresorption im dist. Tubulus
Harnsäure - Clearance
Kalzium Clearance
Hyperurikämie
Hyperkalziämie
Kaliurese Hypokaliämie
Glukosetoleranz
Abbildung 7: Wechselwirkung einer Diuretikatherapie
159
Hyponatriämie
nenbildung. Durch eine eiweißreduzierte Kost kann eine bereits bestehende Hyperurikämie negativ beeinflusst werden, da eine Eiweißmast in der Regel mit einer vermehrten Purinaufnahme einhergeht. Im Zusammenhang mit diätetischen Verordnungen ist der individuelle Bedarf von Vitaminen zu bedenken, dieser ist weiters von der bestehenden Grundkrankheit und der damit verbundenen Medikation abhängig (11). Eine Nierenfunktionsstörung alleine rechtfertigt nicht die vermehrte Vitaminzufuhr (Tabelle 3). Bei Dialysepflichtigkeit eines Patienten wird der individuelle Vitaminbedarf neben den bereits erwähnten Faktoren vom verwendeten Dialyseverfahren bestimmt (12). Vitamin Vitamin A (lU) Vitamin D (mg) Vitamin E (IU) Vitamin K ( g) Vitamin C (mg) Folsäure (mg) Niacin (mg) Pantothensäure (mg) Vitamin B 1 (Thiamin; mg) Vitamin B 2 (Riboflavin; mg) Vitamin B 6 (Pyridoxin, mg) Vitamin B 12 ( g)
1bei
Tagesbedarf
FDA Empfehlung
individuell 10 - 15 60 - 150 (max.) 1 - 101 20 10 1,5 - 302 1,8 - 2,0 103 3-6
3300 200 10 150 100 0,6 40 15 6 3,6 4 5
einer nachgewiesenen Hyperhomozysteinämie; 2um eine verminderte Erythrozyten Transketolase
Aktivitität zu kompensieren; 320 mg pro Tag empfohlen bei einer Erythropoietingabe
Tabelle 3: Empfohlene Vitaminsupplementierung bei einer chronischen Niereninsuffizienz (11, 12)
S U B J E K T I V E E R FA S S U N G D E S E R N Ä H R U N G S Z U S TA N D E S Um überhaupt eine Ernährungsempfehlung abgeben zu können, soll primär der Ernährungszustand jedes Einzelnen erfasst werden. Dazu gehören 1. eine genaue Anamnese (Körpergewichtsverlust in den letzten 6 Monaten, das subjektive Ernährungsverhalten bzw. gastrointestinale Symptome, die länger als 2 Wochen dauern); 2. verschiedene anthroprometrische Parameter wie der Body Mass Index (BMI), die Trizeps-Hautfaltendicke, die Messung des Armumfang u.Ä.; 3. bestimmte Laborparameter, wie das Se-(Prä)Albumin, das Se-Transferrin, die Se-Cholinesterase, u.Ä.; und 4. das Ausmaß von konsumierenden Erkrankungen wie eine höhergradige COPD (III/IV) oder Herzinsuffizienz (NYHA III/IV), eine fortgeschrittene maligne Tumorerkrankung oder eine dekompensierte Leberzirrhose (Child C).
160
Um das Risiko einer Malnutrition auszuschließen, sollten die betroffenen Patienten frühzeitig hochkalorisch ernährt und, falls notwendig, frühzeitig mit einer Zusatznahrung behandelt werden. Wie aus den Beispielen in der Abbildung 8 ersichtlich, sind aber die einzelnen Zusatznahrungen hinsichtlich ihres Kalorien-, Kalium- und Phosphatgehalt unterschiedlich zu bewerten.
Pro 10 g Eiweiß
350 300 250
Kalorien mg K mg P
200 150 100 50 0 Fortimel®
Meritene®
Resource 2.0 Faser®
Fresubin® energy drink
Abbildung 8: Vergleich von eiweißreichen Zusatznahrungen
R E N A L E K O M P L I K AT I O N E N Bereits in einem Stadium, in dem der Patient noch nicht die Auswirkungen seiner Nierenfunktionsstörung subjektiv wahrnimmt, können renale Komplikationen im Rahmen von hochalpinen Belastungen sich deutlich negativ auf verschiedene Organfunktionen auswirken (13). Dazu zählen in erster Linie eine metabolische Azidose und damit verbunden das Auftreten einer Hyperkaliämie (Abbildung 9). Eine undiagnostizierte und unbehandelte renale Anämie, wenn auch laborchemisch nur gering ausgeprägt, kann in mittleren Höhenlagen bei durchschnittlichen Belastungen zu einer kardiovaskulären Funktionseinschränkung führen (Abbildung 10). Neben den vielfältigen Effekten auf Organfunktionen und Lebensqualität führt eine anämiebedingte renale Minderperfusion zu einer weiteren Progression des bereits bestehenden Nierenschadens (Abbildung 11). Das erhöhte Mortalitätsrisiko von chronisch Nierenkranken wird auch im außersportlichen Bereich durch die im Rahmen der Grundkrankheit bestehenden Mikroperfusionsstörung und deren kardiovaskulären Auswirkungen bedingt (14). Eine wesentliche Rolle spielt dabei die hypertoniebedingte Entwicklung einer Linksventrikulären Hypertrophie (LVH), die zusätzlich durch eine begleitende renale Anämie begünstigt wird (Abbildung 12). Tatsa-
161
12 10
Se-Kreatinin (mg/dL)
8
Anämie 6
K+ Azidose
4
Hyperparathyreoidismus 2 0
0
0,25
0
0,5
1
2
50
100
Anzahl funktionsfähiger Nephrone (Mio.)
GFR (ml/min)
Kreatinin - Clearance
Abbildung 9: Mögliche Sekundärkomplikationen einer chronischen Niereninsuffizienz. Die Pfeile definieren die Häufigkeit einer bestimmten Komplikation in Relation zum Se-Kreatininspiegel che ist, dass in Österreich höchstens 10 % aller erythropoietinpflichtigen Anämien adäquat behandelt werden, somit eine hohe Dunkelziffer besteht. Die Gründe dafür sind vielfältig, bedeuten für die betroffenen Patienten ein unnötig hohes kardiales Risiko, gerade wenn durch eine vermehrte körperliche Aktivität in größeren Höhen zusätzliche Durchblutungsstörungen auftreten. Epidemiologische Untersuchungen aus dem US-amerikanischen Raum (16) haben gezeigt, dass bei einer eingeschränkten glomerulären Filtrationsrate von EPO - Produktion
”Nierenschaden”
Folgen der renalen Anämie
Linkshypertrophie (langfristig)
Zunahme des Herzminutenvolumens
Kardiale u/o koronare Insuffizienz
Abnahme des peripheren Gefäßwiderstands
Zunahme der O2Extraktion im Gewebe
Abnahme der Gewebeoxygenierung und des O2-Verbrauchs
Zelluläre Adaptation - Metabolismus - Neoangiogenese
Verminderter Gewebe pO2
Abbildung 10: Folgen der renalen Anämie für das kardiovaskuläre System
Abbildung 10: Folgen der renalen Anämie für das kardiovaskuläre System
162
Zerebral ... Schlaf / Wachrythmus Kognitive Funktionen
Kardiovaskulär ...
Depression
Linksventrikuläre Hypertrophie KHK Symptomatik (Erektile Dysfunktion)
Störungen ... Endokrinium
Lebensqualität ...
Immunologie
Körperlichen Leistungsfähigkeit
Gerinnung
Appetit / Ernährung Myopathie Morbidität
Abbildung 11: Mögliche Auswirkungen einer länger bestehenden renalen Anämie 45 ml/min. entsprechend einem Serum-Kreatinin von 3 mg/dl ca. 45 % der Patienten bereits an einer renalen Anämie leiden (Abbildung 13). In Summe sind chronische Nierenfunktionsstörungen auf Grund ihrer langen klinischen Beschwerdefreiheit ein vielmals unterschätztes Krankheitsbild. Aus diesem Grund sind speziell Kollegen aus dem Gebiet der Alpinmedizin gefordert, im Vorfeld das individuelle Risiko eines Patienten mittels erwähnter Unter-
Koronarer Blutfluss (ml / min. x 10 g)
200
Maximale Vasodilatation
Maximale Vasodilatation mit LVH
Anämie 100
Normal
0
1st Qtr
100
2nd Qtr
200
Koronarer Perfusionsdruck (mm Hg)
Abbildung 12: Eingeschränkte Koronareserve bei Anämie und LV-Hypertrophie (15)
163
50 6.200.000 40
30
2.500.000
20
800.000
2,3 %
0,9 %
0,3 %
> 1,5
> 1,7
> 2,0
% Patienten
45 ml/min. ~ 45 %
10
0 Se-Kreatinin (mg/dL)
Abbildung 13: Prävalenz von Hämoglobinwerten < 13 mg/dl in Abhängigkeit von der Nierenfunktion in der US-amerikanischen Bevölkerung (16) suchungsverfahren abzuschätzen. Die engmaschige Kontrolle gefährdeter Alpinsportler, ihre optimale diätetische und medikamentöse Behandlung, werden nicht nur eine lange Phase einer stabilen Organfunktion gewähren, sondern insbesondere ihren Patienten Lebensfreude, Unabhängigkeit und Freude am Bergsport ermöglichen.
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166
R o b b Wa a n d e r s , W i l f r i e d S t u d e r
DARIX: Index für Höhenanpassung DARIX: Index for acclimatization at high and extreme altitude S U M M A RY During exposure to high and extreme altitude a major question in the context of risk and health management concerns the acclimatization state. The standardised Lake-Louise-Acute-Mountain-Sickness-Scoring-System (LL-AMSScore) represents a more or less well known method for addressing this topic. However, in addition to the AMS-Score there is a situation dependent acclimatization factor. This factor takes into account the amount of perceived psychophysical exertion during a mountain tour as well as the factual altitude. Taken together with the acclimatization factor the LL-AMS-Score enables one to calculate an index for altitude exposure (Damgiri-Index or DARIX). The index allows for an easy evaluation of the acclimatization state at altitude ranging from fully acclimatized to severly deficient. Based on the outcome DARIX provides guidelines for managing the next step in acclimatization at high and extreme altitude. Keywords: acclimatization state, Lake-Louise-Acute-Mountain-Sickness-Scoring-System, risk management, prevention, psycho-physical exertion
Z U S A M M E N FA S S U N G In der Höhe stellt sich im Sinne des Risiko- bzw. Sicherheitsmanagements zu jedem Zeitpunkt die Frage, wie gut jemand akklimatisiert ist. Diese Frage lässt sich zum einen mit dem standardisierten Lake-Louise-Acute-Mountain-Sickness-Scoring-System (LL-AMS-Score) beantworten. Als potenzierender Faktor kommt jedoch ein Höhenanpassungsfaktor hinzu. Dieser Faktor berücksichtigt das subjektiv empfundene Ausmaß an Anstrengung während einer Tour oder Tagesetappe sowie die Höhe, in der sich jemand aufhält. Aus der Kombination von AMS-Score einerseits und Höhenanpassungsfaktor andererseits wird ein Index für Höhenanpassung (Damgiri-Index bzw. kurz DARIX) abgeleitet. Dieser Index ermöglicht eine relativ einfache Evaluation der Situation in der Höhe sowie eine zuverlässige Einteilung der Höhenanpassung bzw. Störung der Höhenanpassung nach Schweregraden. 167
Schlüsselwörter: Risiko- & Sicherheitsmanagement, Höhenanpassung, LakeLouise-Acute-Mountain-Sickness-Scoring-System, Prävention, Ausmaß an Anstrengung
EINFÜHRUNG Lange glaubten die Menschen, dass der Himmel als Lebensraum übernatürlichen Wesen, Göttern, Engeln und Dämonen vorbehalten sei und deshalb den Erdenbewohnern verschlossen bleiben müsse. Die Berge galten in früheren Jahrhunderten als lebensgefährliche Zufluchtsorte (böser) Geister, die dort ihr Unwesen treiben würden. Fromme Hindus und Buddhisten glauben auch heute noch, dass die hohen Gipfel im Himalaja die Throne der Götter sind, und dass ein Eindringen in diese göttlichen Schneewohnungen großes Unheil bringt. Die möglicherweise historisch erste Erwähnung von Auswirkungen der Höhe auf den Menschen entstammt dem berühmtesten Reisebericht des Mittelalters, welchen der venezianische Kaufmann Marco Polo um das Jahr 1300 in genuesischer Gefangenschaft einen Mitgefangenen namens Rustichello aufschreiben ließ. Auf seinen langjährigen Reisen durch Zentralasien über die Seidenstraße hatte Marco Polo mehrmals das Dach der Welt (Pamir-Gebirge) überquert. Dabei mussten der „Kleine“ und der „Große Kopfschmerzpass“ überschritten werden. „Aufgrund der großen Höhe und der Kälte fliegen dort keine Vögel“, ist in dem Reisebericht zu lesen, „und es leben in diesem Land der hohen Berge kaum Menschen“. Bei der Eroberung Südamerikas durch die Spanier drangen diese auf der Suche nach dem Gold der Inkas ständig weiter nach Westen und schlussendlich auch in die Kordilleren vor. Im späten 16. Jahrhundert verfasste der Jesuitenpater José de Acosta in seinem Buch Historia Natural y Moral de las Indias (1590) die erste detaillierte Beschreibung der Symptome der akuten Höhenerkrankung (Kopfschmerzen, Übelkeit und Kurzatmigkeit), wovon „Flachländer“ oft betroffen sind, wenn sie in große Höhen aufsteigen. Im Sanskrit ist bei Pilgern aus den Tiefebenen die Auswirkung einer akuten Höhenexposition seit vielen Jahrhunderten als „DAMGIRI“ bekannt. DAMGIRI, Sanskrit für Höhenkrankheit Dam = breathlessness / Kurzatmigkeit Giri = Berge DARIX = Damgiri-Index, Index für Höhenanpassung DARIX-Profil = Damgiri-Index im Verlauf
168
AKUTE HÖHENEXPOSITION „In memory of Rodolfo ... Died 2nd March of high altitude sickness.“ Kurz vor Macchermo im Gokyo-Tal erinnert in 4400 Meter Seehöhe ein Gedenkstein an die unsichtbaren Gefahren dieser faszinierenden Landschaft, einer Landschaft, die einen mit grandiosen Panoramas, z.B. von der Süd-Wand der 8.150 m hohen „Göttin aus Türkis“ Cho Oyu in immer größere Höhen lockt. Der Preis für diesen atemberaubenden Anblick kann, wie uns Rodolfo Belottis Tod vor Augen führt, sehr hoch sein (siehe Abb. 1). Was kann man tun, wie sich effektiv vor der „unsichtbaren Bedrohung“ schützen? Beim Hypoxia-Symposium 1991 in Lake Louise (Kanada) wurde ein Konsens in Bezug auf diagnostische Kriterien der akuten Höhenerkrankung sowie auf ein Bewertungssystem zur Erfassung der Symptome und deren Schweregrad erarbeitet (1). Ziel dieses standardisierten Verfahrens ist, ausreichend Sensibilität, Genauigkeit und Flexibilität zu bieten, um in vielen verschiedenen Settings Anwendung zu finden und (somit) den Vergleich von Resultaten zwischen Studien und Beobachtungen zu erleichtern. Dazu bewertet das Lake-LouiseAcute-Mountain-Sickness-Scoring-System (LL-AMS-Score) in relativ einfacher Weise den Grad einer akuten Höhenkrankheit.
