Jahrbuch 2017

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ÖSTERREICHISCHE GESELLSCHAFT FÜR ALPIN- UND HÖHENMEDIZIN JAHRBUCH 2017

JAHRBUCH 2017 ÖSTERREICHISCHE GESELLSCHAFT FÜR ALPIN- UND HÖHENMEDIZIN

Ausgabe 28


JAHRBUCH 2017 ÖSTERREICHISCHE GESELLSCHAFT FÜR ALPIN- UND HÖHENMEDIZIN



JAHRBUCH 2017 ÖSTERREICHISCHE GESELLSCHAFT FÜR ALPIN- UND HÖHENMEDIZIN

HERAUSGEBER:

M. FAULHABER W. SCHOBERSBERGER B. SCHOBERSBERGER G. SUMANN W. DOMEJ


Impressum Herausgeber: FAULHABER Martin, Ass.-Prof. Priv.-Doz. Mag. Dr., Institut für Sportwissenschaften, Vize-Präsident der ÖGAHM, Universität Innsbruck, Innrain 52, 6020 Innsbruck E-Mail: martin.faulhaber@uibk.ac.at SCHOBERSBERGER Wolfgang, Prim. Univ.-Prof. Dr. med., Vize-Präsident der ÖGAHM, Institut für Sport-, Alpinmedizin und Gesundheitstourismus (ISAG), Tirol Kliniken GmbH und UMIT, Anichstrasse 35, A-6020 Innsbruck E-Mail: wolfgang.schobersberger@tirol-kliniken.at SCHOBERSBERGER Beatrix, Mag. Dr. med., Universitätsklinik für Innere Medizin I, Tirol Kliniken GmbH, Anichstraße 35, A-6020 Innsbruck E-Mail: beatrix.schobersberger@tirol-kliniken.at SUMANN Günther, Prim. Mag. Dr. med., Präsident der ÖGAHM, Interdisziplinäre Intensivstation Departement Anästhesie, Intensivmedizin & Reanimation Spital Grabs, Spitalstraße 44, CH-9472 Grabs E-Mail: guenther.sumann@srrws.ch DOMEJ Wolfgang, Univ.-Prof. Dr. med., Past-Präsident der ÖGAHM, ARGE-Alpinmedizin, Klinische Abteilung für Lungenkrankheiten, Medizinische Universität Graz, Auenbruggerplatz 20, A-8036 Graz E-Mail: wolfgang.domej@medunigraz.at Verleger: Österreichische Gesellschaft für Alpin- und Höhenmedizin Satz, Gestaltung und Druck: Athesia-Tyrolia Druck GmbH, Innsbruck www.athesiadruck.com ISBN 978-3-200-05468-4 © 2017 · Alle Rechte vorbehalten


INHALT Impressum ........................................................................................................ 4 Vorwort des Präsidenten ................................................................................ 7 Autorenverzeichnis ......................................................................................... 9

FACHARTIKEL C. Blank, H. Gatterer, W. Schobersberger Hypoxie und Doping: Vom Höhentraining bis zum rekombinanten Erythropoietin ....................................................... 11 J. Holzinger, K. Öttl, S. Hallström, W. Domej Oxidation von Albumin unter normobarer Hypoxie ................................. 27 T. Dünnwald Intermittierende Hypoxie: nützliche Effekte auf das kardiovaskuläre System? ................................................................... 47 H. Mairbäurl Neozytolyse: Entsorgen überschüssiger Erythrozyten nach Höhenakklimatisation ........................................................................... 63 P. Neuhauser, M. Ströhle, H. Ebner, P. Paal CPR mit AED in den Bergen Österreichs von 2005 bis 2015 – eine retrospektive Analyse ............................................................................. 81 S. Wenger, R. Csapo, M. Hasler, B. Caven, T. Wright, T. Bechtold, M. Faulhaber, W. Nachbauer Auswirkungen unterschiedlicher Feuchtigkeitsmanagements kommerziell verfügbarer Wanderjacken auf physiologische Parameter während des Freizeitwanderns ................................................... 97 C. Lutter, T. Hotfiel, V. Schöffl Bouldern, Lead und Speed – Auf dem Weg zu Olympia ........................... 117 5


W. Domej Über Dexamethason in grossen Höhen ....................................................... 127 C. Hepperger, P. Gföller, C. Hoser, H. Ulmer, F. Fischer, W. Schobersberger, C. Fink Mit künstlichen Gelenken in den Bergen Tirols unterwegs: Eine Studie zum Thema Wandern mit Knie-Totalendoprothese .............. 145 M. Niedermeier, A. Weisleitner, L. Ledochowski, A. Frühauf, M. Burtscher, M. Kopp Riskante Entscheidungen in Hypoxie – eine Beobachtungsstudie über potentielle Einflussfaktoren .................................................................. 165

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VORWORT Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Wieder neigt sich ein Jahr dem Ende zu, und wie gewohnt stellt Ihnen die Post ein kleines Weihnachtspaket der ÖGAHM zu. Darin findet sich unser Jahrbuch, diesmal die 28. Ausgabe in verlässlich hoher Qualität mit interessanten wissenschaftlichen Beiträgen zu unserem Freizeit-Fachgebiet Alpin- und Höhenmedizin. Für viele von Ihnen ist das Jahrbuch zu einer geschätzten Tradition geworden, es wird hoffentlich gerne gelesen und findet seinen Stammplatz in der Reihe der früheren Ausgaben in Ihrem Bücherregal. Möglicherweise wird es aber auch von vielen gar nicht entsprechend wahrgenommen oder nicht einmal gelesen. Hinter jedem Jahrbuch steckt enorm viel Arbeit. In den ersten Monaten des Jahres beginnt das fleissige Redaktionsteam unter der engagierten Leitung von Martin Faulhaber gedanklich mit der Ideen- und Themenfindung. Der nächste Schritt zählt schon zu den schwierigsten, es müssen Autoren gefunden und motiviert werden. Obwohl wir eine so große Fachgesellschaft mit so vielen Mitgliedern und ausgezeichneten Vernetzungen in der Thematik sind, gleicht es fast jedes Jahr einem organisatorischen Kunststück, für unser kleines Büchlein Autoren für ausreichend viele qualitativ hochstehende Beiträge zu finden. Leider wird das von Jahr zu Jahr zu einem größeren Problem. Die etablierten Persönlichkeiten stecken das ganze Jahr über bis zum Anschlag in Arbeit und halsen sich mit der Zusage für einen Jahrbuchartikel zahlreiche Stunden weiterer Fleißarbeit auf, für die sie außer Anerkennung keinen Lohn bekommen. Unsere hoffnungsvollen jungen Nachwuchswissenschafter wollen ihre Arbeit in Fachjournals mit möglichst hohem Impact Factor unterbringen, haben in Wahrheit von einem Jahrbuchartikel nichts außer Arbeit und müssen sich hüten, ihre wertvollen Daten für uns zu „verschwenden“, bevor sie entsprechend publiziert wurden. Die beschriebene Problematik gab es schon früher, allerdings müssen wir leider feststellen, dass es in den letzten Jahren zu einem zunehmend schwerer lösbaren Problem geworden ist, das Jahrbuch mit guten Artikeln zu füllen. Unser Chefredakteur hat einen eindringlichen Warnruf abgesetzt und uns im Vereinsvorstand damit konfrontiert, dass wir uns ernsthaft darüber Gedanken machen müssen, wie es mit dem Jahrbuch weitergehen soll. Einerseits haben wir unsere seit 1990 ununterbrochene Jahrbuchreihe lieb ge7


wonnen und sind auch entsprechend stolz darauf. Andererseits stellt sich die Frage, ob ein Jahrbuch heutzutage für unsere Mitglieder noch attraktiv ist, wenn wir jederzeit Zugang zu topaktueller Online-Literaturrecherche haben und die Fachartikel jederorts am Tablet gelesen werden können. Oder nehmen Sie doch das Jahrbuch gerne in die Hand, freuen sich über selektierte, einfach auf Deutsch zu lesende, nicht immer englische, Fachbeiträge? Auch die Kosten für jede Jahrbuchausgabe sind sehr hoch, Druck und Versand sind teuer. Ist das Geld gut investiert, oder sollen wir es besser für andere Zwecke einsetzen, zum Beispiel für Wissenschaftsförderung? Die Kosten könnte man durch eine Online-Ausgabe senken, aber das Problem der fehlenden Beiträge ist damit nicht gelöst. Mit all diesen Fragen werden wir uns in nächster Zeit auseinandersetzen müssen. Ist ein Jahrbuch noch zeitgemäß? Wird es von den Mitgliedern geschätzt? Um Ihnen einen kostengünstigen Zugang zu Fachliteratur zu ermöglichen, haben wir gemeinsam mit der International Society of Mountain Medicine (ISMM) für Sie eine Dual-Membership vereinbart. Als Mitglieder der ÖGAHM haben Sie die Chance, die Mitgliedschaft bei der ISMM zu einem deutlichen reduzierten Jahresbeitrag zu erhalten und haben damit einen freien Vollzugriff auf das High Altitude Medicine & Biology Journal, das sich zum Topjournal in unserem Themenbereich etabliert hat. Allen beschriebenen Schwierigkeiten zum Trotz konnte das Redaktionsteam wieder eine Sammlung hochkarätiger Fachbeiträge zusammenstellen, und Sie können das Jahrbuch 2017 in Händen halten. Mein großer Dank geht an die Autoren! Wir bieten wieder ein breites Spektrum an Themen aus den Bereichen Hypoxie, Höhentraining und Höhenmedizin, alpine Notfallmedizin, Alpinausrüstung, Sportklettern und Sportorthopädie. Herzlichen Dank an Martin Faulhaber, Beatrix und Wolfgang Schobersberger und Eure MitstreiterInnen für die unzähligen Stunden an Redaktionsarbeit! Ein besonderer Dank gilt Frau Eveline Halbedel, Mitarbeiterin am Institut für Sport-, Alpinmedizin und Gesundheitstourismus (ISAG). Seit vielen Jahren kümmert sie sich mit sehr viel persönlichem Engagement und Leidenschaft um die redaktionellen und organisatorischen Belange des Jahrbuchs. Ihnen allen wünsche ich schöne Weihnachtsfeiertage im Kreis Ihrer Familien und Freunde, einen stimmungsvollen Jahresausklang und viel Freude und tolle Erlebnisse im neuen Bergjahr 2018! Ihr Günther Sumann Präsident der ÖGAHM 8


Autorenliste BLANK Cornelia, Mag. Sc. Hum., Dipl. BW (FH), Institut für Sport-, Alpinmedizin und Gesundheitstourismus (ISAG), UMIT – Universität für Gesundheitswissenschaften, Medizinische Informatik und Technik, Eduard-Wallnöfer-Zentrum 1, A-606 Hall/Tirol E-Mail: cornelia.blank@umit.at DOMEJ Wolfgang, Univ.-Prof. Dr., Klinische Abteilung für Lungenkrankheiten, Univ.-Klinik für Innere Medizin Graz, MU-Graz, Auenbruggerplatz 20, A-8036 Graz E-Mail: wolfgang.domej@medunigraz.at DÜNNWALD Tobias, Dr. Mag., Institut für Sport-, Alpinmedizin und Gesundheitstourismus (ISAG), UMIT – Universität für Gesundheitswissenschaften, Medizinische Informatik und Technik Eduard-Wallnöfer-Zentrum 1, A-6060 Hall/Tirol E-Mail: tobias.duennwald@umit.at HEPPERGER Caroline, Dr., Gelenkpunkt – Sport und Gelenkchirurgie Innsbruck, Olympiastraße 39, 6020 Innsbruck E-Mail: c.hepperger@gelenkpunkt.com HOLZINGER Johannes, cand. med., Univ.-Klinik für Innere Medizin Graz, MU-Graz, Auenbruggerplatz 20, A-8036 Graz E-Mail: johannes.holzinger@gmx.at LUTTER Christoph, MD, Sportsmedicine Bamberg, Bugerstraße 80, D-96052 Bamberg E-Mail: christoph.lutter@googlemail.com

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MAIRBÄURL Heimo, Prof. Dr., Medizinische Klinik VII, Sportmedizin, UniversitätsKlinikum Heidelberg und Translational Lung Research Center (TLRC), Teil des Deutschen Zentrums für Lungenforschung (DZL), Im Neuenheimer Feld 410, D-69120 Heidelberg E-Mail: heimo.mairbaeurl@med.uni-heidelberg.de PAAL Peter, Prim. PD Dr., Abteilung für Anästhesie und Intensivmedizin, Barmherzige Brüder Krankenhaus Salzburg, Allgemein öffentliches Krankenhaus, Kajetanerplatz 1, A-5010 Salzburg E-Mail: peter.paal@bbsalz.at NIEDERMEIER Martin, MSc, Institut für Sportwissenschaft, Universität Innsbruck, Fürstenweg 185, A-6020 Innsbruck E-Mail: martin.niedermeier@uibk.ac.at WENGER Sebastian, Institut für Sportwissenschaft, Universität Innsbruck, Fürstenweg 185, A-6020 Innsbruck E-Mail: sebastian.wenger@uibk.ac.at

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❙ Cornelia Blank, Hannes Gatterer, Wolfgang Schobersberger ❙

Hypoxie und Doping: Vom Höhentraining bis zum rekombinanten Erythropoietin Hypoxia and Doping: From hypoxic training to recombinant erythropoietin

SUMMARY Doping remains a problem in organized sport worldwide. Even though there are significant effords to prevent doping – education as well as sanctions – reductions in positive doping cases are still not evident and real figures are unknown but estimated as high. The World Anti-Doping Agency (WADA) publishes a yearly list with prohibited substances and methods. One of these prohibited substance classes is subsumed under erythropoietin-receptor agonists. Based on an increase in the erythropoiesis and thus in oxygen transport due to an increase in total hemoglobin, these substances lead to an increase in performance, especially in endurance sports. Training in natural and artificial hypoxia pursues a similar objective. However, in this regard, evidence of actual performance enhancement is very heterogenous. WADA did not prohibit training in artificial hypoxia yet, nevertheless, FIS and IOC have done so for all their official competitions. On the one hand, the current article aims at comparing the effects of erythropoietin receptor agonist-doping on performance enhancement with those of training in artificial and natural hypoxia, considering the physiological determinants of performance enhancement. On the other hand, internationally differing views regarding training in artificial hypoxia will be critically discussed based on the current WADA guidelines of prohibiting specific substances and methods. Keywords: Hypoxia, high altitude training, performance enhancement, WAD, erythropoiesis, doping 11


ZUSAMMENFASSUNG Doping ist und bleibt ein weltweites Problem im organisierten Sport. Obwohl es international diverse Bestrebungen in der Doping-Prävention und vielmehr noch in der Sanktionierung und Bestrafung von Dopingvergehen gibt, ist eine Reduktion der positiven Dopingfälle weltweit nicht in Sicht, die Dunkelziffer bleibt hoch. Die World Anti Doping Agengy (WADA) veröffentlicht jährlich eine Liste mit verbotenen Substanzen und Methoden. Eine verbotene Substanzklasse ist jene der Erythropoietin-Rezeptor-Agonisten, eine Zusammenfassung aller Präparate, welche über eine Steigerung der Erythropoiese und den Sauerstofftransport über die Zunahme des Gesamt-Hämoglobins zu einer Leistungssteigerung vor allem bei Ausdauersportarten führt. Ein ähnliches Ziel der Leistungsoptimierung verfolgt das Höhentraining bzw. das Training in künstlicher Hypoxie. Allerdings ist hier die Datenlage bezüglich der tatsächlichen Leistungsverbesserung heterogen. Die WADA hat bislang die Anwendung von künstlichem Hypoxietraining nicht verboten. Allerdings haben die FIS und das IOC diese Methode während offizieller FIS Wettkämpfe und Olympischer Spiele untersagt. Der vorliegende Artikel vergleicht zum einen die Effekte des Dopings mit Erythropoietin-Rezeptor-Agonisten mit jenen des Höhen- bzw. Hypoxietrainings auf die Leistungsverbesserung unter Einbeziehung der physiologischen Mechanismen, welche die Leistung determinieren. Zum anderen wird anhand der WADA-Richtlinien für verbotene Substanzen und Methoden die international unterschiedliche Ansicht bezüglich des künstlichen Hypoxietrainings kritisch diskutiert. Schlüsselwörter: Hypoxie, Höhentraining, Leistungssteigerung, WADA, Erythropoiese, Doping

EINLEITUNG Die Leser dieses Artikels mögen sich initial berechtigt fragen, wie die Autoren zur Formulierung dieses, sehr komplex anmutenden Titels der vorliegenden Arbeit gekommen sind. Ein Hintergrund war, dass es in der Höhenmedizin immer wiederkehrende Diskussionen zur Frage der moralisch-ethischen Vertretbarkeit von supplementiertem Sauerstoff zur Leistungssteigerung beim Höhenbergsteigen gibt, und dass in diesem Zusammenhang recht rasch der Begriff des Dopings fälschlicherweise verwendet wird. Ähnliches gilt auch bei dem Versuch der Beantwortung der Frage, ob Medikamente, die zur Prävention und Therapie der Höhenkrankheit, welche großteils im Spitzensport ver12


boten sind, auch als „Dopingpräparate“ anzusehen sind und die Anwendung zur Prophylaxe ebenfalls moralisch-ethisch kritisch zu sehen ist (1). Darüber hinaus gibt es im Spitzensport stetige Debatten, ob die Anwendung künstlicher Hypoxie mit dem Ziel der Leistungsverbesserung legitim bzw. legal ist oder nicht. Der vorliegende Beitrag soll diesbezüglich zur Klärung beitragen und anhand des Höhentrainings im Vergleich zum Doping mit Substanzen, welche die Erythropoiese steigern und somit den Sauerstofftransport verbessern, aufzeigen, wo Ähnlichkeiten, aber auch Unterschiede bestehen.

EINFÜHRUNG IN DIE BEGRIFFSERKLÄRUNG „DOPING“ Sport ist ein „wachsendes gesellschaftliches und wirtschaftliches Phänomen“, das „wichtige Werte wie Teamgeist, Solidarität, Toleranz und Fairplay“ vermitteln soll und vor allem bei Kindern und Jugendlichen zur Entwicklung und Entfaltung der eigenen Persönlichkeit beitragen kann (2). Kaum ein Begriff wie der des Sports besitzt so viele positive Bedeutungen und hohe Akzeptanz in gesellschaftlicher und gesundheitlicher Hinsicht. Sport zieht die Menschen an und hat an sich ein positives Image. Wichtige Werte des Sports wie Teamgeist, Solidarität, Toleranz und Fairplay tragen zur Persönlichkeitsentwicklung und Persönlichkeitsentfaltung bei. Abgesehen von den positiven Auswirkungen von Sport im Sinne der Effekte körperlicher Bewegung auf die Gesundheit und Prävention, weist der Sport zudem eine erzieherische Dimension auf und erfüllt dadurch eine bedeutende gesellschaftliche, kulturelle und freizeitgestaltende Funktion. Leider ist der Sportsektor jedoch auch mit Bedrohungen und Herausforderungen konfrontiert. Besonders die aktuelle Problematik des „Dopings“ stellt weltweit eine große Bedrohung dar. Negative Schlagzeilen über Dopingmissbrauch im Spitzensport beherrschen seit Jahren die Medienwelt. Nicht zuletzt durch die brisante sportpolitische Diskussion rund um eine mögliche Sperre Russlands bei den Olympischen Spielen in Rio aufgrund des Verdachts von Staatsdoping hat das Thema Doping bereits tiefpolitische Dimensionen erreicht. Generell wird Doping als unsportliches Verhalten gesehen, mit dem sich Sportlerinnen und Sportler unfaire Vorteile gegenüber ihrer Konkurrenz verschaffen wollen – ein Verhalten, welches die Werte des Sportes zerstört (3–5). Darüber hinaus konnten für einige Dopingmethoden und -substanzen gravierende, gesundheitsschädliche Nebenwirkungen nachgewiesen werden (6–8). Angesichts der Gefahr gesundheitsschädigender Nebeneffekte von Doping ist 13


es nicht nur auf Grund der Verletzung der Werte des Sports von größter Wichtigkeit Dopingverhalten zu verhindern. Eine Umfrage bei 35 internationalen Sportfachverbänden zeigt, dass Dopingprävention als höchste Priorität dieser angesehen wird (9). Doping ist jedoch kein Begriff der Neuzeit, bereits 1889 findet man das Wort im englischen Wörterbuch in Zusammenhang mit Pferden (10). Kolt (11) beschreibt, dass der erste registrierte Todesfall eines Radrennfahrers durch eine Überdosis an Trimethyl bereits 1886 zu verzeichnen war. Nach Asmuth (12) wurde Doping jedoch erst in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhundert mit der Professionalisierung des organisierten Sportes aktuell. Damit im Einklang wurde 1963 vom Europarat eine Expertenkommission einberufen, Doping zu definieren. Obwohl vereinzelte Sportfachverbände Substanzen im Sport bereits verboten hatten, bestand bis dato kein allgemein anerkanntes gemeinsames Verständnis über Doping. Darauffolgend wurde 1967 die medizinische Kommission des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) gegründet und erste Dopingtests wurden bei den Olympischen Spielen 1968 durchgeführt. Es war jedoch der Skandal der Tour de France, der erst 1998 dafür sorgte, dass die Idee der Gründung einer internationalen Anti-Doping-Agentur, welche die Bemühungen Dopingverhalten zu entdecken und zu verhindern vereinen sollte, geboren wurde. Als Folge wurde 1999 die Welt Anti-Doping-Agentur, ein Schweizer Unternehmen mit Sitz in Lausanne und Montreal gegründet – ein Meilenstein im Prozess der Dopingbekämpfung (10). Um die Integrität des Sportes und die Gesundheit aller Athletinnen und Athleten zu schützen, entwarf die WADA jedoch erst 7 Jahre später ein Regelwerk in Form des Welt Anti-Doping-Code (WADC), der zuletzt 2015 aktualisiert wurde (13). Obwohl also verschiedene Definitionen für das Phänomen Doping beschrieben und auch diskutiert wurden, ist die gängig akzeptierte Definition von Doping heute in den Regularien des WADC zu finden. Doping umfasst jeglichen Verstoß gegen eine oder mehrere der in Artikel 2.1 – 2.10 erfassten Regeln des WADC. Der WADC ist Teil des gesamten Anti-Doping-Programms der WADA, welches neben dem Code auch noch die sog. International Standards und Best-Practice-Beispiele umfasst. Die in der Bevölkerung wohl prominenteste Regel ist Regel 2.1: „Vorhandensein einer verbotenen Substanz oder ihrer Metaboliten oder ihrer Marker in der Urinund/oder Blutprobe eines Athleten einer Athletin“ (13). Verbotene Substanzen und auch Methoden werden jährlich auf der WADA-Verbotsliste publiziert und aktualisiert. Substanzen und/oder Methoden, die auf dieser Liste stehen, müssen zwei der nachfolgenden Kriterien erfüllen: (a) potenziell gesundheits14


schädigend, (b) potenziell leistungssteigernd und (c) gegen den Sportsgeist verstoßen (13). Der Übersicht halber wird die Liste in Klassen unterteilt, wobei sich die Klassen S0 – S5 auf verbotene Substanzen (S0: nicht zugelassene Substanzen; S1: anabole Substanzen; S2: Peptidhormone, Wachstumsfaktoren; S3: Beta-2 Agonisten; S4: Hormone und metabolische Modulatoren; S5: Diuretika und maskierende Substanzen) und M1 – M3 auf verbotene Methoden (M1: Manipulation des Blutes und Blutkomponenten; M2: chemische und physische Manipulation, M3: Gendoping) beziehen (14). In diesem Zusammenhang wichtig anzumerken ist die Tatsache der sogenannten „strict liability rule“ (13) – die verschuldensunabhängige Haftung von Athletinnen und Athleten. Übersetzt bedeutet dies, dass zu jedem Zeitpunkt alle Athletinnen und Athleten für Substanzen verantwortlich sind, die sich in ihren Blut- und/oder Urinproben befinden. Dopingvergehen gehen jedoch über Artikel 2.1 und es werden im WADC noch weitere 9 Regelverstöße definiert, wie zum Beispiel Besitz oder Handel (2.6 und 2.7), sowie Fehler in der Aufenthaltsdokumentation der Athleten (2.3) (13). Insgesamt gibt es mit Stand 2017, 681 sogenannte “Code Signatories”, von denen 205 National-Olympische Komitees Unterzeichner sind (15). All diese haben sich mit ihrer Unterschrift zum einen verpflichtet, die Regeln des WADC zu respektieren und zum anderen darüber hinaus durch die Einrichtung von Maßnahmen sicher zu stellen, dass alle Personen unter ihrer Autorität und derer ihrer Mitgliedsorganisationen über diese Regeln des WADC informiert sind und sich daran zu halten haben (13). Eine der Code Signatories ist die Nationale Anti-Doping Agentur Österreich (NADA Austria). Die NADA Austria wurde 2008 gegründet. Laut österreichischem Anti-Doping-Bundesgesetz zählen zu ihren Hauptaufgaben u.a. „Dopingprävention durch Information, Aufklärung und Bewusstseinsbildung“ und Dopingkontrollen zur „Überwachung der Einhaltung der Anti-Doping-Regeln“. Punkt 1 kommt vor allem in der Prävention zum Tragen, wobei sie dabei nicht nur auf Sportlerinnen und Sportler selbst, sondern auch auf deren Umfeld (wie zum Beispiel Trainer, Betreuer oder Eltern) eingeht (16). Basierend auf Forschungsarbeiten in Österreich, die den Fokus zu Beginn auf die Erhebung des Wissensstandes und der Einstellungen gegenüber Doping österreichischer Nachwuchssportlerinnen und Nachwuchssportler (17,18), sowie deren Eltern (19), Trainerinnen und Trainer (20) und Sportmedizinerinnen und Sportmediziner (21) setzte, geht auch die NADA Austria seit ihrer Gründung 2008 den Weg evidenzbasierter Präventivmaßnahmen. Beispielhafte Maßnahmen sind zum Beispiel die MedApp, zur erleichterten Abfrage verbotener Substanzen 15


(22), ein e-Learning Kurs (23) sowie die multimediale eLearning-Plattform „Bleib sauber!“ für die Schule (24). Wie oben bereits erwähnt entstand die NADA Austria ausgehend von dem in Österreich 2007 eingeführten Anti-Doping-Bundesgesetz. Dies zeigt auf, dass neben der WADA und der NADA, Doping, zumindest in Österreich, auch rechtlich geregelt ist. Das Anti-Doping-Bundesgesetz ist eine direkte Konsequenz der UNESCO Anti-Doping-Konvention, die 2008 in Österreich ihre Wirkung erlangte. Gleichzeitig mit Änderungen im nationalen Gesetz wurden das Anti-Doping-Bundesgesetz, sowie auch diesbezüglich Teile des österreichischen Strafrechtes 2010 reformiert. Das neue Anti-Doping Bundesgesetz übernahm den Wortlaut des WADC und inkludierte schwerwiegendere Strafen sowohl für gedopte Athletinnen und Athleten als auch für deren Betreuerstab, sollten sie diese Praktiken unterstützen. Neben den Strafen, die Athletinnen und Athleten nach Dopingvergehen von Seitens des Sportes und des Anti-Doping-Bundesgesetzes zu erwarten haben, drohen ihnen seit dieser Reformierung zusätzlich Strafen basierend auf dem österreichischen Strafrecht, welches Doping seither unter dem Begriff „schwerer Betrug“ (§147, 1a) führt, was mit Freiheitsstrafen zwischen 3 und 10 Jahren geahndet werden kann (falls der Schaden 300.000 € überschreitet). Obwohl es wie bereits erwähnt seit 1999 die Aufgabe der Welt-Anti-Doping-Agentur ist, die Bemühungen um einen dopingfreien Sport zu vereinen, so haben doch einzelne Sportfachverbände, sowie auch beispielsweise das Internationale Olympische Komitee zusätzliche Regeln, die es während Wettkampfphasen zu berücksichtigen gilt. Im Konkreten ist bei offiziellen Wettkämpfen der FIS (Fédération Internationale de Ski) und während Olympischer Spiele verboten, künstliche Hypoxie anzuwenden. So hat das IOC bei den letzten Olympischen Sommerspielen 2016 in Rio in der offiziellen IOC Policy Regarding Certain NOC Scientific and Medical Equipment for the Games of the XXXI Olympiad in Rio 2016“ folgende Stellungnahme veröffentlicht: “It is prohibited for any National Olympic Committee (“NOC”) or member of its delegation to bring any of the following scientific or medical equipment (“Equipment”) into any Olympic Venue during the Period of the XXXI Olympic Games: (i) Oxygen tanks and cylinders; (ii) Hypoxic or hyperoxic tents or chambers. This Equipment is prohibited on the basis that it is not appropriate that such Equipment be brought into any Olympic Venue.” 16


Welches könnte nun die wissenschaftliche Basis dieser Verbote sein? Ist Hypoxietraining mit dem Ziel der Verbesserung des Sauerstofftransportes nun ähnlich oder gleich dem WADA-Verbot der Anwendung rekombinanter Erythropoietine und weiterer Erythropoiese-stimulierender Substanzen zu sehen?

REGULATION DER ERYTHROPOIESE IN NORMOXIE UND HYPOXIE In Normoxie zirkulieren die adulten Erythrozyten etwa 100 – 120 Tage und werden danach von Makrophagen eliminiert. Produktion im Knochenmark und Freisetzung der Retikulozyten, der letzten Vorstufen der Erythrozyten, sowie Elimination halten sich die Waage, sodass durch den konstanten Gehalt an zirkulierendem Hämoglobin auch die O2-Transportkapazität recht konstant gehalten wird. Hauptregulator der Erythropoiese ist das Glykoprotein Erythropoietin (EPO), welches vorwiegend in der Niere in peritubulären Fibroblasten und geringfügig auch in der Leber, im Knochenmark, in der Milz und im Gehirn gebildet und unter Normoxie nur in sehr geringen Konzentrationen im Plasma nachweisbar ist (25). EPO bindet an den homodimeren EPO-Rezeptor von Erythroblasten und fördert dadurch das Überleben, die Proliferation und Differenzierung dieser Vorstufen. Über Aktivierung von unterschiedlichen Kinasen und intrazellulärer Signalwege (u.a. Janus Kinase JAK-2) und Beteiligung von Transkriptions-Aktivatoren (STAT-5) werden diese durch EPO stimulierten Abläufe initiiert. Die endogene EPO-Produktion wird vor allem durch Hypoxie reguliert, welche auf der Ebene der Transkription stattfindet (26). Das humane EPO-Gen steht unter der Kontrolle verschiedener Transkriptionsfaktoren. Der EPO-Promotor besitzt ein Hypoxie-responsibles Element und wird durch sog. HIFs (Hypoxie-inducible Factors) aktiviert. Die HIF-a und HIF-1b Untereinheit können im Zellkern ein Heterodimer bilden und spielen zellphysiologisch eine unterschiedliche Rolle. In Normoxie supprimieren GATA-2 und NF-kB den EPO-Promotor und sog. HIF Prolyl-Hydroxylasen bauen die HIF-a-Untereinheit ab. Unter hypoxischen Bedingungen allerdings wird die Aktitivät dieser Prolyl-Hydroxylasen supprimiert und HIF-a stabilisiert mit dem Ergebnis, dass die Dimerbildung mit HIF-b getriggert wird und die EPO Transkription vermehrt stattfindet. Endergebnis dieser zellulären Abläufe ist eine Zunahme der Produktion von EPO und konsekutiv eine vermehrte Stimulierung der Erythropoiese. 17


HÖHEN-/HYPOXIETRAINING: EFFEKTE UND AUSWIRKUNGEN AUF DEN EPOSPIEGEL, DIE ERYTHROPOIESE UND DIE LEISTUNGSFÄHIGKEIT Die rezente sportmedizinische und sportwissenschaftliche Fachliteratur zeigt ganz klar, dass die maximale Leistungsfähigkeit (VO2max) bei Ausdauersportarten sehr stark vom maximalen Herzminutenvolumen, vom Gesamtgehalt an zirkulierendem Hämoglobin (tHb = total Hb, Hämoglobinmasse) und dem Blutvolumen abhängig ist (27). Deshalb ist es nicht erstaunlich, dass im Spitzensport nach Methoden und Verfahren gesucht wird, diese Parameter zu verbessern, um damit die maximale Leistung steigern zu können. In Fachkreisen wird als eine potentielle und potente Möglichkeit hierfür das Höhen- oder Hypoxietraining angesehen. Es gibt mehrere Formen des Höhentrainings, wobei sich in den letzten Jahren, drei unterschiedliche Höhentrainingskonzepte herauskristallisiert haben (28, 29). Es sind dies: a) In der Höhe leben und in der Höhe trainieren (live high – train high), b) in der Höhe leben (schlafen) und im Tal trainieren (live high – train low), c) im Tal leben (schlafen) und in der Höhe trainieren (live low – train high). Die Art des absolvierten Höhentrainings bestimmt hierbei die Art der Anpassungen. Die beiden ersten Formen zielen hauptsächlich auf die Erhöhung der Erythrozytenzahl und der damit verbundenen Erhöhung der Sauerstofftransportkapazität ab (29, 30). Live low – train high hingegen beabsichtigt, muskuläre Anpassungen zu optimieren (28). Im Folgenden werden die Mechanismen und Auswirkungen der hämatologischen Veränderungen kurz zusammengefasst, die muskulären Adaptierungen werden in diesem Rahmen nicht behandelt. In den 1990er-Jahren wurde erkannt, dass Höhenaufenthalte zu einer möglichen Zunahme der Hämoglobinmasse und damit zu einer Verbesserung der Sauerstofftransportkapazität und der aeroben Leistungsfähigkeit führen können (29). In den darauffolgenden Jahren zeigte sich, dass eine Mindesthöhe um 2.000 m notwendig ist, um die Erythropoiese effektiv in Gang zu setzen. Außerdem galt beim live high – train low Konzept zu beachten, dass die Aufenthaltsdauer pro Tag >12 h betragen und die gesamte Dauer des Höhentrainings mindestens 3 Wochen lang sein muss (31). Als Resultat kann bei manchen AthletInnen (Responder) eine Zunahme der Gesamthämoglobinmasse von 5–10% erwartet werden (Abb. 1), verbunden mit einer Verbesserung der maximalen Sauerstoffaufnahme (VO2max) von etwa 3 ml/min/kg pro 1 g Hä18


moglobin/kg Zunahme (32–34). Des Weiteren wurde aber auch eine Abnahme des Plasmavolumens durch Höhentraining beschrieben, was eine Erhöhung des Sauerstoffgehalts (CaO2, transportierer Sauerstoff in mL pro Liter Blut) zur Folge hat (30). Die Mechanismen, die zu einer Zunahme der Erythrozytenmasse führen, sind gut beschrieben, während die Reduktion des Plasmavolumens zum Teil noch unverstanden ist (35).