Abbildung 1: Memorial Rodolfo Belotti Der heute international gebräuchliche Fragebogen ist für die Praxis der Höhenanpassung bzw. im Falle einer Erkrankung für die höhenmedizinische Praxis von großer Bedeutung. Individuelle Verläufe können mit dem LL-AMSScore rasch definiert und dokumentiert werden. Zusätzlich bilden die täglichen
169
Messwerte der AMS-Score die Basis für spezifische Untersuchungen zur Höhenanpassung (2). In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, wie gut bzw. genau der LL-AMS-Score die während der akuten Höhenexposition erfolgte oder verfehlte Anpassung widerspiegelt. Anders gesagt: ist der LL-AMS-Score an sich ausreichend für eine gezielte Beurteilung der Höhenanpassung?
B E U RT E I L U N G D E R H Ö H E N A N PA S S U N G In der Höhe stellt sich zu jedem Zeitpunkt die Frage, wie gut jemand akklimatisiert ist. Mit zunehmender Höhe wird die Atemluft bekanntlich „dünner“, was zu individuell unterschiedlichen körperlichen Reaktionen führt. Zusätzlich zur Höhenexposition und zur begleitenden Hypoxie gesellt sich das Ausmaß an subjektiv empfundener physischer Anstrengung, mit der die Tagesetappe einhergeht. Dieses Ausmaß an Anstrengung ist mittels der BORG-Skala (3) recht einfach zu bestimmen. Auf der Basis der Höhe einerseits und der subjektiv empfundenen physischen Anstrengung andererseits lässt sich ein Höhenanpassungsfaktor (HA-F) berechnen: HA-F = X * Y * Z [X] entspricht der aktuellen BORG-Skala dividiert durch 10 [Y] entspricht der aktuellen [(Messhöhe in Meter dividiert durch 1000)-2,5] In 3000 m Höhe beträgt Y ((3)-2,5)) = 0,5; in einer Schwellenhöhe < 2500 m ist Y = 0 Somit ist der HA-F in Höhen unter 2500 m Seehöhe per Definition gleich null [Z] entspricht der aktuellen Messhöhe in Meter dividiert durch die vorige Messhöhe Hieraus ergibt sich folgende Formel für den Höhenanpassungsfaktor (HA-F): HA-F = (BORG/10) * [(Messhöhe/1000)-2,5] * (Messhöhe/vorige Messhöhe) Diese Formel lässt sich am besten anhand eines Beispiels darstellen. Während eines Trekkings in der Khumbu-Region in Nepal steigt jemand von Namche Bazaar (3.450 m) nach Dole in 4.065 m auf. Die Tagesetappe wird als anstrengend empfunden, d.h. auf der BORG-Skala mit 15 (von max. 20) bewertet. Hieraus ergibt sich folgender Höhenanpassungsfaktor: HA-F = (15/10)*[(4065/1000)-2,5]*(4065/3450) = 2,77. Für jemanden, der besser akklimatisiert und/oder besser trainiert ist, ist diese
170
BORG-Skala
LL-AMS-SCORE
7
0
2 Fr
2800
7
1
2 Ab
2800
14
0
3 Fr
2800
14
0
3 Ab
3450
14
2
4 Fr
3450
14
1
4 Ab
3450
13
0
5 Fr
3450
13
0
5 Ab
4020
15
1
6 Fr
4020
15
0
6 Ab
4670
13
3
7 Fr
4670
13
1
7 Ab
4830
18
7
8 Fr
4470
18
0
8 Ab
4360
18
2
9 Fr
4360
18
0
9 Ab
4000
12
1
10 Fr
4000
12
0
10 Ab
4920
14
3
11 Fr
4920
14
2
11 Ab
5170
17
2
12 Fr
5600
17
0
12 Ab
4200
13
1
13 Fr
4200
13
0
13 Ab
3880
17
2
14 Fr
3880
17
1
14 Ab
3450
10
0
15 Fr
3450
10
0
15 Ab
3450
7
0
16 Fr
3450
7
0
Höhenanpassungsfaktor
Messhöhe in M 2800
Früh/Abend 1 Ab
DARIX
0,42 0,21 0,42 0,42 1,64 1,33 1,24 1,24 2,66 2,28 3,28 2,82 4,34 3,28 3,27 3,35 1,65 1,80 4,17 3,39 4,77 5,71 1,66 2,21 2,17 2,35 0,84 0,95 0,67 0,67
0,00 0,21 0,00 0,00 3,28 1,33 0,00 0,00 2,66 0,00 9,83 2,82 30,36 0,00 6,53 0,00 1,65 0,00 12,50 6,78 9,54 0,00 1,66 0,00 4,33 2,35 0,00 0,00 0,00 0,00
Tabelle 1: Zeigt den Verlauf der Höhenanpassung während eines 15-tägigen Trekkings
171
Tagesetappe vermutlich weniger anstrengend (z.B. BORG = 11). Der Höhenanpassungsfaktor HA-F würde hier 2,0 betragen. Wird eine Etappe/Tour dagegen als sehr anstrengend empfunden, ist auch der HA-F hoch. Beispiel: beträgt beim Marsch von Macchermo (4.670 m) nach Gokyo in 4.830 m die subjektiv empfundene Anstrengung auf der BORG-Skala 18, hat der HA-F einen Wert von 4,34. Der Höhenanpassungsfaktor steigt somit mit ansteigender Höhe und/oder zunehmender Anstrengung. Steigt jemand ab, müsste auch der Höhenanpassungsfaktor HA-F niedrig sein. Beispiel: Abstieg von Thare in 4.360 m nach Pangboche (in ca. 4.000 m), BORG = 12 (leicht bis etwas anstrengend), HA-F = 1,65.
DAMGIRI-Index: DARIX Der Index für Höhenanpassung, der – hier DAMGIRI-Index getaufte – DARIX, setzt sich aus zwei Komponenten zusammen. In einer bestimmten Höhe wird zum einen der Höhenanpassungsfaktor HA-F nach der obigen Formel berechnet. Zudem wird der aktuelle LL-AMS-Score anhand des bekannten und standardisierten Lake-Louise-Fragebogens eruiert. Hieraus ergibt sich zur Bestimmung der (aktuellen) Höhenanpassung folgende Formel: DARIX = HA-F * LL-AMS-Score Tabelle 1 zeigt den Verlauf der Höhenanpassung während eines 15-tägigen Trekkings in Nepal. Am Abend des 6. Tages ist in einer Höhe von 4670 m der DARIX mit 9,83 zum ersten Mal deutlich erhöht. Dieser Wert ergibt sich aus einem LLAMS-Score von 3 sowie einem Höhenanpassungsfaktor von 3,28: DARIX = 3,28 *3 = 9,83. Nach der Nachtruhe hat sich der Index in der Früh des 7. Tages auf 2,82 verringert. Aufgrund der guten Anpassung wird die nächste Tagesetappe in Angriff genommen. Diese führt nur ca. 200 m höher hinauf, wird (jedoch) als sehr anstrengend erlebt (BORG = 18). Am Abend des 7. Tages ist der DARIX auf 30,36 hinaufgeschossen. Der LL-AMS-Score beträgt 7, die betroffene Person hat gravierende Schwierigkeiten mit der Höhenanpassung! Abbildung 2 zeigt den Verlauf des Höhenanpassungsindexes, das DARIX-Profil für das oben genannte Trekking. Verschiedene Peaks bzw. Ausreißer fallen auf. Generell darf davon ausgegangen werden, dass die Höhenanpassung erfolgreich ist, solange der DARIX kleiner als die [(Messhöhe in m) dividiert durch (1000)] ist. In einer Höhe von viertausend Meter zum Beispiel gibt es somit keine nennenswerte Höhenanpassungsstörung solange der DARIX kleiner als 4 ist. Ist der DARIX dagegen über dem Höhenprofil gelegen, gilt dies als Hinweis auf eine verfehlte Höhenanpassung. Je mehr der DARIX über dem Höhenpro-
172
fil liegt, desto stärker ist die aktuelle Höhenanpassungsstörung bzw. umso dringlicher wird eine Anpassung der Strategie, die wieder zu einer erfolgreichen Höhenanpassung führt. Im Regelfall bedeutet dies, einen Ruhe- bzw. Akklimatisationstag einzulegen oder eventuell drei- bis vierhundert Meter abzusteigen. Wie die Abb. 2 zeigt, führt ein (solcher) Abstieg im Normalfall sehr rasch zu einer „Entschärfung“ des DARIX. Nachdem der DARIX am Nachmittag/Abend des 7. Tages auf 30,36 geklettert war (und die betroffene Person sich miserabel fühlte: mäßige bis schwere Kopfschmerzen, leichte Übelkeit, mäßige Schwäche, leichter Schwindel und Verdacht auf leichte Ataxie), wurde sie auf 4.470 m hinunterbegleitet. Dabei wurde der Rucksack von einer zweiten Person übernommen. Nach wenigen Stunden waren die Beschwerden verschwunden und auch die Nacht verlief ohne Komplikationen oder Schlafstörungen. In der Früh des nächsten Tages lag der DARIX bei null.
35
30
25
20 Messhöhe/1000M DARIX 15
10
5
0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31
Abbildung 2: Verlauf des Höhenanpassungsindexes, DARIX-Profil
Der DAMGIRI-Index (DARIX) ermöglicht eine einfache und zuverlässige Einteilung der Höhenanpassung bzw. Störung der Höhenanpassung nach Schweregrad. Bei Höhen bis 4.000 m: DARIX < 4
keine Höhenanpassungsstörung
173
Bei Höhen zwischen 4.000 m und 9.000 m: DARIX kleiner als [(Messhöhe in m) keine bis sehr leichte Höhendividiert durch (1000)] anpassungsstörung [(Messhöhe in m) dividiert durch (1000)] < DARIX < 9
geringe Höhenanpassungsstörung
9 < DARIX < 25
mäßige Höhenanpassungsstörung
DARIX > 25
schwere Höhenanpassungsstörung
Das Bestreben eines jeden Höhentouristen muss somit sein, den persönlichen Indexwert für die Höhenanpassung unter 10 zu halten. Er sollte seine Taktik der stufenweisen Akklimatisation auf dieses Ziel ausrichten. Abbildung 3 zeigt ein DARIX-Profil, bei dem dieses Ziel zum größten Teil erreicht wurde. Mit Ausnahme eines Ausreißers am Abend des vierten Tages (DARIX = 14,16; Meßpunkt 8) ist das Profil bei Schlafhöhen bis zu 4.000 m praktisch durchgehend im sicheren Bereich gelegen (DARIX < 10). Die betreffende Person ist relativ gut an die gewählten Höhen angepasst. Es handelt sich dabei um ein (physisch anstrengendes) Trekking durch die Kali-Gandaki-Schlucht nach Lo Manthang in Upper Mustang (Abb. 4).
15
10
Messhöhe/1000M DAMGIRI-Index
5
0 1
3
5
7
9
11
13
15
17
19
21
23
25
27
29
31
33
35
Abbildung 3: Verlauf des Höhenanpassungsindices, DARIX-Profil
174
Abbildung 4: Trekking durch die Kali-Gandaki-Schlucht nach Lo Manthang
DISKUSSION In der Höhe stellt sich im Sinne des Risiko- bzw. Sicherheitsmanagements zu jedem Zeitpunkt die Frage, wie gut jemand akklimatisiert ist. Diese Frage lässt sich zum einen mit dem standardisierten Lake-Louise-Acute-MountainSickness-Scoring-System (LL-AMS-Score) beantworten. Als potenzierender Faktor kommt jedoch ein Höhenanpassungsfaktor multiplizierend hinzu. Dieser Faktor berücksichtigt das subjektiv empfundene Ausmaß an Anstrengung einer Tour oder Tagesetappe, sowie die Höhe, in der sich jemand aufhält. Aus der Kombination von AMS-Score und zusätzlichem Höhenanpassungsfaktor lässt sich ein Index für die Höhenanpassung ableiten (DARIX). Die Frage, die sich hier gezwungenermaßen stellt, ist, ob wir einen solchen Index brauchen und was der DARIX zusätzlich zum Lake-Louise-Score bringt. Der Index für die Höhenanpassung DARIX ist in erster Instanz als praktikable Erweiterung des LL-AMS-Score zu sehen und soll Höhentouristen im Sinne eines erweiterten Risikomanagements zu einer besseren Einschätzung ihrer Sicherheitslage verhelfen. Die Praxis der letzten zehn Jahre hat gezeigt, dass der LL-AMS-Score bei individuellen Bergsteigern und Trekkingtouristen nur wenig Beachtung und Anwendung findet, d.h. primär im Rahmen von Höhenstudien verwendet wird (4). Auf dieser eher wissenschaftlich orientierten Basis
175
kann der LL-AMS-Score kaum zu einer Verbesserung des Risikomanagements von Individuen beitragen. Dazu braucht es eine gezielte, regelmäßige und standardisierte Evaluation der subjektiven und objektiven Gegebenheiten bzw. Parameter einer Höhentour/Tagesetappe. Die tägliche Berechnung des Index für die Höhenanpassung DARIX führt zu einer größeren Transparenz der momentanen Situation in der Höhe und hilft somit, (verborgene) Faktoren, die das Risikomanagement beeinflussen, leichter zu erkennen. Idealerweise wird DARIX in der Früh und am frühen Abend bestimmt und in einer entsprechenden Tabelle eingetragen. Längerfristig können so auffallende Veränderungen im Höhenanpassungsprofil registriert und protokolliert werden. Auf der Grundlage eines DARIX-Verlaufs über mehrere Bestimmungspunkte lässt sich die individuelle Anpassung an die Höhe gut verfolgen. Dazu braucht es entweder eine (vorher generierte) Tabelle in Excel, in der die Rohwerte mit der Hand eingetragen und die Parameter wie der Höhenanpassungsfaktor HAF mit einem Taschenrechner ausgerechnet werden. Einfacher und bequemer in der Handhabung wäre die Verwendung eines Pocket-PCs (z.B. HP iPAQ), der aufgrund der relevanten Daten den aktuellen Höhenindex DARIX auf Knopfdruck errechnet.
L I T E R AT U R (1)
Roach, R.C., Bärtsch, P., Hackett, P.H., Oelz, O.: The Lake-LouiseAcute-Mountain-Sickness-Scoring-System. In: Sutton, J.R., Houston, Ch., Coates, G. (eds.). Proceedings of the 8th International Hypoxia Symposium Held at Lake Louise, Canada, Feb. 9–13 (1993)
(2)
Waanders, R., Frisch, H., Schobersberger, W., Berghold, F. (Hrsg.): Jahrbuch 2003 der Österr. Gesellschaft für Alpin- und Höhenmedizin. Thema: Projekt Silberpyramide. Raggl digital graphic+print GmbH, Innsbruck (2003)
(3)
Borg, G.: Psycho-physical base of perceived exertion. Med.Sci. Sports Exerc. 14, 377–379 (1982)
(4)
Feddersen, B., Ausserer, H., Neutane, P., Thanbichler, F., Depaulis, A., Waanders, R., Noachtar, S.: Right Temporal Cerebral Dysfunction Heralds Symptoms of Acute Mountain Sickness. J Neur, in press (2006)
176
Reinhold Lazar und Markus Winkler
Te r r e s t r i s c h e S t r a h l u n g in alpiner Umgebung S U M M A RY The main objective of this paper is to discuss the different types of terrestrial radiation. A major part is dedicated to radon and its negative effects. Radon, however has not only negative effects, causing e.g. lung caner, as it is described by the situation in Umhausen. It is also used within medical therapy (radon therapy) and recreation as it is offered in Bad Gastein. In order to gain reliable data the Austrian Republic launched the Austrian Radon Project (ARP) to provide a radon monitoring system for the whole national territory. Another topic is the caesium contamination due to the Chernobyl disaster at the Chernobyl Nuclear Power Plant in 1986. The last part discusses the impact of radiation originating from medical applications like x-ray. How much is an average Austrian citizen effected by manmade radiation and natural radiation? Keywords: terrestrial radiation, radon, caesium, radon therapy
Z U S A M M E N FA S S U N G In der vorliegenden Arbeit werden die unterschiedlichen Formen der terrestrischen Strahlung behandelt. Im Besonderen wird auf die Radonsituation in Österreich eingegangen, wobei der aktuelle Stand des ÖNRAP- Projektes vorgestellt und diskutiert wird. In diesem Zusammenhang werden auch die stark erhöhten Radonbelastungen in Umhausen erläutert. Weiters kommt auch die Radonbelastung in Schulen der Steiermark zur Sprache. Ebenso wird auf die aktuelle Strahlungssituation durch Cäsium eingegangen, da vor 20 Jahren der Reaktorunfall in Tschernobyl für großes Aufsehen gesorgt hat. Den Abschluss bildet ein Vergleich der einzelnen Komponenten der Strahlungsexposition eines Durchschnittsösterreichers unter Berücksichtigung von medizinischen Anwendungen, respektive auch von Radon für Heilzwecke in Bad Gastein. Schlüsselwörter: Terrestrische Strahlung, Radon, Cäsium, Radon-Therapie
177
EINLEITUNG UND PROBLEMSTELLUNG In den letzten Jahren wurde der Radonbelastung als Form der terrestrischen Strahlung immer mehr Bedeutung geschenkt, weil speziell in Umhausen in Tirol gesundheitliche Schäden festgestellt wurden, die letztlich eindeutig auf stark erhöhte Radonwerte im Siedlungsbereich zurückgeführt werden konnten. Auf der Basis jüngster Forschungsergebnisse lässt sich nun eine Zuordnung der Radonbelastung in Abhängigkeit von Gebirgsgruppen und deren geologischer Rahmenbedingungen finden, wodurch Aussagen für Siedlungen im alpinen Raum und Tourengeher ermöglicht werden. Der Fall Umhausen wird als Beispiel für natürliche Strahlenbelastung näher beschrieben. Auch die künstliche Strahlenbelastung wird ebenfalls zu besprechen sein, zumal nun 20 Jahre seit dem Reaktorunfall in Tschernobyl verstrichen sind und die Frage offen ist, wie hoch nun die Belastung speziell durch Cäsium-137 noch relevant ist. Ebenso wird vom Einfluss medizinischer Diagnostik und Therapie bezüglich Strahlungsbelastung zu berichten sein. Zum Abschluss soll die Tatsache nicht unerwähnt bleiben, dass Radon auch positive Effekte hat und zu Heilzwecken eingesetzt wird. Radon – Allgemeine Grundzüge In der Erdkruste kommen die natürlichen Radionuklide Uran-238, Uran-235, Thorium-232 und Kalium-40 vor. In der Zerfallsreihe von Uran-238 entsteht über das Zwischenprodukt Radium-226 das radioaktive Edelgas Radon-222. Die Halbwertszeit beträgt 3,8 Tage. Es handelt sich um einen Alphastrahler. Radon kommt in Form von drei Isotopen vor. Für unsere Betrachtung ist alleine das Isotop Radon-222 von Bedeutung. Aus allen Materialien, die Uran enthalten (z. B. Erdboden, Baumaterialien), wird Radon freigesetzt und gelangt so in das Wasser, die Atmosphäre und auch in Gebäude. Da der Ursprung dieser Strahlung in den Gesteinen und Böden liegt wird in diesem Zusammenhang von terrestrischer Strahlung gesprochen (1). Natürliche Strahlung versus künstliche Strahlung Neben Radon ist es noch vor allem die kosmische Strahlung, die als natürliche Strahlungskomponente auf den Menschen einwirkt. Bezüglich der Strahlungsverhältnisse im Hochgebirge, insbesondere UV – wurde bereits im letzten Band berichtet (2). Als künstliche Strahlungsquelle ist neben kerntechnischen Anlagen auch noch Strahlung aus der medizinischen Diagnostik und Therapie für den Menschen relevant. Darauf wird im Abschnitt Ergebnisse noch weiter eingegangen.
178
D AT E N L A G E U N D M E T H O D I K Wichtige Einheiten der Dosimetrie Grundsätzlich ist zu trennen zwischen der Menge an radioaktiven Atomen (Nukliden) in einer Strahlenquelle und ihrer Auswirkung auf Materie wie z. B. den Menschen. Die Aktivität bezeichnet die Zerfallsrate der Radionuklide und wird in Becquerel (Zerfälle pro Sekunde) gemessen. Die Wechselwirkung von Strahlung und lebender Materie führt zur Veränderung oder dem Absterben von Zellen. Die Energiedosis gibt die absorbierte Energie pro Masse (J/kg) an und wird in Gray (Gy) gemessen. Für unsere Betrachtung ist vor allem die effektive Dosis von Bedeutung, um das Gesundheitsrisiko zu quantifizieren. Die Einheit der effektiven Dosis ist das Sievert (Sv). Da 1 Sievert eine sehr hohe Dosis ist, wird die Strahlenexposition für den menschlichen Organismus in Millisievert (mSv) ausgedrückt. Die effektive Dosis berücksichtigt neben Energiedosis auch noch die Strahlenart und die Strahlenempfindlichkeit von Gewebe und Organen (3). Das österreichische Radonprojekt – ÖNRAP Die Geschichte von ÖNRAP beginnt mit dem Auftrag des damaligen Bundesministeriums für Gesundheit, Sport und Konsumentenschutz an diverse Universitätsinstitute und Forschungseinrichtungen eine österreichweite Untersuchung der Radonbelastung in Wohnräumen vorzunehmen. Daran beteiligten sich folgende Einrichtungen: Institut für Isotopenforschung und Kernphysik der Universität Wien, ARC Seibersdorf, Institut für Materialphysik der Technischen Universität Graz, Arbeitsgruppe Strahlenphysik, Institut für Physik und Biophysik der Universität Salzburg, sowie die Ämter der Landesregierungen der einzelnen Bundesländer. Die ersten flächendeckenden Messungen wurden 1992/93 vorgenommen, bis schließlich im Jahre 2001 das ganze Bundesgebiet erfasst war. Obwohl an die 40.000 Messungen durchgeführt wurden, besteht noch keine vollständige Information über das Radonrisiko in Österreich (4). Neben Messungen wurden auch qualitative Parameter wie die verwendeten Baumaterialien, Vorhandensein einer Unterkellerung bei Gebäuden, Heizsystem, Anzahl der Personen im Haushalt und deren durchschnittliche Aufenthaltsdauer in der betreffenden Wohnung erhoben.