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Abb. 1: Kalkulierte mittlere Hbmass Veränderung nach Höhenexposition. Adaptiert nach Gore et al. 2013

Ein Höhenaufstieg führt zu einer Abnahme des arteriellen Sauerstoffgehalts und bewirkt die Stabilisierung des Hypoxie-induzierten Faktors (HIF). In der Folge wird bereits während der ersten 2 Stunden, abhängig vom Hypoxiegrad und individuellen Reaktionen, die Biosynthese von EPO in Gang gesetzt (35). Die EPO Konzentration ist ca. am vierten Tag am höchsten, nimmt dann langsam ab und stabilisiert sich im Anschluss auf einem leicht erhöhten Niveau (35). Das Resultat ist eine erhöhte Retikulozytenzahl bereits nach 2–3 Tagen, eine erhöhte Gesamthämoglobinmasse wird optimaler Weise nach ca. 2–4 Wochen messbar (36). Jedoch muss erwähnt werden, dass die Literatur hier widersprüchlich ist. So wurde z.B. auch gezeigt, dass die totale Hämoglobinmasse durch Höhentraining unbeeinflusst ist (37). Die Hämoglobinmasse zu Beginn 19


einer solchen Hypoxieexposition stellt vermutlich eine kritische Variable dar. Athletinnen und Athleten, die bereits eine hohe totale Hämoglobinmasse aufweisen, sollten demzufolge auch eine geringere Anpassung erfahren (38), wobei auch hier die Literatur uneins ist (39). Die Effekte auf die sportliche Leistungsfähigkeit sind dementsprechend ebenfalls widersprüchlich. Eine im Jahr 2009 verfasste Meta-Analyse zeigte, dass sowohl EliteathletInnen als auch AthletInnen niedrigeren Niveaus die Leistungsfähigkeit durch Höhentraining um ca. 1–4% verbessern können, während Änderungen der VO2max kein klares Bild zeigen (Tabelle 1) (40). Allerdings konnten diese Ergebnisse in einer jüngeren doppel-verblindeten Untersuchung bei EliteathletInnen nicht mehr bestätigt werden (30), weshalb derzeit keine allgemeingültigen Empfehlungen abgeleitet werden können. Auch gilt es immer, einen möglichen Placebo-, Nocebo- oder Trainingscamp-Effekt zu berücksichtigen (40). Tab. 1: Ergebnisse der Meta-Analyse von Bonetti et al. (2009) Höhentrainingsform

Elite AthletInnen

Subelite AthletInnen

Veränderungen

Leistung

VO2max

Leistung

VO2max

Natürliche Höhe

LHTH

unklar

–1,5(±2,0)%

+0,9 (±3,4)%

+4,3 (±2,6)%

LHTL

+4,0 (±3,7) %

unklar

+4,2 (±2,9)%

unklar

LHTL (8–18 h/Tag)

unklar

–0,5(±1,4)%

+1,4 (±2,0)%

/

Künstliche Höhe

LHTH, live high – train high; LHTL, live high – train low; VO2max, maximale Sauerstoffaufnahme (±90% Konfidenzlimit)

Wie bereits erwähnt sind die Mechanismen, die zu einer Reduktion des Plasmavolumens führen noch nicht genau geklärt. Bereits innerhalb der ersten 24 Stunden auf einer Höhe von ca. 2.000 m kann eine leichte Abnahme des Plasmavolumens erwartet werden (35). Ein erhöhter Flüssigkeitsverlust, hauptsächlich verursacht durch eine erhöhte Diurese aber auch durch die vermehrte Atmung der trockenen Luft in der Höhe, wird für die Abnahme des Plasmavolumens verantwortlich gemacht (35). Welche Faktoren genau zur Höhendiurese führen, ist allerdings noch nicht geklärt. Diskutiert werden hypoxiebedingte Veränderungen der Hormonkonzentration des Flüssigkeitshaushaltes, wie z.B. des Aldosterons, des Vasopressins und des atrial-natriuretischen Peptids. Außerdem kann die Hyperventilation und die daraus resultierende Hypokapnie eine Diurese verursachen (35). Unabhängig von diesen Mechanismen bedingt die Erhöhung der Hämoglobinkonzentration eine Erhöhung der CaO2 mit 20


mutmaßlich positiven Effekten auf die Leistungsfähigkeit. Allerdings müssen auch mögliche negative Effekte genannt werden, wie die Erhöhung der Blutviskosität und die Abnahme des Schlagvolumens (35). Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass in der Literatur sowohl in Bezug auf hämatologische Veränderungen als auch auf Veränderungen der sportlichen Leistungsfähigkeit durch Höhentraining kein Konsens herrscht. Individuelle Reaktionen und Ansprechbarkeit auf das Höhentraining gilt es hier besonders zu berücksichtigen.

LEISTUNGSSTEIGERUNG DURCH REKOMBINANTES EPO UND EPO MIMETIKA Seit der Zulassung der ersten rekombinanten EPO-Medikamente (rhEPO) Ende 1980 bzw. anfangs der 1990er Jahre wurden diese Präparate auch im Leistungssport eingesetzt, um die individuelle maximale Ausdauerleistung zu steigern (41–43). In den letzten 10–15 Jahren wurden weitere Pharmaka entwickelt, die ähnliche Effekte wie das rhEPO auf die Erythropoiese haben. Diese Präparate wurden unter dem Begriff ESA (Erythropoiesis Stimulating Agents) zusammengefasst. Sämtliche dieser Substanzen sind seit Jahren auf der WADA Verbotsliste unter „S2 Erythropoietien-Receptor agonists“ genannt, die Anwendung fällt dementsprechend klar unter dem Begriff „Doping“. Die wissenschaftliche Evidenz der leistungssteigernden Effekte dieser Substanzen ist sehr hoch. Da es aus rechtlichen Gründen nur Studien an Nicht-Athleten geben darf, beziehen sich die Schlussfolgerungen explizit nicht auf Top-Athleten. Untersuchungen an gesunden Probanden konnten nachweisen, dass der maximale leistungssteigernde Effekt von rhEPO zwischen 6 und 12% liegt (44–45), zusätzlich wurden Verbesserungen der submaximalen Ausdauerleistung berichtet, welche jene der maximalen Leistungszunahme sogar übertrafen (44). Vergleicht man nun die durch Höhentraining erreichten maximalen EPO-Konzentrationen mit jenen des rhEPO nach pharmakologischer Anwendung, so erreicht man im Höhen- bzw. Hxpoxietraining maximal die 3–4-fachen Talwerte (46). Durch EPO-Doping allerdings sind die Maximalwerte dosisabhängig um ein vielfaches höher als die maximalen EPO-Spiegel durch Höhentraining. Dies dürfte die Haupterklärung für die definitiven leistungssteigernden Auswirkungen des rhEPO-Dopings sein und miterklären, warum beim Höhentraining/Hypoxietraining die Datenlage heterogen ist. Nebst den Auswirkungen von rHEPO auf die Verbesserung des Sauerstofftransports wer21


den vermehrt auch positive Effekte auf die Skelettmuskulatur und die Reduktion der zentralen Ermüdung bei Belastung diskutiert (47).

KÜNSTLICHE HYPOXIE VERBOTEN ODER ERLAUBT? – EINE KRITISCHE BETRACHTUNG In der aktuellen Verbotsliste der WADA scheint die Anwendung künstlicher Hypoxie nicht auf, d.h. unabhängig von der Zielsetzung der Hypoxieapplikation (Leistungssteigerung, Präakklimatistion u.a.) ist diese seitens der WADA weder im Training noch im Wettkampf verboten. Es steht allerdings den internationalen Fachverbänden und dem IOC frei, die WADA Regularien zu verschärfen, was im Fall der künstlichen Hypoxie auch eingetreten ist. Seitens FIS und IOC gibt es keine offiziellen Begründungen für diesen Schritt, deshalb wird von den Autoren versucht, rein auf Basis der WADA für das Verbot von Substanzen und Methoden diese Thematik analytisch darzustellen. Für sämtliche Erythopoiese-steigernde Präparate sind alle drei Voraussetzungen für ein Verbot eindeutig. Für die Leistungssteigerung gibt es hohe Evidenz, Nebenwirkungen bei längerer Applikation sind hinlänglich bekannt und dass die Anwendung solcher Substanzen gegen den Sportgeist verstößt, lässt sich nachvollziehen. Die künstliche Hypoxieanwendung lässt sich nicht so klar kategorisieren. Die Evidenz zur Leistungssteigerung ist nicht so eindeutig, es gibt laut Literatur diverse Faktoren, welche die Studienergebnisse beeinflusst haben (u.a. Studiendesigns, Probandenkollektiv, Zielgrößen). Moderate Nebenwirkungen der künstlichen Hypoxie sind beschrieben, Gesundheitsschäden durch Hypoxie bei Athletinnen und Athleten sind unbekannt. Ob künstliche Hypoxie gegen den Sportsgeist verstößt, bedarf sicher einer Expertendiskussion, zumal man sich selbst bei der Begriffsdefinition nicht eins ist. Sollte künstliche Hypoxie generell gegen den Sportsgeist verstoßen, dann bliebe unklar, warum diese Methode nur beim Wettkampf und nicht generell verboten ist. Als Fazit der vorliegenden Analyse dürfte es gemäß den WADA-Kriterien für die Aufnahme einer Substanz oder Methode auf die WADA-Verbotsliste nicht möglich sein, das künstliche Hypoxietraining generell zu verbieten.

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❙ Johannes Holzinger, Karl Öttl, Seth Hallström, Wolfgang Domej ❙

Oxidation von Albumin unter normobarer Hypoxie Oxidation of Albumin in normobaric hypoxia

SUMMARY Oxidative stress refers to a condition in which the dynamic equilibrium between oxidative compounds and antioxidant defences is shifted towards oxidants with the consequence of severe modification of biomolecules and/or redox dysregulation. Hypoxia at high altitudes causes endogenous oxidative stress that is also of significance in acclimatization processes to high altitudes. Human serum albumin is a quantitatively significant plasma protein and also an important plasma buffer in the sense of acid/base- as well as redox-chemsitry. Albumin (AL) is well suited as an indicator of redox processes in the organism; based on a free thiol group the AL-molecule may reach different levels of oxidation. However, changes of the molecule in the context of hypoxia have been rarely investigated in the past. In the current pilot study the redox status of AL in relation to the long established marker malondialdehyde (MDA) was investigated in healthy voluntary subjects before and after four hours stay in a normobaric hypoxic chamber (altitude equivalent 5000 m). The hypoxic exposure resulted in a slight but significant increase in oxidized AL, while MDA remained largely unchanged. The fraction of human mercaptalbumin (HMA) as the completely reduced form of AL was decreased by 1.6 % from basic values, while non-mercaptalbumin-I (HNA-1) as the slightly oxidized form increased by 1.4 %. In contrast, HNA-2, representing the highest stage of oxidized AL, remained nearly unchanged. Keywords: albumin (AL), mercaptalbumin, non-mercaptalbumin, normobaric hypoxia, hypoxic chamber (HC) ZUSAMMENFASSUNG Oxidativer Stress beschreibt einen Stoffwechselzustand, bei dem das dynamische Gleichgewicht zwischen oxidativen Substanzen und antioxidativer Ab27


wehr zur Seite der Oxidantien verschoben ist, wodurch es zur Veränderung von Biomolekülen und/oder einer Redox-Dysregulation kommt. Durch die Hypoxie in großer Höhe wird endogen oxidativer Stress generiert, welcher aber auch als Trigger für den Akklimatisationsprozess in der Höhe erforderlich ist. Das humane Serumalbumin stellt ein quantitativ bedeutendes Plasmaprotein und zugleich einen wichtigen Plasmapuffer sowohl für den Säure-Basenals auch für den Redox-Haushalt dar. AL eignet sich ausgezeichnet als Indikator für Redox-Vorgänge im Organismus, denn es weist eine freie Thiolgruppe auf, die unterschiedliche Oxidationsstufen erreichen kann. Die Änderungen des AL-Moleküls im Rahmen der Hypoxie wurden bisher kaum untersucht. In der vorliegenden Pilotstudie wurde der AL-Redox-Zustand im Vergleich zu einem lange etablierten Marker, nämlich Malondialdehyd (MDA), bei gesunden freiwilligen Probanden und Probandinnen vor und nach vierstündiger normobarer Hypoxieexposition in einer Hypoxiekammer (HK) bei einer Äquialenzhöhe von 5.000 m gemessen. Es zeigte sich ein leichter, aber signifikanter Anstieg von oxidiertem AL, während MDA als Indikator weitgehend unbeeinflusst blieb. Der Anteil an humanem Mercaptalbumin (HMA), die vollständig reduzierte Form des Albumins, verringerte sich dabei um 1,6 % im Vergleich zum Ausgangswert, während Non-Mercaptalbumin I (HNA-1) als mild oxidierte Form, um 1,4 % anstieg. HNA-2 blieb als die höchste erreichbare Oxidationsstufe hingegen nahezu unverändert. Schlüsselwörter: Albumin (AL), Mercaptalbumin, Non-Mercaptalbumin, normobare Hypoxie, Hypoxiekammer (HK)

EINLEITUNG Höhenbergsteigen und alpinsportliche Aktivitäten aller Art erfreuen sich zunehmender Beliebtheit. Der medizinische wie auch der technische Fortschritt machen Aufenthalte in großen Höhen heute der breiten Masse aber auch Menschen mit stabilen chronischen Erkrankungen zugänglich. Die Forschung hat sich bereits seit Jahrzehnten des Themas „große Höhen“ angenommen und deren Auswirkung auf den menschlichen Organismus untersucht. Zahlreiche Studien beschäftigten sich bisher mit den Auswirkungen von oxidativem Stress in einer hypoxischen Umgebung. Trotz der inversen Korrelation des arteriellen O2-Partialdruckes (paO2) bzw. O2-Sättigung (SaO2) mit der terrestrischen Höhe nehmen oxidative Veränderungen von Biomolekülen infolge verstärkter endogener Generation reaktiver Sauerstoffspezies (ROS) zu (1–3). Die beson28


deren Auswirkungen der Höhe auf das Redox-Gleichgewicht des menschlichen Blutes mit dem Fokus reduktiver und oxidativer Veränderungen am Albuminmolekül wurden bisher kaum untersucht. Ziel der vorliegenden Arbeit war den Einfluss von normobarer Hypoxie sowie das daraus resultierende Ausmaß an oxidativem Stress anhand des Redox-Zustandes von AL zu evaluieren. AL kann in drei Redoxstufen vorliegen. In vollständig reduzierter Form als Humanes Mercaptalbumin (HMA), in mild oxidierter Form als Non-Mercaptalbumin I (HNA-1) und in höherer Oxidationsstufe als Non-Mercaptalbumin II (HNA-2). Oxidativer Stress und Hypoxie Oxidativer Stress beschreibt einen pathophysiologischen zellulären Zustand, bei dem das Gleichgewicht zwischen prooxidativen Substanzen und der antioxidativen Abwehr zur Seite der Oxidantien verschoben ist. In der Folge können Schäden an Biomolekülen auftreten bzw. es kann die Redoxregulation entgleisen (4,5). Im menschlichen Organismus erfolgt durch Stoffwechselvorgänge aber auch äußere Einflüsse eine kontinuierliche Synthese von ROS. Wie der Name schon sagt sind diese ausgesprochen reaktionsfreudig und in der Lage, alle relevanten Gruppen von Molekülen zu verändern. Diese oxidativen Vorgänge werden auch immer wieder mit Alterungsprozessen, degenerativen Veränderungen und malignen Transformationen in Zusammenhang gebracht (6–9). Auch ein Zusammenhang zur Entwicklung von akuter Höhenkrankheit (AMS), Höhenlungenödem (HAPE) und Höhenhirnödem (HACE) wurde vielfach diskutiert (1,3). Die Bedeutung der Generation von ROS in großen Höhen liegt jedoch nicht nur in ihrer potentiell gewebsschädigenden Wirkung, sondern ROS sind auch bedeutende zelluläre Botenstoffe, die für die Initiierung zahlreicher Anpassungsvorgänge verantwortlich sind; insbesondere in Hinblick auf die Aktivierung des bedeutenden Transkriptionsfaktors „hyoxia inducible factor 1 α“ (HIF-1α) spielen ROS eine zentrale Rolle (1,10,11,12). Da ROS in erster Linie zur Oxidation anderer Moleküle führen, fallen sie unter den Begriff der Oxidantien. Wichtige Vertreter sind unter anderem das Superoxid-Anion (Hyperoxid-Anion) (•O2-), das Hydroperoxyl-Radikal (•O2H), Wasserstoffperoxid (H2O2) und das Hydroxyl-Radikal (•OH) (4). Allerdings können nicht nur Sauerstoffspezies oxidative Schädigungen hervorrufen, sondern auch andere reaktive Verbindungen, wie reaktive Stickstoff- und Halogenspezies können als Oxidantien wirksam sein (13). Bedeutende endogene ROS-Quellen im menschlichen Organismus stellen neben den Mitochondrien 29


auch Entzündungsreaktionen sowie immunologische Prozesse dar, die zur Generation nicht unwesentlicher Mengen an Oxidantien beitragen können. Veränderungen des Redox-Status in großen Höhen wurden bereits vielfach untersucht (1,2). Trotzdem konnte bis heute nicht eindeutig nachgewiesen werden, aus welchen Quellen die dafür verantwortlichen ROS stammen. Einige der in der Literatur beschriebenen Theorien zur Bildung von reaktiven Spezies in großen Höhen sollen hier ansatzweise angeführt werden. Ein möglicher Ursprung von ROS in großen Höhen liegt in den Mitochondrien bzw. in der Atmungskette, also dort, wo am meisten Sauerstoff verbraucht, das heißt zu Wasser reduziert wird. Paradoxerweise wird gerade in Mangelsituationen Sauerstoff mehr als sonst nur partiell reduziert, was die Bildung von Superoxid-Anionen (•O2–) nach sich zieht. Diese reagieren mit Wasser zu weiteren ROS wie Wasserstoffperoxid (H2O2) und Hydroxyl-Radikalen (•OH) (1,14,15). Eine weitere bedeutende ROS-Generation dürfte unter Hypoxiebedingungen über das Xanthinoxidase-System laufen. Unter Sauerstoff-Mangelbedingungen wird aus zwei Molekülen ADP (Adenosin-Di-Phosphat) ein Molekül ATP (Adenosin-Tri-Phosphat) und ein Molekül AMP (Adenosinmonophosphat). Da die Atmungskette unter Hypoxie schlecht funktioniert, wird AMP vermehrt zu Harnsäure abgebaut. Erfolgt dieser Abbau über den Xanthinoxidase-Weg, werden die anfallenden Elektronen auf molekularen Sauerstoff übertragen, sobald dieser wieder zur Verfügung steht. Nebenprodukte, die dabei auftreten, sind wiederum Superoxid-Anionen (O2–) und Wasserstoffperoxid (H2O2) (1). Es gibt zudem Hinweise, dass unter Hypoxie die körpereigenen enzymatischen Abwehrsysteme, wie etwa die Glutathion-Reduktase, weniger aktiviert sind (15). Maiti et al. konnten tierexperimentell unter hypobarer Hypoxie eine verminderte Aktivität der Superoxiddismutase (SOD), Glutathionreduktase (GR) und Glutathionperoxidase (GPX) in Rattengehirnen nachweisen (14). Ein weiterer Ansatz ist, dass durch Hypoxie Entzündungsvorgänge getriggert oder verstärkt werden, die zu einer verstärkten Expression entzündlicher Zytokine führen. Liu et al. konnten tierexperimentell zeigen, dass IL-1β, IL-6 und TNFα bereits nach einem Tag in Hypoxie innerhalb des Glomus caroticum von Ratten signifikant ansteigen (16).

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Veränderungen von Biomolekülen Eine spezifische Form der oxidativen Schädigung insbesondere von Lipiden ist die Lipidperoxidation. Nach einer Startreaktion durch ein reaktives Molekül und einer ungesättigten Fettsäure kann sich eine Kettenreaktion einstellen, bei der ungesättigte Fettsäuren oxidiert und gleichzeitig neue Radikale generiert werden. Letztere halten die Kettenreaktion in Gang, die erst dann zum Stillstand kommt, wenn zwei Radikale miteinander reagieren, oder wenn alle Radikale von Antioxidantien abgefangen wurden. Das bedeutendste Antioxidans im lipophilen Milieu ist α-Tocopherol (Vitamin E). Es fungiert sowohl als Unterbrecher der Kettenreaktion bzw. verhindert als Radikalfänger, dass diese überhaupt gestartet wird (6,7,17). Beim Abbau von Lipidradikalen entstehen unterschiedliche, zum Teil mutagene und toxische Aldehyde (18,19) wie der Malondialdehyd (MDA), der zytotoxisch wirkt und vermutlich auch das mutagenste Produkt der Lipidoxidation darstellt (18,20). Die Bedeutung dieses Moleküls liegt insbesondere auch darin, dass es für ein leicht messbares Produkt der Lipidoxidation, vor allem von Omega-3- und Omega-6-Fettsäuren steht. MDA wird häufig zur Quantifizierung von oxidativen Lipidschäden herangezogen (20). Aus diesem Grund wurde auch in der vorliegenden Pilotstudie MDA mitbestimmt, um etwaigen oxidativen Stress mit einem dafür lange in Verwendung stehenden Parameter zu dokumentieren. Der Fokus der vorliegenden Pilotstudie liegt auf den oxidativen Veränderungen von Proteinen, konkret dem Serumalbumin. Die beiden schwefelhaltigen Aminosäuren Cystein und Methionin sind für eine Oxidation besonders anfällig. Cystein hat eine freie Thiolgruppe, welche leicht oxidiert werden kann. Die typische Redoxreaktion der Thiolgruppe besteht in der Bildung einer Disulfidbrücke mit einer anderen Thiolgruppe, die dabei ebenfalls oxidiert wird. Tritt eine solche zwischen zwei Cystein-Molekülen auf, so bildet sich die Aminosäure Cystin. Diese Verbindung kommt häufig in Proteinen vor, um deren Tertiärstruktur zu stabilisieren. Es kann auch zwischen zwei verschiedenen Proteinen zur Ausbildung von Disulfidbrücken und damit zu einer Vernetzung von Makromolekülen kommen. Durch ein Enzym aus der Klasse der Disulfid-Reduktasen, wie etwa der Glutathion-Disulfid-Reduktase, sind diese Reaktionen reversibel (6,21,22). Protein-Thiole können außerdem Disulfide mit kleinen Thiol-Verbindungen wie einem freien Cystein, Homocystein, Cysteinylglycin oder Glutathion eingehen. Auch diese Reaktionen sind reversibel. Die Thiolgruppe kann außerdem auch stärker oxidiert werden, wobei es dann zur Bildung von Sulfin- oder Sulfonsäure kommt. Diese Oxidation ist dann irreversibel, das betroffene Protein muss bei entsprechender Funktions31


einschränkung durch Proteasen erkannt und abgebaut werden (6,21,22). Die Oxidationsstufen von AL, die in dieser Arbeit beschrieben werden, betreffen genau solche Veränderungen am Cystein in Position 34 des Albuminmoleküls. Die Veränderungen während einer Hypoxie könnten somit die individuelle Belastung mit ROS abbilden, wobei ein Ansteigen von HNA-1 ein reversibles Ansprechen des Antioxidantien-Netzwerkes anzeigt, während HNA-2 einen Indikator für irreversible Schädigung darstellt. Daraus lassen sich möglicherweise Hinweise auf die Anpassungsfähigkeit eines Individuums an hypoxische Bedingungen ableiten. Antioxidative Abwehr Um Leben mit einem aeroben Stoffwechsel überhaupt erst zu ermöglichen, bedarf es eines differenzierten antioxidativen Abwehrsystems, damit Schäden an Proteinen, Kohlenhydraten, Lipiden und Nukleinsäuren weitgehend verhindert werden. Man unterscheidet zwischen enzymatischen und nicht-enzymatischen Abwehrmechanismen. Die Aufgabe der nicht-enzymatischen Abwehr ist es, mit reaktiven Spezies zu weniger reaktiven Verbindungen zu reagieren oder die Bildung reaktiver Spezies überhaupt zu verhindern. Sogenannte Radikalfänger können reaktive Spezies beseitigen und Kettenreaktionen unterbinden. Eine wichtige Gruppe von Radikalfängern stellen Moleküle mit einer freien Thiolgruppe (-SH), sogenannte Thiole dar. Dazu zählen u.a. Glutathion und Mercaptalbumin. Die mengenmäßig bedeutenste freie Thiolgruppe findet sich am Cystein an Stelle 34 am Albumin (21,22,24). Dieses Protein-Thiol macht 70–80 % des Thiol-Pools im Plasma aus (22–24). Thiole oxidieren reversibel unter Bildung von Disulfidbrücken und stellen somit ein wichtiges Bindeglied im antioxidativen Netzwerk dar. Dabei ist etwa die Oxidation zweier Glutathion-Moleküle zu Glutathiondisulfid von besonderer Bedeutung (22,25). Weitere bekannte Vertreter von Radikalfängern sind Alpha-Tocopherol (Vitamin E), Ascorbinsäure (Vitamin C), Harnsäure/Urat, Bilirubin oder auch Beta-Carotin (Vitamin A) (4,6). Enzymatische Abwehrsysteme zielen ebenfalls darauf ab, ROS zu ungefährlichen Verbindungen zu katalysieren. Durch einige enzymatische Abwehrmechanismen können reaktive Spezies direkt unschädlich gemacht werden; dazu zählen Enzyme wie die Superoxid-Dismutase, Glutathion-Peroxidase oder Katalase. Andere Enzyme sorgen dafür, dass nicht-enzymatische Antioxidantien regeneriert werden, wie etwa die Glutathionreduktase (GSSG-Reduktase) oder die Chinon-Reduktase (4,6). Verschiedene Mechanismen greifen dabei eng ineinander, sodass ein dichtes antioxidatives Netzwerk (antioxidative Kapazität) entsteht (10). 32


Albumin Das zentrale Molekül in dieser Pilotstudie stellt das humane Serumalbumin dar, das als Protein im menschlichen Organismus von multifunktioneller Bedeutung ist. Ein 70 Kilogramm schwerer Mensch enthält durchschnittlich 360 g AL, wovon sich nur etwa ein Drittel intravaskulär im Blutplasma befindet. Die beiden restlichen Drittel finden sich in unterschiedlichen Geweben und Körperflüssigkeiten wie etwa im Liquor, Speichel, Schweiß, Lymphe, Tränenflüssigkeit oder Kammerwasser des Auges. AL wird in den Hepatozyten gebildet und hat eine biologische Halbwertszeit von etwa 19 Tagen; etwa 13,3 g AL werden täglich abgebaut und müssen in derselben Menge nachgebildet werden. Das entspricht etwa 3,7 % der Gesamtmenge (26). Neben der Aufgabe als Proteinspeicher besitzt AL auch eine Reihe wichtiger Transportfunktionen, wie etwa von Fett- und Aminosäuren, Bilirubin, Kupfer- und Kalziumionen, Steroid- und Schilddrüsenhormonen sowie Phospholipiden. Auch zahlreiche Medikamente werden an AL gebunden transportiert. Eine weitere wichtige Aufgabe des Albumins ist die Aufrechterhaltung des kolloidosmotischen Drucks. Obwohl AL „nur“ 60 % der Masse der Plasmaproteine ausmacht, ist es für 80 % des kolloidosmotischen Druckes verantwortlich. Zudem ist AL das wichtigste Pufferprotein im Säure-Basen-Haushalt und besitzt, nicht zuletzt durch seine freie Thiolgruppe, eine antioxidative Wirkung (26,27). Die primäre Fragestellung der vorliegenden Arbeit war, ob sich der Redoxzustand der Aminosäure Cystein an Position 34 (cys-34) des AL-Moleküls unter normobarer Hypoxie-Exposition kurzfristig ändert. Die Thiolgruppe des cys-34 ist als einziges der 35 Cystein-Moleküle des Albumins nicht an einer intramolekularen Disulfidbindung beteiligt und liegt an der Außenseite des AL-Moleküls. Es kann daher leicht oxidiert oder auch wieder reduziert werden (24) (Abb. 1). Die vollständig reduzierte Form wird auch als humanes Mercaptalbumin (HMA) bezeichnet, denn das Cystein liegt mit einer freien Thiol-Gruppe (Mercapto-Gruppe) vor. HMA kann reversibel zum humanen Non-Mercaptalbumin 1 (HNA-1) oxidiert werden. Das Cystein liegt dann als Disulfid mit einem anderen Thiol, wie etwa einem zweiten Cystein, Homocystein oder Gluthation, vor. Wird hingegen HNA-1 weiter oxidiert, so ist dieser Prozess irreversibel und es entsteht humanes Non-Mercaptalbumin 2 (HNA-2). Dabei liegt das Cystein als Sulfin- oder Sulfonsäure vor. Bei einem jungen normoxämischen Menschen liegt der Anteil von HMA bei etwa 80 %, der von HNA-1 etwa bei 18 % und der von HNA-2 überwiegend unter 4 %. Die Redoxzustände des AL sind in Abbildung 1 dargestellt. 33


Abb. 1: Struktur des Albuminmoleküls (linke Seite). Das Cystein an Position 34 ist hervorgehoben. Diese Abbildung wurde erstellt auf Basis der PDB-Datei 1BJ5 von Curry et al. (28). Die Redoxzustände des Cysteins an Position 34 am Albumin (rechte Seite). Beim HMA liegt es als Thiol vor, beim HNA-1 bildet es ein Disulfid mit einem anderen Cysteinmolekül und beim HNA-2 liegt es als Sulfonsäure vor.

METHODEN Hypoxiekammertechnologie Die Höhenexposition wurde durch einen Aufenthalt in einer normobaren Hypoxiekammer (HK) erreicht. Dabei wurde der Sauerstoffgehalt der Atemluft reduziert und durch Stickstoff substituiert. Der Sauerstoffpartialdruck (paO2) im Blut wurde äquivalent zu terrestrischer großer Höhe (5.000 m/FiO2 0,11) abgeändert. Derartige Anlagen sind geeignet, höhenmedizinische Fragestellungen einfach und unter kontrollierbaren Bedingungen durchzuführen (29). Nach dem Prinzip der Druckwechseladsorption wurde Sauerstoff partiell abgetrennt und auf diesem Wege in der Einatemluft reduziert. Die HK umfasste ein Raumvolumen von 30 Kubikmetern. Der gewählte Grad an normobarer Hypoxie wurde mit 4 Generatoren (Hypoxico Everest II) konstant gehalten. Für die Durchführung des Pilotprojekts wurden 33 freiwillige Probanden und Probandinnen rekrutiert. Als Ausschlusskriterien wurden akute bzw. chronische Erkrankungen, Nikotinabusus, besondere Diätformen (Veganer), kurz zurückliegende Hypoxieexposition sowie körperliche Belastung (Sport) definiert. Vor Eintritt in die HK wurden Blutdruck, Herzfrequenz und Sauerstoffsättigung gemessen und venöse Blutproben gewonnen (8 mL EDTA-Blut 34


und 4 mL Na-Heparin-Blut). Die Messung der Herzfrequenz sowie der Sauerstoffsättigung erfolgte pulsoxymetrisch (Modell MD300C2). In weiterer Folge wurden obige Parameter stündlich während des 4-stündigen passiven Aufenthaltes in der HK geprüft. Am Ende der Hypoxieexposition erfolgte eine zweite Blutabnahme (4mL EDTA-Blut). Alle Blutproben wurden gekühlt in das Labor weitergeleitet. Zur Bestimmung des Albumin-Redoxzustandes wurde EDTA-Blut zentrifugiert (2500 U/min über 10 Minuten), das Plasma bei –70°C tiefgefroren. Dadurch konnte die weitere Stabilität des Albumin-Redox-Zustandes auch bei längerer Lagerung garantiert werden (21). Zur Analyse wurden die Plasmaproben wiederum auf Raumtemperatur gebracht und in einem Vibrationsmixer durchmischt, bevor die Analyse mittels Hochleistungsflüssigkeitschromatographie (HPLC/Hitachi) durchgeführt werden konnte. Die Analyse erfolgte nach dem von Imai et al. 2005 beschriebenen Verfahren (30). Für die HPLC-Analyse wurden die Plasmaproben im Verhältnis 1:100 mit einem Puffer gemischt; ein Volumen von 20 µL wurde dem HPLC-System zugeführt und entlang einer Anionentauscher Säule (Shodex) bei 35°C mit einer mobilen Phase aus 50 mM Natriumacetat und 400 mM Natriumsulfat aufgetrennt. Zur Elution wurde ein Gradient von 0–6 % Ethanol mit einer Flußrate von 1 mL/min verwendet. Die Detektion erfolgte anhand der Fluoreszenz bei 280 nm (Exzitation) und 340 nm (Emission). Für die Quantifizierung wurde die Fläche unter den Peaks der individuellen Detektionskurven durch das Einpassen von Gauss’schen Glockenkurven verglichen. Die Bestimmung von Malondialdehyd (MDA) erfolgte ebenfalls mittels HPLC, anhand des von Pilz et al. 2000 beschriebenen Verfahrens (19). Die Messungen erfolgten nach Derivatisierung mit 2,4-Dinitrophenylhydrazin. Die alkalische Hydrolyse des proteingebundenen MDA erfolgte mit einer Natriumhydroxid-Lösung. Anschließend wurden die Proben mit 35 %-iger Perchlorsäure deproteinisiert und nach Zentrifugation (14.000 G/2 Minuten) der Überstand mit 2,4-Dinitrophenylhydrazin (DNPH) inkubiert. Für die Standards wurden 25 µL Tetramethoxypropan in 100 mL bidestilliertem Wasser gelöst. 200 µL dieser Lösung wurden zwecks Hydrolyse mit 10 mL 1- %iger Schwefelsäure vermengt. Der dadurch entstehende MDA-Standard von 20 nmol/mL wurde mit 1 %-iger Schwefelsäure auf die endgültigen Standardkonzentrationen verdünnt. Die Proben, die derivatisierten MDA-Standard-Lösungen (0.625 nmol/mL-10 nmol/mL), sowie Blindproben wurden dem HPLC-System zugeführt. Die mobile Phase bestand aus 0,2 %-iger Essigsäurelösung mit 50 % Acetonitril. Die Detektor-Signale wurden bei einer Wellenlänge von 310 nm 35


aufgezeichnet. Zur quantitativen Auswertung wurden die jeweiligen Peakhöhen herangezogen und daraus die Standardkurven erstellt, mit deren Hilfe die MDA-Konzentrationen berechnet wurden. Das Li-Heparin-Blut für die Messwerte der klinischen Chemie wurde nach Routineverfahren analysiert und das Blutbild mit einem Hämatologie-Analysator bestimmt (Sysmex KX-21N).

ERGEBNISSE Nach dem Ende der Analysen konnten die Messwerte von 21 Probanden und Probandinnen (14 M, 7 F) ausgewertet werden. Die Hauptzielgröße dieser Arbeit war die Änderung des Verteilungsmusters der einzelnen Albuminfraktionen. Die mittlere HMA-Fraktion verringerte sich statistisch signifikant von 80,7 % auf 79,0 %. Das bedeutet eine absolute Verringerung um 1,6 %, was einer relativen Abnahme von 2,0 % (p=0,003) entsprach. Dabei gab es keine signifikanten Unterschiede zwischen Männern und Frauen (mittlere Änderung m= –0,01; w= –0,01; p=0,56). Der Median der erhobenen HMA-Anteile lag vor der Hypoxie-Exposition bei 80,3 % und nach dem Aufenthalt in der Höhenkammer bei 78,3 %. Betrachtet man allerdings den HMA-Abfall jeweils getrennt, war dieser bei Männern nicht signifikant (p=0,067), bei den Frauen allerdings sehr wohl (p=0,008). Insgesamt kam es bei 16 Probanden und Probandinnen zu einer Abnahme und bei 5 Versuchspersonen zu einem Anstieg der HMA-Fraktion. Die HMA-Anteile vor und nach der Exposition wurden in Abbildung 2 grafisch dargestellt. HNA-1 stieg hingegen durchschnittlich in gleichem Umfang wie das HMA sank. Im Mittel betrug die HNA-1-Fraktion vor dem Versuch 17,5 % und nach der Hypoxie Exposition 19,0 %. Somit betrug der absolute Anstieg 1,4 %, was einem relativen Anstieg von 8,1 % entsprach (p=0,011). Der Median der erhobenen HNA-1-Anteile stieg von 17,6 % vor der Hypoxie-Exposition auf 19,1 % danach, wobei sich kein signifikant unterschiedlicher Anteil zwischen den Geschlechtern ergab (HNA-1-Anstieg m=0,01; w=0,02, p=0,65); auch hier war der Anstieg allein auf die Männer bezogen statistisch nicht signifikant (p=0,110), bei den Frauen lag dieser an der Signifikanzgrenze (p=0,035). Im Gegensatz zu den Ergebnissen der HMA-Fraktion kam es bei 16 Versuchspersonen zu einem Anstieg und bei 5 Versuchspersonen zu einem Absinken der HNA-1-Fraktion. Die Änderungen von HNA-1 wurden in Abbildung 2 grafisch dargestellt. Die Änderungen von HMA korrelierten statistisch signifikant, jedoch invers mit den Änderungen von HNA-1 (r= –0,94, p=0,001). 36


Abb. 2: HMA- und HNA-1-Anteile vor und nach Hypoxie-Exposition (rot: Mittelwerte).