ERGEBNISSE Ziel des ÖNRAP war es, aus all den erhobenen Parametern das „Radonpotential“ abzuleiten, das ein Gebiet aufgrund seiner Radongefährdung charakterisiert. Die im Jahresmittel zu erwartende Radonkonzentration in einem Stan-
179
dardraum wird dabei als Radonpotential definiert. Diese Jahresmittelwerte wurden für jede Gemeinde berechnet und kartographisch umgesetzt. Dabei ist darauf zu achten, dass es sich um Mittelwerte handelt und daher die Radonkonzentration in einzelnen Wohnungen beträchtlich davon abweichen kann (5). Wie aus der Karte (Abb. 1) ersichtlich ist, sind die Konzentrationen in Österreich sehr unterschiedlich und weitgehend geologisch bedingt. Die gasförmige, flüchtige Radonkomponente zeigt nur teilweise Übereinstimmungen mit der Radonbelastung von Wasser. Vor allem in Kalkgestein und Dolomit kann Radon in Klüften nach oben steigen und entweichen, wodurch es hier zu lokal höheren Belastungen kommen kann als in Gebieten mit kristallinem Gestein. Auf der Karte treten Gebiete wie der Dachstein, Hochwechsel, Schladminger Tauern und Grimming sehr schön hervor. Die Schladminger Tauern zeigen eine sehr gute Übereinstimmung mit der Wasserbelastung, was auf undichte Stellen in der Schieferdecke zurückzuführen ist. Ebenso markant ist das Gebiet des Gleichenberger Vulkans zu erkennen. Radon tritt vor allem am Rand in Undichtheiten des tertiären Sediments aus. Demgegenüber weist der eigentliche Vulkanbereich keine Belastung aufgrund des dichten Untergrundes auf.
Abb. 1: Jahresmittel der Radonkonzentration auf Gemeindeebene (4)
Radon im Wasser Grundsätzlich geht von im Wasser gelöstem Radon wenig Gefahr aus. In den Wasserwerken wird der Großteil des Radons bereits entfernt. Hinzu kommt die geringe Halbwertszeit (3,8 Tage), wodurch nur mehr ein Teil des beim Quellaustritt vorhandenen Radons beim Konsumenten ankommt. Der Rest entweicht
180
beim Kochen oder wird nach dem Trinken ausgeatmet. Jedoch bei der Versorgung mit Hausbrunnen kann es zu hohen Belastungen kommen (5). Aufgrund von Messergebnissen und geologischen Untersuchungen wird das Bundesgebiet in drei Belastungsklassen eingeteilt (siehe Abb. 2). Deutlich hervor treten die Granite und Gneise des Böhmischen Massivs, da es sich um Gesteine handelt, die eine erhöhte Freisetzungsrate von Radon aufweisen, der Untergrund aber wasserundurchlässig ist. Damit wird eine verstärkte Anreicherung in den Wasserkörpern – nicht zuletzt wegen des Flachreliefs – ermöglicht. Mäßig hoch ist die Belastung im Steirischen Randgebirge. Im Karbonatgestein fällt die Belastung im Allgemeinen gering aus.
Abb. 2: Radongehalt im Wasser (4) L e g e n d e zur Abbildung 2 • Klasse 1: Wahrscheinlichkeit von 85%, dass das Quell- und Grundwasser einen Radongehalt von weniger als 100 Bq/m3 aufweist • Klasse 2: Wahrscheinlichkeit von 85%, dass Quell- und Grundwasser einen Radongehalt von weniger als 300 Bq/m3 aufweist • Klasse 3: Wahrscheinlichkeit von mehr als 15%, dass das Quell- und Grundwasser Radongehalt von mehr als 300 Bq/m3 aufweist Ein Fallbeispiel für natürliche Strahlungsbelastung durch Radon: Umhausen im Ötztal 1 Als es in Umhausen vermehrt zu Lungenerkrankungen gekommen war, wurden dort Untersuchungen durchgeführt. Als Ursache wurde eine stark überhöhte Radonkonzentration ausgemacht. 1
Es handelt sich hier um die Zusammenfassung eines Vortrages von Hacker und Mostler (6)
181
Die Talflanken des äußeren Ötztals werden hauptsächlich von Paragneisen, Orthogneisen, Glimmerschiefern und Amphibolitgestein gebildet. Der westliche Teil des Tales wird vom Schwemmfächer der Ötztaler Ache eingenommen. Im Osten dominieren der Schwemmfächer des Harlach-Baches und die Murenkegel der östlichen Seitenbäche. Im Süden befindet sich die Köfelser Bergsturzmasse. Ihr vorgelagert liegt das Becken von Umhausen. Im Gegensatz zu allen anderen Talbecken des Ötztals zeichnet sich das Becken von Umhausen durch weit gröbere Sedimente aus. In diesem Gebiet wurden Bohrungen mit Messungen durchgeführt (auf der Karte mit KBU 1 bis 5 gekennzeichnet). Die Bohrungen erreichten eine Tiefe von rund 100 Metern, wobei der Grundwasserkörper erreicht wurde und damit auch dort die Radonkonzentration gemessen werden konnte.
Abb. 3: Geologische Karte von Umhausen mit der Lage der durchgeführten Bohrungen (6)
182
Die Ergebnisse haben gezeigt, dass die gesamte Bodenluft im Gebiet von Umhausen mit Radon belastet ist. Die Radonkonzentration ist in den Gebieten am niedrigsten, wo grobes Sediment von gering durchlässigem Sediment überdeckt wird. (Bsp. Murbachschwemmkegel). Die höchsten Radonkonzentrationen im Boden wie auch im Grundwasser wurden im Bereich des Schwemmkegels der Ötztaler Ache gemessen. Laut Untersuchung sind es vor allem Mangan- und Eisenoxidkrusten, wo es zu lokalen Radonanreicherungen kommt. Die meisten Quell- und Grundwässer erreichen zwar hohe Radonkonzentrationen (ca. 1400 Bq/l), liegen jedoch unter den Werten des Schwemmkegels der Ötztaler Ache und dürften daher nicht unmittelbar für die hohe Radonbelastung in Umhausen verantwortlich sein. Die Kombination aus hoher Belastung des Grundwassers und hoher Durchlässigkeit des Taluntergrundes führen schlussendlich zur enormen Radonbelastung in Umhausen von mehreren 100kBq/m3.
Radonbelastung in steiermärkischen Kindergärten Im Rahmen des ÖNRAP-Projekts wurden auch Messungen in der Steiermark durchgeführt. Die Messung der Radonkonzentration erfolgte in insgesamt 60 Kindergärten. Die Radonkonzentration in Gebäuden ist dabei von folgenden Faktoren abhängig (7): • Radiumkonzentrationen in den die Räume umgebenden Materialien, Gesteinsbzw. Untergrundmaterial, u.U. Baumaterial • Emanierfähigkeit des Radons aus diesen Materialien und deren Exhalationsvermögen • Bauweise der Gebäude und Lage der Räume • Lüftungsverhältnisse in den betreffenden Räumen • Druck- und Temperaturunterschiede zwischen Gebäudeinnerem und Außenbereich • Radongehalt des im Gebäude verwendeten Wassers und ggf. Erdgases Die Werte der Messergebnisse liegen bei 8 Kindergärten über dem so genannten Eingreifrichtwert von 400 Bq/m3. Davon liegt bei 3 Kindergärten der Jahresmittelwert über 1000 Bq/m3. Der Eingreifrichtwert wurde festgelegt von der Internationalen Strahlenschutzkommission ICRP und der Europäischen Union. Für Kindergärten mit Werten über 1000 Bq/m3 wird der Einbau einer beheizbaren Zuluftanlage zur Frischluftzufuhr bzw. bauliche Sanierungsmaßnahmen (spezielle Abdeckfolien) vorgeschlagen. Bei Radonbelastung über 400 Bq/m3 bis weniger als 1000 Bq/m3 sollte der Raum vor Beginn des Betriebes gelüftet werden (ca. 10 Min.). Zusätzlich soll während des Betriebes etwa alle 2 Stunden gelüftet werden (7).
183
Ein Fallbeispiel für künstliche Strahlungsbelastung: Der Reaktorunfall von Tschernobyl Während des Reaktorunfalls von Tschernobyl 1986 wurden vor allem Cäsium137 und Jod-131 freigesetzt. Das freigesetzte Material hatte zwar eine 200-mal geringere Aktivität, als die bei den Kernwaffentests freigesetzte Materie, gelangte aber nicht in die höhere Atmosphäre und wurde entsprechend der durch den Alpenraum modifizierten Ausbreitungsbedingungen und entsprechenden Niederschlagsverhältnissen verfrachtet und abgelagert. Besonders im Süden Österreichs kam es zu hohen Depositionen, wie beispielsweise auf der Koralpe, wo es durch Schauer und Gewitter zu einem massiven rain out kam. Aber auch das Dachsteinmassiv, die Schladminger Tauern und Abschnitte des Tauernhauptkammes waren stärker betroffen als andere Landesteile. Die Karten der Abbildungen 4 und 5 geben eine gute Darstellung der Situation für die Jahre 1986 und 2000. Von besonderer Bedeutung ist die Belastung mit Cäsium-137 mit einer Halbwertszeit von 30 Jahren. Somit ist hier noch mehr als die Hälfte an Belastung vorhanden. Zwar ist die Belastung Österreichs großteils als niedrig einzustufen, nicht jedoch für die eben genannten Gebiete. Es wird darauf hingewiesen, dass es sich bei den Darstellungen um Cäsiumgehalte im Boden handelt. Die Auswirkungen auf Trinkwasser und Beeren bzw. Pilze sind in den Beiträgen nicht diskutiert und müssen daher offen bleiben.
Abb. 4: Belastung durch Cäsium-137 (Stand 1. Mai 1986) (8)
184
Bodenbelastung durch Cäsium-137 im Jahr 2000
Abb. 5: Belastung durch Cäsium-137 (Stand 2000 (9). In den skandinavischen Ländern sind die Auswirkungen noch deutlicher zu spüren, wo Rentier- und Elchfleisch sowie Pilze sehr streng überwacht werden. Am massivsten betroffen sind nach wie vor Gebiete in Russland, Weißrussland und der Ukraine. Sehr gut verdeutlicht wird die Situation durch den Anstieg von Schilddrüsenkrebs in Weißrussland. Die Rate bei Kindern ist zwar rückläufig und die Heilungschancen liegen hier bei 98,8%. Die Altersgruppe der 18- bis 35-jährigen, die zum Zeitpunkt der Katastrophe Kinder waren, lässt einen deutlichen Anstieg der Erkrankungen erkennen (10). Es ist noch bei weitem zu früh zu behaupten, der Unfall habe weniger Menschenleben gekostet als befürchtet, da die Latenzzeit für Krebs, außer bei Leukämie, 10 bis 30 Jahre beträgt.
Abb. 6: Anstieg der Schilddrüsenerkrankungen in Weißrussland (10)
185
Künstliche Strahlenbelastung Die natürliche Strahlenbelastung in Österreich beträgt rund 3,2 mSv. Hinzu kommt die künstliche Strahlenbelastung von rund 1,3 mSv, die fast ausschließlich durch die medizinische Diagnostik (vor allem Röntgendiagnostik) verursacht wird. Die Nuklearwaffentests haben vor allem zwischen 1960 und 1980 in Österreich zu einer Belastung von rund 4,5 mSv geführt, die weitgehend abgeklungen ist. Tschernobyl führte zwar im ersten Jahr nach der Katastrophe zu einer Belastung von 0,5 mSv, liegt aber heute bei geringen 0,01 mSv (11).
Abb. 7: Die jährliche Strahlenbelastung eines Österreichers heute (11)
Die positiven Effekte von Radon am Beispiel Bad Gastein Neben Radon als einer der Ursachen von Lungenkrebs gibt es aber auch Fälle, wo Radon als Heilmittel eingesetzt wird. An dieser Stelle sei der Kurort Bad Gastein mit seinem Heilstollen angeführt. Für folgende ausgewählten Erkrankungen sind Heilanzeigen durch Radon dokumentiert (12): • chronisch rheumatische Erkrankungen • periphere Durchblutungsstörungen sowie schlecht heilende Wunden (z. B. Parodontosen) • Wechselbeschwerden • Neuralgien Durch die Radontherapie kommt es zur Anregung von Reparaturmechanismen im Organismus. Dabei werden geschädigte Zellen entweder schneller repariert oder zum Absterben (programmierter Zelltod, Apoptose) gebracht (12).