Der prozentuale Anteil von HNA-2 war bei allen Teilnehmern sehr gering. Vor Hypoxieexposition lag der Anteil von HNA-2 durchschnittlich bei 1,8 %, nach der 4-stündigen Exposition betrug HNA-2 2,0 %. Das entsprach einer absoluten Steigerung von 0,2 % und einem relativen Anstieg von 11,6 %. Dieser hohe relative Anstieg war zum überwiegenden Teil dem nur geringen Ausgangswert von HNA-2 zuzuschreiben und könnte auch durch den bei diesen geringen Absolutwerten großen Messfehler hervorgerufen worden sein. Der Anstieg von HNA-2 war statistisch nicht signifikant (p=0,25). Der Median der gemessenen HNA-2-Fraktionen stieg von 1,6 % vor der Hypoxie-Exposition auf 1,9 % danach. Es wurden keine wesentlichen geschlechtsspezifischen Unterschiede detektiert. Als weiterer Indikator für oxidativen Stress wurde Malondialdehyd (MDA) bestimmt, wobei ein nicht signifikanter Anstieg um 0,1 nmol/mL von 1,4 nmol/ mL auf 1,5 nmol/mL registriert wurde (p=0,19). Nur bei 12 der 21 Probanden und Probandinnen kam es zu einem Anstieg, bei 8 Teilnehmern nahm der Malondialdehydgehalt sogar ab, und in einem Fall blieb MDA unverändert. Es gab auch keine relevanten geschlechtsspezifischen Unterschiede. Vier der fünf Versuchspersonen, bei denen der HMA-Anteil im Laufe des Versuches anstieg, befanden sich unter jenen 9 Versuchspersonen, bei denen MDA im gleichen Zeitraum abfiel bzw. unverändert blieb. Eine Person mit ge37


-1,0

-0,5

0,0

0,5

1,0

1,5

6%

Änderung des HMA-Anteils in %

4%

2%

0%

-2%

-4%

Änderung des MDA in nmol/mL

-6%

Abb. 3: Änderungen der MDA-Konzentrationen in Relation zu Änderungen des prozentuellen HMA-Anteils.

stiegenem HMA-Anteil hatte zudem einen nur minimalen MDA-Anstieg von 0,05 mmol/L (Abb. 3). Durchschnittlich lagen die SpO2-Werte nach 1, 2 und 3 Stunden in der Kammer bei 78,4 %, 78,6 % sowie 79,8 %. Bei der ersten Messung vor Betreten der Kammer lag der Durchschnitts-SpO2 bei 98,0 %. Der Verlauf der Sauerstoffsättigung während der Hypoxie-Exposition bei den Teilnehmern ist in Abbildung 4 dargestellt. Die genaue Begutachtung der individuellen Werte der Versuchspersonen schien aufgrund der eingeschränkten Präzision der Finger-Pulsoxymetrie nicht zielführend. Allerdings zeigten die Durchschnittswerte plausible Dimensionen, welche hier als gute Näherung für das tatsächliche Verhalten der Sauerstoffsättigung herangezogen wurden. Es gab keine signifikanten Unterschiede zwischen den Geschlechtern (p=0,61). Als unspezifischer Marker für eine Stressreaktion wurden weiters die Leukozyten aus dem Blutbild sowohl vor Betreten der Kammer als auch nach der Exposition bestimmt. Im Durchschnitt kam es zu einem Anstieg der Leukozyten von 6,2 x 103/µL auf 7,4 x 103/µL. Das ist ein absoluter Anstieg von 1,2 x 103/ 38


2

SpO % SpO2 inin %

Leukozyten 1033/µL /µL Leukozyten in in 10

µL und das entspricht einer relativen Steigerung um 18,6 %. Diese Steigerung war signifikant (p=0,002). Die Verteilung der Leukozytenwerte vor und nach der Hypoxieexposition ergab eine deutliche Differenz zwischen Männern und Frauen (Abb. 4). Während der Anstieg bei den männlichen Probanden sehr deutlich ausfiel, war ein solcher bei den teilnehmenden Frauen nicht erkennbar. Der Anstieg bei den Männern betrug im Durchschnitt 1,8 x 103/mL, bei den Frauen kam es sogar zu einer minimalen Abnahme der Leukozytenzahl um 0,1 x 103/µL. Dieser Unterschied war statistisch signifikant (p=0,007), allerdings war die individuelle Streuung beträchtlich. Die Änderungen der Leukozyten lagen bei den Männern zwischen –0,5 x 103/µL und +4,3 x 103/µL, bei den Frauen zwischen –1,4 x 103/µL und +1,5 x 103/µL.

Abb. 4: Boxplot der Leukozyten vor und nach Exposition (linke Seite) und Verlauf der Sauerstoffsättigung der einzelnen Teilnehmer im Zeitverlauf (rechte Seite); rot: Mittelwerte.

Die durchschnittliche Leukozytenanzahl vor dem Versuch betrug bei den Männern 5,7 x 103/µL und bei den Frauen 7,2 x 103/µL; dieser Unterschied war statistisch signifikant (p=0,047). Nach der Hypoxie-Exposition betrug die Leukozytenanzahl bei den Männern 7,5 x 103/µL und bei den Frauen 7,2 x 103/µL. Durch die deutliche Zunahme bei den Männern war der Unterschied zwischen Männern und Frauen post-expositionell nicht mehr evident (p=0,71). 39


DISKUSSION Die absolute Abnahme des HMA-Anteiles von 1,6 % nach vierstündiger Hypoxieexposition und dem zeitgleichen Anstieg des HNA-1-Anteils um 1,4 % scheint recht gering, doch relativiert sie sich an der großen AL-Plasmakonzentration. Auf Basis eben dieser hohen Plasmakonzentration ist ein doch beachtlicher oxidativer Einfluss auf Albumin zu erkennen. Bezogen auf die mittlere AL-Konzentration aller Probanden (4,9 g/dL bzw. 737,3 µmol/L) bedeutet dies eine Abnahme von HMA um 12 µmol/L, was immerhin der doppelten Gesamtkonzentration von Glutathion im Plasma (4,9 – 7,3 µmol/L) entspricht. Diese Änderung ist auch hoch gemessen an der Konzentration von vielen anderen Antioxidantien des Plasmas. So finden sich etwa die reduzierten niedermolekularen plasmatischen Thiole in einem Konzentrationsbereich von 12–20 µmol/L (22). Aus dieser Perspektive betrachtet, erscheint der oxidative Einfluss nach nur vier Stunden auf simulierten 5.000 m Seehöhe doch beachtlich. Während der Hypoxie kam es zu keinem Anstieg des Hauptmarkers der Lipidoxidation, dem MDA. Möglicherweise kommt es erst nach einer längeren Hypoxieexposition zu einem MDA-Anstieg oder die antioxidative Abwehr inklusive dem AL als Redox-Puffer ist imstande, die milde oxidative Belastung soweit abzufangen, dass es zu keiner Lipidoxidation kommt. Es gibt aber auch Hinweise, dass es vor allem in der Phase der Reoxygenierung zu einer deutlichen Zunahme des MDA-Spiegels im Blut kommt (19). In dieser Arbeit wurde die letzte Blutabnahme noch vor der Reoxygenierung durchgeführt, somit liegen keine Daten zu diesem Zeitraum vor. Bei vier Probanden und Probandinnen kam es, entgegen dem Trend und der Erwartung, zu einem Anstieg des HMA. Betrachtet man diese Teilnehmer und Teilnehmerinnen, so fällt auf, dass bei allen zusätzlich auch die MDA-Konzentration sank. Bei einer Versuchsperson kam es zu keiner Änderung des HMA-Wertes, wobei die MDA-Konzentration minimal anstieg. Das könnte ein Hinweis darauf sein, dass diese Versuchspersonen bereits vor dem Betreten der Hypoxiekammer einem oxidativen Stressor (physische Belastung) ausgesetzt waren. Die Regeneration des antioxidativen Abwehrsystems könnte dann gegenüber der milden oxidativen Belastung überwiegen. Auch eine individuelle Disposition zu besserer Hypoxietoleranz ist denkbar. Dass sowohl beim MDA als auch beim HNA-2 kein deutlicher Anstieg während der Hypoxie eintrat, spricht dafür, dass die oxidative Belastung während der Hypoxie eher gering war und mit der großen Menge an reduzierten Thiolen besonders in Form des HMA im Plasma ein potenter und leicht regenerier40


barer Redox-Puffer zur Verfügung stand, wofür die Erhöhung der HNA1-Anteile spricht. Teilweise kam es zu großen relativen Anstiegen beim HNA-2, die vermutlich auch auf die geringen Mengen von HNA-2 im Plasma zurückzuführen waren. Gerade beim HNA-2 und seinen geringen Mengen wird auch die verwendete Meßmethode verhältnismäßig ungenau. Auffällig war jedoch ein deutlicher Anstieg der Gesamtleukozytenzahl bei den Männern. Während die mittlere Leukozytenzahl bei den Probandinnen beinahe gleich blieb, stieg diese bei den männlichen Teilnehmern von 5,7 x 103/µL auf 7,5 x 103/µL. Trotz einer großen individuellen Streuung war dieser Unterschied signifikant. Vermutlich spielten geschlechtsspezifische Unterschiede in Bezug auf die hypoxische Atemantwort (HVR) eine Rolle. Tierexperimentell konnten Knoferl et al. 2000 in einer Studie mit hypoxieexponierten Mäusen einen deutlicheren Anstieg von IL-6 und TNF-alpha bei den männlichen Versuchstieren nachweisen (31). Ob dieser Effekt auch auf den Menschen übertragbar ist, wurde allerdings nicht untersucht. In der vorliegenden Arbeit gilt es zu beachten, dass die Probandenzahl aus logistischen Gründen gering und das Verhältnis Männer zu Frauen nicht ausgeglichen war. Größer angelegte, speziell für diese Zielgrößen konzipierte Studien wären erforderlich, um die Reproduzierbarkeit der Ergebnisse zu prüfen und nach weiteren kausalen Faktoren zu fahnden. Bei der Betrachtung der Sauerstoffsättigung (SpO2) war die Tatsache auffallend, dass es beträchtliche Unterschiede zwischen den einzelnen Probanden und Probandinnen gab. Auch Letzteres ist vermutlich Ausdruck einer individuell unterschiedlichen Hyperventilationsfähigkeit und respiratorischen Hypoxieantwort. Wegen der höheren Präzision sollte bei zukünftigen Untersuchungen die Sauerstoffsättigung über eine arterielle Blutgasanalyse bestimmt werden. Dadurch könnte durch den paCO2- und pH-Wert auch auf das Ausmaß der reaktiven Hyperventilation geschlossen werden. Natürlich konnte diese Pilotstudie nur erste Hinweise auf die Albuminoxidation in großen Höhen geben. Die geringe Anzahl der eingeschlossenen Versuchspersonen schränkt die Aussagekraft ein. Trotz dieses Vorbehaltes wiesen die Ergebnisse der Untersuchung auf eine deutliche Reaktion des Albumin-Redoxsystems hin und die registrierten Änderungen waren statistisch signifikant. Der kurze Aufenthalt in simulierter Höhe und die Tatsache, dass sich die Teilnehmer in körperlicher Ruhe in der HK befanden, reflektierten auch nur marginal die realen Bedingungen terrestrischer großer Höhen wider. Damit die AL-Oxidation unter Hypoxiebedingungen genauer untersucht werden kann, wären Studien mit größeren Probandenzahlen sowie längeren Expositionszei41


ten in einer HK erforderlich. Dabei sollte auch der Phase der Reoxygenierung besondere Aufmerksamkeit zukommen. Im Rahmen definierter sportlicher Belastungen gesunder Männer unter normoxischen Bedingungen konnten Lamprecht et al. bereits vor 10 Jahren auf signifikante Auslenkungen des Albumin-Redox-Status bei gesunden Männern hinweisen (32). Es wäre daher auch sinnvoll, die oxidative Belastung während körperlicher Anstrengung in großen Höhen mit Bedingungen auf Normalhöhe zu vergleichen. Obwohl sich doch deutliche Auslenkungen am Redox-Puffer AL zeigten, gibt es deutliche interindividuelle Streuungen, die darauf schließen lassen, dass nicht alle Individuen im gleichen Ausmaß von der Generation von ROS betroffen sind. Da ROS wichtig für die Stabilisierung von HIF1-α sind, und dieser Transkriptionsfaktor eine wichtige Rolle für die Induktion der Mechanismen während der Höhenanpassung spielt, wäre es durchaus von Interesse, zu untersuchen, ob es einen Zusammenhang zwischen dem Ausmaß der AL-Oxidation und der individuellen Anpassungsfähigkeit an Hypoxie bzw. an große Höhen gibt (10,11).

Abb. 5. Exogene und endogene ROS: Erfordernis für den Akklimatisationsvorgang in (Foto W. Domej) der Höhe

42


Es ist auch vorstellbar, dass Alpinisten, die nur in sehr geringem Ausmaß mit Änderungen der Oxidationsstufe des AL reagieren auch lange Akklimationszeiten aufweisen bzw. sich überhaupt nur sehr schwer auf einer bestimmten Höhenstufe akklimatisieren können. Dadurch wäre mit einer Quantifizierung der AL-Oxidation möglicherweise eine gewisse Prädiktion der individuellen Akklimatisationsfähigkeit auf biochemischem Wege gegeben.

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❙ Tobias Dünnwald ❙

Intermittierende Hypoxie: nützliche Effekte auf das kardiovaskuläre System? Intermittend hypoxia: beneficial effects on the cardiovascular system?

SUMMARY Hypoxic conditioning in its various forms has successfully been applied for enhancement of exercise performance and altitude preacclimatization in athletes since many years. However, observed physiological adaptations generated by repeated hypoxic stimuli could have important relevance in the treatment or prevention of a diversity of human diseases. In recent years, there is increasing research investigating the question of potential therapeutic benefits of hypoxic conditioning. Especially, the application of interval hypoxia with short cycles over a period of 2–4 weeks seems to be of interest. Effects generated by the relatively non-invasive method imply improved blood pressure control, increased exercise tolerance and performance as well as improved autonomic control, which have positive impact on cardiovascular health in different ways. At the same time, this type of intermittent hypoxia illustrates to be well tolerated in healthy as well as in patients and is quite straightforward in its application. Keywords: Intermittent hypoxia, cardiovascular system, exercise tolerance, therapy ZUSAMMENFASSUNG Hypoxietraining in seinen unterschiedlichen Ausprägungen wird bereits seit vielen Jahren erfolgreich zur Leistungssteigerung von Spitzensportlern sowie zur Präakklimatisation im Bergsport eingesetzt. Die durch den wiederholten Hypoxiereiz erzeugten physiologischen Adaptationseffekte könnten sich jedoch auch besonders bei einer Vielzahl von Erkrankungen bzw. deren Prävention als äußerst nützlich erweisen. In den letzten Jahren wurde daher vermehrt der Frage nach einem potentiellen therapeutischen Nutzen hypoxischer 47


performance and altitude preacclimatization in athletes since many years. However, observed physiological adaptations generated by repeated hypoxic stimuli could have important relevance in the treatment or prevention of a diversity of human diseases. In recent years, there is increasing research investigating the question of potential therapeutic benefits of hypoxic conditioning. Especially, the application of interval hypoxia with short cycles over a period of 2-4 weeks seems to be of interest. Effects generated by the relatively non-invasive method imply blood pressure control, Konditionierung nachgegangen. Besonders dieimproved intervallartige Anwendung increased exercise tolerance and performance as well as improved autonomic control, which have von Hypoxie in Ruhe mit kurzer Zyklusdauer über einen Zeitraum von 2–4 positive impact on cardiovascular health in different ways. At the same time, this type of intermittent Wochen scheint entscheidenden der in hypoxia illustrates to bevon wellgroßem tolerated Interesse. in healthy asZu well as in patients and Veränderungen is quite straightforward its application. relativ nicht-invasiven Methode zählen verbesserte Blutdruckkontrolle, gesteiKeywords: Intermittent hypoxia, cardiovascular system, exercisesowie tolerance, therapy autonome gerte Belastungstoleranz und Leistungsfähigkeit verbesserte

Kontrolle, welche die kardiovaskuläre Gesundheit auf unterschiedliche Art beeinflussen. Gleichzeitig weist diese Form der intermitHypoxietraining in seinen unterschiedlichen Ausprägungen wird bereits seit vielen Jahren erfolgreich tierenden Hypoxie eine gute Verträglichkeit sowohl bei gesunden als auch bei zur erkrankten Leistungssteigerung von Spitzensportlern sowie zur Präakklimatisation im Bergsport eingesetzt. Personen auf und ist durchaus unkompliziert in ihrer Anwendung. Die durch den wiederholten Hypoxiereiz erzeugten physiologischen Adaptationseffekte könnten sich Schlüsselwörter: Intermittierende kardiovaskuläres System, Belasjedoch auch besonders bei einer Vielzahl von Hypoxie, Erkrankungen bzw. deren Prävention als äußerst tungstoleranz, nützlich erweisen. In Therapie den letzten Jahren wurde daher vermehrt der Frage nach einem potentiellen ZUSAMMENFASSUNG und Weise positiv

therapeutischen Nutzen hypoxischer Konditionierung nachgegangen. Besonders die intervallartige Anwendung von Hypoxie in Ruhe mit kurzer Zyklusdauer über einen Zeitraum von 2-4 Wochen scheint von großem Interesse. Zu entscheidenden Veränderungen der relativ nicht-invasiven Methode HINTERGRUND zählen verbesserte Blutdruckkontrolle, gesteigerte Belastungstoleranz und Leistungsfähigkeit sowie verbesserte autonome Kontrolle, welche die kardiovaskuläre Gesundheit auf unterschiedliche Art und Weise Gleichzeitig dieseund Form derdamit intermittierenden Hypoxie eine gute Umpositiv einenbeeinflussen. Sauerstoffmangel imweist Körper die verbundenen, potentielVerträglichkeit sowohl bei gesunden als auch bei erkrankten Personen auf und ist durchaus len positiven Anpassungsreaktionen auszulösen, kommen bei inaktiven Persounkompliziert in ihrer Anwendung. nen bzw. Patienten grundsätzlich auch all jene im Spitzensport angewendeten Schlüsselwörter: Intermittierende Hypoxie, kardiovaskuläres System, Belastungstoleranz, Therapie

Formen des Hypoxietrainings in Frage (Abb. 1).

Ge

Hypobare Hypoxie • •

Normobare Hypoxie • •

Atmosphärendruck↓ Natürliche Höhe oder Unterdruckkammer

passiv

aktiv

aktiv

O2↓, N2↑ Druck ↔ Simulierte Hypoxie Kammer, Zelt, Maske

passiv

Abb. 1: Formen des Hypoxietrainings

Abb. 1: Formen des Hypoxietrainings

Studien bei dieser Zielgruppe lassen jedoch einen klaren Fokus auf sogenannte Intermittierende Studien bei dieser Zielgruppe lassen jedoch einen klaren Fokus auf sogenannte Hypoxie-Anwendungen erkennen, welche durch wiederholte Sauerstoffmangelexpositionen im Intermittierende erkennen, durch wiederholte Wechsel mit Phasen der Hypoxie-Anwendungen Normoxie gekennzeichnet sind (1). Hierbeiwelche sind Zyklusdauer, Hypoxiegrad

Sauerstoffmangelexpositionen im Wechsel mit Phasen der Normoxie gekennzeichnet sind (1). Hierbei sind Zyklusdauer, Hypoxiegrad und Gesamtdauer der Hypoxiephasen sowie Dauer der Normoxiephasen nicht vordefiniert. Die positiven kardiovaskulären Effekte von prolongierten Höhenaufenthalten in natürlicher Höhe sind zwar bekannt (2), jedoch kann diese Art der Höhenex48

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position besonders bei Patienten mit einem erhöhten medizinischen Betreuungsaufwand, zusätzlichem Reiseaufwand sowie daraus resultierenden hohen Kosten in Verbindung stehen. Hinzu kommt eine hohe Variabilität aufgrund unterschiedlicher geographischer und klimatischer Bedingungen, sodass insgesamt der prolongierte Höhenaufenthalt in natürlicher Höhe für eine zukünftige, standardisierte, medizinische Therapiemaßnahme, welche möglichst massentauglich angewendet werden kann, eher ungeeignet scheint (3).

INTERMITTIERENDE HYPOXIE (IH) UND KARDIOVASKULÄRE GESUNDHEIT Blickt man vornehmlich auf Studien, welche sich primär mit kardiovaskulären Effekten intermittierender Hypoxie bei inaktiven Personen bzw. Patienten mit unterschiedlichen Erkrankungen beschäftigt haben, so können hinsichtlich eingesetzter Hypoxie-Protokolle zumindest grob drei unterschiedliche Formen voneinander abgegrenzt werden: 1.) kontinuierliche IH in Ruhe ≥30 Minuten bis zu mehreren Stunden (meist 3–4h) pro Tag, hypobar oder normobar, für 2–6 Wochen; 2.) IH in Ruhe mit kurzen Hypoxiezyklen von 2–10 Minuten im Wechsel mit etwa gleichlangen Phasen der Normoxie für 40–90 Minuten pro Tag über 2–5 Wochen; 3.) kontinuierliche intermittierende Hypoxie in Kombination mit Belastung für 30 min bis zu 2 Stunden pro Tag für mehrere Tage bis Wochen (vereinzelt bis zu mehreren Monaten) (Abb. 2).

Abb. 2: Eingesetzte Hypoxieprotokolle bei inaktiven Personen und Patienten hinsichtlich kardiovaskulärer Gesundheit.

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Grundsätzlich entscheidet die Wahl des Hypoxieprotokolls und damit die “Dosis“ über optimalen Nutzen (Adaption) oder schlimmstenfalls Maladaption einer IH-Anwendung. Dies zeigt sich recht deutlich am Beispiel der durch obstruktive Schlafapnoe (OSA) induzierten chronischen intermittierenden Hypoxie, welche mit nachteiligen kardiovaskulären, respiratorischen sowie metabolischen Veränderungen einhergehen kann (4). So kommt es bei OSA zu sehr kurzen (ca. 30 sec.) jedoch schweren Hypoxieexpositionen (inspiratorische Sauerstofffraktion (FiO2): 2–8%), welche mit großer Wiederholungszahl pro Tag (mehrere hunderte) stattfinden (4). OSA stellt eine reine Stressreaktion dar, bei der keine Zeit für einen kompensatorischen Effekt bleibt. Ein Akklimatisationsprozess kann daher nicht stattfinden. Vielmehr kann ein derartiger Hypoxiereiz über eine Steigerung der Sympathikusaktivität bei gleichzeitiger Reduktion der Baroreflexsensitivität in letzter Konsequenz zur Entstehung einer Hypertonie führen sowie das kardiovaskuläre Risiko (Infarkt, Schlaganfall, Arrhythmien) steigern (5,6). Im Gegensatz dazu zielen länger andauernde Expositionen (5min bis mehrere Stunden), welche jedoch mit deutlich geringerer Wiederholungszahl pro Tag sowie niedrigerem Hypoxiegrad (FiO2: 10–15%) stattfinden, auf einen starken kompensatorischen Effekt ab. Inwieweit die IH-Expositionen das kardiovaskuläre System beeinflussen können, soll im Folgenden genauer beleuchtet werden. 1) Kontinuierliche IH in Ruhe mit einer Dauer von ≥ 30 Minuten bis zu mehrere Stunden/Tag, 2–6 Wochen: Insgesamt hat sich nur eine geringe Anzahl an Studien mit kardiovaskulären Auswirkungen derartiger Hypoxieexpositionen bei Patienten oder inaktiven Personen auseinandergesetzt. Den größten Anteil stellen hierbei Untersuchungen mit hypobaren Hypoxieanwendungen, die für eine Dauer von 30 Minuten bis zu 4 Stunden eingesetzt wurden. Eine signifikante Abnahme des arteriellen Blutdruckes konnte bereits nach 30 minütigen Anwendungen, welche über einen Zeitraum von 3 Wochen durchgeführt wurden, bei Patienten mit grenzwertiger Hypertonie beobachtet werden (7). Ähnlich positive Effekte auf den systolischen (–14%) sowie diastolischen Blutdruck (–8%) zeigte sich bei etwas längerer Expositionsdauer (3h) bei Patienten mit Grad-1-Hypertonie (8). Patienten mit koronarer Herzerkrankung (KHK) wiesen nach den hypobaren IH-Expositionen eine verbesserte myokardiale Perfusion (9) sowie ein verbessertes Lipidprofil auf (Abnahme von Gesamtcholesterin und LDL, Steigerung von HDL), wobei das Ausmaß des Effektes positiv mit der Höhe der Ausgangslevel korrelierte (10). Positive kardiovaskuläre Effekte zeigten zudem Saeed et 50


al. bei Patienten mit stabiler chronischer Herzinsuffizienz, welche unter normobaren Bedingungen durchgeführt wurde (11). Hierbei war nicht nur ein Trend hinsichtlich Verbesserung der linksventrikulärer Ejektionsfraktion zu beaobachten, sondern auch eine signifikante Steigerung der Leistungsfähigkeit (Verbesserung im 6-Minuten Gehtest, Zunahme von VO2max und Belastungszeit; (11). Hervorzuheben gilt, dass die festgestellten Verbesserungen bei dieser Studie nicht nur unmittelbar nach Vollendung der Intervention erzielt wurden, sondern auch 4 Wochen danach noch anhielten. Inwieweit der gewählte Hypoxiegrad Hämodynamik und Belastungstoleranz bei untrainierten, inaktiven Personen beeinflusst, war Gegenstand der Untersuchungen von Wang et al. (12–14). Bei Anwendungen mit einem FiO2 von 15% (2733m simulierte Höhe) für eine Stunde pro Tag zeigte sich sowohl nach vier als auch nach acht Wochen eine deutliche Zunahme der VO2max, der submaximalen Leistungsfähigkeit, der pulmonalen Ventilation sowie eine reduzierte pro-inflammatorische Zytokinreaktion auf anstrengende Belastung (12,13). Im Gegensatz dazu wurde bei Absenkung des FiO2 auf 12% (4.500 m) bereits nach vier Wochen eine Reduktion hyperämischer Effekte, eine gesteigerte Lipidperoxidation, eine Abnahme der Vitamin E-Level sowie eine Reduktion der vaskulären Endothelfunktion festgestellt (12). Bei Anwendung des gleichen Protokolls (FiO2:12%) über einen Zeitraum von 8 Wochen zeigte sich jedoch eine Abnahme der pro-inflammatorischen Zytokinreaktion auf Belastung bei gleichzeitiger Zunahme anti-inflammatorischer Zytokine (Interleukin-6, Interleukin-10) in Ruhe (13). Eine verallgemeinernde Aussage zur Favorisierung des einen oder anderen Protokolls (i.e. Hypoxiegrad) ist aber aufgrund der unzureichenden Datenlage nicht möglich. Gründe für die geringe Anzahl an in hypobarer Hypoxie durchgeführten Studien, welche sich auf kardiovaskuläre Effekte durch kontinuierliche IH-Expositionen fokussieren, sind möglicherweise auf nicht selten auftretende Nebeneffekte zurückzuführen, die teilweise bei bis zu einem Drittel der Patienten berichtet wurden (6). Hierzu zählen u.a. Kopfschmerzen, Angina Pectoris oder Herzrhythmusstörungen (6). Zudem besteht bei Mehrplatzkabinen die Schwierigkeit, die Hypoxiedosis individuell anzupassen. 2) IH in Ruhe mit kurzen Hypoxiezyklen von 2–10 Minuten im Wechsel mit etwa gleichlangen Phasen der Normoxie für 40–90 Minuten pro Tag über 2–5 Wochen: Im Vergleich zu längeren IH-Anwendungen scheinen kürzere IH-Interventionen mit Maskenatmung eine unkomplizierte und kostengünstige normobare 51


der Normoxie für 40-90 Minuten pro Tag über 2-5 Wochen: Im Vergleich zu längeren IH-Anwendungen scheinen kürzere IH-Int eine unkomplizierte und kostengünstige normobare IH-Maßnahme d Protokollen erfolgt eine sukzessive, wöchentliche Steigerung des Hy IH-Maßnahme darzustellen. Bei einigen Protokollen erfolgt eine sukzessive, Zunahme der Steigerung Dauer sowie Anzahl der (Abb.3). wöchentliche des Hypoxiegrades beiZyklen gleichzeitiger Zunahme der Dauer sowie Anzahl der Zyklen (Abb. 3). Tage 1–5

Tage 1-5

Dauer der Atemperiode (min)Atemperiode 3 3 3 3(min) 3 Dauer der Sauerstofffraktion (FiO2) (%)

Tage 8–12

Sauerstofffraktion (FiO2) (%) Tage 8-12

Dauer der Atemperiode (min) FiO2 (%)

3 15

15 21 15 21 15

4

3

4

3

4

3

3 21

4

13 21 13 21 13 21 13

Tage 15–19 Dauer der Atemperiode (min) FiO2 (%)

5

3

5

3

5

3

5

3

5

12 21 12 21 12 21 12 21 12

Abb. 3: Beispiel für ein typisches 3-wöchiges intermittierendes Atem-Protokoll (mod. nach Burtscher et al. (15)).

Unter Einsatz eines solchen Protokolls untersuchten Haider et al. erstmalig kardiovaskuläre Effekte von IH bei Patienten mit milder chronisch obstruktiver Lungenkrankheit (COPD) (16). Dabei wurde unter anderem eine Steigerung des RR-Intervalls auf ein vergleichbares Level gesunder Kontrollpersonen beobachtet. Neben einer leichten (nichtsignifikanten) Absenkung des systolischen Blutdrucks konnte außerdem ein positiver Einfluss auf die eingangs reduzierte Baroreflexsensitivität (BRS) gezeigt werden, ebenfalls in Richtung normaler Werte. Diese Ergebnisse sind insofern relevant, da eine reduzierte BRS mit einem erhöhten Risiko kardiovaskulärer Morbidität sowie Mortalität, Herzrhythmusstörungen und Schlaganfall einhergehen kann (17). Ein antihypertensiver Effekt durch IH konnte außerdem bei Patienten mit Grad I Hypertonie festgestellt werden. Die auf Normalniveau reduzierten systolischen und diastolischen Blutdruckwerte waren zusammen mit einer gesteigerten Stickoxid (NO)-Synthese bei 85% der Patienten auch 3 Monate nach Beendigung der Intervention noch zu beobachten (18). Der positive Effekt auf den diastolischen Blutdruck war dabei ausgeprägter, wenn die Dauer der Hypertonie-Erkrankung weniger als 5 Jahre betrug. Bei aktiven, gesunden älteren Personen (60–74 Jahre) scheint hingegen eine Beeinflussung des Blutdruckes zumindest nach einer 10-tägigen Anwendung von IH im Gegensatz zur Gruppe der inaktiven Personen, welche eine signifikante Reduktion des arteriellen Blutdrucks 52

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aufzeigten, nicht gegeben zu sein (19). Ein Ausbleiben des Effektes auf die mikrovaskuläre Endothelfunktion bei der Gruppe der gesunden aktiven Personen wurde darauf zurückgeführt, dass körperliches Training per se bereits die mikrovaskuläre Endothelfunktion steigert (19). Dass eine Abnahme des systolischen Blutdruckes auch bei übergewichtigen und teilweise adipösen Personen erreicht werden kann, zeigten unlängst Costalat et al. (20). Im Gegensatz zu den bereits angeführten Studien wurden hierbei die Dauer der Hypoxie- und Normoxiephasen individuell angepasst. Dementsprechend wurden die Hypoxiephasen jeweils erst dann beendet und die Phasen der Normoxie bis zu einen SpO2 von 95% eingeleitet, wenn ein Schwellenwert des SpO2 von 70% erreicht wurde. Ziel war es, über die Dauer einer Anwendung einen durchschnittlichen SpO2-Wert von 80% zu erreichen (Abb. 4). Aufgrund der durch die IH-Exposition unveränderten Herzfrequenzvariabilitätsparameter (rMSSD) sowie Ruhe-Herzfrequenz wurde hierbei angenommen, dass der Blutdruck-Abfall nicht über eine veränderte BRS zu erklären ist, sondern vielmehr die Folge einer NO Steigerung ist (20).

Abb. 4: Exemplarischer Verlauf individueller Hypoxie- und Normoxiephasen während einer einzelnen IH Anwendung eines Probanden (20).

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Weiterhin konnte bei inaktiven Personen nach 4-wöchiger IH-Exposition mit sukzessiver Reduktion des FiO2 (16–12%) eine verbesserte parasympathische Modulation des Autonomen Nervensystems (ANS) mit reduzierter Ruheherzfrequenz (–10%), gesteigerter rMSSD (+72%) sowie verlängertem RR-Intervall (+8%) als adaptive Anpassungsreaktion an die wiederkehrenden Hypoxiereize gezeigt werden (21). Möglicherweise hat daher eine zu geringe Dauer der IH Anwendung (2 Wochen) trotz eines insgesamt moderat höheren Hypoxiegrades bei der Untersuchung von Costalat et al. verhindert, dass Veränderungen im Bereich der Herzfrequenz oder der rMSSD aufgetreten sind (20). Ein positiver Effekt auf das kardiovaskuläre System konnte außerdem erst kürzlich bei Patienten mit Prädiabetes festgestellt werden. Die durch eine dreiwöchige IH-Intervention gesteigerte Toleranz gegenüber akuter Hypoxie (22) äußerte sich in einer Reduktion des hypoxie-induzierten Anstieges des systolischen Blutdrucks sowie in einer signifikant verminderten Herzfrequenz während akuter Hypoxieexposition sowohl unmittelbar nach der Intervention als auch noch ein Monat nach deren Beendigung (22). Beachtliche antihypertensive Effekte bei Patienten mit Hypertonie Grad 1 und 2 wurden in einer Übersichtsarbeit von Serebrovskaya et al. beschrieben (6). So zeigten sich Reduktionen des systolischen (10–30 mmHg) sowie des diastolischen Blutdrucks (10–15 mmHg), welche bis zu 6 Monate und mitunter sogar bis zu einem Jahr andauerten (6). So sollen die IH-Anwendungen nicht nur den antihypertensiven Effekt blutdrucksenkender Medikamente verstärken, sondern teilweise auch zur Absetzung dieser geführt haben (6). Die angeführten Studien weisen zwar teilweise recht hohe Stichprobenumfänge auf, sind aber überwiegend in russischer Sprache verfasst und oftmals ohne Kontrollgruppen durchgeführt. Die beobachteten positiven Effekte durch IH können daher möglicherweise auch auf eine anhaltende Medikamenteneinnahme zurückzuführen sein. Generell lässt sich die Wirkung von IH auf die Blutdruckreaktion einerseits dadurch erklären, dass diese positive Form der IH zu einem nur moderaten Anstieg reaktiver Sauerstoffradikale (ROS) und damit zu einer gesteigerten zytoprotektiven, antioxidantischen Enzymaktivität in den Erythrozyten führt (23–25). Auf der anderen Seite ist von adaptiven Veränderungen im NO-Stoffwechsel auszugehen, die z.B. über eine Absenkung der intrazellulären Kalzium (CA2+)-Konzentration zur Vasodilatation führen (26). Zudem können IH-Anwendungen den parasympathischen Tonus steigern (27).

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Inwieweit die kardiovaskuläre Gesundheit außerdem durch IH beeinflusst werden kann, zeigt sich bei verschiedenen Erhebungen zur Wirkung von IH auf die körperliche Leistungsfähigkeit. So ist eine Steigerung der submaximalen Leistungsfähigkeit bzw. Belastungstoleranz nicht nur bei älteren Personen mit und ohne Koronare Herzerkrankung (KHK) zu beobachten (28), sondern auch bei Patienten mit milder COPD (16) und bei übergewichtigen und/oder inaktiven Personen (19,21,29). Charakteristisch hierbei sind die Abnahme von Herzfrequenz, systolischem Blutdruck sowie Laktatlevel während submaximaler Belastung (15,19,21,28). Verbesserungen der maximalen Sauerstoffaufnahme (VO2max) aufgrund passiver IH- Expositionen konnten hingegen lediglich in der Studie von Balykin et al. mit übergewichtigen und inaktiven Personen festgestellt werden (29). Da der Effekt durch IH auf die Leistungsfähigkeit bei Erkrankten höher als bei gesunden Personen zu sein scheint (39), könnte das Ausmaß der VO2max-Veränderungen vom Gesundheitszustand der Versuchspersonen zu Studienbeginn abhängen. Die Verbesserungen im Bereich der Leistungsfähigkeit lassen sich vermutlich auf Veränderungen wie z.B. Steigerung der Lungendiffusionskapazität, effizientere Ventilation, Zunahme der totalen Hämoglobinmasse und/oder Abnahme der relativen Sympathikus-Aktivität zurückführen (15). Auch eine veränderte Sensitivität der beta-Adrenorezeptoren sowie eine Zunahme der parasympathischen Aktivität durch reduzierte vagale Abschwächung wurde in diesem Zusammenhang diskutiert (15). Nützliche Effekte auf das Herzkreislaufsystem durch IH konnten jedoch auch im Bereich des autonomen Nerversystems (ANS) erzielt werden. Neben den bereits erwähnten Verbesserungen von BRS und hyperkapnischer Atemantwort (HCVR) bei COPD-Patienten (16) konnte eine Steigerung der Herzfrequenzvariabilität bei inaktiven Personen (21), eine Reduktion der Sympathikusaktivität und Steigerung der Parasympathikusaktivität bei inaktiven, übergewichtigen Personen (29) sowie eine Zunahme der Atemantwort auf Hypoxie (HVR) bei gesunden Personen festgestellt werden (27,30–32). Positiv zu bewerten sind diese Ergebnisse auch insofern, als dass eine verbesserte HVR bei Patienten mit kardiorespiratorischen Erkrankungen mit einer gesteigerten Belastungstoleranz einhergehen kann (33). Verträglichkeit Insgesamt wurden IH-Anwendungen mit Maskenatmung und entsprechender kurzer Zyklusdauer sowohl von Patienten als auch gesunden (inaktiven) Personen innerhalb der hier angeführten Studien gut toleriert. Wenig Information liegt jedoch zur Reaktion des Herzkreislaufsystems während den einzelnen 55


Hypoxiezyklen vor. Faulhaber et al. haben in diesem Zusammenhang die kardiovaskuläre Beanspruchung einer 3-wöchigen IH-Intervention bei Patienten mit COPD untersucht (34). Beobachtet wurde ein entsprechend dem progressiven, wöchentlich gesteigerten Hypoxiegrad (FiO2: 15–12%, siehe Abb. 3) zunehmender, moderater Anstieg der Herzfrequenz (durchschnittlich maximal um 5,3%) (34). Veränderungen im Bereich des Blutdruckes waren hingegen unwesentlich. Ein Effekt, der auf eine periphere Vasodilatation als kompensatorische Antwort auf die hypoxie-induzierte Steigerung des Herzminutenvolumens zurückzuführen ist (34). Ein solcher Kompensationseffekt könnte jedoch bei Patienten mit Hypertonie etwas abgeschwächter ausfallen und zu leicht höheren Blutdruckwerten während der Hypoxieexposition führen. Bei der Frage nach der subjektiven Befindlichkeit einer ebenfalls 3-wöchigen IH-Anwendung, welche bei inaktiven Personen durchgeführt wurde, gaben die meisten Teilnehmer an, diese als angenehm empfunden zu haben. Einige berichteten neben Müdigkeit von einer unkomfortablen Atmung (insbesondere das Bedürfnis einer schnelleren oder tieferen Atmung), Kopfschmerz als Nebeneffekt wurde nur selten angeführt (21). c) Kontinuierliche IH in Kombination mit Belastung für 30 Minuten bis zu 2 Stunden pro Tag für mehrere Tage bis 5 Wochen (selten bis zu mehreren Monaten): Da körperliche Aktivität per se das Herzkreislaufsystem positiv beeinflusst, liegt es nahe, Belastungen auch während einer Hypoxieexposition durchzuführen um dadurch potentielle additive Effekte zu erzielen. Einige Studien untersuchten die Auswirkungen von Ausdauertraining in Hypoxie bei gesunden, inaktiven Personen, jedoch nicht bei Patienten. Eine im Vergleich zur in Normoxie trainierenden Kontrollgruppe deutlich größere Verbesserung der aeroben Leistungsfähigkeit konnte bei Studien festgestellt werden, bei jenen die Trainingsintensität in beiden Gruppen ident war (simulierte Höhe von 2.700 m bis 4.500 m) (14,29,35,36). Im Gegensatz dazu zeigte sich kein Unterschied bezüglich des Ausmaßes der Leistungssteigerung bei den Erhebungen von Engfred et al. (37), Emonson et al. (38), Geiser et al. (39) und Vogt et al. (40). Diese gegensätzlichen Ergebnisse können einerseits darauf zurückgeführt werden, dass in simulierter Höhe teilweise mit einer vergleichsweise niedrigeren absoluten Leistung trainiert wurde (37,38). Auf der anderen Seite können individuelle Unterschiede in der Hypoxiereaktion sowie Unterschiede im Trainingszustand dafür verantwortlich sein. Je niedriger das Leistungsniveau zu Beginn der Anwendungen, desto niedriger muss der Belastungsreiz insgesamt 56


sein, um bereits relativ große Veränderungen im Bereich des Leistungsniveaus erzielen zu können. Auch bei deutlicher Steigerung der Dauer der Intervention (≥10 Wochen bis zu mehreren Monaten) konnte kein Vorteil auf die Leistungsfähigkeit durch Training in Hypoxie festgestellt werden (41). Auch dann nicht, wenn zusätzlich zur 30-minütigen Belastungsphase eine anschließende, 90-minütige Phase passiver Hypoxie erfolgte (42). Insgesamt scheint ein Training in Hypoxie jedoch zumindest ebenso effektiv zur Verbesserung der Leistungsfähigkeit wie ein Training in Tallage zu sein (42,43). Hervorzuheben ist die bei Training in Hypoxie dadurch vergleichsweise niedrigere erforderliche Belastung auf den Bewegungsapparat, um einen effektiven und physiologisch gleichwertigen Belastungsreiz zu erzeugen (43). Verbesserungen im Bereich der autonomen Kontrolle waren indessen nur bei Training in Hypoxie zu beobachten, wenn auch in vergleichbarem Ausmaß passiver Hypoxieexpositionen (29). Hämodynamische Veränderungen zeigten sich interessanterweise ebenfalls nur bei Training in Hypoxie, nicht aber bei Training in Normoxie. So konnte eine Reduktion arterieller Gefäßsteifigkeit bereits bei moderater, simulierter Höhen von 2.000 m bis 2.500 m sowie eine Vasodilatation der Koronargefäße und eine gesteigerte Produktion des vaskulären endothelialen Wachstumsfaktors (VEGF) bei simulierten Höhen von 3.850 m oder 4.500 m festgestellt werden (44,45). Insgesamt könnte die Kombination von derartigen IH-Expositionen mit moderatem Ausdauertraining besonders für Personen mit eingeschränkter Leistungsfähigkeit interessant sein. Limitierend für die Aussagekraft zum Effekt der unterschiedlichen IH-Interventionen auf das Herzkreislaufsystem ist sicherlich die große Heterogenität zwischen den einzelnen Studien selbst. Diese äußert sich in einer hohen Divergenz hinsichtlich Gesundheits- und Fitnesszustand der Versuchsgruppen, Zielsetzung, Dauer, Anzahl und Hypoxiegrad der einzelnen Expositionen sowie Gesamtdauer der IH-Anwendungen. Daher wird es in Zukunft von großer Bedeutung sein, der Frage nach einer optimalen individuellen Dosis, dem Einfluss von Alter, Geschlecht und Gesundheitszustand auf die Wirkung von IH, sowie der Interaktion zwischen IH und Bewegung genauer nachzugehen. Die bisherigen Erkenntnisse speziell in Bezug auf Effekte durch IH in Ruhe mit Maskenatmung mit einer Zyklusdauer von 3–5 Minuten für ca. 1 Stunde pro Tag über 2–4 Wochen sind durchaus vielversprechend. Sei es als vorgeschaltete Maßnahme, um die körperliche Leistungsfähigkeit auf ein Level zu heben, das eine Aufnahme körperlicher Aktivität erleichtert bzw. überhaupt erst wieder ermöglicht oder aber als adjuvante Präventions – oder Therapiemaßnahme, als Ergänzung zu regelmäßiger körperlicher Bewegung. 57


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❙ Heimo Mairbäurl ❙

Neozytolyse: Elimination überschüssiger Erythrozyten nach Höhenakklimatisation Neocytolysis: Disposal of excess erythrocytes after adaptation to high altitude

SUMMARY Neocytolysis is the selective destruction of those erythrocytes that had been formed during stress-erythropoiesis in hypoxia in order to increase the oxygen transport capacity of blood. Neocytolysis likely aims at decreasing this excess amount of erythrocytes and hemoglobin when it is not required anymore and to decrease blood viscosity. Neocytolysis or similar processes occur upon descent from high altitude but also upon compensation of anemia in microgravity and after birth, when HbF-containing erythrocytes need to be replaced with those having HbA. Hemoglobin concentration and total hemoglobin in blood increase by 20% to 50% depending on the altitude (i.e. the degree of hypoxia) and the duration of the sojourn. Upon return to normoxia hemoglobin concentration, hematocrit, and reticulocyte counts decrease faster than expected from inhibition of stress-erythropoiesis and normal erythrocyte destruction rates. In parallel, an increase in haptoglobin, bilirubin, and ferritin is observed, which serve as indirect markers of hemolysis and hemoglobin-breakdown. At the same time markers of progressing erythrocyte senescence appear even on reticulocytes. Unexpectedly, reticulocytes from hypoxic mice show decreased HIF-1α and BNIP3 activity, which results in elevated mitochondrial activity in these cells. Furthermore, hypoxia increases the expression of miR-21, which inhibits the expression of catalase and thus decreases one of the most important mechanisms protecting against oxygen free radicals in erythrocytes. This unleashes a series of events which likely explain neocytolysis, because upon 63


re-oxygenation systemic and mitochondrial oxygen radical formation increases and causes the selective destruction of those erythrocytes having impaired anti-oxidant capacity. Keywords: high altitude acclimatization, total erythrocyte volume, erythrocyte destruction, erythrocyte senescence ZUSAMMENFASSUNG Unter Neozytolyse versteht man das selektive Zerstören von Erythrozyten, welche während einer Stress-Erythropoese zur Erhöhung der Sauerstofftransportkapazität gebildet wurden. Wahrscheinlich dient Neozytolyse dazu, diesen Überschuss an Erythrozyten und Hämoglobin wieder abzusenken, wenn er nicht mehr benötigt wird. Damit sinkt auch die Viskosität des Blutes. Neozytolyse oder ähnliche Prozesse spielen auch nach der Kompensation der Anämie in Schwerelosigkeit und bei der Umbildung der Erythrozyten-Population nach der Geburt eine Rolle. In Abhängigkeit von Dauer und absoluter Höhe (d.h. mit zunehmendem Hypoxiegrad) steigen die Hämoglobinkonzentration und die gesamte Hämoglobinmenge um etwa 20 bis 50%. Nach der Rückkehr in Normoxie sinken Hämoglobinkonzentration, Hämatokrit und Retikulozytenzahlen schneller, als es mit einer Hemmung der Erythropoese in Normoxie und der normalen Abbaurate der Erythrozyten erklärt werden kann. Parallel dazu kommt es zu einem Anstieg an Haptoglobin, Bilirubin und Ferritin, welche indirekte Marker einer Hämolyse sind. Außerdem findet man Zeichen einer Zell-Alterung sogar in jungen Erythrozytenfraktionen, welche mittels Dichtegradientenzentrifugation isoliert wurden. Entgegen der Erwartung wurde in Retikulozyten hypoxischer Mäuse eine verminderte HIF-1α Menge, und als Folge davon ein geringere BNIP3-Aktivität gefunden, wodurch diese Retikulozyten eine erhöhte Mitochondrienaktivität aufweisen. Außerdem führt Hypoxie zur vermehrten Bildung von miR-21, welches direkt die Expression von Katalase hemmt und damit die Aktivität eines wichtigen Schutzmechanismus gegen Sauerstoffradikale inaktiviert. Zusammen könnte das einen Mechanismus bilden, welcher die Neozytolyse erklärt, denn nach Reoxygenierung in Normoxie werden systemisch und mitochondrial vermehrt Sauerstoffradikale gebildet, welche selektiv diejenigen Erythrozyten mit verminderter anti-oxidativer Kapazität zerstören. Schlüsselwörter: Höhenakklimatisation, gesamtes Erythrozyten-Volumen, Erythrozyten-Alterung, Abbau von Erythrozyten 64


EINLEITUNG Die Sauerstoffversorgung der Gewebe ist in großen Höhen wegen des verminderten O2-Gehalts der Einatmungsluft vermindert. Deshalb erfordert ein Aufenthalt in Hypoxie akute und anhaltende Anpassungsmechanismen, um die Versorgung der Gewebe mit Sauerstoff zu gewährleisten. Am einfachsten kann man diese Anpassungsmechanismen anhand der Änderung der arteriellen Sauerstoffsättigung des Hämoglobins (SO2) verfolgen. Durch den Abfall des PO2 sinkt die SO2 ab. Wegen der sigmoiden Form der Sauerstoffbindungskurve und wegen der ventilatorischen Akklimatisation besteht aber kein linearer Zusammenhang zwischen der Abnahme der SO2 und der Höhe. So kommt es in mittleren Höhen um etwa 2.000 m nur zu einer geringfügigen Abnahme der SO2 auf etwa 92%, aber zu einer deutlich stärkeren Abnahme der arteriellen SO2 in großen Höhen (z.B auf ~83% in 4.500 m) (1). Entsprechend variiert auch der arterielle O2-Gehalt (CaO2). CaO2 verändert sich wiederum nicht parallel zur Abnahme der SO2, sondern weicht in Abhängigkeit von Höhe, also dem Grad der Hypoxie und der Dauer des Aufenthalts von einer direkten Proportionalität ab (2). Bei akuter Hypoxie-Exposition ist CaO2 proportional zur Abnahme der SO2 vermindert. Innerhalb der nächsten Stunden steigt dieser Wert aber wegen der ventilatorischen Akklimatisation etwas an, und zwar über zwei Mechanismen: Die erhöhte Ventilation bewirkt eine geringfügige Erhöhung des alveolären und arteriellen PO2, außerdem senkt die Hyperventilation das arterielle CO2 und führt damit zu einer Höhenalkalose. Damit verändert sich CaO2 in dieser Phase proportional zur SO2. Im Verlauf der nächsten Tage steigt CaO2 weiter; Ursache ist jetzt die Abnahme des Plasmavolumens, sodass die Änderung von CaO2 jetzt proportional zur Zunahme der Hämoglobinkonzentration (Hb) und des Hämatokrits verläuft, bei konstant niedriger SO2. Während der folgenden Wochen und Monate in der Höhe steigt CaO2 noch weiter an. Dies ist jetzt Folge einer gesteigerten Erythropoese, wodurch Hb und die gesamte Hb-Menge (tHb) zunehmen. Als Ergebnis dieser Prozesse kann CaO2 nach mehreren Wochen in der Höhe sogar mit Normoxie vergleichbare Werte erreichen (3). Es ist wichtig darauf hinzuweisen, dass nur CaO2-Normalwerte erreicht, nicht aber der PO2 im Blut. Dieser bleibt nach abgeschlossener ventilatorischer Akklimatisation konstant. Der PO2 ist jedoch die Haupt-Triebkraft für die O2-Diffusion vom Blut in die Gewebe. Da diese weiterhin reduziert bleibt, ist die O2-Versorgung mancher Gewebe weiterhin eingeschränkt, was die verminderte Leistungsfähigkeit erklärt (3,4). Allerdings scheint dieser Zustand 65


gut toleriert zu werden, denn nach einigen Monaten in der Höhe erreicht tHb stabil-erhöhte Werte (5–7). Die Stimulierung der Erythropoese in großen Höhen hängt von der Stabilisierung von HIF-2α und der dadurch induzierten Bildung von Erythropoetin (EPO) (8) und der Anpassung des Eisenstoffwechsels ab (9). EPO steigt unmittelbar nach Hypoxie-Exposition schnell an; die Höhe des Anstiegs korreliert mit dem Hypoxie-Grad (10) und folgt einer semi-logarithmischen Funktion (11). Interessanterweise folgt dann noch während des Höhenaufenthalts ein signifikanter Abfall des EPO, wobei aber die steady-state-Plasmaspiegel signifikant über den normoxischen Ausgangswerten bleiben (11). Trotz dieses Abfalls bleibt die Rate der Erythrozyten-Bildung erhöht, zumindest solange die Eisenversorgung gewährleistet ist. Die Eisenaufnahme ins Knochenmark erreicht ihr Maximum nach etwa 4 Tagen in Hypoxie, die Retikulozyten-Zahlen steigen schnell an und erreichen ihr Maximum nach etwa 7 Tagen (12). Dieses Muster wird „EPO-Paradox“ genannt (13). Wahrscheinlich wird es durch ein Verschieben von hämatopoetischen Stammzellen zu erythroiden Vorläuferzellen kommen, was mit einer vermehrten Expression von GATA-1 einhergeht, welches wiederum die Expression von EPO-Rezeptoren stimuliert (14). Dadurch kommt es zu einer scheinbar erhöhten EPO-Sensitivität und einer anhaltend gesteigerten Erythropoese, selbst bei niedrigen EPO-Spiegeln. Während der Reifung der Progenitorzellen nimmt die Dichte an EPO-Rezeptoren langsam ab. Die Rezeptordichte in zirkulierenden Erythrozyten der Maus ist sehr niedrig (15). Der schnelle Anstieg der Anzahl der Retikulozyten im Blut, der in vielen Höhenstudien berichtet wird, kommt wahrscheinlich durch eine Steigerung der Durchblutung des Knochenmarks und ein dadurch bedingtes Auswaschen unreifer Retikulozyten zustande (16). Diese Stress-Retikulozyten unterscheiden sich von reifen Retikulozyten, welcher bei normaler Erythropoese gebildet werden, ähnlich wie dies auch bei Thalassämie gefunden wurde (17). Nach einem zweiwöchigen Aufenthalt in mittleren Höhen kommt es noch zu keinem Anstieg des tHb (18). Ein Aufenthalt von mehr als 3 Wochen scheint das gesamte Erythrozyten-Volumen um etwa 60 bis 250 ml/Woche zu erhöhen (19). Native Höhenbewohner in den Anden haben ein um etwa 20% erhöhtes Hb und tHb (20,21). Noch höhere Werte des Hb sind ein Zeichen von chronischer Bergkrankheit (22). Tieflandbewohner erreichen ähnliche Werte nach einem Aufenthalt von mehreren Wochen bis Monaten in großen Höhen. Die erhöhte Hb-Konzentration und -Menge gewährleisten die Sauerstoffversorgung der Gewebe in Ruhe und in submaximalen Belastungsbereichen, was 66


in den meisten Situationen ausreichend ist, weshalb sich diese Werte auch auf ein steady state einstellen. Ein potentielles Problem ergibt sich aber, wenn man aus Höhenlagen wieder in Tallagen zurückkehrt. Dann sind der inspiratorische und arterielle PO2 sowie die SO2 wieder normal (normoxisch). Zusätzlich besteht aber das erhöhte Hb und tHb weiter, die O2-Transportkapazität ist also erhöht, wird aber nicht mehr benötigt. Sportler nützen den positiven Effekt des erhöhten O2-Gehalts im Blut zu (hoffentlich) besseren Ausdauerleistungen im Tiefland. Allerdings könnte diese Überversorgung mit Sauerstoff auch zu einer vermehrten Bildung von Sauerstoffradikalen führen, welche potentiell zellund gewebsschädigend wirken können. Deshalb wäre es von Interesse, diese „überflüssigen“ Erythrozyten möglichst schnell wieder zu entsorgen. Dies könnte dadurch erfolgen, dass wahllos eine bestimmte Menge Erythrozyten abgebaut wird, wobei ein Sauerstoffsensor diese Menge überwachen müsste. Allerdings gibt es Hinweise gegen diesen Ansatz. Es wird vermutet, dass speziell nur diejenigen Erythrozyten entsorgt werden, welche während der Hypoxie neu gebildet wurden. Als Erkennungsmerkmale dienen biochemische Marker dieser „Höhen-Erythrozyten“, welche diese von den in Normoxie gebildeten unterscheiden. Im Folgenden werden Aspekte der normalen Erythropoese und der in Hypoxie beschrieben, welche zur Ausprägung solcher Marker führen könnten, und welche Mechanismen dann in Normoxie zur Zerstörung der Zellen führen können. Reifung erythroider Vorläuferzellen Nach der Ausbildung unipotenter, erythroider Vorläuferzellen hängt die weitere Differenzierung hauptsächlich von der Anwesenheit des Hormons EPO ab. EPO stimuliert die Proliferation und gewährleistet das Überleben der Zellen (23). Dieser Vorgang benötigt die Expression von cKit und von EPO-Rezeptoren (11,24), sowie von weiteren Wachstumsfaktoren, welche eine Janus-kinase JAK2-abhängige Phosphorylierung von Tyrosin bewirken (25). JAK2 phosphoryliert Domänen des EPO-Rezeptors und von STAT5, wodurch die Apoptose der Vorläuferzellen durch Hemmung von FOXO-3 verhindert wird. In Abwesenheit von EPO wird Apoptose durch FOXO3-abhängige Signalwege ausgelöst (26). Außerdem werden die „death Rezeptoren“ Fas und sein Ligand, FasL, in erythroiden Zellen der Milz gehemmt, wodurch deren Überleben gewährleistet und die Erythropoese beschleunigt wird (27). Der BNIP3-Ligand (BNIP3L; Nix) kontrolliert dabei die Autophagie der Mitochondrien (Mitophagie) (28). Insgesamt werden erythroide Progenitorzellen unter dem Einfluss von EPO nicht zerstört, wodurch es zur Bildung vieler Normoblasten und letztlich 67


zur Abgabe von Retikulozyten in das zirkulierende Blut kommt (11). Zusätzlich kommt es zur Phosphorylierung von STAT3 und in der Folge zu einer gesteigerten Expression anti-oxidativ wirkender Enzyme wie SOD and xCT, sowie zu einer Verminderung der Expression von Enzymen der mitochondrialen Atmungskette (29). Diese beiden Effekte schützen die Zellen vor einer Schädigung durch Hypoxie-induzierte Bildung von Sauerstoffradikalen in den Mitochondrien (30), denn diese könnte die Erythropoese hemmen. Dazu trägt auch die in Hypoxie auftretende Stabilisierung von HIF-1α bei, welches die Expression von BNIP3 stimuliert und so ebenfalls die Mitochondrienaktivität und die mitochondriale Sauerstoffradikalbildung vermindert (31). Daher kommt es in akuter Hypoxie, also wenn noch keine Anpassung der Aktivität der Mitochondrien erfolgte, zu einer erhöhten Produktion an Sauerstoffradikalen in den Mitochondrien, welche zu einer Zerstörung von Zellen führen könnte. Im Gegensatz dazu ist nach längerer Hypoxie-Exposition die Sauerstoffradikalbildung vermindert und die Zellen sind geschützt (32). Allerdings gibt es Hinweise aus Arbeiten an Mäusen, dass Hypoxie die Expression anti-oxidativer Enzyme wie der Katalase vermindert (33). In diesem Fall wären Zellen schlechter vor Sauerstoffradikalen geschützt und daher anfälliger für eine Schädigung. Diese Aspekte benötigen eine genauere Abklärung. Stress-Erythropoese In der normalen Erythropoese werden Erythrozyten mit einer nahezu konstanten Rate von etwa 160 x 106 Zellen pro Minute gebildet. Beim Auftreten von akuter Gewebehypoxie z.B. nach akutem Blutverlust, Hämolyse, Hypoxie in großen Höhen oder durch Erkrankungen der Lunge und des Herz-Kreislaufsystems, oder durch eine Erhöhung von Erythropoetin wird die Rate der Erythrozytenbildung dramatisch gesteigert und es erscheinen schnell neu gebildete Retikulozyten im Blut („Stress-Erythropoese“). Die Erkenntnisse dazu stammen von Untersuchungen an Mäusen, während es viel weniger Daten über den Menschen gibt. Das muss deshalb beachtet werden, da bei Mäusen häufig Phenylhydrazin verabreicht wird, um die Erythropoese zu stimulieren. Diese Substanz erzeugt eine Lipid-Peroxidation und löst so sehr schnell eine schwere hämolytische Anämie aus (34). Das ist ein sehr „unphysiologisches System mit vielen Nebenwirkungen“. Die Experimente an anämischen Mäusen zeigten, dass einige der EPO-induzierten Progenitor-Zellen in die Milz migrieren (es ist unklar, ob sich dort nicht ständig selbst-erneuernde Stammzellen befinden) und dass sich diese in Hypoxie stark vermehren (35). Diese Untersuchungen zeigten auch, dass sich 68


BFU-Es aus der Milz deutlich von denen aus dem Knochenmark unterscheiden, indem sie größere Kolonien bilden und als einzigen Wachstumsfaktor EPO benötigen. BFU-Es aus dem Knochenmark benötigen für die Differenzierung und Teilung noch andere Wachstumsfaktoren (36). BMP4 wird unter dem Einfluss von HIF-2α vermehrt exprimiert (37) und steigert ebenfalls die Expansion von BFU-Es in der Milz, woraus spezialisierte, residente Stress-Vorläuferzellen entstehen (38). Es besteht keine direkte Evidenz für vergleichbare Vorgänge beim Menschen. Die humane Stress Erythropoese in akuter Anämie verhält sich eher ähnlich zur fetalen Erythropoese (38), denn Stress-Erythropoese führt zu einem höheren Anteil an HbF-haltigen Progenitor-Zellen im peripheren Blut als typische, aus dem Knochenmark stammende Zellen. In Zellkultur proliferierende Progenitor-Zellen von Patienten mit Sichelzellanämie und mit Thalassämie produzieren ebenfalls HbF. Dazu passt auch, dass bei Menschen nach einem 17-tägigen Aufenthalt in Höhen über 3.100 m HbF-haltige Erythrozyten und Retikulozyten gefunden wurden (39). Daher wird spekuliert, dass diese HbF-haltigen Zellen das menschliche Pendant der Progenitor-Zellen der Milz der Mäuse darstellen. Den gesteigerten Umsatz im Knochenmark erkennt man auch an einer schnelleren Passagezeit von 59Fe in anämischen Mäusen. Außerdem besteht ein inverser Zusammenhang zwischen der Passagezeit und dem Grad der Anämie (40). Retikulozyten scheinen bei Stress-Erythropoese ein früheres Reifungsstadium zu haben, was u.a. an einem größeren Zellvolumen, einem stärker ausgeprägten Retikulum, einer Eisenaufnahme als Zeichen von immer noch ablaufender Hämoglobinsynthese, einer erhöhten Aktivität von Ionentransportern und einer größeren Dichte von Transferrinrezeptoren (TrF; CD71) zu erkennen ist (41). TrF wurde auch länger in zirkulierenden Erythrozyten nachgewiesen als bei normaler Erythropoese. Das weist darauf hin, dass die Rate der Retikulozytenreifung während einer Stress-Erythropoese ähnlich schnell verläuft wie bei normaler Erythropoese, dass aber die Reifung der Retikulozyten im Blutkreislauf länger dauert, weil sie bereits in einem unreifen Stadium aus dem Knochenmark freigesetzt wurden (42). Neozytolyse Unter Neozytolyse versteht man das selektive Zerstören der jüngsten Erythrozyten-Population im Blut, gerade nachdem diese das Knochenmark verlassen haben, sowie von den in der Phase der Stress-Erythropoese gebildeten zirkulierenden Erythrozyten. Neozytolyse ist damit ein Mechanismus, um eine er69


höhte Erythrozytenmasse, z.B. nach einem Höhenaufenthalt, wieder auf den Normalwert zu vermindern (43). Neozytolyse beschränkt sich damit nicht einfach auf die Hemmung der Hypoxie-induzierten Stress-Erythropoese, sondern ist ein „kontrollierter“, geregelter Prozess (44). Neozytolyse kommt in verschiedenen Situationen vor (43,45,46). Hier wird nur auf Neozytolyse als Antwort auf eine durch einen Höhenaufenthalt ausgelöste Polyzythämie eingegangen. Allerdings sind die Hinweise auf Neozytolyse nach einem Höhenaufenthalt eher indirekt: Merino et al. (6) fanden, dass eine durch einen Höhenaufenthalt induzierte Polyzythämie innerhalb weniger Tage nach der Rückkehr in Normoxie nicht mehr nachweisbar war. Sie erklärten das mit der Abnahme der Erythropoeserate, welche auch experimentell durch eine Abnahme des 59Fe-Umsatzes bei Höhenbewohnern nach einer Reise auf Meereshöhe gezeigt wurde (47). Auch eine rasche Abnahme der Retikulozytenzahl im Blut wurde beobachtet. Hinweise auf eine vermehrte „blood destruction“ (wie sie es benannten) waren auch ein Anstieg des Bilirubins im Plasma und ein Anstieg der Urobilinogen-Ausscheidung (6). Pace et al. (48) fanden, dass die Rate des Abfalls der Hb-Konzentration und des Hämatokrit nach der Rückkehr von einer Himalaya-Expedition mit 0,011 pro Tag deutlich höher war als der Normalwert von 0.0083 pro Tag. Dieser Wert wurde experimentell aus der Rate der Abnahme des Hb und Hämatokrit nach Übertransfusion bestimmt (49). Diese stärkere Abnahme des Hb wurde mit einer Hemmung der Erythropoese und einer gesteigerten „Erythrolyse“ erklärt. Allerdings vermerkten die Autoren auch, dass ihr Befund zumindest zum Teil mit einer Zunahme des Plasmavolumens einhergehen könnte, da dieses ja während eines Höhenaufenthaltes verringert ist (50). Rice et al. (51) untersuchten polyzythämische Bewohner von Cerre de Pasco (4.380 m) nachdem diese auf Meereshöhe reisten. Sie fanden eine Abnahme der Erythrozytenmasse um 7 bis 10% innerhalb weniger Tage. Parallel dazu erfolgte eine rasche Abnahme des EPO, ein Anstieg des Bilirubins, interessanterweise aber keine Abnahme der Retikulozytenzahl. Einige wenige Probanden wurden zum Abstieg mit EPO behandelt. In diesen fanden sich diese Änderungen nicht. Die Autoren versuchten auch eine Markierung von Alterskohorten von Erythrozyten durch den Einbau von 13C in das Häm von Präkursorzellen, indem die Probanden 13C-markiertes Glyzin aufnahmen. Allerdings wurden keine Daten nach der Ankunft in Tallagen berichtet, aus denen man die Abnahme der neu gebildeten Zellen hätte ersehen können. 70


Während eines mehrwöchigen Höhentrainings auf mittleren Höhen von etwa 2.300 m nahm das tHb um etwa 8% zu (52–55). Nach der Rückkehr in Tallagen nahm tHb nur sehr langsam ab und erreichte Normalwerte erst im Verlauf mehrerer Wochen (52–55). Dabei kam es zu einem sehr schnellen Abfall des EPO und einer langsamen Abnahme der Retikulozytenzahl, während Ferritin, das als Marker des Rezirkulierens von Eisen nach Hämolyse gelten kann, erst etwa 12 Tage nach der Rückkehr in Tallagen erhöht war (52). Allerdings fand man in Athleten unmittelbar nach der Rückkehr von einem Höhentrainingslager auf 1.905 m einen höheren Anteil unreifer Retikulozyten mit einer erhöhten Dichte an Transferrin-Rezeptoren, was ein Zeichen von Stress-Erythropoese sein könnte. Diese Marker fielen bis Tag 9 nach der Rückkehr ins Tal unter die Normalwerte ab und erholten sich erst am 16.Tag nach dem Trainingscamp (56). Das könnte bedeuten, dass die neu gebildeten Erythrozyten nach einer Rückkehr aus mittleren Höhen, im Gegensatz zur Rückkehr von großen und extremen Höhen, nur zu einem geringen Teil der Neozytolyse unterliegen. Polyzythämie selbst scheint bereits die Überlebensrate von Erythrozyten zu verkürzen (57). Risso et al. (58) separierten verschiedene Altersfraktionen von Erythrozyten aus dem Blut von Bergsteigern nach einer Expedition in große Höhen mittels Dichtegradienten-Zentrifugation und fanden, dass vornehmlich die jungen Erythrozyten fehlten. Sie beschrieben auch, dass die Zellen einen „gealterten“ Phänotyp zeigten, weil sie vermehrt CD47, CD55 und CD59 exprimierten. Diese Moleküle dienen als Erkennungszeichen für den Abbau durch Makrophagen (58). Ein Schwachpunkt dieser an sich schönen Untersuchung ist, dass nur ein Zeitpunkt nach dem Abstieg untersucht wurde, und dass diese Untersuchung erst eine Woche nach der Rückkehr in Tallagen erfolgte. Mechanismen der Neozytolyse: Ergebnisse an einer kleinen Gruppe von Probanden zeigten, dass eine Behandlung mit EPO die Anzeichen von Neozytolyse verhinderte, was darauf hinweisen könnte, dass die Zerstörung der in der Höhe produzierten Erythrozyten durch den Abfall des EPO nach der Rückkehr in niedrige Höhenlagen ausgelöst wird (51). Ein erhöhtes EPO verhindert die Expression von Oberflächenmarkern, welche die Zerstörung der Erythrozyten durch Makrophagen verhindert, wogegen der Abfall des EPO die Expression dieser Schutzmoleküle vermindert und damit die Anfälligkeit zum Abbau erhöht (59). Um den Einfluss von EPO auf das Überleben der Erythrozyten zu erklären, müssten die zirkulierenden Stress-Retikulozyten und –Erythrozyten aber noch EPO-Rezeptoren aufweisen. Normalerweise sind diese an zirkulierenden, in Normoxie-gebildeten Retikulozyten nicht nachweisbar, wohl aber an erythroiden Präkursoren (60). 71


Auch eine Abnahme der anti-oxidativen Kapazität könnte mit Neozytolyse zusammenhängen. Hypoxie exponierte Erythrozyten zeigen eine verminderte anti-oxidative Kapazität, welche an einer Abnahme von GSH, NADPH, NADH und von reduzierten Membran-Thiolen erkennbar ist (61). Das wurde mit einer Änderung des glykolytischen Flusses weg vom Pentose-Phosphat-Weg zugunsten der Bildung von 2,3-DPG nach dessen Bindung an desoxygeniertes Hb in Hypoxie erklärt. Außerdem scheinen desoxy-Hb und glykolytische Enzyme um die Bindung an das Bande-3-Protein in der Plasmamembran zu kompetieren, wodurch die Glykolyserate insgesamt vermindert wird (62) und so die NADPH und GSH Bildung vermindert (61). Dieser Mechanismus könnte zwar die Überlebensrate der Erythrozyten in Hypoxie verringern, sollte aber nach Reoxygenierung unterbrochen werden, sodass in Normoxie die Glykolyse der Erythrozyten wieder vermehrt in den Pentosephosphat-Weg gelenkt wird. Damit würden die ursprüngliche Abwehrkraft gegen Sauerstoffradikale und der Schutz vor Zerstörung durch oxidativen Stress wieder hergestellt. Ein weiterer Sauerstoffradikal-abhängiger Mechanismus entwickelt sich nach längerer Hypoxie-Exposition durch eine Änderung der Genexpression. Retikulozyten und neu gebildete Erythrozyten von Mäusen zeigten eine verringerte anti-oxidative Kapazität nach längerer Hypoxie-Exposition, weil die Expression von Katalase vermindert war. Dies ging mit einer vermehrten Expression der mikro-RNA miR-21 einher und betraf alle in Hypoxie neu gebildeten Zellen (33). Normalerweise ist die Aktivität anti-oxidativer Enzyme in Fraktionen junger Erythrozyten aber hoch, und die Aktivität nimmt mit der Zellalterung ab (63). Das Mausmodell zeigte außerdem, dass Retikulozyten eine erhöhte mitochondriale Aktivität aufwiesen. Parallel dazu war die HIF-1α Expression vermindert, wodurch auch die Expression von BNIP3L unterdrückt wurde, ebenso wie die Expression anderer HIF-1α abhängiger Gene wie Pyruvatdehydrogenase-Kinase-1 und Hexokinase-1. Daher wurde postuliert, dass in der Folge in Normoxie in den Mitochondrien der neu gebildeten Retikulozyten vermehrt Sauerstoffradikale gebildet werden, welche zur Zerstörung der Zellen führen (33). Diese Interpretation steht allerdings im Gegensatz zu einer Vielzahl von Befunden, dass HIF-1α in Hypoxie stabilisiert wird und daher ansteigt, und dass dadurch vermehrt BNIP3 exprimiert wird, wodurch es zur Mitophagie kommt. Dies wird als Schutz vor einer Hypoxie-induzierten, vermehrten Sauerstoffradikalbildung in den Mitochondrien angesehen (64), denn Mitochondrien produzieren in Hypoxie mehr Sauerstoffradikale als in Normoxie (30,65,66). Diese Kontroverse bedarf der Klärung. 72