186
L I T E R AT U R (1)
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Heinrich Grillhofer
Höhlenrettung und Höhlenunfälle in Österreich The austrian cave rescue and accidents in austrian caves S U M M A RY Most caves in Austria are located at moderate or high altitude. If you keep this in mind one can see that the environmental conditions in Austrian caves are really extreme. For example the average temperature in these alpine caves varies from about 10°C down to temperatures below freezing. The average humidity is always close to saturation or even condensation. Even snow and ice, streams and pools, debris from the size of a pebble to the size of a house and tons of mud are your companions. Exploring these caves also means rigging deep shafts and enormous canyons or crawling through narrow passages full with clay. Therefore the necessity of highly specialized rescue teams becomes evident. The major groups of victims in caves are alpine tourists, adventurers and spelunkers. Alpine tourists usually come to death because they fall into pits in wintertime. Adventurers usually overestimate their skills or underestimate the conditions in the caves. Because of good knowledge and good physical and mental condition spelunkers rarely become victims in a cave. But if they become injured, it is much harder to save them, because they go far beyond the places an average man would go to. The Austrian Cave Rescue was founded in the year of 1965. It is subdivided in federal organisations. These federal organisations themselves consist of various local rescue teams. Keywords: Austrian Cave Rescue, Victim
Z U S A M M E N FA S S U N G Die meisten österreichischen Höhlen liegen in mittleren und höheren Lagen. Aus dieser Lage ergeben sich extreme Umweltbedingungen in diesen Höhlen. Die Durchschnittstemperatur liegt etwa zwischen 10°C und Temperaturen unter dem Gefrierpunkt. Die Luftfeuchtigkeit ist fast immer nahe der Sättigungsgrenze oder sogar kondensierend. Schnee, Eis, Bäche und Höhlenseen, Schutt von der Größe eines Kiesels bis zur Größe eines Hauses und tonnenweise Lehm 189
sind ihre Begleiter. Bei der Befahrung gilt es auch tiefe Schächte, enorme Canyons und enge, oft lehmgefüllte Passagen zu überwinden. Aufgrund dieser Bedingungen ergibt sich die Notwendigkeit für spezialisierte Rettungsteams. Die drei häufigsten Gruppen von Unfallopfern in Höhlen sind Alpintouristen, Abenteurer und Höhlenforscher. Die häufigste Ursache für Unfälle von Alpintouristen sind Einbrüche in Schächte, die oft nur mit dünnen Schnee- oder Eiskrusten überzogen sind. Abenteurer überschätzen häufig ihre Fähigkeiten oder unterschätzen die Bedingungen in Höhlen. Höhlenforscher verunfallen auf Grund ihres hohen Wissens und der guten körperlichen und mentalen Verfassung relativ selten. Jedoch ist die Bergung oft viel schwieriger, da sie meist viel tiefer in die Höhlen vordringen als der Durchschnittsmensch es tun würde. Die Österreichische Höhlenrettung wurde im Jahre 1965 gegründet. Sie ist in einzelne Landesorganisationen unterteilt. Diese wiederum bestehen aus den verschiedenen Einsatzstellen eines Bundeslandes. Schlüsselwörter: Österreichische Höhlenrettung, Unfallopfer
HÖHLENUNFÄLLE Als unbedarfter Mensch würde man wahrscheinlich davon ausgehen, dass von Unfällen in Höhlen nur Höhlenforscher betroffen sind, weil der nicht Höhlenforschende im Allgemeinen fast ausschließlich nur streng gesicherte Schauhöhlen besucht. Wie die Praxis zeigt ist eher sogar das Gegenteil der Fall. Im Folgenden soll nun eine Kategorisierung von Personengruppen anhand von Beispielen aufgezeigt werden.
Abb. 1: Abstieg zu einem Verletzten in einem Schacht im Himmelreich bei Frohnleiten in der Steiermark anlässlich der Frühjahrsübung 2004 des Steirischen Landesverbandes für Höhlenrettung. Photo: Anton Bodlos
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ALPINTOURISTEN (BERGSTEIGER, SCHITOURENGEHER), SUIZIDFÄLLE In Österreich sind sicherlich auch Alpintouristen von Höhlenunfällen betroffen. Vielen Alpintouristen wird in Karstgebieten aufgefallen sein, dass manche Wege mit langen Stöcken zusätzlich zur Markierung ausgesteckt sind. Im Winter sind nämlich in Karstgebieten die meisten Schachteinstiege mit einer windgepressten und hart gefrorenen Schneekruste überdeckt. Bei Belastung durch einen Tourengeher oder Wanderer können diese Krusten leicht einbrechen und damit den Absturz der belastenden Person in den Schacht verursachen. Diese Abstürze enden fast immer tödlich, da die Absturzhöhen meist sehr groß sind. Solche Unfälle geschehen wegen Missachtung der Markierungen, im Nebel oder in unbekanntem Gelände. Im Winter ist es daher für Tourengeher in Karstgebieten ganz wichtig, die ausgesteckten Wege oder empfohlenen Routen nicht zu verlassen und bei schlechter Sicht sofort umzukehren. Vereinzelt kommt es auch in der schneefreien Zeit bei Nebel und Regen (Rutschgefahr) zu solchen Abstürzen.
HÖHLENTOURISTEN, ABENTEURER Höhlentouristen stellen einen hohen Anteil bei Höhlenunfällen dar. Dabei handelt es sich meist um Personen, die die Befahrung einer Höhle unterschätzt haben oder mit mangelnder Ausrüstung, oft mit unzureichender Beleuchtung oder Lichtquelle, unterwegs waren. Häufig rutschen diese dann aus und es entstehen leichte bis tödliche Verletzungen infolge des Sturzes. Oft wird auch der Rückweg aus der Höhle unterschätzt und die Höhlentouristen müssen dann meist völlig unterkühlt und entkräftet geborgen werden.
HÖHLENFORSCHER Bei Höhlenforschern treten Unfälle aufgrund der hohen Erfahrung der Personen selten auf, allerdings sind diese dann meist mit schwierigem Bergeaufwand verbunden, da Höhlenforscher viel längere und schwierigere Strecken in Höhlen überwinden und dabei oft tagelang unterwegs sind. Da Bergungen viel langsamer vonstatten gehen als Befahrungen, sind sie sehr zeitaufwändig. Eine weitere große Gefahr, die auch aus dem alpinen Bereich bekannt ist, ist der Steinschlag, gegen den man auch in der Höhle mit viel Erfahrung nichts machen kann.
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H Ö H L E N TA U C H E R Über Unfälle beim Höhlentauchen ist in Österreich Gott sei Dank nur wenig bekannt, obwohl immer wieder Unfälle auch mit tödlichem Ausgang passieren. Da diese Art der Höhlenbefahrung aber relativ stark an Popularität gewinnt, ist in Zukunft mit mehr Unfällen zu rechnen. Bei der Höhlenrettung handelt es sich nicht nur in Österreich um einen jungen Rettungsdienst. Von den Einsatzstellen bzw. den Landesleitungen in Österreich werden die Höhlenunfälle mit einem Unfallbericht an den Bundesverband der Österreichischen Höhlenrettung weitergeleitet, der diese registriert und dann an das Kuratorium für Alpine Sicherheit weiterleitet.
D I E B E S O N D E R E P R O B L E M AT I K V O N R E T T U N G S E I N S Ä T Z E N IN ALPINEN HÖHLEN Im Folgenden soll gezeigt werden, welche Umgebungsbedingungen bei Rettungseinsätzen in alpinen Höhlen herrschen, um ein Gefühl dafür zu bekommen, um wie vieles schwerer so ein Einsatz in einer Höhle im Vergleich zu einem alpinen Rettungseinsatz ist. Jeder, der einmal einen alpinen Einsatz bei Schlechtwetter erlebt hat, weiß, wie mühsam solche Bedingungen sein können. Der Rettungseinsatz in einer alpinen Höhle beginnt aber leider eigentlich erst dort so richtig, wo bei einem alpinen Rettungseinsatz zumindest das Einsatzziel erreicht ist – nämlich an der Oberfläche des Berges. Ein Höhlenrettungseinsatz im alpinen Bereich ist auch immer ein Einsatz für die Berg- oder Flugrettung, da die Höhlenrettung den Transport des Verletzten nur bis zum Ausgang der Höhle übernimmt! Das ändert aber leider nichts daran, dass der Höhlenretter denselben Weg wie der Alpinretter und zusätzlich den Weg in der Höhle machen muss. Weiters muss der Höhlenretter zusätzlich zur ordentlichen Ausrüstung am Berg auch noch die persönliche Ausrüstung für die Höhle und das Rettungsmaterial mit sich führen. Das kann bei Schlechtwetter, wenn man nicht mit dem Hubschrauber in die Nähe des Höhleneinganges fliegen kann, zu Tragelasten um die 30 kg pro Person führen. Eine Höhlenrettungsaktion muss unter fast allen Wetterbedingungen gestartet werden, da der Weg zum Verletzten sehr viel Zeit in Anspruch nimmt. Warum der Zeitfaktor eine so extreme Rolle spielt, werden die folgenden Betrachtungen über die „klimatischen Bedingungen“ in einer Höhle zeigen. Wie aus der Physik bekannt ist, ist Kalkgestein ein sehr schlechter Wärmeleiter. Diese Eigenschaft impliziert, dass die Temperatur in einer Höhle bis auf wenige Ausnahmen dem Jahresmittel in der Lage der jeweiligen Höhle ent-
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spricht. Die Temperatur ist auch das ganze Jahr über bis auf geringe Schwankungen besonders in den tagfernen Teilen einer Höhle konstant. Das impliziert wiederum, dass es in einer Höhle so etwas wie Wetter im üblichen Sinne nicht gibt. Die Temperatur bewegt sich z.B. im Grazer Bergland etwa zwischen 6–8°C. In Hochgebirgsregionen kann sie natürlich auch unter dem Gefrierpunkt liegen. Aus diesen Gründen ist im Sommer die Temperatur in der Höhle meist niedriger als im Freien und im Winter höher. Die Luftfeuchtigkeit in der Höhle ist sehr hoch und beträgt nahezu 100 %. Im Sommer erfolgt in eingangsnahen und tagferneren Höhlenteilen keine nennenswerte Verdunstung. Eine weitere Erscheinung in alpinen Höhlen, die die Temperatur für uns Menschen unangenehm gestaltet, ist das Vorhandensein von oft großen Mengen an Schnee und Eis in manchen Höhlen. Durch die vorhin erwähnten jahreszeitlich bedingten Temperaturdifferenzen und durch wetterbedingte Druckschwankungen kommt es auch in Höhlen zur Entstehung von Winden. Diese Höhlenwinde können besonders in düsenförmig ausgeprägten Höhlenteilen zu hohen Windgeschwindigkeiten führen. In der Höhlenkunde spricht man hier auch von Wetterführung. Auch das Vorhandensein von Tropfwasser bis hin zu temporären oder permanenten Gerinnen mit unterschiedlichen Schüttungen macht es nicht gerade gemütlicher. All diese permanent vorhandenen „Wetterphänomene“ führen bei längerer verletzungsbedingter Unbeweglichkeit zu schneller Unterkühlung. Ein weiterer Grund, warum der Zeitfaktor so eine starke Rolle spielt, ist die Schwere des Geländes in einer Höhle. Die schnellste Form der Fortbewegung in der Höhle ist sicherlich das Abfahren am Seil mit einigen Metern pro Sekunde. Gehen in glatten Gängen geht auch noch recht flott. Jedoch die Fortbewegung über Geröll, in lehmbedeckten Gängen, im tiefen Sand, in einem Canyon, durch einen Bach, einen Höhlensee oder gar das Schliefen durch einen engen Schluf kann die Geschwindigkeit auf wenige Zentimeter pro Minute reduzieren. Auch die schwere und sperrige Ausrüstung, die immer wasserfest verpackt sein muss, macht das Fortkommen auch nicht leichter. Hinzu kommt noch die psychische Belastung durch den oft sehr starken Schmutz und die ausgesetzte Lage. Das Fehlen des Sonnenlichts ist für einen Höhlenforscher nicht die große Belastung, da dieser mit dieser Gegebenheit auf Grund seines Hobbys, der Höhlenforschung, recht gut zurechtkommt. Die oben genannten Umstände zeigen, dass unbedingt ein besonderer Rettungsdienst für solche Aufgaben erforderlich ist, da normale Rettungsdienste mit den Umgebungsbedingungen sicherlich häufig überfordert wären.
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O R G A N I S AT I O N D E R H Ö H L E N R E T T U N G Bereits 1965 gab es auf Anregung eines Salzburger Höhlenforschers in Linz erste Gespräche über die Organisation einer Österreichischen Höhlenrettung. So wurde von der Kameradenrettung aus den Höhlenkundlichen Vereinen heraus die Österreichische Höhlenrettung gegründet. Im Oktober 1991 bekam die Österreichische Höhlenrettung durch die Gründung des Bundesverbandes ihre Rechtspersönlichkeit. Zu dieser Zeit gab es bereits einen Landesverband in Oberösterreich und Salzburg. Der Steirische Landesverband für Höhlenrettung wurde im März 1990 gegründet. Seit April 1991 besteht nun der Vertrag mit der Steirischen Landesregierung zur Erfüllung von Aufgaben besonderer Rettungsdienste. Aufgabe der Höhlenrettung ist die Bergung von verletzten und abgängigen Personen aus Höhlen und Schächten.