Hinweise auf eine etwas andersartige, aber ebenfalls Sauerstoffradikal-abhängige Ursache für die Zerstörung der in Hypoxie neu gebildeten Erythrozyten zeigte dieselbe Arbeitsgruppe an ihrem Mausmodell auf (33), denn sowohl die systemische Gabe von konjugierter Katalase als auch die Gabe des antioxidativ wirksamen N-Azetylcysteins erhöhte die Halbwertszeit der Retikulozyten im zirkulierenden Blut und verhinderte die Abnahme des Hämatokrit nach der Hypoxie-Exposition (33). Dieses Ergebnis spricht gegen eine Rolle mitochondrialer Sauerstoffradikale als Ursache der Hämolyse und weist eher auf eine vermehrte Bildung systemischer Radikale hin, wenn der PO2 in den Tieren wieder ansteigt, ähnlich einem Reoxygenierungs-Schaden von Zellen und Geweben, z.B. der Lunge (67). Zerstörung „alter“ Erythrozyten Erythrozyten werden etwa 100 bis 130 Tage alt. Die Abbaurate beträgt etwa 1% pro Tag. Der Abbau erfolgt im Retikulo-Endothelialen System, hauptsächlich in der Milz. Dort werden die Zellen auf ihre Funktionalität überprüft und zerstört, wenn diese nicht mehr gegeben ist (68). Eine zufällige Zerstörung (random loss) von Erythrozyten vor dem Erreichen des maximalen Lebensalters ist beim Menschen vernachlässigbar; bei Maus und Ratte beträgt sie etwa 0,5% bis 1% (69). Der Verlust der alten Erythrozyten wird durch eine ständige Neuproduktion ausgeglichen. Die Produktionsrate beträgt beim Menschen etwa 160 x 106 Zellen pro Minute. Daten zur Zellalterung in der Höhe sind widersprüchlich. So wurde gezeigt, dass der Alterungsprozess und das maximale Zellalter von Erythrozyten in Höhen-akklimatisierten normal sind (70). Dagegen spricht ein erhöhter Umsatz von 59Fe in der Höhe (6) und Berichte über eine verkürzte Lebensdauer und erhöhte zufällige Zerstörung bei Stress-Erythropoese (71). Auch erhöhte Werte von Abbauprodukten des Hämoglobins in Höhenbewohnern (6) und eine etwa 25% erhöhte Eisenaufnahme aus dem Blut von Höhenbewohnern der peruanischen Anden im Vergleich zu Peruanern, welche auf Meeresniveau leben, spricht für eine verkürzte Lebensdauer (47). In der Ratte führte jede Verdoppelung der Produktionsrate von Erythrozyten zu einer Verminderung des maximalen Erythrozyten-Alters um 3,5% (69). Die Zusammenhänge sind unklar. Es dürfte sich um intrinsische Eigenschaften der Stress-Retikulozyten handeln, denn Kreuztransfusion der Zellen in gesunde, nicht anämische Tiere verbesserte deren Überlebensrate nicht (69). Insgesamt weisen diese Daten darauf hin, dass ein stabil-erhöhtes Hb nur durch eine vermehrte Produktion 73


von Erythrozyten zur Kompensation eines erhöhten Verlustes aufrechterhalten werden kann. Konsequenzen der Neozytolyse und einer beschleunigten Erythrozyten-Alterung Falls Erythrozyten, welche in Hypoxie gebildet wurden, tatsächlich Eigenschaften aufweisen, welche ihr Überleben im Blutkreislauf limitieren, dann wird die Hämolyse nach der Rückkehr in Normoxie unterschiedliche Alterskohorten und Mengen von Erythrozyten betreffen, je nachdem, wie lange der Höhenaufenthalt zuvor gedauert hatte (2). Es scheint, dass die Hämolyse von Erythrozyten, die in Hypoxie gebildet wurden, nach einem Aufenthalt in mittleren Höhen nur schwach (52), nach der Rückkehr aus großen Höhen hingegen deutlich stärker ausgeprägt ist (51). Daher dürfte der Hypoxiegrad für die Hämolyse (Neozytolyse)-auslösenden Modifikationen der Erythrozyten von entscheidender Bedeutung sein. Athleten gehen ins Höhentrainingslager, permanent oder intermittierend, um die Sauerstofftransportkapazität zu erhöhen und diese nach der Rückkehr in Tallagen für eine Verbesserung der aeroben Leistungsfähigkeit zu nützen (72,73). Wegen des geringen Stimulus wird die Menge neu gebildeter Erythrozyten nur wenige Prozent betragen (2,74), und die langsame Abnahme des tHb (52–55) deutet darauf hin, dass dieses Konzept tatsächlich wirksam sein könnte. Im Gegensatz dazu wird die Polyzythämie nach einem mehrwöchigen Aufenthalt in großen und extremen Höhen schnell wieder umgekehrt (75), womit auch eine Verbesserung der Sauerstofftarnsportkapazität und damit der aeroben Leistungsfähigkeit schnell wieder verloren geht. Noch einmal anders könnte die Situation nach einem mehr-monatigem Aufenthalt in großen Höhen oder nach der Reise von Höhenbewohnern in Tallagen sein, denn jetzt könnten alle zirkulierenden Erythrozyten einen eingeschränkten Schutz vor Sauerstoffradikalen haben. Es würden also nicht nur die jungen, sondern alle zirkulierenden Erythrozyten einer möglichen Schädigung durch Sauerstoffradikale ausgesetzt. Es besteht also die Gefahr einer massiven Hämolyse, die solange anhält, bis alle anfälligen Erythrozyten eliminiert sind. Untersuchungen dazu fehlen, wären aber wichtig, da große Mengen frei werdendes Hämoglobin zur Schädigung von Organen, z.B. der Niere führen kann.

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❙ Paul Neuhauser, Mathias Ströhle, Hans Ebner, Peter Paal ❙

CPR mit AED in den Bergen Österreichs von 2005 bis 2015 – eine retrospektive Analyse CPR with AED in the Austrian mountains from 2005 to 2015 – a retrospective analysis

SUMMARY Yearly, the Austrian mountains are visited by more than 10 million people and Tyrol is the most visited region. The Austrian mountains are a popular holiday destination and offer a huge variety of leisure time activities. Thus, a multitude of medical emergencies occurs, and sudden cardiac arrest is a lethal emergency. No outcome data from the Austrian Alps exist on cardiac arrest patients treated with cardiopulmonary resuscitation (CPR) with an automated external defibrillator (AED). The aim of this study was to analyze CPR in alpine areas of Austria and its outcome assessing out-of-hospital and in-hospital patient data. The Austrian Alpine Police provided anonymized data from 26/10/2005 to 31/12/2015, which included 136 persons who suffered a sudden out-of-hospital cardiac arrest in the Austrian mountains and received CPR. These data were evaluated and compared with the data of the Innsbruck university hospital, data of identical patients were merged. Additionally, CPR with AED cases in mountains unreported by the Austrian Alpine Police were found in the patients data management system (PDMS) of the Innsbruck university hospital. A web-based search in lay press articles yielded another ten cases. Avalanche victims were excluded from this study. 125 (92 %) of these fatalities occured in men (average age 59.2 years). During summer (i.e. July-August; 37 cases, 27.2 %) and winter (December -February; 51 cases, 37.5 %) CPR was more commonly performed. Also, during midday (39 cases, 28.7 %), afternoon (42 cases, 30.9 %), and on weekends (59 cases, 43.4 %) CPR was more frequently performed. Hundred thirty-two (97.1 %) patients did not survive the cardiac arrest. Five of eight persons who were re81


suscitated survived without any neurological impairment. These patients had a defibrillable initial heart rhythm, received immediate bystander CPR and CPR was shorter compared to persons who died. In conclusion, occacsionally CPR with AED is performed in the Austrian mountains with favorable neurological outcome. Early recognition of a cardiac arrest, immediate bystander CPR, use of an AED and a short CPR are associated with good neurological outcome. Keywords: Alpine terrain, automated external defibrillator, cardiac arrest, cardiopulmonary resuscitation, mountain medicine ZUSAMMENFASSUNG Die österreichischen Alpen, insbesondere Tirol, sind mit mehr als 10 Millionen Besuchern jährlich ein begehrtes Urlaubs- und Freizeitziel und bieten viele Möglichkeiten für Outdoor Freizeitaktivitäten. In den Bergen Österreichs ereignet sich eine Vielzahl medizinischer Notfälle, wobei der plötzliche Herzstillstand einen lebensbedrohlichen Notfall darstellt. Bis dato gab es keine Auswertung zu Herzstillstand mit kardiopulmonaler Reanimation (CPR) unter Einsatz eines halbautomatischen Defibrillators (AED) in den Bergen Österreichs und dem Outcome dieser Patienten. Ziel der Studie war es, die durch die Alpinpolizei gesammelten präklinischen Daten zur CPR sowie innerklinische Daten der Universitätsklinik Innsbruck zu analysieren, um mehr Informationen zu alpiner CPR mit AED zu gewinnen. Der anonymisierte Datensatz der Alpinpolizei von 26.10.2005 – 31.12.2015 mit Informationen zu 136 Personen, die in den Bergen Österreichs kardiopulmonal reanimiert wurden, wurde statistisch ausgewertet. Die alpinpolizeilichen Daten wurden manuell mit Daten der Universitätsklinik Innsbruck abgeglichen, um Unfallopfer zu identifizieren und anhand zusammengeführter Daten Fallberichte zu verfassen. Im Zuge der Suchabfrage des klinischen Informationssystems der Universitätsklinik Innsbruck konnten weitere Fälle alpiner CPR mit AED gefunden und anhand weiterer Fallberichte analysiert werden. Durch eine Internetsuche in der Laienpresse wurden zusätzlich 10 Fälle alpiner CPR mit AED gefunden. Lawinenverschüttete wurden von dieser Studie ausgeschlossen. 125 (92 %) aller Betroffenen waren Männer (Durchschnittsalter 59,2 Jahre). CPR wurde gehäuft im Sommer (Juli, August; 37 Fälle, 27,2  %) und Winter (Dezember, Jänner, Februar; 51 Fälle, 37,5  %) durchgeführt. Mittags (39 Fälle, 28,7 %), nachmittags (42 Fälle, 30,9 %) sowie an Wochenenden (59 Fälle, 43,4 %) wurde gehäuft eine CPR durchgeführt. 132 Personen (97,1 %) über82


lebten den Herzstillstand nicht. Fünf der acht Personen, die mittels AED kardiopulmonal reanimiert wurden, überlebten ohne relevante neurologische Folgeschäden. Diese Patienten hatten einen schockbaren Rhythmus (d.h. VF, pVT), es wurde sofort eine Laienreanimation durchgeführt und die CPR dauerte kürzer als bei jenen, welche die CPR nicht überlebten. In den Bergen Österreichs gibt es Fälle von CPR mit AED und günstigem neurologischen Outcome. Wesentliche Voraussetzungen für ein neurologisch intaktes Überleben sind der sofortige Beginn der Laienreanimation, der schnelle Einsatz eines AED sowie eine kurze Reanimationszeit. Schlüsselwörter: Alpines Gelände, automatisierter externer Defibrillator, Herzstillstand, kardiopulmonale Reanimation, Alpinmedizin

EINLEITUNG In der Sommersaison 2016 traten 76 (58 %) der insgesamt 131 tödlichen Unfälle in Österreichs Bergen bei Wanderern auf. Davon waren 35 Fälle mit tödlichem Ausgang (46 %) auf einen primären Herzstillstand zurückzuführen (1). Auch in den Wintermonaten kommt es regelmäßig zu tödlichen Unfällen aufgrund eines primären kardialen Geschehens. Um diese vital bedrohlichen Notfälle zu überleben, ist der sofortige Beginn einer kardiopulmonalen Reanimation (CPR), im besten Fall unter Einsatz eines halbautomatischen Defibrillators (AED) notwendig (2). Die zunehmende AED-Dichte und das Wissen der Wichtigkeit von AED sorgen dafür, dass immer mehr AED im alpinen Raum installiert sind und zahlreiche Menschen im Umgang darin geschult wurden. Fallberichte belegen den erfolgreichen Einsatz von AED in den Bergen, doch eine Studie, welche auf nationaler Ebene den Ausgang von kardiopulmonaler Reanimation mit Einsatz von AED in den Bergen analysiert gab es bislang nicht. Österreich stellt mit seinen vielen Bergen und abgelegenen Gebieten sowohl für Einheimische als auch für Touristen aus aller Welt ein begehrtes Ausflugsziel dar. Das breite Freizeitangebot an verschiedensten Aktivitäten und Sportarten ist europaweit herausragend und sorgt für hohen Besucherzuspruch. So kamen zum Beispiel im Jahr 2015 rund 11 Millionen Touristen nach Tirol, um dort ihren Urlaub zu verbringen (3). Die Zahl der Besucher in den Bergen steigt weltweit. Zum Beispiel wird geschätzt, dass in den europäischen Alpen jährlich ca. 40 Millionen Leute die verschiedensten Outdoor Freizeitaktivitäten ausüben (z.B. Skifahren, Skitouren, Snowboarden, Klettern, Mountainbiken, 83


Paragleiten), davon alleine mehr als 10 Millionnen in den österreichischen Alpen, wobei mehr als dreiviertel aller Besucher Skifahrer oder Wanderer sind. Weltweit geht man sogar von 100 Millionen Bergtouristen jährlich aus (4,5). Doch der alpine Raum birgt neben diesen schönen Aspekten diverse Gefahren für die Besucher und stellt medizinisches Personal und Bergretter oftmals vor schwierige Herausforderungen. Die demografische Entwicklung in den Industrieländern führt weiters zu einem Anstieg von älteren Menschen in den Bergen (6), diese haben altersbedingt mehr kardiale Vorerkrankungen als Junge (7). Kardiovaskuläre Erkrankungen sind mit 4,1 Millionen Todesfällen pro Jahr in Europa die häufigste Todesursache und knapp die Hälfte aller Todesfälle werden durch die koronare Herzkrankheit, die einen akuten Herzinfarkt und in weiterer Folge den plötzlichen Herztod bedingen kann, verursacht (8). Eine Vielzahl von Liften und Seilbahnen ermöglichen älteren Mitbürgern mit Risikofaktoren für eine koronare Herzkrankheit (z.B. Diabetes Mellitus, Dyslipidämie und Hypertonie) einen einfachen und raschen Weg auf die Berge (9). Dies hat neben dem angenehmen Effekt der schnellen Beförderung, eine akute Höhenexposition mit konsekutiven Adaptationsmechanismen zur Folge. Der Körper kompensiert akut zum Beispiel die erniedrigte Sauerstoffsättigung im Blut (Hypoxämie) mit einer sympathischen Aktivierung (z.B. Herzfrequenzund Blutdruckanstieg) und Hyperventilation. Ab einer Höhe von 3.000 m kann die Sauerstoffsättigung trotz akuter Adaptation unter 90 % liegen, entsprechend größer müssen weitere Adaptationsvorgänge sein. Der in weiterer Folge gesteigerte Sauerstoffbedarf des Herzens kann bei vorgeschädigtem Herz oder eingeschränkter Perfusion in einer Mykoardischämie und malignen Arrhythmien mit Herzstillstand (z.B. Kammerflimmern) enden. Die Ausprägung der Herzbelastung wird von diversen Faktoren beeinflusst (z.B. Höhe, Alter, Vorerkrankungen und Fitnesszustand der Person) (13). Mit dem Wissen, dass der plötzliche Herzstillstand nach dem Trauma die zweithäufigste Todesursache in den Bergen ist und dass bis zu 60 % der älteren Personen signifikante Herzprobleme oder andere gesundheitliche Probleme haben (10), lässt sich die erhöhte Gefahr für ältere und körperlich nicht fitte Personen, einen plötzlichen Herzstillstand in den Bergen zu erleiden, erkennen. Für Männer über 34 Jahre liegt der plötzliche Herztod sogar an erster Stelle der alpinen Todesursachen (11).

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ZIELSETZUNG Bis dato gab es noch keine nationalen Studien zum Ausgang von primär kardialem Herzstillstand und kardiopulmonaler Reanimationen mit AED. Die Internationale Kommission für Alpine Notfallmedizin (ICAR MEDCOM) hat für diesen alpinen Notfall Empfehlungen publiziert, aber die Evidenz wird nur durch einzelne Fallberichte belegt (12,13,14). Ziel dieser Arbeit war es, die anonymisierten Daten der Österreichischen Alpinpolizei, die in einer Datenbank des Österreichischen Kuratoriums für Alpine Sicherheit gesammelt werden, zu analysieren und mit den personalisierten innerklinischen Daten der Universitätsklinik Innsbruck zusammenzuführen, um so Informationen zum Ausgang von kardial bedingten Reanimationen in Österreich zu gewinnen. Mittels Suchabfrage des klinischen Informationssystems der Universitätsklinik Innsbruck wurde nach Fällen alpiner CPR mit AED gesucht. Ein weiteres Ziel war es, alle durch die Alpinpolizei erfassten kardiopulmonalen Reanimationen in Österreich in einer Gesamtstatistik zusammenzufassen, um deren Häufigkeit und Ausgang zu zeigen, mögliche Risiko- und Therapiefaktoren zu bestimmen und somit eine Verbesserung in der Unfallprävention und der Notfallversorgung zu ermöglichen. Eine abschließende Internetsuche in der deutsch- und englischsprachigen Laienpresse hatte zum Ziel, weitere Fälle alpiner CPR mit AED zu finden.

METHODIK Studiendesign Bei dieser Arbeit handelt es sich um eine retrospektive epidemiologische Studie. Seit 2005 werden die durch die Alpinpolizei erhobenen Daten zu alpinen Unfällen elektronisch erfasst. Für diese Arbeit wurde eine Datei mit Patienten erstellt, die einen primären Herzstillstand erlitten haben und kardiopulmonal mit AED reanimiert wurden. Lawinenverschüttete wurden von dieser Studie ausgeschlossen. Die einzelnen Fälle wurden mit den krankenhausinternen Daten aus dem klinischen Informationssystem (KIS) der Universitätsklinik Innsbruck manuell abgeglichen und bei Übereinstimmung zusammengeführt.

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ERGEBNISSE Auswertung Unfalldatenbank Dokumentiert wurden 136 Herzstillstände mit CPR in den Bergen Österreichs im Zeitraum von 26.10.2005 bis 31.12.2015. Es zeigt sich, dass Männer überproportional vertreten waren. Von insgesamt 136 Personen waren 125 männlich (92 %). Es scheint, dass für Männer ein höheres Risiko besteht, einen plötzlichen Herzstillstand im alpinen Raum zu erleiden. Die jüngste Person war 2 Jahre alt, die älteste 88 Jahre. Der Altersdurchschnitt lag bei 58,7 Jahren. Es zeigte sich, dass in der Altersgruppe von 51–60 Jahren die meisten Patienten (27,2 %) zu finden waren. Die Gruppe der 61–70 Jährigen umfasst 26,5 % der Patienten. Die Altersgruppe von 41–80 Jahre enthält insgesamt 84,6 % aller Verunfallten (Abb. 1).

Abb. 1: Altersverteilung der Personen in Zehnjahresschritten

Die Berge Österreichs sind nicht nur für Einheimische ein beliebtes Freizeitund Urlaubsziel, deswegen erscheint es wichtig hier aufzuschlüsseln, welchen Anteil Touristen unter den Patienten mit Herzstillstand ausmachten. 49 % der 86


Patienten kamen aus Österreich, 35 % waren aus Deutschland, welches den größten Anteil der Touristen stellt. Weitere Verunfallte kamen aus den Niederlanden (5,5 %) und der Schweiz (2,3 %). Aus Großbritannien, Polen und Slowenien stammen je 1,6 %, aus Belgien, Italien, Tschechien, Ungarn und den USA stammen je 0,8 %. In jedem Monat des Jahres wurden kardiopulmonale Reanimationen durchgeführt, doch am häufigsten in den Sommer- (Juli und August) und Wintermonaten (Dezember bis Februar), da sich zu dieser Zeit die meisten Touristen im alpinen Raum aufhalten (Abb. 2). Die häufigsten Wochentage waren Samstag und Sonntag (43,4 %), die übrigen Wochentage waren gleichermaßen verteilt. Die meisten kardiopulmonalen Reanimationen ereigneten sich mittags von 11–13 Uhr (28,7 %) und nachmittags von 13 bis 15 Uhr (30,9 %). Am Vormittag von 9 bis 11 Uhr wurden 20 % der kardiopulmonalen Reanimationen durchgeführt. Im Einzugsgebiet der Universitätsklinik Innsbruck mit den Bundesländern Tirol, Vorarlberg und Salzburg ereigneten sich fast dreiviertel aller kardiopulmonalen Reanimationen in den Bergen Österreichs. In Tirol sind mit Abstand die meisten Herzstillstände, nämlich 40 % zu beklagen. Gefolgt von Vorarlberg (15 %) und Salzburg (14 %). Die Universitätsklinik Innsbruck kommt somit für 70 % dieser Notfälle als potentielles Zielkrankenhaus in Frage. Es haben sich bis auf Wien und Burgenland in jedem der neun Bundesländer Österreichs alpine kardiopulmonale Reanimationen zugetragen. Der Hauptgrund für den Herzstillstand war bei 129 Personen (95 %) ein primäres kardiales Problem. In den übrigen Fällen kam es aufgrund eines Sturzes, Stolperns oder Aufpralles gegen ein Hindernis zu einem sekundären Herzstillstand. Dass eine CPR einen lebensbedrohlichen Notfall darstellt, zeigt die Auswertung der Unfallfolgen. 132 (97 %) aller Personen die aufgrund eines Herzstillstandes in den Bergen Österreichs kardiopulmonal reanimiert wurden, starben noch vor der Einlieferung in das Krankenhaus oder in weiterer Folge. Anhand von Abbildung 2 wird gezeigt, welcher Tätigkeit zum Zeitpunkt des Herzstillstandes nachgegangen wurde. Auch die saisonale Häufung wird ersichtlich. Die Auswertung ergab, dass 46 % aller Personen beim Wandern oder Bergsteigen den Herzstillstand erlitten haben. Beim Skifahren und Snowboarden waren 32 % betroffen, beim Langlaufen 4 %, und weitere 4 %, die eine Skitour unternahmen. Jene 12 % der Fälle, die sich außerhalb des Wanderns und des Wintersportes ereigneten, teilen sich in die Disziplinen Jagd, Arbeitsunfall, Mountainbike, Liftunfall, Klettern und sonstiges auf (Abb. 2). 87


Abb. 2: Monatsverteilung der ausgeübten Tätigkeit zum Zeitpunkt des Herzstillstandes (Angabe in absoluten Zahlen)

Abbildung 3 veranschaulicht, in welcher Phase des ausgeübten Bergsportes sich der Verunfallte zum Zeitpunkt des Herzstillstandes befand. Bei 40 % der Personen kam es während des Aufstieges zu einem Herzstillstand, den größten Anteil dieser Gruppe machten Wanderer aus. In der zweitgrößten Gruppe mit 24 % waren jene Personen, die sich gerade auf der Abfahrt befanden. 10 % der Personen waren auf dem Abstieg, 2 % bei der Auffahrt, in diesen Fällen handelt es sich um Lift- und Mountainbikeunfälle. Jene 7 % aller Personen aus der Gruppe ‚Stehen Sitzen’ umfassen Wintersportler, die während der Erholungsphase einen Herzstillstand erlitten. Die Gruppe ‚Im Flachen’ beinhaltet zur Hälfte Langläufer. Anhand dieser Auswertung konnte gezeigt werden, dass es hauptsächlich die Phasen der körperlichen Anstrengung waren, in denen es zum Herzstillstand kam. Es zeigte sich, dass die meisten Fälle (n= 84, 62 %) sich auf einer Höhe zwischen 1.000 und 2.000 m ereigneten. Die restlichen Fälle ereigneten sich annähernd gleichermaßen in niedrigeren (18 %) und größeren Höhen (15 %). 88


Abb. 3: Ausgeübte Tätigkeit bzw. Phase zum Zeitpunkt des Herzstillstandes (Angaben in absoluten Zahlen)

Auswertung der Fälle alpiner CPR mittels AED Durch den Abgleich der alpinpolizeilichen Daten mit den Daten der Universitätsklinik Innsbruck konnten lediglich fünf Personen identifiziert werden, die nach einer CPR an der Universitätsklinik Innsbruck behandelt wurden und in nur einem der fünf Fälle kam ein AED zum Einsatz. Erst durch die spezielle Suchabfrage (Suchwörter: „Reanimation“, „CPR“, „Wiederbelebung“ und „AED“; mit 2354 Treffer) des klinischen Informationssystems wurden weitere sieben Fälle alpiner CPR mittels AED gefunden. Tabelle 1 zeigt die wichtigsten Parameter zusammengefasst. Sieben Patienten überlebten den Herzstillstand, von denen fünf Patienten in gutem neurologischen Zustand gemäß CPC (Cerebral Performance Category 1 oder 2) nach Hause entlassen wurden. Bei allen Überlebenden wurde bereits vor Eintreffen der professionellen Hilfe eine kardiopulmonale Reanimation durch medizinische Laien durchgeführt.

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Ja

Ja Ja

Ja 48

33 Ja 5

4

Asystolie

Nicht schockbar

Abfahrt

Wandern 11:30

12:48 Do

Mi Juli 2015

Jän. 2015 m 66

85

7

8

w

Skifahren

Unbekannt

Ja

Ja Ja 40 4 Nicht schockbar 52 6

m

Mai 2014

Sa

10:00

Wandern

Unbekannt

Ja

Ja

Ja Ja

Ja Unbekannt

< 40

1

VF

2

VF Pause

Wandern 12:40

12:00 Do

Mi Sept. 2013

März 2012 m 40

78

4

5

w

Skifahren

Unbekannt

Ja

10 1 VF w

Juni 2011

Do

14:30

Wandern

Unbekannt

Ja

Ja

Ja 1 Schockbar VF/pVT

VF

Pause

Unbekannt

Skifahren

Wandern 11:47

Mo 12:40

Sa

68

Fall

3

Alter

2

30 m/w

Jän. 2015

Monat und Jahr

Sept. 2010

Tag

w

Uhrzeit

m

Aktivität

72

Abstieg / Aufstieg

72

1. Rhythmus

2

CPC bei Entlassung

1

Laien CPR

20

CPR Dauer (min)

Ja

6. Tag Ja

Nein

Ja Ja

AED Einsatz

Ja

Akut CAG

90

Tab. 1: Überlebende nach einem Herzstillstand am Berg, welche eine CPR mit AED erhielten und an der Universitätsklinik Innsbruck behandelt wurden. CAG steht für Koronarangiographie, CPC Cerbral Performance Category, CPR kardiopulmonale Reanimation, AED Automatisierter externer Defibrillator, m männlich, pVT pulslose ventrikuläre Tachykardie, VF Kammerflimmern, w weiblich)


Auswertung Laienpresse Anhand einer Web-basierten Suche in der Laienpresse konnten weltweit weitere 10 Personen gefunden werden, bei denen erfolgreich mittels AED kardiopulmonal reanimiert wurde. Bei acht dieser 10 Patienten wurde ein sehr gutes neurologisches Outcome beschrieben (Tab. 2). In der Medline-Datenbank wurde von keinem dieser positiven Fälle berichtet.

Neurologisches Outcome

AED Einsatz

Laien CPR

Information zur Reanimation

Alter m / f

Ja

Sofort

Kurz, suffizient

50* m

Auffahrt

Sehr gut

Ja

Sofort

Nach 4 min. AED

40* m

Pause

Sehr gut

Ja

Sofort

Durch Kranken­ schwester und Arzt

88 m

Mountainbike

Auffahrt

Stabil auf Intesivstation

Ja

Sofort

10 min. bis AED durch med. Pers.

32 m

USA

Arbeit

Stabil auf Körperliche Betäti- Intesivstagung tion

Ja

Sofort

AED durch First Responder (FR)

51 m

April 2010

USA

Laufen

Nach Sehr gut Ziel-einlauf

Ja

Sofort

CPR durch an-wesende Ärztin

33 m

7

Mai 2016

USA

Wandern Aufstieg

Sehr gut

Ja

Sofort

22x Schock AED durch FR

68 m

8

Juni 2010

Japan

BergsteiAufstieg gen

Sehr gut

Ja

Sofort

AED nach 30 min. auf 3000m

56 m

Tätigkeit

Sehr gut

Land

Skifahren Abfahrt

Datum

Abstieg / Aufstieg

Tab. 2: Ergebnisse der Internetsuche zu Herzstillständen und kardiopulmonaler Reanimation mittels AED. ( *keine genaue Altersangabe)

1

Feb. 2016

USA

2

Mai 2016

Schott­- Mountainbike land

3

März 2012

USA

Wandern

4

Juni 2008

USA

5

Juni 2013

6

91


Abstieg / Aufstieg

Neurologisches Outcome

AED Einsatz

Laien CPR

Information zur Reanimation

Alter m / f

Skifahren Abfahrt

Sehr gut

Ja

Sofort

AED durch Pistenpersonal

50* m

10

März 2015

Österr.

Skifahren Abfahrt

Sehr gut

Ja

Sofort

Suffizient, AED von Liftstation

48 m

Tätigkeit

USA

Land

März 2015

Datum

9

ERGEBNIS Dies ist die erste Studie, welche sich mit der Auswertung von kardiopulmonaler Reanimation mit Einsatz eines AED in den Bergen Österreichs befasst. Bisher wurden in der Fachliteratur nur wenige Fälle einer erfolgreichen kardiopulmonalen Reanimation in den Bergen berichtet, doch die Auswertung der alpinpolizeilichen Daten zeigt, dass eine CPR mit AED im alpinen Raum wiederholt stattfindet. Die vitale Bedrohung dieser Notfälle wird durch den tödlichen Ausgang in 97 % der alpinpolizeilich erfassten Fälle deutlich. Gleichzeitig konnte durch diese Studie gezeigt werden, dass es deutlich mehr Überlebende in Österreich gibt als bisher berichtet. Laien CPR und der schnelle Einsatz eines AED-Gerätes sind essentiell für ein neurologisch gutes Überleben. Zudem wurden in der Laienpresse noch zahlreiche weitere Fälle mit gutem neurologischem Outcome dokumentiert. Awareness, Training und Vorhalten von AED in den Bergen können Leben häufiger retten als bisher berichtet. In Österreichs Bergen war die große Mehrheit (92 %) aller Personen, die kardiopulmonal reanimiert wurden, Männer, und das Durchschnittsalter lag bei 59 Jahren. Ähnliche Ergebnisse ergab auch eine Studie, in der 419 plötzliche Herztode unter Skifahrern und Wanderern untersucht wurden (15). Diese ereigneten sich zu 90 % bei Männern über 34 Jahren. Diese Studie errechnete für Männer älter als 34 Jahre ein 4,3-faches Risiko für Wanderer und ein 2,1-faches Risiko für Skifahrer, einen plötzlichen Herzstillstand zu erleiden (15). Das Risiko für Frauen war deutlich niedriger (15). Eine Erklärung für den hohen männlichen Anteil an tödlich verlaufenden Herzstillständen ist in der Fach92


literatur nicht zu finden. Dennoch sind Männer älter als 34 Jahre jene Personen mit dem höchsten Risiko, einen plötzlichen Herztod im alpinen Raum zu erleiden. Ein früherer Herzinfarkt, Hypertonie, Diabetes Mellitus, bekannte koronare Herzkrankheit (KHK) ohne vorangegangen Herzinfarkt und Hypercholesterinämie sind voneinander unabhängige Risikofaktoren, welche die Wahrscheinlichkeit einen plötzlichen Herztod (sudden cardiac death – SCD) zu erleiden, erhöhen. Ein früherer Herzinfarkt erhöht das Risiko einen SCD zu erleiden sogar um das 11-fache (16). In einer Studie von Faulhaber et al. konnte gezeigt werden, dass 12,7 % aller Wanderer und 11,2 % aller Skifahrer zumindest einen der oben genannten Risikofaktoren aufweisen, wobei die Risikofaktoren öfter bei Männern als Frauen auftreten (7). Dies kann wiederum einen Grund für das verstärkte Auftreten von plötzlichen Herzstillständen bei Männern erklären. Aus diesen Erkenntnissen ergibt sich, dass Personen mit bekannten kardialen Vorerkrankungen und ganz besonders sportlich inaktive Männer über 40 Jahren individuelle Trainingsprogramme absolvieren sollten, bevor sie Sport in den Bergen ausüben. Vorabuntersuchungen und die richtige medikamentöse Einstellung kardiovaskulärer Erkrankungen sind ebenso wichtig, um das Risiko für einen Herzinfarkt zu minimieren (15,16). Die Charakteristik der Belastung ist in den zwei häufigsten, von Bergsportlern ausgeführten Disziplinen, nämlich Wandern und Bergsteigen (46,3 %) sowie Ski und Snowboard (32,4 %) unterschiedlich. Beim Skifahren kommt es z.B. zu kurzen intensiven Belastungsspitzen von ein bis drei Minuten, wobei im Unterschied dazu beim Wandern eine lange kontinuierliche Belastung vorliegt (16). Unsere Ergebnisse zeigen, dass beim Skifahren und beim Wandern trotz verschiedener Belastungscharakteristiken besonders die Phasen der Belastung zum plötzlichen Herzstillstand führen. So kam es z.B. bei Bergsteigern und Wanderern dreimal häufiger im Aufstieg verglichen mit dem Abstieg zu einem plötzlichen Herzstillstand. 97,1 % aller kardiopulmonalen Reanimationen wurden nicht überlebt. Anhand dieser Zahl lässt sich eine Überlebensrate von nur 2,9 % ermitteln. Damit liegt das Überleben bei einer CPR im alpinen Gelände deutlich niedriger als im urbanen Bereich, hier wird von einem Überleben zwischen 7,6 % und 11,9 % berichtet (17,18). In allen Fällen einer erfolgreichen CPR mit gutem neurologischen Ausgang wurde unverzüglich eine Laienreanimation begonnen, ohne diese sinken die Überlebenschancen innerhalb der ersten 5–10 Minuten eines Herzstillstandes rapide Richtung 0 % ab (19). Der Beginn einer CPR innerhalb der ersten 5 Minuten nach Herzstillstand wird als der entscheidendste Faktor in einer 93


Übersichtsarbeit von erfolgreicher Defibrillation im ländlichen Gebiet genannt (20). Je früher ein AED erfolgreich zum Einsatz kommt, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit den Herzstillstand ohne neurologische Folgeschäden zu überleben (21). In der Tabelle 1 wird ersichtlich, dass alle Patienten, die mit gutem neurologischen Outcome überlebten, bei der ersten Rhythmusanalyse Kammerflimmern bzw. einen schockbaren Rhythmus aufwiesen und jene Patienten mit schlechtem Outcome eine Asystolie bzw. einen nicht schockbaren Herzrhythmus zeigten. Die Studie von Schober et al. zeigte zudem, dass eine kürzere CPR-Dauer mit häufigerem und neurologisch intaktem Überleben verbunden ist (18). Die Fälle, in denen die CPR-Dauer erfasst wurde, zeigten, dass vor allem Fälle mit kurzer CPR (<30 Minuten) ein gutes Outcome erzielten. Die in dieser Studie vorgestellten Fälle alpiner AED Einsätze bestätigen die Annahme, dass neben den urbanen Gebieten, in denen der Einsatz von AED Geräten nachweislich wirksam ist, auch der AED Einsatz in den Bergen nützlich ist und das Überleben eines Herzstillstandes positiv beeinflussen kann (12). Insofern unterstützt diese Studie die aktuellen European Resuscitation Guidelines 2015 und ICAR MEDCOM Empfehlungen über die Platzierung von AED in belebten Skigebieten und hochfrequentierten Berghütten (12,22).