O R G A N I S AT I O N D E R H Ö H L E N R E T T U N G I N Ö S T E R R E I C H Organisatorisch ist die Höhlenrettung in Österreich in einen Bundesverband (www.oehr.at) und mehrere Landesverbände (z.B in der Steiermark www.hoehlenrettung.org) unterteilt. Jeder Landesverband besteht wiederum aus diversen Einsatzstellen. In Österreich gibt es derzeit die folgenden Landesverbände: • Kärnten • Niederösterreich • Oberösterreich • Salzburg • Steiermark • Tirol
O R G A N I S AT I O N D E R H Ö H L E N R E T T U N G I N D E N B U N D E S L Ä N DERN AM BEISPIEL DER STEIRISCHEN HÖHLENRETTUNG In der Steiermark sind nachfolgende Einsatzstellen im Steirischen Landesverband für Höhlenrettung: • Bad Mitterndorf • Eisenerz • Graz • Mürztal • Schladming • Zeltweg • Höhlenrettungs-Tauchergruppe
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Das Amt der Steiermärkischen Landesregierung, Abteilung für Katastrophenschutz und Landesverteidigung, unterstützt den Landesverband mit dem Rettungsbeitrag. Damit werden folgende Materialien finanziert: • Bergematerial: • Rettungstragen • Vakuummatratzen • Seilwinden und Seile • Bohrmaschinen • Verankerungsmaterial • Erste-Hilfe-Material • Schulungsspezifische Aufwendungen • Kurse • Schulungen • Unterkunft
DIE ARBEIT DER HÖHLENRETTER Bei der Arbeit der Höhlenretter handelt es sich ausschließlich um ehrenamtliche Tätigkeit. Im Rahmen der Landesübungen ist das immerhin die Teilnahme an vier Schulungstagen im Jahr. In den einzelnen Einsatzstellen gibt es auch noch mehrere ganztägige Übungen im Kalenderjahr. Dazu kommt die Arbeit bei Schauübungen und natürlich die Einsätze, die sehr zeitintensiv sein können. Die Höhlenretter stellen dabei nicht nur ihre Zeit, sondern auch ihre persönliche Ausrüstung zur Verfügung. Im Einsatz riskiert der Höhlenretter sicher auch manchmal sein Leben, da der Ernstfall natürlich viel mehr Risken als eine kontrollierte Übung mit sich bringt.
A B L A U F E I N E S E I N S AT Z E S Im Falle eines Höhlenunfalls wird die Landesleitung bzw. die zuständige Einsatzstelle durch die Landeswarnzentrale (LWZ) oder die Polizei alarmiert. Jener Höhlenretter, der diesen Anruf entgegennimmt, übernimmt die weitere Alarmierung der Rettungskräfte. Zu seiner Entlastung kann dieser die weitere Alarmierung an die LWZ übertragen. Dort liegen die Notrufpläne und Telefonlisten für SMS-Alarmierung aller Einsatzstellen des Steirischen Landesverbandes für Höhlenrettung auf. Die Höhlenretter werden entweder vom Einsatzleiter über den Treffpunkt und
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Details informiert bzw. melden sich bei SMS-Alarmierung telefonisch beim Einsatzleiter. Der Einsatzleiter gibt dann dem Höhlenretter die notwendigen Informationen. Vom Treffpunkt wird dann je nach Wetterlage, Jahreszeit und Ressourcen entweder zu Fuß, mit Tourenschiern oder per Hubschrauber zum Unfallort aufgebrochen. Zu diesem Zeitpunkt steht dann auch schon fest, welcher Retter die Einsatzleitung übernimmt. Der Einsatzleiter befindet sich immer außerhalb der Höhle und koordiniert den Einsatz üblicherweise zusammen mit der Alpinpolizei. Beispielsweise hat er die Aufgabe, Material, Essen, neue Helfer oder auch ganze neue Teams anzufordern. Damit die Höhlenretter in und vor der Höhle ungestört arbeiten können, übernimmt das Kriseninterventionsteam (KIT) des Landes Steiermark die Kommunikation mit der Presse und den Angehörigen. Die Informationen bekommt das KIT-Team vom Pressesprecher der Höhlenrettung. Der Vortrupp stößt so schnell wie möglich zum Verunfallten vor und übernimmt die Erstversorgung. Neben der medizinischen Versorgung ist es üblicherweise die wichtigste Aufgabe des Vortrupps, den Verunfallten vor weiterer Unterkühlung zu schützen und wenn irgendwie möglich aufzuwärmen und komfortabel zu lagern, damit er die lange Zeit bis zur Bergung gut übersteht. Der Verunfallte wird zu diesem Zweck wenn möglich auf Matten in einem Wärmezelt aus Rettungsfolie gelagert. Geheizt wird dieses Zelt mit der üblichen Karbidlampe oder einem Kocher. Die Anforderungen an Höhlenretter des Vortrupps bestehen darin, möglichst schnell beim Verletzten zu sein und medizinische und psychische Hilfe für den Verletzten leisten zu können. Der Bergetrupp übernimmt den Ausbau des Transportweges und die eigentliche Bergung, was eine sehr zeitraubende Arbeit ist. Diese Arbeiten erfordern großes technisches Können und Wissen sowie ein hohes Maß an Erfahrung und Improvisationskunst. Die Vorbereitung zur Bergung besteht in erster Linie darin, den Weg in der Höhle so auszubauen, dass die Trage mit dem Verletzten und dem Tragebegleiter problemlos aus der Höhle gebracht werden kann. Dazu müssen beispielsweise in Engstellen Felsstücke weggesprengt oder weggestemmt werden, wenn die Trage nicht durchpassen sollte. Es müssen Seilbahnen in Steilstücken und Canyons eingebaut werden. Für senkrechte Höhlenteile wie Schachtstufen (diese können mehr als hundert Meter betragen) müssen Stationen mit Winden aufgebaut werden, damit die Trage mit dem Verletzten sowie dem Tragebegleiter mit diesen Winden aufgezogen werden können. Der Transport des Verletzten erfolgt dann ebenfalls durch den Bergetrupp und einen Tragebegleiter, der den Verletzten mit der Trage begleitet und darauf achtet, dass dieser so glatt und erschütterungsfrei wie nur möglich an das Tageslicht kommt. Nach erfolgter Bergung wird der Verletzte je nach Lage der Höhle und Witterung an die Flugrettung, Rettung oder Berg-
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Abb. 2: Abtransport eines Verletzten aus dem Schmelzbachaustritt der Lurgrotte Peggau, Steiermark, durch die Höhlenretter der Einsatzstelle Graz. Diese Bergung fand anlässlich einer Schauübung zur Feier „110 Jahre Lurgrotte Peggau“ statt (Photo: D.I. Rüdiger Zenz). 197
rettung übergeben. Nach Ende der Bergung muss das ganze Material wieder ausgebaut und abtransportiert werden. Für den Bergetrupp werden in erster Linie kräftige, technisch gut geschulte und ausdauernde Höhlenretter benötigt. Nach dem Abbau des Materials erfolgt der Abtransport und die Heimfahrt der Retter. Zu Hause muss dann das persönliche Material und das Höhlenrettungsmaterial gereinigt und überprüft werden. Weiters muss ein Einsatzbericht erstellt werden und eventuelle Fragen von Polizei oder Staatsanwaltschaft beantwortet werden.
DANKSAGUNG Informationen und konstruktive Kritik: Hildegard und Günter Lammer, im Vorstand des Steirischen Landesverbandes für Höhlenrettung
L I T E R AT U R Kusch, H., Kusch, I.: Die Höhlen der Steiermark; Steirische Verlagsgesellschaft; Graz; 1.Auflage; (1998) Marbach, G., Tourte, B., Alspaugh, M.: Alpine Caving Techniques. A Complete Guide to Safe and Efficient Caving; Speleo Projects Caving Publications International; 1. Auflage; (Juli 2002)
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Wo l f g a n g S c h o b e r s b e r g e r u n d H u g o P a r t s c h
Neues zur Reisethrombose: Update 2006 S U M M A RY In 2001 a German-speaking consensus conference on the topic of travel thrombosis was held in Vienna. Results of this meeting were published. In the past five years the scientific knowledge of travel thrombosis has increased concerning incidence, pathophysiology and prevention. Among others we know that thromboembolic events not only can occur during long-haul flights but were also reported after long distance bus and car travel. It is difficult to assess the true incidence of travel thrombosis. However, recent studies reported a 2–3 fold increase of deep vein thrombosis after long-haul flights as compared to control groups. Furthermore, travel thrombosis is associated with known risk factors for venous thromboembolism, e.g. factor V Leiden, obesity, oral contraceptives. Some studies could demonstrate that moderate hypoxia on board of an aircraft may not be a crucial pathophysiological factor for the development of travel thrombosis. In March 2006 the “International Conference on the Prevention of Travel Thrombosis” was held at the UMIT in Hall, Tyrol. Aim of this meeting was to update the recommendations of 2001. Part of this update is presented in this review. Keywords: traveller´s thrombosis, thromboprophylaxis, venous thromboembolism, long-distance travel
Z U S A M M E N FA S S U N G : Im Jahr 2001 fand in Wien eine deutschsprachige Konsensuskonferenz zum Thema „Reisethrombose“ statt. Die Ergebnisse dieser Konferenz wurden kurz danach publiziert. In den vergangenen Jahren hat der Wissensstand um die Inzidenz, Pathophysiologie und Prävention der Reisethrombose deutlich zugenommen. So wissen wir u.a., dass thromboembolische Ereignisse nicht nur nach Langstreckenflügen, sondern auch nach Bus- und PKW-Reisen vorkommen können. Die genaue Inzidenz ist schwierig festzustellen; die Risikozunahme gegenüber Nicht-Reisen wird mit dem Faktor 2–3 angegeben. Tatsache ist, dass das Risiko einer Reisethrombose mit prä-existierenden Risikofaktoren für eine
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Thromboembolie (z.B. Faktor-V-Leiden, Einnahme oraler Kontrazeptiva, Übergewicht) signifikant ansteigt. Weiters konnte in mehreren Studien gezeigt werden, dass die Bedeutung der moderaten Hypoxie während eines Langstreckenflugs hinsichtlich der Pathophysiologie der Reisethrombose überschätzt wurde. Im März 2006 fand eine internationale Tagung zur Prävention der Reisethrombose an der UMIT in Hall, Tirol, statt. Anlässlich dieser Konferenz wurden die Empfehlungen von 2001 aktualisiert. Die ersten Ergebnisse werden in der folgenden Übersichtsarbeit präsentiert. Schlüsselwörter: Reisethrombose, Thromboembolie, Thromboseprophylaxe, Langstreckenflug
EINLEITUNG Seit einigen Jahren findet im Frühsommer das medial inszenierte Thema der Reisethrombose in der Presse Einzug. Wird seitens der Medien nicht selten die Reisethrombose in Bezug auf die tatsächliche Inzidenz mit Horrorzahlen bedacht, so wird in medizinischen Fachkreisen diese Thematik doch oftmals ins Abseits gedrängt. Gesundheitliche Aspekte von Langstreckenflügen betrifft eine großes Klientel an Reisenden. Für die Alpin- und Höhenmedizin ist dieses Thema von mehreren Seiten relevant. Zum einen herrscht an Bord eines Langstreckenflugs eine moderate Hypoxie, entsprechend einer Höhe bis zu 2.450 m. Zum anderen sind Langstreckenflüge für viele Reisende Voraussetzung, um an den Ausgangspunkt für Trekkingtouren oder Expeditionen zu gelangen. Ziel des vorliegenden Artikels ist es, eine Zusammenfassung über das derzeitige Wissen zur Reisethrombose zu vermitteln und die ersten Erkenntnisse der „International Conference on the Prevention of Travel Thrombosis“, welche im März 2006 an der UMIT in Hall stattgefunden hat, zu präsentieren.