LIMITATIONEN Aus der Datenbank der Alpinpolizei konnten nicht alle Personen, bei denen mit einer Zuordnung an der Universitätsklinik Innsbruck gerechnet wurde, zugeordnet werden. Auch die derzeitige alpinpolizeiliche Erfassung der Patienten muss als Limitation gesehen werden, denn die Fließtextabfrage in der Universitätsklinik Innsbruck zeigte, dass es Personen gab, die nach Reanimation in den Bergen Österreichs an die Universitätsklinik Innsbruck zur Behandlung gebracht wurden, aber in der Unfalldatenbank nicht aufschienen. Die außerhalb der Datenbank gefundenen Fälle fanden somit keinen Eingang in die österreichweite Auswertung. Derzeit werden durch die alpinpolizeiliche Aufnahme Fälle mit tödlichem Ausgang genauer erfasst und es fehlt die Möglichkeit der elektronischen Abstimmung zwischen Daten der Alpinpolizei und Krankenhausträgern. Es konnten nur Patienten, trotz nationalem Register, erfasst werden, die primär in die Universitätsklinik Innsbruck kamen. Die Notarztprotokolle gaben eine grobe Übersicht zur Reanimationsdauer. 94


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❙ Sebastian Wenger, Robert Csapo, Michael Hasler, Barnaby Caven, Tom Wright, Thomas Bechtold, Martin Faulhaber, Werner Nachbauer ❙

Effects of different moisture management properties of commercially available hiking jackets on physiological parameters during leisure hiking Auswirkungen unterschiedlicher Feuchtigkeitsmanagements kommerziell verfügbarer Wanderjacken auf physiologische Parameter während des Freizeitwanderns

ZUSAMMENFASSUNG Wasserdampfdurchlässige (WVP) Bekleidungssysteme verbessern den Tragekomfort, indem sie Feuchtigkeitsansammlungen reduzieren. In warmen Umweltbedingungen kann sich WVP Bekleidung zudem positiv auf die Leistungsfähigkeit beim Sport auswirken, da sie den Anstieg der Körpertemperatur begrenzt sowie Energieverbrauch und Schweißproduktion senkt. Bezüglich der Auswirkung von WVP Bekleidung auf die Leistungsfähigkeit in kalter Umgebung ist die Erkenntnislage dagegen unzureichend. Darüber hinaus ist ungeklärt, ob sich die Erkenntnisse aus der Grundlagenforschung auch auf kommerziell verfügbare Wanderjacken übertragen lassen, welche sich nicht nur hinsichtlich ihrer Durchlässigkeit für Wasserdampf, sondern auch in Schnitt und Design unterscheiden. Um die Auswirkungen kommerziell verfügbarer Wanderjacken mit unterschiedlicher Wasserdampfdurchlässigkeit und unterschiedlichem Design auf Feuchtigkeitsmanagement und physiologische Parameter zu untersuchen, absolvierten zehn männliche Probanden eine simulierte einstündige Wanderung (Gehgeschwindigkeit 3,5 km/h; Steigung 15 %) mit anschließender Erholungs97


phase (15 min) in einer Klimakammer (12° C, 40 % relative Luftfeuchtigkeit). Die relative Luftfeuchtigkeit im Bekleidungssystem wurde dabei kontinuierlich gemessen und Mittelohrtemperatur, Herzfrequenz sowie Gewichtsverlust der Probanden wurden als physiologische Anstrengungsparameter erhoben. Jacken mit einer höheren Durchlässigkeit für Wasserdampf wiesen eine niedrigere relative Luftfeuchtigkeit im Bekleidungssystem auf. Darüber hinaus war die Gewichtszunahme der entsprechenden Jacken und der restlichen Testbekleidung geringer. Auf Schweißverlust, Herzfrequenz oder Mittelohrtemperatur wirkte sich die Wahl der Jacke dagegen nicht aus. Unsere Ergebnisse zeigen, dass Jacken mit einem verbesserten Feuchtigkeitsmanagement zu einem trockeneren Mikroklima beitragen, was sich gegebenenfalls positiv auf das Tragegefühl auswirken kann. Allerdings wurden keine signifikanten Unterschiede hinsichtlich der physiologischen Anstrengungsparameter gefunden. Dies legt nahe, dass die Wahl der Wanderjacke keinen Einfluss auf die Leistungsfähigkeit während einer simulierten Wanderung in kalter Umgebung hat. Schlüsselwörter: physiologische Belastung, aerobe Belastung, Textilien, Durchlässigkeit SUMMARY Water vapor permeable (WVP) clothing systems improve wearing comfort by reducing moisture accumulations. In hot environments, WVP clothing properties may also benefit exercise performance by limiting rises in core temperature and associated sweat loss and energy demands. Scant research exists to test the effects of WVP properties on exercise performance in cool environments. Further, it remains unclear whether findings from basic research are also applicable to commercially available hiking jackets that differ not only in WVP properties but also design features. To evaluate the effects of commercially available hiking jackets differing in WVP properties and design features on moisture management and physiological parameters, ten male subjects performed a simulated 1-hour hike (walking speed 3,5 km/h, 15 % of inclination) with consecutive rest (15 min) in a climatic chamber (12° C, 40 % relative humidity). Relative humidity in the clothing system was continuously recorded and tympanic temperature, heart rate and weight loss were measured as parameters reflecting physical effort. Jackets featuring better WVP properties led to lower relative humidity in the clothing system and associated weight gains of jackets and remaining apparel. No significant effects on overall sweat loss, heart rate or tympanic tempera98


ture were found. Our results suggest that jackets featuring improved moisture management properties facilitate a drier microclimate, potentially benefitting wearing comfort. However, no significant differences in parameters reflecting physical effort were found, suggesting that the choice of jacket does not influence exercise performance during a simulated hike in a cool environment. Keywords: physical exertion, aerobic exercise, textiles, permeability

INTRODUCTION Hiking in the mountains is one of the most popular leisure activities in alpine regions, mostly practiced by elderly, well-situated people with a health-orientated lifestyle (1,2). To address this target group’s needs, the outdoor industry offers a broad range of products. A central demand is protection from the prevailing weather elements. Here, hikers can mostly choose between favorably-priced, non-water vapor permeable jackets with polyurethane coating, 2.5 layer jackets with water vapor permeable (WVP) membranes composed of e.g. polyurethane in a medium price range, and high-end three layer products employing WVP membranes made of e.g. stretched polytetrafluorethylene (PTFE). For improved micro climate, jackets may also be equipped with ventilation openings. While all of these products provide shelter from wind and rain, they mainly differ in their ability to transport water vapor from within the clothing system to the outside. Various wearing studies have shown that, as compared to non-WVP constructions, both WVP membranes (3–5) as well as ventilation openings (6) help reduce moisture accumulations in the clothing system which are caused by augmented sweat rate during exercise in various conditions. This effect improves wearing comfort, as it leads to a dryer skin, which is less sensitive for temperature differences and skin-textile friction (7–11). In addition to its influence on wearing comfort, differences in vapor permeability and ventilation design may also affect measures that are relevant for physical performance and reflect the degree of effort: In warm environments, wearing-studies have demonstrated that usage of WVP protective clothing is associated with a slower rise in core temperature and lower energy consumption during exercise as compared to impermeable clothing systems (5,6,12,13). With regards to hiking, these findings have limited applicability as jackets mostly serve to keep the body warm in cold environments. Here, it is paramount to avoid moisture accumulations in the clothing system since wet cloth99


ing features increased heat capacity and thermal conductivity (14,15), resulting in a greater loss of body heat. In cold and windy conditions, this can lead to a higher energy consumption, cold stress and ultimately hypothermia, imposing serious health risks for hikers (16–19). In confirmation of this notion, Weller and Millard (20) found energy consumption, heart rate and levels of stress hormones to be higher when low-intensity exercise in a cold environment was performed in wet as compared to dry clothing. Clothing properties also influence the amount of sweat produced during exercise (21). Reduced sweat perspiration could help to delay the onset of dehydration, an essential risk especially during longer hikes (22,23). Yoo and Kim (24) found that higher water vapor permeability was associated with reduced loss of body weight due to sweating while exercising in cold conditions wearing cold protective gear. Similar observations were made for ventilation openings, which equally help to reduce sweat loss during exercise (25). However, it should be noted that both Ruckman et al. (25) and Yoo and Kim (24) used short-term (20 minutes or shorter), low-intensity exercise interventions, which do not reflect the physical demands of outdoor hiking (26). Additionally, it is unlikely that sweat production reaches a steady state after 20 minutes or less, so these findings may have limited generalizability (27). To date, no wearing studies have investigated the effect of different WVP jackets and ventilation openings on parameters reflecting physical effort under environmental and exercise conditions that are applicable to leisure hiking. Also, wearing studies have typically used tailor-made apparel prototypes to test the effects of WVP constructions and ventilation openings (3–5,24,25). It is important to note that both microclimate and wearing comfort do not only depend on a jacket’s membrane but are rather influenced by the concomitant influence of various factors, including garment design, cut and fit (28). Hence, it is unclear whether results obtained with custom-made prototypes can be extrapolated to commercially available jackets. The goal of this practice-oriented study was to investigate whether commercially available hiking jackets, differing in both price and textile features, would have a significant impact on moisture management and parameters reflecting physical effort. We aimed to use a setting of exercise and environmental conditions that is representative for hiking at a leisure level. The jackets tested were chosen to reflect the available product range from a basic, non-WVP jacket to a high-end jacket equipped with a PTFE membrane and ventilation openings. We hypothesized that jackets featuring water vapor permeable membranes and ventilation openings would benefit water transport from the skin to the outside 100


of the jacket, limit subjects’ weight loss due to sweating and minimize fluctuations in body temperature during exercise and subsequent rest.

METHODS Subjects Ten healthy and well trained male volunteers participated in the study (age: 27.1 ± 2.3 years, weight: 73.0 ± 6.0 kg, height: 176.2 ± 3.4 cm, BMI: 23.5 ± 1.4, self-reported sports activity level: 6.7 ± 2.4 hours/week). The study protocol was approved by the Board for Ethical Questions in Science of the University of Innsbruck (37/2015). Participants were informed about the study purpose and methods involved before giving written consent. Physical readiness to participate was assessed through completion of the Physical Activity Readiness Questionnaire (PARQ) (29). Outdoor apparel The jackets tested in this study were purchased on the market (size: M was found to fit all subjects included) and selected to reflect the quality range of products hikers may choose from when buying a wind- and waterproof jacket: A two-layer jacket equipped with a polyurethane membrane (Power Tex®; PM) and a three layer jacket with a stretched PTFE (Gore-Tex®) membrane were chosen. The latter jacket additionally featured ventilation openings in the armpit (length: 35 cm; no mesh lining) and was used twice: once with closed (PTC) and once with opened (PTO) ventilation openings. As an example of a nonsports specific alternative, a water vapor impermeable polyester jacket with polyurethane coating (Norway Protection®; PU) was also tested. All jackets were tested for wind- and waterproofness according to EN-ISO 9237:1995 and BS 3424-26:1990 standards and seams were also checked for waterproofness at the textile laboratory of the University of Innsbruck. Resistance to evaporative heat transfer (Ret) and resistance to conductive heat transfer (Rct) of the jackets were measured on a hot plate according to EN-ISO – 11092:2014: All jackets featured front zips, which were completely closed during the tests, and sleeve cuffs equipped with Velcro straps that were tightened during the tests. Further specifics and dimensions of the jackets are evident from table 1 and figure 1 shows a demonstrative picture of one subject wearing the jackets.

101


Tab. 1: Specifics and dimensions of test jackets PTC/PTO

PM

PU

Manufacturer

Mountain Equipment

Salewa

Norway Protection

Material

100 % polyamide

100 % polyester

100 % polyester with polyurethane coating

Membrane (brand name)

GORE-TEX®

Power Tex®

none

Ventilation openings

no/yes

no

no

Air permeability (mm/s)

1.726 ± 0.014

0.700 ± 0.006

0.000 ± 0.000

Rct (m²K/W)

0.054 ± 0.010

0.050 ± 0.018

0.044 ± 0.000

Ret (m²Pa/W)

6.552 ± 2.523

42.690 ± 5.275

199.621 ± 60.774

Thickness (mm)

0.259 ± 0.008

0.126 ± 0.004

0.453 ± 0.004

Jacket length (cm)

74

73

78

Waist size (cm)

108

104

112

Sleeve length (cm)

62

59

56

Weight (g)

521

261

565

Retail price (Euro)

499

99

20

Rct: Resistance to conductive heat transfer and Ret: Resistance to evaporative heat transfer.

Fig. 1: Subject wearing per­wmeable jackets featuring a stretched PTFE (PTC/PTO; left) or polyurethane membrane (PM; middle) as well as an impermeable jacket with polyurethane coating (PU; right)

102


For execution of the tests, participants were provided with identical long-sleeve base layers (Ortovox, Taufkirchen, Germany; 80 % merino wool, 17 % polyamide, 3 % spandex), soft shell hiking pants (Ortovox; Face: 74 % polyamide, 6 % spandex, 20 % merino wool; Lining: 52 % merino wool, 48 % polyester) and a bandana used to cover the head (Buff S.A., Barcelona, Spain: 100 % polyester). Additionally, subjects were wearing their individual socks, running shoes and boxer shorts and a 5 kg hiking backpack (Deuter Sport GmbH, Gersthofen, Germany). Exercise intervention The jackets were tested during a simulated hike that consisted of two phases: First, participants walked on a treadmill (pulsar, h/p/cosmos, Nussdorf-Traunstein, Germany) at a speed of 3.5 km/h and 15 % inclination for one hour. Afterwards they were instructed to rest on a chair for 15 min to simulate a hiking break. Tests with the PTO jacket were performed such that ventilation openings were kept open during the walking phase and closed for the break to facilitate moisture transfer during activity and protect the subject during rest from excessive heat loss. All tests were performed in a climatic chamber (Kältepol, Natters, Austria) used in previous studies (17,30) under standardized environmental conditions (12 ± 1 °C, 40 ± 3 % relative humidity). These conditions were chosen because 12°C represents the average daily mean temperature in St. Anton am Arlberg at an altitude of 1284 m in the period from May to September (i.e., the hiking season) (31). A wind machine (TTW 25000 S, Trotec, Heinsberg, Germany), positioned next to the treadmill at a 45° angle and facing the subjects, was used to simulate light wind (10 km/h) during the walking phase. During the 1-hour treadmill hike, a difference in altitude of 525 m was covered. According to ACSM guidelines, this activity coincides with an average oxygen uptake of 26.8 ml/(min*kg) and a metabolic heat production of 440 W/m2 and can, therefore, be considered a moderately intense exercise for healthy, young and physically active subjects (32). Subjects performed the protocol four times, always at the same time of the day, to test each jacket once in a randomized order. A minimum resting time of 24 h was granted between tests with different jackets. Subjects were advised to refrain from drinking coffee or alcohol on the testing day (33) and requested not to participate in sport activity 24 h before the testing . To ensure consistent hydration status, participants were asked to drink 500 ml of water one hour before and to empty their bladder immediately before testing (34). 103


Measurements Temperature and relative humidity were continuously recorded. Further measurements were obtained at five points of time: Before the walking phase (t0), after 20 min (t1), 40 min (t2) and 60 min (t3) of walking, and at the end of the cool down phase (t4). Measures of tympanic temperature and heart rate were obtained at all points of time. Humidity of the stratum corneum was measured at t0, t3 and t4. Weight measurements were conducted at t0 and t4 only. Moisture management To evaluate moisture management, three parameters were measured: (i) microclimate, (ii) humidity of the stratum corneum and (iii) sweat residues in the clothing system. To obtain data reflecting the microclimate between skin and base layer as well as that between base layer and outer jacket, sensors (SHT 15-sensors, Sensirion AG, Stafa, Switzerland) measuring temperature and relative humidity were attached to the skin and base layers using adhesive tape (care was taken not to cover sensitive areas). Sensors featured filter caps for protection against dripping sweat. The exact measurement positions were on the chest in the middle of the sternum as well as 5 cm below the armpit; these regions are known for high levels of sweat production (35). Data were continuously recorded using data loggers (sampling frequency: 0.17 Hz). As, during test execution, the measures obtained on the chest and below the armpit showed congruent changes over time, the average of these two values was calculated for further analysis. Humidity of the stratum corneum was measured in the umbilical and lumbar region (CM 825 Corneometer, CK electronic GmbH, Cologne, Germany). For consistency, measurement areas were marked with a waterproof pen. For each measurement, the average of three measures was calculated and the mean of the two regions was used for further analysis (similar changes over time). Results are presented in arbitrary units ranging from 0 (dry) to 120 (on water) (36). Jackets and the remaining clothing (bandana, hiking pant, and base layer) were separately weighted using a high-precision scale (Kern DS 150K1, Kern & Sohn GmbH, Balingen-Frommern, Germany; readout precision: 1 g) to determine sweat residues. Measures of physical effort Tympanic temperature, heart rate and weight loss of the subjects were measured as indicators of the degree of physical effort. Tympanic temperature was measured in the left ear using a thermometer, which was kept under constant conditions (20 °C) between measurements (ThermoScan IRT 4520, Braun, 104


Germany). During the protocol, the ears were covered with a bandana to prevent potential bias resulting from cooling of the outer auditory canal. Heart rate was measured via chest belt (Polar Electro Oy, Kempele, Finland). To estimate the loss of water due to sweating and respiration, the subjects were weighted in underwear (Kern DS 150K1, Kern & Sohn GmbH, Balingen-Frommern, Germany) and the average of five consecutive measurements was considered for further analyses (37).

STATISTICAL ANALYSES Factorial ANOVAs with repeated measurements were used to determine the influence of the factors “jacket” and “time” on tympanic temperature, relative humidity and heart rate as well as subjective perceptions of scratching, thermal comfort and exertion. Differences in the weight of subjects and clothing between t0 and t4 were calculated and compared between jackets by one-way ANOVAs. In cases where Mauchly’s test indicated a violation of the assumption of sphericity, degrees of freedom were corrected by the Greenhouse-Geisser procedure. For the main factor “jacket”, Sidak-adjusted post hoc tests were used to follow up significant ANOVA results. Values are reported as mean values ± standard deviation (SD). Differences were considered significant at p ≤ 0.05. SPSS Statistics Version 21 (IBM, Armonk, USA) was used for all statistical calculations.

RESULTS Moisture management The values of relative humidity measured between skin and base layer are evident from figure 2(a). Relative humidity increased steadily from t0 (45 ± 2.7 %) to reach a maximum at t3 (73.1 ± 4.8 %) and dropped only slightly during cool down (t4: 72.7 ± 6.5 %). The effect of “time” was found to be significant (F(1.134, 10.202) = 63.506, p < 0.001). Across measuring times, ANOVA also revealed a significant effect for “jackets” (F(3, 27) = 5.416, p = 0.005). As compared to PU, relative humidity was significantly lower when using PTC (p = 0.006) and a tendency towards lower relative humidity was observed for PTO (p = 0.125). “Jacket × time” interactions showed no significant difference (F(3.968, 35.715) = 2.561, p = 0.198). 105


Figure 2(b) shows the values of relative humidity as measured on the chest and below the armpit between base layer and jacket. Across jackets, relative humidity was constantly rising by 33 % from t0 (49.0 ± 4.6 %) to cool down (t4: 73 ± 9.8 %). This is reflected by a significant effect of the factor “time” (F(1.481, 13.333) = 61.152, p < 0.001). ANOVA also indicated significant differences between jackets (F(3, 27), p < 0.001). Post hoc t-tests demonstrated that relative humidity between base layer and jacket was lowest in PTO, followed by PTC, PM and PU, with differences being significant between products: PTO vs. PM (p = 0.004), PTO vs. PU (p < 0.000), PTC vs. PM (p = 0.003) and PTC vs. PU (p < 0.000). ANOVA showed significant “jacket × time” interaction-effects (F(4.093, 36.836) = 4.723, p = 0.003) indicating a slower rise in relative humidity for PTO compared to the other jackets.

Fig. 2: Relative humidity between skin and base layer (a) and between base layer and jacket (b) at the beginning of the protocol (t0), during the walking phase (t1-t3) and after cool down (t4). Error bars are deliberately omitted for improved clarity

During the exercise intervention, humidity of the stratum corneum was rising with all jackets, as compared to the starting point. On average, values increased from 46.4 ± 11.0 (t0) to 96.1 ± 27.3 (t3) during walking and dropped to 66.7 ± 18.2 during cool down (t4). ANOVA revealed a statistical effect for the factor “time” (F(1.271, 11.437) = 71.316), p < 0.001). Comparisons of jackets showed that, across all measuring points, the humidity of the stratum corneum was highest with PM (71.9 ± 26.4), followed by PU (71.8 ± 27.0) and PTC (69.5 ± 26.7). The lowest average stratum corneum humidity was measured with the PTO jacket (65.5 ± 23.1). However, differences between jackets were not statistically significant (F(3, 27) = 0.987, p = 0.414). The “jacket × time” interaction effect, by contrast, just failed to reach statistical significance (F(2.814, 25.323) = 2.532, p = 0.083), which hints to a slower rise in the humidity of the stratum 106


corneum during the protocol with PTO as compared to PTC, PM and PU. All values for the humidity of the stratum corneum are evident from table 2. Tab. 2: Humidity of stratum corneum Time

PTO

PTC

PM

PU

t0 (0 min)

47.0 ± 10.5

48.3 ± 13.1

47.3 ± 9.2

42.7 ± 7.8

t3 (60 min walking)

88.0 ± 22.0

97.8 ± 21.0

99.7 ± 19.4

98.8 ± 15.6

t4 (15 min cool down)

61.7 ± 13.2

62.4 ± 18.1

68.7 ± 15.3

73.8 ± 16.9

Note: Data are given in arbitrary units ranging from 0 (dry) to 120 (on water).

The weight gain of jackets and the remaining apparel (base layer, hiking-pants and bandana) from t0 to t4 are shown in figure 3(a) and (b). Only the PU jacket evidenced a substantial gain in weight during the protocol (43.3 ± 16.3 g). Accordingly, ANOVA (F(1.038, 9.345) = 81.230, p < 0.001) and associated post hoc tests reflected significant differences in weight gain between the PU jacket and all further models (p < 0.001 for all comparisons). Also, the remaining apparel was found to be heavier at t4 as compared to t0. Here, ANOVA results demonstrated that the weight gain differed significantly in dependency of the jacket used (F(1.665, 14.981) = 20.050, p < 0.001). It was most pronounced

Fig. 3: Weight gain of jackets (a) and the remaining apparel (b) as measured between t0 and t4. Fig. 3 (c) shows the concomitant weight loss of subjects

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Fig. 4: Heart rate (a) and tympanic temperature (b) at the beginning of the protocol (t0), during the walking phase (t1-t3) and after cool down (t4). The right-most columns show the average as measured during the whole protocol

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with PU (33.7 ± 23.5 g), followed by PM (11.6 ± 14.1 g) and PTC (2.4 ± 7.6 g). No notable weight gain was observed with PTO (–0.1 ± 8.6 g). Significant post hoc pairwise comparisons are evident from figure 3(a) and (b). Physical effort The participants lost on average 386 ± 88 g in weight during the simulated hike, which coincides with a loss of 0.5 ± 0.1 % of body weight (figure 3(c)). Differences in weight loss between jackets were not significant (F(1.598, 14.383) = 1.049, p = 0.360). Across all jackets, heart rate as shown in figure 4(a) increased from 64.7 ± 9.9 bpm at t0 to 116.2 ± 11.7 bpm (+43 %) at the end of the walking phase (t3), and returned to baseline measures during cooldown (t4: 66.1 ± 9.4 bpm). Accordingly, ANOVA revealed a significant effect of “time” (F(1.919, 17.276) = 259.887, p < 0.001). Across all measuring points, no significant differences were identified between jackets (F(3, 27) = 0.619, p = 0.609). Also no significant “jacket × time” interaction effects were found (F(4.667, 42.004) = 1.011, p = 0.420). Mean tympanic temperature (figure 4(b)) increased at the beginning of the exercise (t0: 36.7± 0.5 °C; t1: 37.0 ± 0.6 °C) but then returned again to baseline values during the intervention. Even though changes in tympanic temperature were small, the factor “time” had a statistically significant effect on tympanic temperature (F(2.395, 21.557) = 3.471, p = 0.042). No significant differences in tympanic temperature were found between jackets (F(3, 27) = 0.639, p = 0.597). ANOVA showed no significant “jacket × time” interaction effects (F(3.610, 32.486) = 0.765, p = 0.544).

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DISCUSSION The aim of this study was to investigate whether commercially available hiking jackets, differing in both price and textile features, would have a significant impact on moisture management and the actual degree of physical effort during a simulated hike under controlled environmental conditions. In agreement with our hypothesis, our results showed that jackets featuring water WVP membranes and ventilation openings facilitate water transport from the skin to the outside, resulting in lower relative humidity in the clothing system and associated weight gains of jackets and remaining apparel. However, we found that water transport capacity had no significant effect on overall sweat loss, heart frequency or tympanic temperature, suggesting that improved moisture management does not significantly affect parameters reflecting the actual degree of physical effort during hiking. To evaluate moisture management, we measured relative humidity underneath the jacket, humidity of the stratum corneum and weight gain in the clothing systems. All measurements consistently showed that humidity was always lowest for PTO followed by PTC and PM, and highest for PU. Also, sweat residues in the clothing system and weight gains of the jacket were largest for PU and smallest for PTO. This can be explained by the different water vapor permeability properties of the jackets and the presence/absence of ventilation openings: PU is impermeable to water vapor which leads to larger amounts of humidity getting trapped beneath the jacket (14,38). PTC/PTO feature a considerably lower Ret (6.6 ± 2.5 m²Pa/W) in comparison to PM (42.7 ± 5.3 m²Pa/W) which enables higher sweat-evaporation through the jacket (3,39) and leads to lower levels of relative humidity beneath the jacket and on the skin during and after exercise. PTO in comparison to PTC only differs in the presence of ventilation openings which can further reduce humidity in the clothing system (6). During the entire intervention (t0 – t4), the increase in relative humidity between jacket and base layer was 9.5 % greater for PTC than for PTO and average values for relative humidity (t0 – cool down) were consistently lower for PTO in comparison to PTC. Only PTO showed no average weight gain in the whole clothing system. Ultimately, greater humidity within the clothing system may also increase skin moistness. While large standard deviations precluded results from reaching statistical significance, our measurements indicated that stratum corneum humidity increased at a slower rate and by a smaller degree with PTO as compared to other jackets (10–16 % differences to other jackets). This may be im110


portant for wearing comfort, as wetter skin is known to be more sensitive for temperature differences and skin-textile friction (7,8–11). Indeed, questionnaire-based assessments showed that the subjective perception of scratching (data not reported) was greatest with PU, which also showed the highest values for absolute humidity between skin and base layer. Generally, however, we found stratum corneum humidity values to be low, which may be due to the standardized base layers made of 80 % merino wool. This material is known for its good wicking and absorption abilities that may have prevented excessive skin wetting during the protocol (30). The advantages of WVP clothing systems and ventilation openings have also been demonstrated in earlier studies performed with tailor-made apparel prototypes (3–6). It is important to note that, as opposed to such prototypes, commercially available outdoor jackets are not only distinguished by membrane permeability and the existence (or lack of) ventilation openings but may also differ in cut and other design features. Indeed, the jackets used in this study slightly differed in size, with PU (the largest jacket in the test) being 6 cm longer and 7 % larger around the waist as compared to PM (the smallest jacket). A looser fit creates larger air gaps between body and jacket which, in combination with the body movement during walking, lead to greater chimney and bellows effects (40–42). These effects favor increased air exchange between the in- and outside of the clothing system, thereby benefitting reduction of moisture. However, the humidity measurements performed in our study suggest an overwhelming influence of membrane permeability and ventilation openings. For end consumers it is therefore important to recognize that, possible differences in cut notwithstanding, (i) the membrane’s Ret is a useful indicator of a jacket’s capacity to dissipate water vapor and (ii) only jackets featuring a highly WVP membrane characterized by a low Ret in combination with ventilation openings can keep jacket and base layer dry during leisure hiking. We hypothesized that the disparities in the microclimate would be reflected by differences in the physiological reactions to the simulated hike. Specifically, we anticipated that during exercise the body would react to the greater relative humidity beneath less permeable jacket with a more pronounced rise in tympanic temperature which was assessed as substitute measure for core temperature (17). This is because at high relative humidity, the ability to dissipate heat through evaporation of sweat is impaired (43). We further expected the rise in tympanic temperature to be accompanied by an increase in heart rate since the human body aims to increase blood flow to the periphery in order to dissipate excess heat (44,45). Ultimately, a steeper rise in core temperature during walk111


ing would also result in greater sweat rates reflected by a larger loss of body weight with less WVP jackets. In conflict with these hypotheses and earlier studies that reported a significantly lower loss in body weight for more WVP clothing (24,25), no significant differences in tympanic temperature, heart rate or weight loss were found between jackets. One difference between our and the aforementioned studies lies in exercise duration: The exercise bouts used by Yoo and Kim (24) and Ruckman et al. (25) may have been too short (20 minutes or less) to obtain reliable results. This is because longer exercise durations are required for a steady state in physiological reactions to be reached (27). In support of this assumption and our results, Kuklane et al. (4) reported similar sweat rates for both permeable and impermeable clothing during 60-minute low-intensity exercise in the cold. Further, it may be speculated that the influence of jackets on the physiological parameters measured would be more pronounced if the exercise was performed at greater intensity and under warmer environmental conditions. However, moderate exercise intensity and modest climatic conditions were deliberately chosen in our study as they are representative for leisure hiking. Conversely, we assumed that impermeable jackets would provide less protection against heat loss during the rest period following the hiking intervention, since wet clothing features increased heat capacity and thermal conductivity (14,15). The anticipated greater loss of body heat was expected to be reflected by a steeper decrease in tympanic temperature but no such decrease was found. The relatively moderate exercise intensity and the temperate climatic conditions chosen might also explain this rather counterintuitive observation. Possibly, WVP clothing systems would only provide a significant physiological advantage over non WVP-apparel during longer breaks after high-intensity exercise in colder environments (17,20,46).

CONCLUSIONS Based on our findings, it can be concluded that high-quality hiking jackets featuring highly permeable membranes and ventilation openings benefit moisture management during leisure hiking at low to moderate exercise intensity under temperate climatic conditions. A drier microclimate is expected to favor wearing comfort. However, comparison with more favorably-priced, nonWVP products revealed that the choice of jacket does not significantly affect the physiological reactions to leisure hiking. 112


FUNDING STATEMENT This work was carried out within the Competence Centre for Sports Textiles framework and supported by the Standortagentur Tirol and the Landesregierung Vorarlberg. DECLARATION OF CONFLICT OF INTERESTS The authors declare that there is no conflict of interests.

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❙ Christoph Lutter, Thilo Hotfiel, Volker Schöffl ❙

Bouldern, Lead und Speed – Auf dem Weg zu Olympia Bouldering, Lead and Speed – Journey to Olympia

SUMMARY The current rapid development of climbing and bouldering requires a fundamental change in sports-medical supervision of rock-climbing athletes. The reasons for this situation can be found both in changing injury patterns (especially in competitive sport) and the change from a niche to a recreational mass sport. While climbing and bouldering has been performed by a limited number of very athletic individuals in the past, we nowadays see a change from pure sport activity to a leisure activity even for untrained individuals. Coming along with this change, an increase of severe injuries, especially in the untrained athletes is recorded in the recent past („Newbie“-Syndrome). Regarding the current professionalization of the climbing/bouldering sport, the establishment and promotion of high performance youth-teams with uncautious training methods creates the risk of specific injuries in adolescents. A prudent and close sports-medical supervision, adaption of training and competition sites (route setting, sport mats, wall heights) as well as a thoughtful and well-structured training methods can have preventive effects. Furthermore, specific anatomical circumstances and risk constellations in adolescent athletes need to be addressed in training- and competition design. Keywords: rock climbing, newbie syndrome, Olympia, growth plate injuries ZUSAMMENFASSUNG Die aktuelle Entwicklung im Klettersport erfordert ein Umdenken bezüglich der sportmedizinischen Betreuung von Sportkletter- und Boulder-Athleten. Diese Tatsache begründet sich zum einen auf sich verändernde Verletzungsmuster (insbesondere im Leistungssport), zum anderen auf der rasanten Etablierung der Sportart als Breitensport. Gerade der einfach zugängliche Bouldersport begeistert seit einigen Jahren neben sportlich sehr aktiven Athleten 117


auch immer mehr Anfänger und körperlich wenig trainierte Personen. Eine Zunahme an schwereren Verletzungen wurde in der jüngsten Vergangenheit vor allem bei absoluten Anfängern beobachtet (sog. „Newbie“-Syndrom). Darüber hinaus bergen der steigende Leistungsdruck sowie die Professionalisierung der (Jugend-) Kaderstrukturen, insbesondere im Hinblick auf die Olympiateilnahme sowie die Kommerzialisierung des Sports, das Risiko einer Zunahme an Verletzungen im Kindes- und Jugendalter. Die umsichtige und engmaschige sportmedizinische Betreuung, eine Anpassung von Wettkampfund Trainingsstätten (Routenbau, Matten, Wandhöhe) sowie strukturiertes Anfängertraining können in diesem Zusammenhang präventiv wirken. Darüber hinaus muss im Trainings- und Wettkampfbetrieb speziell im Kindes- und Jugendalter auf spezifische anatomische Gegebenheiten und Risikokonstellationen eingegangen werden. Schlüsselwörter: Klettern, Newbie Syndrom, Olympia, Wachstumsfugen Verletzungen

Entwicklung Wettkampfsport In einer noch vor kurzem unvorstellbaren Art und Weise durchlebt der Klettersport aktuell einen Höhenflug, der ihn in kürzester Zeit von einer Randsportart hin zu einem Breitensport gewandelt hat (1). Maßgeblichen Anteil daran hat der weltweite Boom der populären Subdisziplin Bouldern (Klettern ohne Seil in Absprunghöhe, Abb. 1, 2, 3). Regelmäßige Weltcup Live-Streams aller Kletterdisziplinen, die Teilnahme an den unlängst beendeten „World Games“ in Breslau (Polen) sowie die Aufnahme in das Programm der kommenden Olympischen Spiele im Jahr 2020 in Tokio unterstreichen das große öffentliche Interesse (1). Der angesprochene Weltcupzirkus der IFSC (International Federation of Sport Climbing) zieht in letzter Zeit ein immer größeres Publikum an (Abb.1). Maßgeblichen Anteil daran hat unter anderem ein neues, an die Interessen der weltweiten (TV-)Zuschauer angepasstes Wettkampfformat, bei dem nicht mehr zwei oder mehr Athleten gleichzeitig klettern oder bouldern, sondern nacheinander gestartet wird. Zudem werden die Wettkämpfe mittlerweile sowohl an der Wettkampfstätte als auch bei TV-Übertragungen von spezialisierten Kommentatoren bewertet und kommentiert. Zuschauerrekorde wie bei dem Boulder-Weltcup in München (>5000 Zuschauer) und TV/Livestream-Einschaltquoten werden jedes Jahr gebrochen. 118


Abb. 1: München Boulder Weltcup 2016

(Foto: Lutter C.)

Abb. 2: Miho Nonaka (Japan, links) und Gesamt-Weltcupsiegerin 2017 Shauna Coxsey (Great Britain, rechts) beim IFSC Boulder-Weltcupfinale 2017 in München (Foto: Lutter C.)

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Gerade die von vielen Sportarten so sehr ersehnte Aufnahme in das Olympische Programm sorgte kürzlich, nach einem anfänglichen Jubelsturm, jedoch für eine gewisse Verunsicherung in der Kletter-Community. Aufgrund der strengen Vorgaben des Organisationskomitee wurde aus den aktuell stets getrennten Wettkampfformaten Bouldern (Abb. 2, 3), Leadklettern (Seilklettern an unbekannten Routen, Abb.4) und Speedklettern (maximale Geschwindigkeit an bekannten Routen) ein „Kletter-Dreikampf “ als Wettkampfformat für Tokio 2020 gewählt. Gerade vor diesem Hintergrund ist eine vorausschauende und wohlüberlegte Förderung der Athleten unumgänglich, um bekannte Kletterverletzungen zu vermeiden. Weiterhin müssen mit dem neuen Wettkampfformat potentiell einhergehende Verletzungsmuster und Überlastungsreaktionen frühzeitig systematisch erfasst werden und ebenso verbundene Risikofaktoren frühzeitig erkannt und adressiert werden (1).

Abb. 3: Moderne Boulder-Anlage (Foto: Haase R.)

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Medizinische Gesichtspunkte der aktuellen Entwicklung im (Wettkampf-) Klettersport „Problemlösend Denken“ – So titelte die Süddeutsche Zeitung im Juni 2017 für einen ausführlichen Bericht über die aktuelle Entwicklung im Kletterund Bouldersport. Dass in dieser mittlerweile so populären Sportart neben einer komplexen, problemlösenden Denkweise verschiedenste Fähigkeiten wie Beweglichkeit, Koordination, Kraft und Ausdauer spielerisch geschult und trainiert werden, ist seit langem bekannt (2–5). Zudem haben eine Vielzahl wissenschaftlicher Arbeiten das an sich geringe Verletzungsrisiko des Klettersports (insbesondere Indoor) in der Vergangenheit belegt (3,4). In der jüngeren Vergangenheit wird jedoch eine gewisse Veränderung bezüglich typischer Verletzungsmuster und Überlastungsreaktionen beobachtet, was sich u.a. mit dem Design moderner Sportkletteranlagen (Abb. 3), aktuellen Trends im Routenbau sowie sich verändernder Trainingsmethoden erklären lässt (6). Entgegen der ursprünglichen Form des Kletterns, bei der Athleten meist senkrechte Wände emporkletterten, wird der Sport heutzutage meist an steilen, ungleichmäßigen und oftmals sehr trickreichen Wänden ausgeübt (Abb. 2, 3); Anforderungen und Einflüsse aus anderen Sportarten wie beispielsweise dem Turnsport oder dem Parcoursport sind hierbei oftmals klar ersichtlich und zum erfolgreichen Durchsteigen der Route gefragt (7). Der komplexe Einsatz von Armen, Beinen, Abb. 4: Thomas Dauser klettert „Burn for you“ (8c), Frankenjura – Deutschland (Foto: Dauser M.)

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Händen und Füßen in oftmals sehr untypischen Bewegungsabläufen führt hierbei zu neuen Verletzungsmustern wie z.B. „Heel-Hook Verletzungen“ (7), Frakturen im Bereich des Os Hamatum (8) oder Stressreaktionen/-frakturen und Knochenödemen im Bereich des Handgelenkes (9). Einhergehend mit der wachsenden Anzahl an ambitionierten Athleten werden sich solche Verletzungen in Zukunft weiter häufen. Zusätzlich wird sich in den kommenden Jahren aller Voraussicht nach ein Trend fortsetzen, der sich bereits seit geraumer Zeit abzeichnet; das Alter der Spitzenathleten fällt kontinuierlich, und sowohl an natürlichem Fels (Abb. 4) als auch an artifiziellen Wänden sorgen meist junge bis sehr junge Athleten für Rekorde (1). Die jetzige Aufnahme in das Olympische Programm wird diesen Trend aller Voraussicht nach noch verstärken und so gilt es, ein besonderes Augenmerk auf typische Kletterverletzungen im Jungendalter zu achten. Insbesondere muss hierbei auf Verletzungen im Bereich der Wachstumsfugen der Finger, auf eine Mangelernährung im Sinne eines RED-S (Relative Energy Defiency in Sport) sowie beim weiblichen Geschlecht auch auf das vergesellschaftete „Female Athlete Triad“ geachtet werden (siehe Fallbeispiel und Abb. 5) (10–14).

Abb. 5: Typische streckseitige Lokal­ isation einer Epiphysenfraktur bei aufgestellter Fingerposition am Finger-Mittelglied. (Sportsmedicine Bamberg, GOTS: https://www.youtube.com/ watch?v=RYwbUCXAqy4&list=PL77ZapMQy_4ueHtH6FMfGFkhS6MqMbr76&index=6)

Verletzungsmuster im Kindes- und Jugendalter Bezüglich der Verletzungsmuster im Kindes- und Jugendbereich stellt das oben angesprochene, neue Wettkampfformat (Bouldern, Lead- und Speedklettern) ein besonderes Risiko dar (1). Aufgrund der völlig unterschiedlichen Anforderungen an die Athleten wurden bzw. werden diese Sportarten bisher meist von reinen Spezialisten ausgeübt. Insbesondere das Speedklettern, bei dem eine 122


fest vorgegebene Route in kürzester Zeit erklommen werden muss, stellt hierbei für die meisten Boulder- oder Leadkletter-Athleten ein Novum dar. Eine Trainingsumstellung hinsichtlich der Anforderungen des neuen Dreikampfes stellt sich für die aktuellen spezialisierten Athleten als äußerst schwierig dar, und so ist davon auszugehen, dass die nationalen Kletterverbände ihre Athleten-Förderprogramme dahingehend umstellen werden, junge „Allrounder“ zu fördern, um potentielle Goldmedaillen-Kandidaten schrittweise aufzubauen. Inwieweit diese Veränderungen Auswirkungen auf kletterspezifische Verletzungsmuster haben werden, bleibt abzuwarten. Festzuhalten bleibt jedoch, dass gewisse Schritte eingeleitet werden müssen, um auch zukünftig einen verletzungsarmen und sicheren Sport gewährleisten zu können. 1) Eine systematische und disziplinspezifische Erfassung von Verletzungsinzidenzen und die Erarbeitung daraus abzuleitender Risikofaktoren („Injury Surveillance“); 2) Eine strukturierte, evidenz-basierte sportartspezifische ärztliche Betreuung aller ambitionierten Athleten; 3) Überwachung und Anpassung der Trainings- und Wettkampfstätten gemäß offizieller Empfehlungen und Standards; 4) Weiterentwicklung und konsequente Verwendung verletzungsarmer Klettergriffe sowie angepasster Routenbau; 5) Altersspezifische Trainings- und Wettkampfanpassung, insbesondere bei den neuen „Dreikämpfern“. Werden diese Maßnahmen bedacht und konsequent umgesetzt, so sollte es auch in Zukunft gelingen, weitgehend verletzungsarme Trainings- und Wettkampfbedingungen für Freizeit- und Profikletterer zu gewährleisten. Fallbeispiel: Ein junger (15 Jahre) klettersportbegeisterter Athlet kommt mit unklaren Schmerzen im Bereich des proximalen Mittelgliedes am rechten Ringfinger in die Ambulanz und berichtet, vor einigen Tagen einen stechenden Schmerz in diesem Bereich während des Klettertrainings an einem kleinen Griff verspürt zu haben. Anamnese und klinische Untersuchung legen den Verdacht einer Epiphysenverletzung am Mittelglied des Fingers nahe. Die Ultraschalldiagnostik sowie ein darauf folgendes Röntgenbild bestätigen eine Fraktur im dorsal gelegenen Bereich der Fuge. Der Finger wird 10 Tage ruhiggestellt und anschließend funktionell nachbehandelt. Klettersportspezifische Belastung wird für 8 Wochen untersagt. Bei der Follow-up-Untersuchung nach 6 Wochen zeigt sich der Finger klinisch unauffällig und sowohl sonographisch als auch 123


röntgenologisch ist die Fraktur kaum mehr nachweisbar. Der Patient beginnt daraufhin 8 Wochen nach initialem Trauma die sportartspezifische Belastung. Folgeschäden im Sinne eines Fehlwachstums konnten hierbei vermieden werden. Bei unklaren Fällen ist jedoch zwingend eine MRT-Diagnostik zur Beurteilung der Wachstumsfuge durchzuführen. (Informationsvideo zum Thema Wachtumsfugen-verletzungen der Finger: https://youtu.be/RYwbUCXAqy4?list=PL77ZapMQy_4ueHtH6FMfGFkhS6MqMbr76)

Das Newbie-Syndrom Hinsichtlich sportlich wenig aktiver Anfänger im Kletter- und Bouldersport muss unlängst eine deutliche Zunahme an kletter-unspezifischen, höherwertigen Verletzungen, insbesondere im Bereich der unteren Extremitäten sowie der Wirbelsäule beobachtet werden (6). Ob dieses Phänomen allein dem Design moderner Klettersportanlagen geschuldet ist, oder prinzipiell ein Phänomen des sich (teilweise) verändernden Athleten-Kollektivs darstellt, ist bisher nicht abzusehen und Gegenstand laufender Studien. Auffallend ist jedoch, dass schwere Verletzungen gehäuft bei sportlich ansonsten eher wenig aktiven Personen beobachtet werden, welche die mittlerweile in jeder größeren Stadt verfügbaren Boulderhallen als Freizeitbeschäftigung für sich entdeckt haben. Bei dieser Athletengruppe ist es von entscheidender Bedeutung, ein obligatorisches und strukturiertes Anfängertraining bzw. eine Einweisung zu etablieren, um Basics des Sports zu vermitteln (Richtiges Fallen und Abrollen beim Bouldern, Vermeidung von „Fallen“ in den gestreckten Arm/Schultergürtel, etc.), um die Anzahl an vermeidbaren Verletzungen zu minimieren (4).

Ausblick in die Zukunft Im Hinblick auf die große Bühne, auf der sich der Klettersport aktuell und in Zukunft präsentieren darf und wird, sowie die rasante Zunahme an Freizeitsportlern ist es unumgänglich für Sportmediziner, sportartspezifische Verletzungsmuster zu kennen, diese richtig zu behandeln und Trainern, Eltern und Athleten beratend zur Seite zu stehen. Somit kann dieser begeisternde Sport, egal in welcher Unterdisziplin, auch in Zukunft als spektakulärer, leicht zugänglicher und gesundheitsfördernder Sport wertgeschätzt und von Jedermann betrieben werden. 124


LITERATUR (1) Lutter C., El-Sheikh Y., Schoffl I. et al. Sport climbing: medical considerations for this new Olympic discipline. Br J Sports Med 2017; 51: 2–3. (2) Schoffl V., Hochholzer T., Winkelmann H.P. et al. [Pulley injuries in sport climbers]. Handchirurgie, Mikrochirurgie, plastische Chirurgie : Organ der Deutschsprachigen Arbeitsgemeinschaft fur Handchirurgie : Organ der Deutschsprachigen Arbeitsgemeinschaft fur Mikrochirurgie der Peripheren Nerven und Gefasse 2004; 36: 224–230. (3) Schoffl V.R., Hoffmann G., Kupper T. Acute injury risk and severity in indoor climbing-a prospective analysis of 515,337 indoor climbing wall visits in 5 years. Wilderness Environ Med 2013; 24: 187–194. (4) Schoffl V., Popp D., Kupper T. et al. Injury trends in rock climbers: evaluation of a case series of 911 injuries between 2009 and 2012. Wilderness Environ Med 2015; 26: 62–67. (5) Hochholzer T. SV. One move too many: Ebenhausen: Lochner; 2016. (6) Lutter C.S. V. Newbie-Syndrome. Wilderness Environ Med (accepted) 2017. (7) Schoffl V., Lutter C., Popp D. The “Heel Hook”-A Climbing-Specific Technique to Injure the Leg. Wilderness Environ Med 2016; 27: 294–301. (8) Lutter C., Schweizer A., Hochholzer T. et al. Pulling Harder than the Hamate Tolerates: Evaluation of Hamate Injuries in Rock Climbing and Bouldering. Wilderness Environ Med 2016; 27: 492–499. (9) Lutter C., Hochholzer T., Bayer T. et al. Rock Climbing-Related Bone Marrow Edema of the Hand: A Follow-up Study. Clinical journal of sport medicine : official journal of the Canadian Academy of Sport Medicine 2017, DOI: 10.1097/JSM.0000000000000463. (10) Schoffl I., Schoffl V., Dotsch J. et al. Correlations between high level sport-climbing and the development of adolescents. Pediatr Exerc Sci 2011; 23: 477–486. (11) Schoffl V., Hochholzer T., Imhoff A. Radiographic changes in the hands and fingers of young, high-level climbers. Am J Sports Med 2004; 32: 1688–1694. (12) Schoffl V., Schoffl I. Finger pain in rock climbers: reaching the right differential diagnosis and therapy. J Sports Med Phys Fitness 2007; 47: 70–78. (13) Mountjoy M., Sundgot-Borgen J., Burke L. et al. The IOC consensus statement: beyond the Female Athlete Triad--Relative Energy Deficiency in Sport (RED-S). Br J Sports Med 2014; 48: 491–497. (14) Thein-Nissenbaum J., Hammer E. Treatment strategies for the female athlete triad in the adolescent athlete: current perspectives. Open Access J Sports Med. 2017; 8: 85–95.

125


126


❙ Wolfgang Domej ❙

Über Dexamethason in grossen Höhen About dexamethasone at high altitude

SUMMARY Hypoxia and inflammation often develop concomitantly with various internal diseases; it is widely accepted that hypoxia has an impact on the development of inflammatory responses. Glucocorticoids (GC) are potent anti-inflammatory agents that can stabilize vascular permeability as well as inflammatory reactions. Individuals, especially sedentary lowlanders, who are inadequately acclimatized are especially susceptible to localized or systemic fluid retention at high altitudes. GC are administered off label both to prevent and cure high altitude illnesses (HAI), whereby they can easily mask high-altitude symptoms. Their efficacy is, however, complex and depends on factors like GC sensitivity, application mode (topic/systemic), binding to the GC receptor, activation of the GC receptor complex, and regulation by GC responsive genes. Furthermore, GC are also known to have an impact on pulmonary vascular pressures, though the mechanism by which the effect of GC decreases excessive hypoxic pulmonary artery pressures (HPAH/HAPE) remains unclear. To date, only a few randomized studies have investigated the preventive value and efficacy o ­f GC. Keywords: Dexamethasone (DEX), high altitudes, medical efficacy, mechanism of action, glucocorticoid receptor (GR), systemic side effects, high altitude illnesses (HAI) ZUSAMMENFASSUNG Hypoxie sowie entzündliche Veränderungen gehen oft mit verschiedenen internen Erkrankungen Hand in Hand. Der Einfluss von Hypoxie auf die Entwicklung eines Entzündungsgeschehens ist heute weitgehend anerkannt. Glukokortikoide (GC) können die Gefäßpermeabilität stabilisieren und entzündliche Reaktionen eindämmen. Insbesondere aus dem Flachland stammende unzu127


reichend akklimatisierte Bergsteiger sind in großen Höhen mitunter von umschriebener oder systemischer Flüssigkeitsretention betroffen. Dabei werden GC präventiv als auch therapeutisch gegen Höhenkrankheiten (HAI) eingesetzt, womit höhenassoziierte Symptome sehr gut maskiert werden können. GC werden allerdings im „off-label“-Gebrauch in dieser Indikationsstellung eingesetzt; ihre Wirkung ist komplex und von Faktoren wie GC-Sensitivität, Applikationsart (topisch-/systemisch), Bindung an den GC-Rezeptor, Aktivierung des GC-Rezeptor Komplexes sowie Regulation durch GC-sensitive Gene abhängig. Es ist darüberhinaus Tatsache, dass GC auch eine drucksenkende Wirkung im Pulmonalkreislauf entfalten. Der Mechanismus dieses GC-Effektes lässt im Zusammenhang mit exzessiver hypoxisch pulmonal-arterieller Hypertonie (HAPH/HAPE) in großer Höhe noch etliche Fragen offen, wobei der präventive Wert und die Wirksamkeit nur durch wenige randomisierte Studien bisher belegt sind. Schlüsselwörter: Dexamethason (DEX), große Höhen, Wirksamkeit, Wirkmechanismus, Glukokortikoid-Rezeptor (GR), systemische Nebenwirkungen, Höhenkrankheiten (HAI)

EINLEITUNG Glukokortikoide (GC) sind hormonelle Substanzen mit antiinflammatorischer bzw. immunsuppressiver Potenz, die zur Behandlung verschiedenster Krankheitsbilder wie etwa rheumatischer Erkrankungen, allergischer Reaktionen, Hirndrucksymptomatik oder Sepsis eingesetzt werden (Tab. 1)(1). GC können auch toxische Nebenwirkungen einer zytostatischen Behandlung abschwächen oder unterdrücken (2). Darüberhinaus führen GC auch zu einer deutlichen Abnahme von Akutphase-Proteinen und unterliegen wie alle Hormone der Nebenniere einem ausgeprägten Biorhythmus mit Niedrigspiegeln um Mitternacht und maximalen Konzentrationen in den frühen Morgenstunden. GC werden durch die Leber inaktiviert und in erster Linie mit der Galleflüssigkeit, in 10 % auch über die Niere in Form inaktiver Konjugate eliminiert. Dexamethason (DEX/9-Fluor-16a-methylprednisolon) ist ein synthetisches, langwirksames GC mit einem breiten therapeutischen Anwendungsspektrum (3) (Abb. 1). DEX ist 25-mal wirksamer als körpereigenes Kortisol, nahezu frei von mineralokortikoiden Effekten und zählt weltweit zu den häufigsten Dopingmitteln. 128


Wie schon vor Jahrzehnten tierexperimentell gezeigt wurde, können sich die Glykogendepots des Körpers selbst im Rahmen einer kurzfristigen Behandlung mit GC vergrößern (4), womit sich potentiell die aerobe Ausdauerleistungsfähigkeit erhöht. Mit einer vermehrten Ausschöpfung der Kohlenhydratdepots im Rahmen von Ausdauerbelastungen verbessert sich das körperliche Durchhaltevermögen; das kann in Extremsituationen am Berg durchaus von Bedeutung sein (Abb. 2). Eine vermehrte ACTH-Bildung durch die Hypophyse sowie eine konsekutiv höhere GC-Synthese etwa bei starker körperlicher Belastung führen zu einer Hemmung der Freisetzung von Corticotropin Releasing Hormon (CRP) durch den Hypothalamus; dadurch werden sowohl die ACTH-Ausschüttung als auch GC-Synthese eingebremst bzw. pendeln sich in einem situationsangepassten Konzentrationsbereich ein. DEX spricht dieselben Feedbackrezeptoren an wie körpereigenes Kortisol, wodurch die produzierte Eigenkortisolmenge bei längerer Verabreichung supprimiert wird. Die Wirkungsamkeit von GC basiert auf einer Bindung an GC-Rezeptoren (GR). Der Glukokortikoid-Rezeptor-Komplex (GC-GR) führt nachfolgend zu einer Upregulation der Expression antiinflammatorischer Proteine; gleichzeitig ist damit auch eine Downregulation der Expression zytoplasmatischer proinflammatorischer Proteine verbunden. GC hemmen somit die Funktion einer großen Anzahl inflammatorischer Mediatoren, Zytokine, Chemokine, Adhäsionsproteine, Arachidonsäuremetabolite und plättchenaktivierender Faktoren (PAF). Hypoxische Bedingungen sind imstande, entzündliche Prozesse zu triggern. In experimentellen Untersuchungen war DEX imstande, den GR unter Hypoxie in einem höheren Ausmaß zu unterdrücken als dies unter Normoxie der Fall war. Diese GR-Downregulation konnte experimentell weitgehend aufgehoben werden, indem AtT-20 Zellen mit HIF-1a-RNA transfiziert wurden (5). In einem weiteren experimentellen Gruppenvergleich zwischen experimentell hypoxischen versus normoxischen Bedingungen war es unter Hypoxie möglich, den antiinflammatorischen Effekt von DEX innerhalb von 48 – 72 Stunden weitgehend abzuschwächen, wobei die Konzentrationen der Isoform des GR (GRa) in Kulturen humaner Alveolarepithelzellen signifikant gedrosselt wurden, die Konzentrationen von GRß im Vergleich zu normoxämischen Referenzen jedoch nahezu unverändert blieben (6). Ein ernstes Problem stellen bei GC die große Variationsbreite des therapeutischen Ansprechens einerseits und etwaige Resistenzen andererseits dar. Dadurch wird die Einflussmöglichkeit gegenüber entzündlichen Prozessen eingeschränkt. Die Ursache für eine GC-Resistenz kann nicht ohne weiteres 129


auf den Punkt gebracht werden; vermutlich sind Änderungen im zellulären Bereich („Microenvironment“) infolge chronisch entzündlicher Veränderungen („aquirierte GC-Resistenzen“) oder auch Modifikationen in den GR-abhängigen und nicht GR-abhängigen Signalwegen inflammatorischer Zytokine (Mutationen des GR-Gens) aber auch anhaltende Hypoxie, oxidativer Stress und Allergenbelastungen dafür verantwortlich (1,7).

Abb. 1: Strukturformel des Glukokortikoids Dexamethason

Tab. 1: Einige Aspekte des Wirkprofils von Glukokortikoiden Immundämpfende Effekte (Drosselung der Antikörperproduktion) Antiinflammatorische, antiallergische Effekte Antiödematöse permeabilitätsstabilisierende Effekte Suppressive Wirkung auf entzündliche Zytokine Verminderung endogener ROS Belastung Antithrombozytäre Effekte Förderung der Glukoneogenese (Neubildung von KH aus Protein) Reduktion der bronchialen Hyperreaktivität (Asthma bronchiale) Antiproliferative Wirkung (z.B. topisch an der Haut) Antiemetische Wirkung Euphorisierende Wirkung Neuroprotektive Wirkung

130


Dexamethason unter Hypoxiebedingungen Bei Ratten führt eine Hypoxieexposition mit niedrigen alveolären O2-Partialdrucken zu einer raschen Ausbreitung der systemischen Inflammation. Am Beginn der Entzündungsreaktion steht dabei die Freisetzung von MCP-1 (Monozyten Chemoattractant Protein-1) aus Alveolarmakrophagen. Danach erfolgt eine Mastzelldegranulation, Reninfreisetzung und Aktivierung des lokalen Renin-Angiotensin-Systems (RAAS), was auch von einem verstärkten Leukozyten-Rekruitement sowie erhöhter mikrovaskulärer Permeabilität begleitet wird. Bei O2-Konzentration von 10 % über vier Stunden vermag DEX auf alle Stufen der Entzündungskaskade Einfluss zu nehmen. DEX führt dabei zu einer Hemmung der hypoxievermittelten Aktivierung von Alveolarmakrophagen und weiteren Freisetzung von MCP-1. DEX vermindert auch die Adhäsion von Leukozyten am Endothel und drosselt die Extravasation von Albumin durch topisches Angiotensin II. Zumindest experimentell konnte gezeigt werden, dass der systemischen Auswirkung einer alveolären Hypoxie durch die Gabe von DEX wirkungsvoll begegnet werden kann (8). Zusammenhang von endogenem Stickoxid (NO) und Steroidhormonbildung Die endogene NO-Produktion spielt in der Pathogenese von HAI bekannterweise eine bedeutende Rolle. Erhöhte NO-Konzentrationen (eNO) in der Atemluft wirken bei Höhenbewohnern der alveolären Hypoxie und dem pulmonalarteriellen Druckanstieg entgegen. Endogenes NO bindet dabei an den Hämteil von Cytochrom P450-abhängigen hepatischen Enzymen, wodurch die Steroidhormonsynthese negativ beeinflusst wird (9). Die Konsequenz einer erhöhten NO-Produktion in Reaktion auf Hypoxiebedingungen könnte durchaus zu einer ungenügenden endogenen Steroidhormonsynthese Anlass geben. Ein relativer Kortisolmangel unter hochgradiger Hypoxie großer Höhen wäre daher eine schlüssige Erklärung für die Flüssigkeitsretention und Ödembildung. Für eine derartige Pathogenese spricht auch die gute Wirksamkeit von DEX bei manifester HAI (10). Heute besteht bereits ausreichende Evidenz, dass eine verstärkte endogene NO-Synthese die Steroidhormonbildung negativ beeinflusst. In diesem Zusammenhang konnte auch tierexperimentell der Beweis erbracht werden, dass etwa die Einbringung von Nitrit- bzw. Nitrationen (Metabolisierung zu NO) in das Trinkwasser von Versuchstieren (Ratten) innerhalb von vier Wochen zu einer Abnahme der Kortikosteroide in der Zirkulation führt (9). 131


Abb. 2: Extrembelastungen: Endogene GC-Freisetzung bis zum 10-Fachen der ­Normalkonzentration jedoch zeitabhängige Abnahme der Stresshormonbildung unter Hypoxiebedingungen großer Höhen.

132


Es ist andererseits erstaunlich, dass bei eingetretener HAI ein zugeführtes GC so effektiv sein kann, zumal ein gesunder Mensch unter extremen Stressbedingungen selbst imstande ist, große Mengen an GC (bis 400 mg Kortisol/Tag) aus der Nebennierenrinde ins Blut abzugeben (Basalsekretion ~25 mg/Tag) (Abb. 2)(11). Nur wenige Studien weisen darauf hin, dass die Steroidhormonproduktion sowohl unter akuter als auch chronischer Höhenhypoxie abnimmt (12). Die Abnahme der Mineralokortikoide korreliert mit dem gleichzeitigen Anstieg von ANP (13). Andererseits tendieren Nebennieren von Höhentouristen infolge vermehrter ACTH-Stimulation zu hyperplastischen Veränderungen; dies wird als Kompensation einer abnehmenden Steroidhormonproduktion unter Hypoxie verstanden. Der genaue Zusammenhang für die Abnahme der GC-Konzentration in großen Höhen lässt jedoch noch etliche Fragen offen.

Abb. 3: Dexamethason-Ampullen und Tabletten (Fortecortin®/Firma Merck)

Im Rahmen einer rezenten systematischen Übersichtsarbeit (Cochrane Zentralregister, Medline, Embase) bezüglich pharmakologischer Prävention von HAI fanden sich zu Beginn des Jahres 2017 insgesamt sieben Studien mit Paralellgruppendesign zwischen DEX vs. Plazebo (205 Teilnehmer). Die Verabreichung von DEX führte hinsichtlich einer AMS-Prävention in keiner Dosisstufe zu einem Vorteil gegenüber der einfachen Plazebogabe (RR 0.60, 95 % CI 0.36–1.0); auch der klinische Benefit bzw. die Nachteile durch DEX und andere pharmakologisch in Frage kommende Substanzen wie Ibuprofen oder Budesonid wurden von den Autoren bezüglich ihrer AMS-präventiven Wirksamkeit als unklar eingestuft (14). 133


Abb. 4: HAI/AMS: links: Kollegen beim Alpinmedizinischen Symposium Dachstein (2.700 m), rechts: Touristen in der Gipfelhütte am Fujijama (3.776 m) (Foto: U. Prettenhofer, W. Domej)

Dem steht eine breite Anwendung von DEX auf empirischer Basis entgegen; DEX sollte aber auf Grund möglicher Nebenwirkungseffekte in erster Linie der alternativen AMS-Prävention und Behandlung vorbehalten bleiben (Tab. 2). DEX sollte ausschließlich bei bekannter Sulfonamidallergie bzw. ACZ-Unverträglichkeit alternativ zu ACZ (Diamox®) zum Einsatz kommen (16); DEX wirkt auch präventiv gegen Höhenkopfschmerz (HAH), allerdings sind hierbei ACZ und Acetylsalicylsäure bzw. die Kombination aus beiden Mitteln die erste Wahl (17). Tab. 2: Dexamethason: Medikamentöse Prävention der AMS/HACE und HACE Therapie

AMS Prävention

DEX, Dosierung

Beginn/Ende

Bei passivem Höhenaufstieg: 4 mg p.o. alle 12 Std. Bei aktiven Bergsteigern >4.000 m: 4 mg p.o. alle 6 Std. Kinder: keine Empfehlung für medik. Prävention

Start: am Tag des Aufstieges Ende: 2–3 Tage auf der höchsten Schlafhöhe oder vor dem Abstieg

Keine Prävention länger als 10 Tage! HACE Therapie

Initial 8 mg i.v., dann 4x4 mg/Tag Alternativ Prednison 100 mg i.v., dann 3x50 mg/Tag

Auf die Situation bezogen

modifiziert nach (15) sowie Schweizer Gesellschaft für Gebirgsmedizin (SGGM/SSMM)

134


Die üblichen Applikationsformen von DEX sind peroral, intravenös oder auch intramuskulär (Tab. 3). In Ausnahmefällen kann der Inhalt einer Ampulle auch sublingual verabreicht oder sogar getrunken werden. DEX-Ampullen bleiben unter Kälteeinwirkung stabil. Unter großer Hitzeeinwirkung ist ihre Stabilität allerdings nicht mit Sicherheit gewährleistet. Daher sollten DEX-Ampullen bei Temperaturen über 30° zumindest einmal pro Saison ersetzt werden (18). Eine Dosierung von DEX zwischen 8–16 mg/Tag (Äquivalenzdosis von 200– 500 mg Kortisol/Tag) hat sich als sehr effektiv gegen HAI, in erster Linie gegen AMS und HACE erwiesen (19). Für inaktive Probanden war DEX im Rahmen einer Hypoxiekammerstudie in der Dosierung von 4 mg/12 Stunden respektive 2 mg alle 6 Std. ausreichend präventiv gegenüber AMS (20) (Tab. 2). Dieselbe Dosis war für aktiv bergsteigende Personen in Höhen jenseits der 4.000 m ungenügend (21); für diese Gruppe wurde eine Empfehlung für 4 mg DEX alle 6 Stunden abgegeben (22). Während sich in einer älteren Untersuchung mit aktiven Bergsteigern die Kombination ACZ plus DEX in Bezug auf die AMS-Prävention effektiver als ACZ mono erwies (23) und dies auch durch Bernhard et al. in einem Kleingruppenvergleich (ACZ 500 mg/Tag und DEX 4 mg/2xTag. vs. Plazebo) bestätigt wurde (24), plädierte Pun 2007 in seiner randomisierten Studie dafür, dass der 5-PDE-Inhibitor Tadalafil sowie DEX als Einzelsubstanzen eine ausreichende Potenz besäßen sogar die HAPE-Inzidenz deutlich zu senken (25). Weitere Autoren empfahlen neben einem langsamen Aufstieg ausschließlich ACZ zur probaten medikamentösen Prävention aber auch zur Behandlung des Höhenkopfschmerzes (HAH), der akuten Bergkrankheit (AMS) und des Höhenhirnödems (HACE); einzig wenn diese medikamentöse Option mit ACZ aus irgendeinem Grunde ausließe, sollten weitere Möglichkeiten wie supplementärer Sauerstoff, hyperbare Therapie (Überdrucksack) und DEX erwogen werden (26). Auf Basis einer kleinen Interventionsstudie konnte P. Hackett bereits im Jahre 1988 zeigen, dass DEX in einer Dosis von 2 mg alle 6 Stunden bzw. 4 mg alle 12 Stunden, peroral sowie intravenös verabreicht, eine sehr effektive AMS- und HACE-Präventionsmöglichkeit darstellt. Eine hohe Dosierung von 4 mg alle 6 Stunden wäre nur in Hochrisikosituationen wie beispielsweise anlässlich dringlicher Rettungsaktionen oder Militäroperationen (zwingender passiver Höhenaufstieg), bei denen Personen unmittelbar in großen Höhen >3.500 m abgesetzt werden müssen, sinnvoll (27). Die Dauer der Einnahme sollte allerdings wegen drohender GC-Nebenwirkungen (Suppression der Hypophysen-Nebennierenachse) und möglicher Steroidtoxizität auf maximal 10 Tage begrenzt werden (Tab. 2). Eine Prävention mit 2 mg DEX alle 6 Stunden dürfte 135


allerdings nicht ausreichend sein, um die Entwicklung einer AMS effektiv zu unterbinden (28). Bei abrupter Therapieunterbrechung unter identen Höhenbedingungen kann es relativ rasch zu einem Rebound-Effekt mit Demaskierung der Symptomatik kommen. Kindern sollte eine Prävention mit DEX aus mehreren Gründen vorenthalten werden, u.a. weil GC die Wirkung des Wachstumshormons Somatropin schwächen kann und Wachstumsstörungen die Folge sein könnten. Tierexperimentell wurden bereits vor Jahren auf die neuroprotektiven Eigenschaften von DEX vor allem gegenüber zerebralen hypoxisch-ischämischen Schädigungen hingewiesen (29). Es wird vermutet, dass DEX für eine starke Neuroprotektion steht, wobei Glukokortikoid-Rezeptoren (GC) sowie VEGF-Signalwege eine bedeutende Rolle spielen dürften. Es gibt auch erste Untersuchungen, die darauf abzielen, dass DEX vorbehandelte, akklimatisierte Personen seltener kognitiven Einschränkungen in großer Höhe unterliegen. DEX kann die kognitiven Fähigkeiten sowie die maximale aerobe Kapazität insbesondere HAPE sensitiver Personen verbessern (30); so führte unter terrestrischen hypobaren Hypoxiebedingungen (4.800 m) eine zweimalige Gabe von jeweils 4 mg DEX p.o. bei Probanden ohne Anzeichen einer HAI zu signifikanten Verbesserungen ihren kognitiven Fähigkeiten und Reaktionszeiten; Letztere wurden durch entsprechende psychomotorische sowie kognitive ­Testreihen untermauert. Ein subklinisches zerebrales Ödem käme daher durchaus als Ursache eines kognitiven Defizits in großer Höhe in Frage. Wenn man die stabilisierende Wirkung von GC auf die Gefäßpermeabilität heranzieht (31), ist DEX imstande, auch Symptome eines HACE nachhaltig zu verbessern. Die Wirkung von DEX bei HACE ist allerdings nicht spezifisch, da auch ein Hirnödem mit Hirndrucksymptomatik anderer Genese wie beispielsweise bei primär zerebralen Erkrankungen gebessert werden kann (32). Tab. 3: Dexamethason-Monopräparate in Österreich (A), Deutschland (D) Schweiz (CH) Axidexa®

D

iv

4 mg

Fortecortin®

A, D, CH

po/iv/im

4 mg, 8 mg/4 mg, 40 mg, 100 mg

Dexacortin®

CH

po/iv

0,5 mg, 1 mg; 5 mg

Dexabene

A, D

po/iv

4 mg/4 mg

D

po

0.5 mg, 1.5 mg, 4 mg, 8 mg

D

iv

4 mg

®

Cortidexason® DEXAbeta injekt

®

136


DEXA-CT®

D

po/iv

4 mg/4 mg; 8 mg/8mg

DEXA-ratiopharm®

D

iv

4 mg, 8 mg

Mephameson®

CH

iv

4 mg, 8 mg, 50 mg.