A K T U E L L E P U B L I K AT I O N E N Z U M T H E M A R E I S E T H R O M B O S E Ausgewählte Publikationen der letzten drei Jahre werden im Folgenden besprochen und nach Schwerpunkten unterteilt. Studien mit Fokus auf Inzidenz der Reisethrombose 2003 veröffentlichte eine Dresdner Forschungsgruppe interessante Daten zur Inzidenz der Reisethrombose (1). Über 2000 Probanden wurden für diese prospektive, kontrollierte Kohortenstudie rekrutiert. Eine Personengruppe nahm an einem mindestens 8-stündigen Langstreckenflug teil, die Kontrollgruppe
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bestand aus Probanden, die während der Beobachtungszeit der Studie keinen Langstreckenflug durchführten. Tiefe Beinvenenthrombosen (TVT) wurden mittels Kompressionssonographie sowie D-Dimer-Analyse innerhalb von 2 Tagen nach Langstreckenflug evaluiert. Beinvenenthrombosen wurden in 2,8% der Reisenden und in 1% der Kontrollgruppe nachgewiesen (Risikoratio 2,83). Bei einem der Passagiere mit Beinvenenthrombose trat zudem eine symptomatische Pulmonalembolie (PE) auf. Alle der Reisenden mit TVT hatten mindestens einen nachweisbaren Risikofaktor für eine TVT. Die Autoren kommen zum Schluss, dass Langstreckenflüge das Risiko für isolierte Beinvenenthrombosen verdoppeln, vor allem bei gleichzeitigem Bestehen von zusätzlichen Risikofaktoren. Ziel der BEST-Studie (2) war es, die Inzidenz venöser Thromboembolien bei Reisenden mit niedrigem und mittlerem TVT-Risiko in Abhängigkeit von Economy Class (719 Passagiere) und Business Class (180 Passagiere) zu klären. Die Teilnehmer wurden vor und nach dem Flug von London nach Johannesburg untersucht. Kein Passagier hatte eine sonographisch nachgewiesene TVT. Bei 7% der Economy-Reisenden und 12% der Business-Reisenden wurden nach Ankunft erhöhte D-Dimere gemessen, der Unterschied war nicht statistisch signifikant. Ein weiteres Projekt mit der Fragestellung der Inzidenz der Reisethrombose wurde von Paganin et al. durchgeführt und publiziert (3). In einem Zeitraum von einem Jahr wurden Ärzte der Reunion-Inseln nach PatientInnen mit TVT nach Langstreckenflug (Entfernung Nonstop-Flug etwa 10.000 km von Paris) befragt und mit einer Kontrollgruppe verglichen, die innerhalb von 2 Wochen nach Ankunft auf den Reunion-Inseln hinsichtlich TVT asymptomatisch blieb. Unter den fast 400.000 Passagieren, die von Paris zu den Reunion-Inseln flogen, befanden sich 46 Personen mit TVT und/oder PE. Im Vergleich zur Kontrollgruppe (18%) hatten 82% der Patienten mit TVT/PE zusätzliche Risikofaktoren wie Übergewicht, Varikositas, bereits durchgemachte TVT, Immobilität während des Flugs sowie kurz zurückliegende Traumen. Die Autoren kommen zum Schluss, dass die Reisethrombose mit zusätzlichen thromboembolischen Risikofaktoren assoziiert ist. Der Frage, ob es Interaktionen von Thrombophilie, oralen Kontrazeptiva und Reisethrombose gibt, sind Martinelli et al. (4) nachgegangen. 210 PatientInnen, die innerhalb eines Beobachtungszeitraums von 2 Jahren ein thromboembolisches Ereignis aufzuweisen hatten, wurden mit 210 gematchten Kontrollpersonen ohne VTE-Anamnese verglichen. 15% der Patienten gaben anamnestisch eine Langstreckenreise (mehr als 8 h Flugdauer) an (Odds-Ratio im Vergleich zu den Kontrollen 2,1). Die Odds-Ratio für eine Thromboembolie aufgrund eines Langstreckenflugs betrug 3,0. Eine Thrombophilie konnte in 49% der Patienten und 12% der Kontrollpersonen nachgewiesen werden, 61% der weibli-
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chen Patientinnen sowie 27% der Frauen in der Kontrollgruppe nahmen orale Kontrazeptiva. Während für die Gesamtpopulation der Probanden die Flugreise per se das Thromboembolie-Risiko verdoppelte, stieg das diesbezügliche Risiko bei Thrombophilie auf das 16-fache und jenes durch die Einnahme der „Pille“ auf das 14-fache an. In einer retrospektiven Analyse (Zeitraum 5 Jahre) untersuchten Perez-Rodriguez et al. (5) die Inzidenz von Pulmonalembolien bei Passagieren, die am Internationalen Flughafen von Madrid ankamen und aufgrund von Gesundheitsproblemen in ein Madrider Spital eingewiesen wurden. Während des Untersuchungszeitraums wurden 41 Passagiere mit Symptomen einer TVT oder PE im Hospital aufgenommen. In 16 Fällen wurde die PE bestätigt, wobei ein oder mehrere Risikofaktoren wie Übergewicht, Varikositas, Malignome oder anamnestischer Hinweis auf bereits durchgemachte PE vorhanden waren. Bezogen auf die 41 Millionen Ankünfte am Madrider Flughafen wurde eine Inzidenz für die PE von 0,39 Fällen pro 1 Million Passagiere errechnet. Keine PE trat unter einer Reisedauer von 6 h auf, die Inzidenz stieg mit Reisedauer. So betrug diese bei einem Langstreckenflug von mehr als 10 h 1,65/ 1 Million Reisenden. Ziel der sog. NZATT-Studie (New Zealand Air Traveller´s Thrombosis Study) war es, die Inzidenz der Reisethrombose in Abhängigkeit von TVT-Risikofaktoren zu evaluieren (6). In dieser prospektiven Studie wurden über 800 Personen eingeschlossen, die länger als 4 h per Flugzeug reisten. D-Dimere wurden vor und nach Flug gemessen. Nur Personen mit negativem D-Dimertest vor Abflug wurden in die Studie einbezogen. Jene Reisenden, die nach dem Flug ein erhöhtes D-Dimer hatten oder innerhalb 3 Monate nach dem Flug klinische Zeichen einer TVT/PE entwickelten, wurden einer bilateralen Kompressionssonographie und/oder einer CT-Untersuchung unterzogen. Bei 1% der Reisenden konnte während der Untersuchungsphase nach dem Flug ein thromboembolisches Ereignis nachgewiesen werden (5 Fälle mit TVT, 4 Fälle mit PE). Bemerkenswert war die Tatsache, dass kein Patient als Hochrisiko-Patient für eine TVT eingestuft wurde. Studien mit Fokus auf Pathophysiologie der Reisethrombose Historisch gesehen wurde über mehrere Jahrzehnte der Begriff Reisethrombose synonym mit Flugthrombose bzw. „Economy Class Syndrome“ verwendet. Dies basierte auf der Annahme, dass es die spezifischen Gegebenheiten an Bord eines Langstreckenflugzeugs sind, die zu einer Thromboembolie disponieren können. Hierzu wurden bzw. werden folgende Einflussgrößen gerechnet: Beengtes Sitzen, Lufttrockenheit und milder Sauerstoffmangel. Eine der wesentlichen Änderungen während eines Langstreckenflugs ist der Abfall des Sauerstoffdruckes in der Kabine. Die Druckkabine eines Großraumflugzeugs
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ist auf einen Barometerdruck eingestellt, der nach Erreichen der Flughöhe einer Höhe von etwa 2.450 m entspricht. Ob Hypoxie an sich eine Gerinnungsaktivierung verursacht, wird unterschiedlich bewertet. Bendz et al. (7) untersuchten die Blutgerinnung von 20 gesunden Probanden nach 8 h in einer hypobaren-hypoxischen Kammer, entsprechend einer Höhe von 2.400 m. Da die in-vivoMarker für eine aktivierte Gerinnung wie das Prothrombin-Fragment F1+2 und der Thrombin-Antithrombin-III-Komplex sowie die Aktivität von Faktor VII nach Exposition signifikant erhöht waren, folgern die Autoren, dass die hypobare Hypoxie das Risiko venöser Thrombosen verstärkt. Allerdings wurden die Daten von Bendz et al. heftigst kritisiert, da andere Untersucher selbst in großen Höhen um 4.500 m keine Aktivierung der Blutgerinnung nachweisen konnten (8). Unsere Arbeitsgruppe führte anlässlich der Studie „Economy Class Syndrome 2001“ vor, während und nach einem regulären Langstreckenflug (Wien– Washington und retour) Untersuchungen über den Einfluss des Fluges auf die Hämostase durch (9). Insgesamt nahmen 20 Probanden teil, 10 mit einem geringen und 10 mit einem mittleren Risiko für die Entstehung einer VTE (gemäß 10). Wir konnten mittels Thrombelastographie (ROTEM®) nachweisen, dass es bei allen Reisenden zu einer moderaten Aktivierung der Blutgerinnung kam, begleitet von einer Hemmung der Fibrinolyse. Zudem fanden wir nach der Flugreise Anstiege der Gerinnungsfaktoren FVII und FVIII sowie eine Verkürzung der aPTT. Da die Probanden ausreichend Flüssigkeit zu sich nahmen und der Hämatokrit unverändert blieb, kann eine durch die Lufttrockenheit im Flugzeug verursachte Hämokonzentration ausgeschlossen werden. Ob diese moderate Gerinnungsaktivierung flugbedingt ist oder primär durch das Sitzen entsteht, klärten wir in der Folgestudie. Exakt dasselbe Studienprotokoll wurde vor, während und nach einer 10-stündigen Busfahrt (Innsbruck–Rom–retour) durchgeführt. Im Wesentlichen waren die Änderungen im Gerinnungssystem nach der Busreise vergleichbar mit jenen der Flugreise (11). Demnach dürfte dem milden Sauerstoffmangel im Flugzeug keine entscheidende Rolle bei der Entstehung von Thromboembolien zukommen. Dasselbe dürfte für den Einfluss der Lufttrockenheit (3–15 %) an Bord gelten, solange die Passagiere ausreichend Flüssigkeit aufnehmen bzw. in gut hydriertem Zustand die Reise antreten. Problematisch könnte die Situation für Touristen werden, die nach einem Auslandsaufenthalt infolge infektiöser gastrointestinaler Erkrankungen dehydriert bzw. exsikiert den Rückflug antreten. Während eines simulierten 10-stündigen Langstreckenflugs (normobare Hypoxie entsprechend 2.300 m Höhe) untersuchten wir den Einfluss der Sitzqualität auf die Gerinnungsänderungen (12). Es wurden neue Flugsitze verwendet, die sich durch eine spezielle, sich an die Körperform anpassende Polsterung auszeichneten (Fa. Greiner PurTEC, Schwanenstadt, Ö). Im Gegensatz zu unserer Flug- und Busstudie fanden wir
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keine relevante Veränderung in der Koagulation und Fibrinolyse. Ein signifikanter Einfluss von Hypoxie auf die Hämostase wird zunehmend bezweifelt (Übersicht siehe 13, 14). Eine rezente Studie zu diesem Thema wurde kürzlich von Toff et al. als Teilprojekt der sog. WRIGHT-Study der WHO veröffentlicht (15). In einer einfach-verblindeten, Cross-Over-Studie wurden diverse Gerinnungsparameter nach einem simulierten Langstreckenflug (8stündiges Sitzen in hypobarer Hypoxie) mit jenen nach einer 8-stündigen Exposition in normobarer Normoxie verglichen. Es konnten keine Unterschiede in den wichtigsten Markern von Koagulation und Fibrinolyse zwischen beiden Untersuchungsbedingungen gefunden werden. Änderungen dieser Marker innerhalb einer Gruppe wurden interpretiert als „sitzbedingt“ bzw. verursacht durch den Einfluss zirkadianer Rhythmik. Im Rahmen der WRIGHT-Study wurde kürzlich eine weitere Studie publiziert. Schreijer et al. (16) verglichen in einem Crossover-Design Änderungen in der Hämostase unter Bedingungen eines realen 8-stündigen Langstreckenflugs, eines 8-stündigen „Kino-Marathons“ und eines normalen Arbeitstags. Im Gegensatz zum Kinobesuch und regulärem Arbeitstag gab es nach dem Langstreckenflug Hinweise für eine aktivierte Koagulation und Fibrinolyse (sign. Anstieg der TAT-Komplexe und DDimere). Diese Veränderungen waren vor allem in weiblichen Testpersonen mit nachgewiesenem Faktor-V-Leiden-Mangel sowie gleichzeitiger Einnahme der „Pille“ ausgeprägt. Studien mit Fokus auf Prävention der Reisethrombose Nur wenige Studien haben sich mit prophylaktischen Maßnahmen zur Verhinderung der Reisethrombose auseinander gesetzt. Scurr et al. (17) untersuchten die Inzidenz der TVT und deren Prävention durch das Tragen von Kompressionsstrümpfen bei Langstreckenflügen. Während 10% der Reisenden, die keinen Kompressionsstrumpf trugen, symptomlose, mittels Duplex-Untersuchung diagnostizierte Thromben im Bereich von Unterschenkelvenen zeigten, wurde in der Gruppe der Reisenden mit Kompressionsstrumpf keine TVT nachgewiesen. Allerdings wurde diese Studie durch die ungewöhnliche Effektivität der Kompressionsstrümpfe sowie die sehr hohe Rate an TVTs oftmals kritisiert. Eine italienische Forschungsgruppe führte eine Serie von Studien durch, die unter dem Namen LONFLIT veröffentlicht wurden. Untersuchungen im Rahmen der LONFLIT2-Studie (18) kamen zum Ergebnis, dass das Verwenden von Kompressionsstrümpfen bei Reisenden mit hohem TVT-Risiko die Rate an subklinischen Thrombosen von 4,5 % auf 0,24 % reduzieren konnte. Allerdings sind diese Ergebnisse höchst zweifelhaft: Die TVT-Rate der Kontrollgruppe von 4,5%, diagnostiziert mittels Kompressionssonographie innerhalb der ersten 24 Stunden nach dem Flug ist enorm hoch, zumal die verwendete Methode prak-
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tisch nur proximale Thrombosen erfasst. Es überrascht, dass bei insgesamt über 2.600 untersuchten Passagieren kein einziges symptomatisches thromboembolisches Ereignis beobachtet wurde. Zudem wurde die Ultraschall-Diagnostik nicht-verblindet durchgeführt („observer bias“). In der LONFLIT3-Studie (19) wurde die Effizienz von medikamentöser TVT-Prophylaxe (Aspirin 400 mg per os für 3 Tage, Beginn 12 Stunden vor dem Flug vs. einmalige s.c. Gabe von NMH Enoxaparin 1000 IU/10 kg KG, 2 bis 4 Stunden vor dem Abflug) bei Flugreisenden mit hohem TVT-Risiko untersucht. Die Ultraschall Ergebnisse für das Auftreten einer TVT waren wie folgt: 4,82 % in der Kontrollgruppe, 3,6% in der Aspirin-Gruppe und keine TVT in der Enoxaparin-Gruppe. Die Autoren schließen aufgrund der statistisch niedrigeren Rate an TVT bei der Enoxaparin-Gruppe, dass die Anwendung eines NMH für Langstreckenflüge von Hochrisiko-Passagieren optional gegeben werden soll. Die Daten von LONFLIT4 wurden mehrfach publiziert. Insgesamt wurde nachgewiesen, dass die Verwendung von Kompressionsstrümpfen die Beinschwellung vermindert sowie das Auftreten einer TVT- bei Reisenden mit niedrigem bis mittlerem Risiko vermindern bzw. teilweise verhindern kann (20). In einer weiteren Studie (LONFLIT-FLITE, 21) wurde ein erstaunlicher Effekt des Profibirinolytikums Pinokinase hinsichtlich TVT-Reduktion nach Langstreckenflug beschrieben. Allerdings sei erwähnt, dass die LONFLIT-Daten international heftig kritisiert wurden, nicht zuletzt auf Grund von verifizierten Plagiatsvorwürfen an den Studienleiter bei einer großen, epidemiologischen Untersuchung, und dass deshalb größte Vorsicht vor bedenkenloser Interpretation geboten ist. Zusammenfassend sei betont, dass es bislang keine großen prospektiv-randomisierten und verblindeten Studien über die präventive Wirkung von Medikamenten wie niedermolekulare Heparine oder Azetylsalizylsäure gibt. Von Aspirin kann keine ausreichende Prophylaxe von Thromben in der venösen Strombahn erwartet werden. Niedermolekulare Heparine sind die derzeit am meisten verwendete Substanzgruppe zur allgemeinen Thromboseprophylaxe. In Analogie zum internistischen Risikopatienten wird generell die Hochrisikodosierung zur Prophylaxe empfohlen. Normalerweise werden diese Substanzen unmittelbar vor Reiseantritt appliziert. Mehrmalige Anwendungen dürften bei langen Reisen empfehlenswert sein, was allerdings mit speziellen Risiken verbunden ist. Das Verhältnis Risiko zu Benefit gilt es in Erwägung zu ziehen und die potentiellen Gefahren eines „Off-Label-Use“ sollten mit dem Patienten diskutiert werden.
I N T E R N AT I O N A L E E X P E RT E N TA G U N G A N D E R U M I T Im Jahr 2001 fand in Wien ein deutschsprachiges Expertenmeeting zum Thema Reisethrombose statt. Die Ergebnisse dieser Konferenz wurden in diversen 205
Fachzeitschriften veröffentlicht (10). Seit der Wiener Konferenz 2001 wurden über 200 Beiträge unter dem Stichwort „Travel Thrombosis“ in der Datenbank Medline registriert. Aufgrund der Wichtigkeit des Themas haben sich Teilnehmer des Wiener Meetings entschlossen, eine internationale Konferenz mit dem Ziel der Aktualisierung der Ergebnisse von 2001 einzuberufen. Unter dem Titel „Prävention der Reisethrombose“ nahmen internationale Experten (siehe Anhang 1) an der 2-tägigen Konferenz an der UMIT (Private Universität des Landes Tirol) in Hall, Tirol, Österreich, teil. Die ersten Aktualisierungen zur Reisethrombose anlässlich der Haller Tagung werden im Folgenden präsentiert.
DEFINITION DER REISETHROMBOSE Unter dem Begriff „Reisethrombose“ versteht man das Auftreten von venösen Thromboembolien, die während oder innerhalb von vier Wochen nach einer Langstreckenreise entstehen. Die Untergruppe „Flugthrombose“ wird definiert als Thrombose die auftritt, wenn der Großteil der Langstreckenreise per Flugzeug absolviert wurde.
REISETHROMBOSE-RISIKOGRUPPEN In Analogie zur Risikostratefizierung bei Hospitalspatienten werden drei Risikogruppen vorgeschlagen. Während jede Langstreckenreise bei Personen, die kein Risiko für eine DVT aufweisen mit einem niedrigen Risiko verbunden sein dürfte (Gruppe 1), dürften folgende Faktoren das DVT-Risiko erhöhen (Risikogruppe 2): Schwangerschaft oder postpartale Phase, Alter über 60 Jahre, nachgewiesene Thrombophilie/familiäre Disposition zur venösen Thromboembolie, große Varizen, chronisch venöse Insuffizienz, Ovulationshemmer, Hormonersatztherapie, Adipositas (Body Mass Index > 30). Zu Risikogruppe 3 werden Reisende mit folgenden Risikofaktoren gerechnet: Anamnestisch bekannte Thromboembolie, Manifeste maligne oder sonstige schwere Erkrankung, Immobilisation, kurz zurückliegender großer chirurgischer Eingriff. Die Details befinden sich in Vorbereitung zu einer internationalen Publikation.
L I T E R AT U R (1)
Schwarz, T., Siegert, G., Oettler, W., Halbritter, K., Beyer, J. et al.: Venous thrombosis after long-haul flights. Arch. Intern. Med. 163, 2759–2764 (2003)
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(2)
Jacobson, B.F., Münster, M., Smith, A., Burnand, K.G., Carter, A. et al.: The BEST study – a prospective study to compare business class versus economy class air travel as a cause of thrombosis. S. Afr. Med. J. 93, 522– 528 (2003)
(3)
Paganin, F., Bourde, A., Yvin, J., Genin, R., Guijarro, J.L. et al.: Venous thromboembolism in passengers following a 12-h flight: a case-control study. Aviat. Space Environ. Med. 74, 1277–1280 (2003)
(4)
Martinelli, I., Taioli, E., Battaglioli, T., Podda, G.M., Passamonti, S.M., Pedotti, P., Mannucci, P.M.: Risk of venous thromboembolism after air travel. Arch. Int. Med. 163, 2771–2774 (2003)
(5)
Perez-Rodriguez, E., Jimenez, D., Diaz, G., Perez-Walton, I., Luque, M. et al. : Incidence of air travel-related pulmonary embolism at the MadridBarajas Airport. Arch. Intern. Med. 163, 2766–2770 (2003)
(6)
Hughes, R.J., Hopkins, R.J., Hill, S., Weatherall, M., Van de Water, N. et al.: Frequency of venous thromboembolism in low to moderate risk long distance air travellers: the New Zealand Air Traveller´s Thrombosis (NZATT) study. Lancet 362, 2039–2044 (2003)
(7)
Bendz, B., Rostrup, M., Sevre, K., O Andersen, T., Sandset, P.M.: Association between acute hypobaric hypoxia and activation of coagulation in human beings. Lancet 356, 1657–1658 (2001)
(8)
Bärtsch, P., Straub, P.W., Haeberli, A.: Hypobaric hypoxia. Lancet 357, 955 (2001)
(9)
Schobersberger, W., Fries, D., Mittermayr, M., Innerhofer, P., Sumann, G. et al.: Changes of biochemical markers and functional tests for clot formation during long-haul flights. Thromb. Res. 108, 19–24 (2003)
(10) Partsch, H., Niessner, H., Bergau, L., Blättler, W., Cerny, J. et al.: Traveller´s thrombosis 2001. VAS 31, 66–67 (2002) (11) Schobersberger, W., Mittermayr, M., Innerhofer, P., Sumann, G., Schobersberger, B. et al.: Coagulation changes and edema formation during long-distance bus travel. Blood Coagul. Fibrinolysis 15, 419–425 (2004)
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(12) Schobersberger, W., Mittermayr, M., Fries, D., Innerhofer, P., Klingler, A. et al.: Changes in blood coagulation of arm and leg veins during a simulated long-haul flight. Thromb. Res. (2006). In press. (13) Schobersberger, W., Innerhofer, P., Sumann, G., Mittermayr, M., Schobersberger, B., Fries, D.: Auswirkungen der Hypoxie auf die Blutgerinnung – gibt es wissenschaftliche Evidenz? In: Domej, W., Schobersberger, W., Waanders, R., Berghold, F. (Hrsg.) Jahrbuch 2005 der Österr. Gesellschaft für Alpin- und Höhenmedizin, Raggl digital graphic+print GmbH, Innsbruck, 47–64 (2005) (14) Schobersberger, W., Hoffmann, G., Gunga, H.C.: Interaktionen von Hypoxie und Hämostase – Hypoxie als prothrombotischer Faktor in der Höhe? Wien. Med. Wochenschr. 155/7–8, 157–162 (2005) (15) Toff, W.D., Jones, C.I., Ford, I., Pearse, R.J., Watson, H.G. et al.: Effect of hypobaric hypoxia, simulating conditions during long-haul air travel, on coagulation, fibinolysis, platelet function, and endothelial activation. JAMA 295, 2251–2261 (2006) (16) Schreijer, A.J.M., Cannegieter, S.C., Meijers, J.C.M., Middeldorp, S., Rosendaal, F.R.: Activation of coagulation system during air travel: a crossover study. Lancet 367, 832–838 (2006) (17) Scurr, J.H., Machin, S.J., Bailey-King, S., Mackie, I.J., McDonald, S., Coleridge Smith, P.D.: Frequency and prevention of symptomeless deepvein thrombosis in long-haul flights: a randomised trial. Lancet 357, 1485– 1489 (2001) (18) Belcaro, G., Geroulakos, G., Nicolaides, A.N., Myers, K.A., Winford, M.: Venous thromboembolism from air travel. The LONFLIT Study. Angiology 52, 369–374 (2001) (19) Cesarone, M.R., Belcaro, G., Nicolaides, A.N., Incandela, L., de Sanctis, M.T. et al.: Venous Thrombosis from air travel: the LONFLIT3 Study. Angiology 53, 1–6 (2002) (20) Cesarone, M.R., Belcaro, G., Nicolaides, A.N., Geroulakos, G., Lennox, A. et al.: The LONFLIT4-Concorde-Sigvaris Traveno Stockings in Long Flights (EcoTras) Study. A Randomized trial. Angiology 54, 1–9 (2003)
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(21) Cesarone, M.R., Belcaro, G., Nicolaides, A.N., et al. Prevention of venous thrombosis in long-haul flights with Flite Tabs: the LONFLIT-FLITE randomized, controlled trial. Angiology 54, 531–39 (2003)
ANHANG 1 Liste der Teilnehmer am Haller Expertenmeeting Eklöf Bo, Helsingborg, Schweden Fraedrich Gustav, Abteilung für Gefäßchirurgie, Universitätsklinik für Chirurgie, Medizinische Universität Innsbruck, Österreich Gunga Hanns-Christian, Institut für Physiologie, Charité Campus Benjamin Franklin – Zentrum für Weltraummedizin, Berlin, Deutschland Haas Peter, Allgemeinarzt, Phlebologe, München, Deutschland Haas Sylvia, Institut für Experimentelle Onkologie und Therapieforschung, München, Deutschland Landgraf Helmut, Klinik für Innere Medizin – Angiologie und Hämostaseologie, Vivantes Klinik, Berlin, Deutschland Frédéric Lapostolle, Assistance Hopitaux Publique Paris, Bobigny, Frankreich Partsch Hugo, Phlebologe, Dermatologe, Wien Perschler Florian, Kraft & Winternitz-Rechtsanwälte-GmbH, Wien, Österreich Schellong Sebastian, Abteilung für Angiologie, Universitätsspital Carl Gustav Carus, Dresden, Deutschland Schnapka Jörg, Facharzt für Chirurgie, Innsbruck, Österreich Schobersberger Beatrix, Institut für Urlaubs-, Reise- und Höhenmedizin, UMIT und PKH, Hall in Tirol, Österreich Schobersberger Wolfgang, Institut für Urlaubs-, Reise- und Höhenmedizin, UMIT, Hall in Tirol, Österreich Toff William D., Department of Cardiovascular Sciences, University of Leicester, Glenfield Hospital, Leicester, Großbritannien Watzke Herbert, Klinik für Innere Medizin I, Medizinische Universität Wien, Österreich
Wir bedanken uns bei folgenden Firmen für ihre Unterstützung: Astellas, Bauerfeind, Danner, Fresenius Kabi, Ganzoni Management, GlaxoSmithKline, Heindl, Medi Austria, Organon, Sanofi-Aventis
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DANK DER HERAUSGEBER
CHEMOMEDIKA CHM HELI -SKIING DAV SUMMIT CLUB EISELIN SPORT FRESENIUS KABI ÖSTERREICHISCHER ALPENVEREIN SCHNELZER & PARTNER VERBAND DER ÖSTERREICHISCHEN BERG- UND SCHIFÜHRER
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