Dexaflam injekt®

D

iv

4 mg

Dexamethason acis®

D

iv

8 mg, 40 mg

Abschwächung der hypoxisch pulmonal-arteriellen Hypertonie (HPAH) durch Dexamethason DEX vermag die Inzidenz für HAPE zu senken und vermindert unter Hypoxiebedingungen den pulmonal-arteriellen Druckanstieg (mPAP), wobei die dafür postulierten Pathomechanismen noch viele Fragen offen lassen. Eine denkbare Erklärung dafür könnte bei sehr HAPE-sensitiven Menschen in einer durch DEX vermittelten Stimulation der cGMP-Produktion in Verbindung mit einem Anstieg der NO-Synthetaseaktivität sowie einer Modulation eines erhöhten adrenergen Tonus liegen (33). Unter hypoxischen Bedingungen führt DEX konzentrationsabhängig auch zu einer Downregulation der Carboanhydrase-IX-Expression (CAH IX), was vor allem auf den Rückgang der transskriptionalen Aktivität sowie die Abnahme der HIF1a-Konzentration zurückzuführen ist (2). Hier bestehen durchaus Parallelen zur Wirksamkeit des CAH-Inhibitors Acetazolamid (ACZ/Diamox®). Sowohl ACZ als auch DEX haben auch eine druckstabilisierende Eigenschaft im pulmonal-arteriellen Kreislauf. Experimentell konnte unter anhaltenden Hypoxiebedingungen (FiO2 0,05/24h) an Alveolarepithelzellen, pulmonalen Endothelzellen sowie Alveolarmakrophagen eine kontinuierliche Freisetzung unterschiedlicher Entzündungsmediatoren (u.a. IL-6, MCP-1) nachgewiesen werden. Die Konzentrationen entzündlicher Zytokine fielen bei DEX vorbehandelten Zellen jedoch deutlich geringer aus. Während sich die Aktivität der Na(+)/K(+)-ATPase unter Hypoxie bzw. DEX im Vergleich zu normoxischen Bedingungen nicht signifikant änderte, führte Hypoxie zu einer Einschränkung der Aktivität epithelialer Na-Kanäle. Bei DEX vorbehandelten Zellen blieb die Transportaktivität alveolarepithelialer Natriumkanäle jedoch weitgehend erhalten (34), möglicherweise eine weitere Erklärung, warum DEX die Inzidenz des Höhenlungenödems zu drosseln imstande ist. Bei HAPE-disponierten Personen erwies sich die prophylaktische Einnahme von DEX 4–6 Stunden vor dem Aufstieg auf 4.559 m bzgl. der maximalen 137


O2-Aufnahme (V’O2max) von Vorteil (35). Wenn für eine adäquate Akklimatisation, aus welchen Gründen immer, die Zeit zu knapp ist, rät Maggiorini bei einem Höhenaufenthalt von weniger als fünf Tagen zur Einnahme von DEX (36). In einer plazebokontrollierten Doppelblindstudie (23 Probanden, St. p. HAPE) erwies sich DEX (8 mg/2xtgl.) bei starker hypoxisch-pulmonaler Vasokonstriktion (HPV) in großer Höhe gegenüber dem PDE5I Tadalafil (Cialis®/10 mg/2xtgl.) bezüglich einer pulmonal-arteriellen Druckabsenkung, Verbesserung der SaO2 sowie Belastungstoleranz als die wirksamere Medikation (37). Wie an Testpersonen mit HAPE-Anamnese im Rahmen einer weiteren plazebo-kontrollierten Studie gezeigt werden konnte, führte die prophylaktische zweimal tägliche Verabreichung von Tadalafil (10 mg) in Kombination mit DEX (8 mg) während des Aufstieges und des nachfolgenden zweitägigen Aufenthaltes auf 4.559 m Höhe zu einer sicheren Absenkung des systolischen pulmonalarteriellen Blutdruckes (SPAP) und zur Reduktion des HAPE-Risikos (38). Bei letzterer Studie gab es allerdings auch einen Studienarm, bei dem ausschließlich DEX zur Anwendung kam (38). Keiner der HAPE-empfänglichen Probanden, die unter 16 mg DEX/Tag rasch in große Höhe gelangten, entwickelte ein HAPE; 3/10 Teilnehmern entwickelten unter DEX eine AMS im Vergleich zu 7/10 unter Tadalafil bzw. 8/9 unter Plazebo. Trotz der nachgewiesenen Absenkung des pulmonal-arteriellen Hypertonus, blieb der Wirkmechanismus für eine HAPE-Prävention im Dunkeln. Bezüglich HAPE-Prävention sind jedenfalls Evidenzlevel sowie Erfahrung mit DEX noch sehr gering. Deshalb gibt es zum derzeitigen Zeitpunkt noch von keiner Seite eine begründete Empfehlung. Dexamethason: Prävention und Behandlung höhenbedingter Erkrankungen Bereits P. Hackett stellte im Jahre 1999 bezüglich DEX enthusiastisch fest: „Die Tatsache, dass DEX eine derartige präventive und therapeutische Wirksamkeit gegenüber AMS aufweist, lässt stark vermuten, dass die Pathophysiologie tatsächlich in engem Zusammenhang mit der Pathogenese steht bzw. dass die AMS-Pathogenese durch DEX nachhaltig beeinflusst werden kann“ (39). Demnach sind GC sowohl in der Prävention (HAH: AMS, HACE, HAPE?) als auch Behandlung höhenassoziierter Erkrankungen (beginnendes, jedoch nicht schweres HACE) effektiv (Tab. 2, Abb. 3) (40). DEX führt allerdings zu keiner Beschleunigung der Akklimatisation wie etwa ACZ, sondern bewirkt eine Maskierung der HAH-Symptomatik (15). Nur zwei prospektive randomisierte Studien konnten bisher eine AMS-präventive Wirk138


samkeit von DEX belegen (41, 42). Die Einnahme/Verabreichung von DEX gilt bei HAI allerdings als „off-label-use“, da die Evidenz mangels entsprechender Studien bzw. kleiner Fallzahlen für eine generelle Empfehlung nicht ausreichend ist. Das einzige und ausschließlich in den USA zugelassene Medikament (FDA-Zulassung) zur AMS-Prävention ist derzeit ACZ (Abb. 4). Dexamethason: Therapie des Höhenhirnödems (HACE) Nur wenige klare Aussagen gibt es zur pharmakologischen Therapie des HACE, wobei schon einmal eine exakte Diagnosestellung im Gelände schwierig sein kann; dies vor allem, wenn in Fällen mit zusätzlichen Lähmungserscheinungen auch ein Schlaganfall nicht auszuschließen ist (43). Die Symptome eines beginnenden HACE sind ggf. nicht leicht von einer Steroidtoxizität oder akuten Nebennieren-Krise abzugrenzen (44, 45). In der Pathogenese des HACE dürften nach einer MRI-Studie vor allem vasogenetische Mechanismen eine bedeutende Rolle spielen (46). Die Durchbrechung der Blut-Hirn-Schranke bei HACE wird auf ein Bündel von Faktoren wie Verlust der Autoregulation, erhöhten Kapillardruck, aber auch Ischämie, Permeabilitätsfaktoren und neurogene Einflüsse zurückgeführt (39). Die Schweizer Gesellschaft für Gebirgsmedizin (SGGM/SSMM) publizierte zur Therapie des HACE dazu folgenden Hinweis: DEX Initial 8 mg i.v., dann 4x4 mg/Tag; alternativ Prednison 100 mg i.v., dann 3x50 mg/Tag (Tab. 2). Mögliche gesundheitliche Probleme durch Steroidnebenwirkungen und Interaktionen Die Einnahme von GC zur Prävention bzw. Behandlung von HAI verläuft leider nicht immer nebenwirkungsfrei (Tab. 3). So wurden unter prophylaktischer Einnahme von DEX gastrointestinale Blutungen, Hautrötungen/Akne, avaskuläre Nekrosen sowie veränderte mentale Befindlichkeiten (Agitation, Manie) beschrieben. Im Zusammenhang mit der Verabreichung von DEX wurde auch auf Schlaflosigkeit, Verdauungsbeschwerden, Appetitzunahme und in Kombination mit Acetylsalicylsäure (Aspirin®) bzw. NSAR vor allem auf ein erhöhtes Risiko für gastrointestinale Hämorrhagien (antithrombozytäre Effekte) hingewiesen (47). DEX kann besonders zusammen mit Alkohol und/oder Aspirin zu gastrointestinalen Blutungen in der Höhe Anlass geben (48, 49) und sollte daher bei peptischen Läsionen bzw. GIT-Blutungen kontraindiziert sein. DEX vermindert auf Basis seiner glykämischen Eigenschaften auch die blutzuckersenkende Wirkung von Antidiabetika. Diabetiker müssen unter DEX auf höhere Blutzuckerwerte achten, eine Dosisanpassung 139


von Insulin bzw. oralen Antidiabetika ist oft erforderlich. DEX wird in seiner Wirksamkeit auch durch Rifampicin, Antiepileptika (Phenytoin, Barbiturate, Carbamazepin) abgeschwächt und steigert in Kombination mit Cyclosporin das Risiko für Krampfanfälle. Bei gleichzeitiger Verabreichung mit Antimalariamitteln (Mefloquin, Chloroquin) erhöht sich das Risiko für Muskel- und Myokarderkrankungen. Östrogene bzw. Östrogen-Gestagen Kombinationen (Pille) können die DEX-Wirkung verstärken, indem sie den Abbau verzögern. Eine kurzzeitige DEX-Stoßtherapie bei akuter HAI bleibt jedoch in den meisten Fällen ohne Folgen und ist bei HACE wahrscheinlich lebensrettend. DEX sollte auch das Medikament der Wahl zur Prävention und Therapie von AMS und HACE bei Patienten mit eingeschränkter Nierenfunktion bzw. Leberinsuffizienz (Leberzirrhose) sein; in beiden Fällen ist eine Dosisanpassung nicht erforderlich (27). Für Patienten mit Verdacht auf Amöbiasis oder seltenen Strongyloides sterocoralis-Infektionen sollte DEX völlig obsolet sein. Bei Amöbenruhr kann eine GC-Therapie zu fulminantem Leberversagen bzw. akuter Verschlechterung der Dysenterie führen (50). Bei Strongyloides sterocoralis-Infestationen kann der Einsatz von GC ein Hyperinfektionssyndrom nach sich ziehen (51). Beide Infektionen sind nicht ganz abwegig und können vor allem Reisende in Entwicklungsländern betreffen.

Fatigue

Gewichtszunahme

Depression

Blutdruckerhöhumg

Euphorie

Akne

Irritabilität

Dermatitis

Benommenheit

Myopathie

Hyperglykämie

Erhöhung des Infektionsrisikos

Manie Delir Schlaflosigkeit Kopfschmerzen Beinkrämpfe Stenokardiforme Schmerzen

Langzeitverabreichung

Kurzzeitverabreichung

Tab. 4: Dexamethason: Nebenwirkungseffekte: kurzzeitige (7-Tage) und langzeitige Verabreichung (>2 Wochen)

Modifiziert nach (45)

140

Avaskuläre Knochennekrosen Gastrointestinale Ulzerationen Psychiatrische Störungen Abnahme der Gefäßwandstärke Verdünnung des Bindegewebes Suppression Eigenkortisolbildung


ZUSAMMENFASSUNG Die therapeutische Wirksamkeit von DEX erstreckt sich auf alle drei Hauptformen höhenassoziierter Erkrankungen (AMS, HACE, HAPE). In der AMS-Prävention sollte man auf Grund des Nebenwirkungsprofils von DEX ACZ unbedingt den Vorzug geben, außer es bestehen medizinisch begründete Vorbehalte (52). Die Domäne von DEX ist die AMS-Prophylaxe und Therapie der mittelschweren bis schweren AMS alternativ zu ACZ sowie die Behandlung des beginnenden Höhenhirnödems (HACE). Die therapeutische Wirkung von DEX ist bei HACE bisher alternativlos und mitunter lebensrettend. Hinweise, dass DEX bei HAPE-Patienten eine drucksenkende Funktion im Pulmonalkreislauf zukommt, sind von sehr schwacher Evidenz und daher heute ohne wirklichen Empfehlungscharakter.

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❙ Caroline Hepperger, Peter Gföller, Christian Hoser, Hanno Ulmer, Felix Fischer, Wolfgang Schobersberger, Christian Fink ❙

Mit künstlichen Gelenken in den Bergen Tirols unterwegs: Eine Studie zum Thema Wandern mit Knie-Totalendoprothese (TEP)1 Hiking with artificial joints: A prospective trial in patients following total knee arthroplasty (TKA)1

SUMMARY Sports participation in patients following total knee arthroplasty (TKA) plays an increasingly important role. The increase of the prevalence of osteoarthritis in the last decades, the fact that patients with osteoarthritis are becoming younger and the desire to do sports at an advanced age are reasons for the increasing importance of sports activity following TKA. There are controversial opinions regarding sports participation in patients following TKA. However, despite these facts, there is a lack in evidence on sports participation in patients following TKA. To investigate the effects of hiking on patients following TKA an intervention study was performed. 48 patients were included and randomized to either the intervention group or the control group. Over a 3 month-period the intervention group went hiking 2–3 times a week (25 hiking days in total) with a hiking guide, whereas the control group performed activities of daily living. The stair climb test (SCT), quality of life questionnaires and isokinetic force measurements were performed at three time points (pretest,

1 Inhalte der vorliegenden Publikation übernommen aus Dissertation: Hepperger C. Sportfähigkeit von Patientinnen und Patienten mit einer Knie-Totalendoprothese (TEP) 2017; sowie Hepperger et al. The effects of a 3-month controlled hiking programme on the functional abilities of patients following total knee arthroplasty: a prospective, randomized trial, Knee Surg Sports Traumatol. 2016

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posttest, retentiontest). ANOVAs for repeated measurements, Friedman tests and Mann-Whitney U tests were performed. A significant improvement of the mean walking time in the SCT, as well as a significant improvement in some subscales of the quality of life questionnaires were shown in the intervention group. Hiking can be recommended to patients following TKA in order to improve their activities in daily living. Keywords: Hiking, TKA, Stair Climb Test, KOOS, functional abilities ZUSAMMENFASSUNG Sportausübung bei Patientinnen und Patienten mit einer Knie-Totalendoprothese (TEP) stellt eine zunehmend interessante Fragestellung dar. Gründe dafür sind einerseits der Anstieg der Prävalenz von Gonarthrose in den letzten Jahrzehnten, andererseits werden die Patientinnen und Patienten mit Arthrose immer jünger und das Aktivitätsniveau steigt auch im fortgeschrittenen Alter. Bezüglich Sportaktivität mit Knie-TEPs gibt es sehr kontroverse Meinungen. Davon abgesehen gibt es derzeit nur wenige Studien, welche sich mit der Sportaktivität von Patientinnen und Patienten mit einer Knie-TEP beschäftigen. Um die Auswirkungen von Wandern auf Patientinnen und Patienten mit einer Knie-TEP zu untersuchen, wurde eine Interventionsstudie durchgeführt. 48 Patientinnen und Patienten wurden eingeschlossen und entweder der Interventionsgruppe oder der Kontrollgruppe zugeordnet. Die Interventionsgruppe ging über einen Zeitraum von 3 Monaten 2–3 Mal die Woche mit einem Wanderführer wandern (gesamt 25 Wandertage), während die Kontrollgruppe den Aktivitäten des alltäglichen Lebens nachging. Der Stair Climb Test (SCT), Fragebögen zur Lebensqualität sowie eine isokinetische Kraftmessung wurden an 3 Testzeitpunkten (Eingangstest, Ausgangstest und Retentionstest) durchgeführt. Für die statistische Auswertung wurden ANOVAs mit Messwiederholungen, Friedman Tests und Mann-Whitney U Tests durchgeführt. Die Interventionsgruppe zeigte eine signifikante Verbesserung beim SCT und bei einigen Subskalen der Lebensqualität-Fragebögen. Wandern kann Patientinnen und Patienten mit einer Knie-TEP empfohlen werden, damit die Aktivitäten des alltäglichen Lebens leichter gemeistert werden können. Schlüsselwörter: Wandern, Knie-TEP, Stair Climb Test, KOOS, funktionale Fähigkeiten

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EINLEITUNG Die Thematik Sportausübung bei Arthrose gewinnt zunehmend an Bedeutung. Gründe dafür sind einerseits der Anstieg der Prävalenz von Gonarthrose in den letzten Jahrzehnten (1,2), andererseits werden die Patientinnen und Patienten mit Arthrose immer jünger und das Aktivitätsniveau steigt auch im fortgeschrittenen Alter (3–5). Eine gängige Behandlung von Arthrose im Endstadium ist das Einsetzen einer Knie-Totalendoprothese (TEP) (6). Die Reduktion der Schmerzen, die Verbesserung der funktionalen Fähigkeiten und der Lebensqualität der Patientinnen und Patienten sind dabei die Hauptziele dieser Behandlungsmethode (7). Die Anzahl der jährlich implantierten KnieTEPs hat sich von 2000 bis 2013 beinahe verdoppelt (8). Es wird erwartet, dass bis zum Jahr 2030 mehr als die Hälfte der Patientinnen und Patienten (55%), welche sich einer Knie-TEP Operation unterziehen, jünger als 65 Jahre sein werden (9). Die steigende Lebenserwartung und der Anstieg implantierter Knie-TEPs bei jüngeren Patientinnen und Patienten führt dazu, dass die Patientinnen und Patienten länger mit den Implantaten leben (6,7,9). Auch bei den Erwartungen hinsichtlich des Lebens mit einer Knie-TEP ist ein Wandel zu verzeichnen. Während früher Schmerzen die Hauptindikation für eine Prothese waren, sind heute zusätzlich noch die Einschränkung der Aktivität und bestimmter funktionaler Fähigkeiten Gründe für einen Gelenkersatz (10–12). Jüngere Patientinnen und Patienten sind normalerweise körperlich aktiver als ältere Patientinnen und Patienten und eine Rückkehr in ein aktives Leben bzw. zum Sport spielen eine wesentliche Rolle (13–16). Bezüglich Sportaktivität mit Knie-TEPs gibt es sehr kontroverse Meinungen. Einige Studien zeigen, dass die Sportaktivität zu einer Abnützung und Lockerung des künstlichen Gelenks führt (17–20). Andere Studien belegen jedoch, dass körperliche Aktivität in einem angepassten Ausmaß die Lockerungsrate der Prothesen reduziert bzw. keinen negativen Einfluss darauf hat (21–23). Studien berichten, dass Patientinnen und Patienten mit einer Knie-TEP regelmäßig Sport betreiben (24) und dass beispielsweise Skifahren positive Auswirkungen auf Patientinnen und Patienten mit einer Knie-TEP hat (25). Davon abgesehen gibt es derzeit nur wenige Studien, welche sich mit Sportaktivität von Patientinnen und Patienten mit einer Knie-TEP beschäftigen. Wandern gehört zu den am häufigsten ausgeübten Sportarten mit mittlerer Stoßbelastung (medium-impact) von Patientinnen und Patienten mit einer Knieendoprothese. Eine Studie von Mayr et al. zeigte, dass 90% der Teilnehmerinnen und Teilnehmer präoperativ, 27% 1 Jahr postoperativ und 70% 6 Jahre postoperativ wanderten. Lediglich die Sportar147


ten mit niedriger Stoßbelastung (low-impact) Radfahren (94%) und Schwimmen (76%) wurden 6 Jahre nach der Operation häufiger betrieben (24). Des Weiteren konnte belegt werden, dass regelmäßige körperliche Betätigung mit einer höheren Patientenzufriedenheit assoziiert ist (26). Beleuchtet man die bereits zu dieser Thematik veröffentlichte Literatur, so kann auch ein regionaler Unterschied aufgezeigt werden. Während im Flachland vorwiegend Sportarten wie Radfahren und Schwimmen als Lieblingssportarten der Patientinnen und Patienten mit einer Knie-TEP ausgeübt werden (13,26,27), gelten im alpinen Bereich Wandern und Skifahren zu den populären Sportarten (21,28–30). Erfahrungswerte und das Ausmaß der Sportintensität spielen im Hinblick auf Sportaktivität mit Knie-TEP eine wichtige Rolle (31).

PROBLEMSTELLUNG In Tirol ist bei vielen älteren Menschen der Wunsch nach Bewegung in den Bergen auch im Sommer sehr groß. Wandern und Bergsteigen zählen gerade im alpinen Bereich zu den beliebtesten Sommersportarten der älteren Bevölkerung (32). Der Wunsch, ggf. diese ausüben zu können, ist dabei für Patientinnen und Patienten mit Arthrose immer ein wesentlicher Faktor bei der Entscheidung, eine prothetische Operation durchführen zu lassen. Studien zeigten, dass auch bei Patientinnen und Patienten mit einer Knie-TEP das Wandern eine der beliebtesten Sommersportarten darstellt (24,30,33). Allerdings gibt es bis dato nur wenige Daten über die Belastung künstlicher Kniegelenke beim Wandern oder Bergsteigen. Viele Patientinnen und Patienten mit einer Knie-TEP betreiben Sportarten mit einer mittleren oder hohen Kniebelastung, wie beispielsweise Skifahren oder Wandern (24). Es gibt in der Literatur Empfehlungen, welche Sportarten von Patientinnen und Patienten mit einer Knie-TEP ausgeübt werden können. Beispielsweise werden Radfahren, Eislaufen und Wandern als „allowed with experience“ empfohlen. Diese Empfehlungen basieren aber größtenteils auf den Erfahrungswerten von Operateuren (15,21). Aufgrund der Tatsache, dass Wandern die beliebteste Sommersportart von Patientinnen und Patienten mit einer Knie-TEP ist, wurde das Wandern als Intervention herangezogen. Ein Ziel der Arbeit war zu untersuchen, welche Auswirkungen Wandern auf dieses Patientengut hat. Damit sollte einerseits für die Ärztinnen und Ärzte eine Evidenz-basierte Basis geschaffen werden, andererseits sollte dies aber auch als Motivation für Patientinnen und Patienten dienen, auch nach einer Knie-TEP einen aktiven Lebensstil zu generieren (34). 148


METHODEN Probanden und Studiendesign Insgesamt wurden 48 Probandinnen und Probanden für die Studie rekrutiert und anhand der in Abbildung 1 dargestellten Ein- und Ausschlusskriterien ausgewählt. Einschlusskriterien

Ausschlusskriterien

Patientinnen und Patienten mit einer Knie-Totalendoprothese (TEP)

Schmerzen am kontralateralen Knie

Alter: 55–75 Jahre Schriftliche Dokumentation der Einwilligung zur Studienteilnahme Bereitschaft, 2–3 Mal wöchentlich wandern zu gehen 1–5 Jahre nach der Operation Medizinische Freigabe durch das Ärzteteam vor der Studienteilnahme

Alle akuten Erkrankungen sowie akute Verletzungen kurz vor oder während der Testreihen Länger zurückliegende Verletzungen mit möglichem Einfluss auf das Studienergebnis Sonstige chronische Erkrankungen, bei denen wandern als Kontraindikation anzusehen ist

Abb. 1: Ein- und Ausschlusskriterien

Um die Auswirkungen von Wandern auf Patientinnen und Patienten mit einer Knie-TEP zu erforschen, wurde eine randomisierte kontrollierte Interventionsstudie mit 2 Gruppen durchgeführt. Die Zuteilung zu den Gruppen (Interventionsgruppe oder Kontrollgruppe) erfolgte mittels Blockrandomisierung (zufällige Zuteilung), welche unmittelbar vor den Eingangstests stattfand. Eine Homogenität der Gruppen wurde angestrebt. Die Interventionsgruppe ging über einen Zeitraum von 12 Wochen (2- bis 3-mal wöchentlich) wandern, bis gesamt 25 Wandertage erreicht wurden. Die Kontrollgruppe ging den Aktivitäten des alltäglichen Lebens nach und wanderte nicht. Alle Studienteilnehmer absolvierten einen Eingangstest. Anschließend wurde die 12-wöchige Interventions-/Kontrollphase durchgeführt. Im Anschluss daran absolvierten alle Probanden den Ausgangstest. Nach einer 8-wöchigen Retentionsphase wurde bei allen Studienteilnehmern der Retentionstest durchgeführt (Abb. 2).

Eingangstest Falls die Patientinnen und Patienten für die Teilnahme an dem Projekt in Frage kamen (Ein- und Ausschlusskriterien) und nach einem ausführlichen Aufklä149


12 Wochen

8 Wochen

Interventions-/ Kontrollphase

Retentionsphase

Eingangstest

Ausgangstest

Retentionstest

Abb. 2: Studienablauf Wanderstudie mit Knie-TEP

rungsgespräch ihre schriftliche Einwilligung gaben, wurden bei allen Patientinnen und Patienten (Interventions- und Kontrollgruppe) die Untersuchungen und Tests durchgeführt (Tab. 1). Tab. 1: Übersicht der einzelnen Tests

Tests bezüglich der funktionalen Fähigkeiten (Stair Climb Test)

Knee and Osteoarthritis Outcome Score (KOOS) und Short Form(SF)-36

150


Isokinetische Kraftmessung am CON-TREX

Klinische Untersuchung und Erhebung des Knee Society Scores (KSS)

Eine sportmedizinisch-internistische Leistungsdiagnostik (Anamnese, Ruhe-EKG, Spirometrie, Labor, Ausbelastungsergometrie am Fahrrad) wurde nur bei der Interventionsgruppe durchgeführt, um gewährleisten zu können, dass aus sportmedizinischer Sicht kein Einwand gegen die Intervention (regelmäßiges Wandern) besteht.

Interventions-/Kontrollphase Interventionsgruppe (IG) Die Interventionsgruppe ging über einen Zeitraum von 12 Wochen 2–3 Mal pro Woche wandern (gesamt 25 Wandertage). Dabei standen den Teilnehmerin151


nen und Teilnehmern geprüfte Wanderführer zur Seite. Die durchschnittliche Wanderung beinhaltete 400 Höhenmeter, 7 km und betrug ca. 3,5 Stunden. Die Interventionsgruppe wanderte nur auf markierten Wanderwegen in Innsbruck und Umgebung zwischen 563 m und 2148 m Seehöhe. Der Aufstieg war moderat steil, während beim Abstieg eine Route mit angemessener Steilheit für Patientinnen und Patienten mit einer Knie-TEP gewählt wurde (Abb. 3). Im Durchschnitt wurden 9870 Höhenmeter für den Auf- sowie Abstieg und 194 km absolviert. Während des Wanderns erfolgte eine Pulsmessung, um sicherzustellen, dass sich die Probandinnen und Probanden nicht überanstrengten.

Abb. 3: Interventionsgruppe auf dem Weg zum „Halsl“ (Axamer Lizum)

Die durchschnittliche Herzfrequenz sollte dabei zwischen 55 – 65 % der bei maximaler Wattleistung ermittelten Herzfrequenz liegen, welche vorher am Institut für Sport-, Alpinmedizin & Gesundheitstourismus (ISAG) ermittelt wurde. Kontrollgruppe (KG) Die Kontrollgruppe ging während dieser Phase ihren Aufgaben des täglichen Lebens nach. Um sicherzustellen, dass die Probandinnen und Probanden während der Kontrollphase nicht wanderten, führten diese ein Patiententagebuch hinsichtlich ihrer sportlichen Aktivitäten. 152


Ausgangstest

Nach der Interventions-/Kontrollphase wurden alle Probandinnen und Probanden nochmals untersucht und dieselben Tests durchgeführt wie zu Beginn der Studie (Tab. 1).

Retentionsphase In dieser 8-wöchigen Retentionsphase gingen alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer (Interventionsgruppe und Kontrollgruppe) lediglich den Aktivitäten des täglichen Lebens nach.

Retentionstest Nach der Retentionsphase wurden alle Probandinnen und Probanden nochmals untersucht und die in Tabelle 1 dargestellten Tests durchgeführt. Zur Beantwortung der Fragestellung wurden bei den jeweiligen Tests (Eingangstest, Ausgangstest und Retentionstest) folgende Instrumente verwendet:

Test bezüglich der funktionalen Fähigkeiten Um die funktionalen Fähigkeiten der Probandinnen und Probanden zu messen, wurde der sog. Stair Climb Test (SCT) durchgeführt. Bei diesem Test werden die Probandinnen und Probanden gebeten, so schnell und sicher wie möglich Treppen zu steigen. Dabei wird die Zeit sowohl für das Treppen aufwärts als auch für das Treppen abwärts gehen mit einer Stoppuhr gemessen. Niederere Werte indizieren eine bessere Leistung (35,36). Die Probandinnen und Probanden starten den Stair Ascent Test am unteren Ende der Treppe und den Stair Descent Test auf der 10. Stufe (Höhe 17 cm, Tiefe 28 cm) (37,38).

Fragebogen Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Studie wurden gebeten, Fragebögen bezüglich ihrer Befindlichkeit und Lebensqualität auszufüllen. Folgende Fragebögen wurden verwendet: KOOS (Knee and Osteoarthritis Outcome Score) Fragebogen – Dieser Fragebogen besteht aus 5 Subskalen (42 Items), die die Bereiche Schmerz, Symptome, Aktivitäten des täglichen Lebens (ADL), Sport und Freizeit sowie die Beeinflussung der Lebensqualität durch das betroffene Knie abdecken. Jede Subskala wird einzeln berechnet und reicht von 0 (extreme Symptome) bis 100 (keine Symptome) (39). Der KOOS Fragebogen ist unter anderem für die An153


wendung bei Patientinnen und Patienten mit einer Knie-TEP validiert (40). Für das selbständige Ausfüllen der Patientinnen und Patienten werden ca. 10 Minuten benötigt (39). Der Western Ontario and McMaster Universities Osteoarthritis Index (WOMAC) (41,42) ist in den KOOS Fragebogen integriert (39) und besteht aus den 3 Subskalen Schmerzen, Steifigkeit und Funktion (42). Der Short Form (SF)-36 Fragebogen beinhaltet acht verschiedene Subskalen (körperliche Funktionsfähigkeit, körperliche Rollenfunktion, körperliche Schmerzen, allgemeine Gesundheitswahrnehmung, Vitalität, soziale Funktionsfähigkeit, emotionale Rollenfunktion und psychisches Wohlbefinden). In diesen Subskalen können die Probandinnen und Probanden Testwerte zwischen 0 und 100 erreichen, wobei der maximale Wert 100 den besten Gesundheitsstatus ausdrückt (43).

Isokinetische Kraftmessung Diese Muskelkraftmessung wurde mit Hilfe des isokinetischen Dynamometers CON-TREX (CMV AG, Zürich, Schweiz, Abb. 4) durchgeführt und erfolgte am Institut für Sport-, Alpinmedizin & Gesundheitstourismus (ISAG) der Tirol Kliniken. Nach einer Aufwärmphase am Fahrradergometer (ca. 10 Minuten) nehmen die Probandinnen und Probanden eine aufrecht sitzende Position am Gerät ein. Der Oberkörper wird mit einem Hüftgurt und zwei sich kreuzenden Gurten fixiert. Des Weiteren wird ein Gurt am Oberschenkel angelegt, um eine seitliche Ausweichbewegung des Beins zu vermeiden. Anschließend wird das isokinetische Dynamometer auf die individuelle Drehachse des Kniegelenkes eingestellt und das Bewegungsausmaß festgelegt. Bei der Kraftmessung wird zuerst das nicht-operierte Bein getestet. Die Kraftmessung besteht aus einer 90-sekündigen Aufwärmphase, während der die Patientinnen und Patienten den Bewegungen des Con-Trex folgen und die Kraft steigern. Anschließend erfolgt eine Pause (30 Sekunden). Die Tests werden bei 60°/s in konzentrischer Kontraktion durchgeführt. Pro Teilnehmerin und Teilnehmer werden 4 Wiederholungen durchgeführt (44). Die Probandinnen und Probanden werden gebeten, so fest wie möglich zu drücken, ohne dabei Schmerzen zu haben. Anschließend wird das andere Bein getestet. Die gemessenen Daten werden von der CON-TREX Software analysiert und anschließend ausgewertet.

154


Klinische Untersuchung Die klinische Untersuchung wurde in der Praxis Dr. Fink, Dr. Hoser und Dr. Gföller OG von den Fachärzten durchgeführt. Das Vorliegen eines Gelenkergusses und einer lokalen Hyperthermie sowie die Schwellung des Kniegelenks waren Inhalte der Untersuchung. Zusätzlich wurde bei der Interventionsgruppe noch ein Röntgen des operierten Beins gemacht und von den Studienärzten ausgewertet, um die korrekte Position der Knie-TEP vor und unmittelbar nach der Intervention zu bestimmen und zu prüfen. Anschließend wurde von den Ärzten der KSS (Knee Society Score) Fragebogen ausgefüllt. Der KSS besteht aus 2 Komponenten. Einerseits erfolgt eine Bewertung des Knies (0 – 100 Punkte), andererseits wird die Funktionalität (0 – 100 Punkte) überprüft. Das Ausfüllen des KSS Fragebogens sollte nicht länger als 10 Minuten in Anspruch nehmen (45). Der KSS Fragebogen ist der am meisten verwendete Fragebogen, um die Ergebnisse von einem Kniegelenksersatz zu messen (46).

Statistik Für die statistische Auswertung wurde IBM SPSS Statistics 23 (SPSS, Armonik, NY, USA) verwendet. Die Normalverteilung der Daten wurde mit Hilfe des Kolmogorov-Smirnov-Tests überprüft. Da eine Normalverteilung vorlag, wurde eine einfaktorielle Varianzanalyse (Wandern/Nicht-Wandern) mit Messwiederholungen durchgeführt, um Unterschiede zwischen und innerhalb der Gruppen aufzuzeigen. Die Analyse wurde für das Treppen aufwärts und Treppen abwärts gehen getrennt durchgeführt. Die primäre Hypothese wurde mit einem zweiseitigen Signifikanzniveau von p < 0,05 getestet. Die Scores zur Messung der Lebensqualität waren nicht-normalverteilt, daher wurden für den KOOS, WOMAC und SF-36 der Friedman Test und der Mann-WhitneyU-Test durchgeführt. Da mehrere Vergleiche durchgeführt wurden, wurde nach Bonferroni korrigiert. Zusätzlich wurde noch eine Subgruppen-Analyse für die isokinetische Kraftmessung bei Patientinnen und Patienten mit nur einer Knie-TEP durchgeführt.

ERGEBNISSE 48 Probandinnen und Probanden wurden in die Studie eingeschlossen (IG: n=25, KG: n=23). Eine Probandin in der Interventionsgruppe und 1 Proband in der Kontrollgruppe beendeten die Studie nicht. Zwischen den Gruppen gab es in Bezug auf die demographischen Daten keinen statistisch signifikanten Unterschied (Tab. 2). 155


Tab: 2: Demographische Daten beim Eingangstest Interventionsgruppe n

%/ MW± Stabw

Männlich

10

Weiblich

15

Ja Nein

Kontrollgruppe n

%/ MW ± Stabw

40,0 %

9

39,1 %

60,0 %

14

60,9 %

24

96,0 %

22

95,7 %

1

4,0 %

1

4,3 %

Links

6

24,0 %

10

43,5 %

Rechts

8

32,0 %

8

34,8 %

Beidseits

11

44,0 %

5

21,7 %

Alter (Jahre)

25

67,4 ± 5,0

23

67,4 ± 5,6

Zeit von OP bis Eingangstest

25

2,6 ± 0,9

23

2,8 ± 1,3

Body Mass Index (BMI)

25

29,3 ± 4,8

23

28,6 ± 3,7

Geschlecht

Raucher

Knie-TEP

n = Anzahl der Patientinnen und Patienten, MW = Mittelwert, Stabw = Standardabweichung

Beim Treppen aufwärts gehen konnte sich die Interventionsgruppe von 4,3 ± 0,6 Sekunden beim Eingangstest auf 3,6 ± 0,4 Sekunden beim Ausgangstest verbessern, während sich die gemessenen Zeiten bei der Kontrollgruppe verschlechterten (4,2 ± 0,9 Sekunden beim Eingangstest versus 4,3 ± 0,9 Sekunden beim Ausgangstest). Es konnte zwar kein signifikanter Unterschied zwischen den Gruppen gefunden werden, allerdings konnte beim Treppen aufwärts gehen eine signifikante Interaktion zwischen Zeit und Gruppe (p < 0.001) aufgezeigt werden, welche auf eine Verbesserung der Interventionsgruppe hindeutet. Für das Treppen abwärts gehen war aufgrund der Korrektur nach Bonferroni nur der Zeiteffekt (p = 0.006) signifikant. Die Ergebnisse des Stair Climb Tests sind in Tabelle 3 abgebildet.

156


Tab. 3: Mittelwerte und Standardabweichungen des Stair Climb Tests (Eingangstest, Ausgangstest, Retentionstest) in Sekunden Gruppe

Eingangstest

Ausgangstest

Retentionstest

Treppen aufwärts gehen

IG

4,3 ± 0,6

3,6 ± 0,4

3,5 ± 1,4

KG

4,2 ± 0,9

4,3 ± 0,9

4,1 ± 0,7

Treppen abwärts gehen

IG

3,6 ± 0,6

3,2 ± 0,5

3,1 ± 0,4

KG

3,7 ± 0,8

3,7 ± 0,7

3,6 ± 0,7

In Bezug auf die Lebensqualität, welche mit dem KOOS gemessen wurde, konnte folgendes aufgezeigt werden: Die Interventionsgruppe verbesserte sich signifikant vom Eingangstest zum Ausgangstest (p < 0,01) in drei Subskalen des KOOS, während sich die Kontrollgruppe nicht verbesserte. Beim direkten Vergleich zwischen Interventions- und Kontrollgruppe zwischen Ausgangsund Retentionstest gab es keinen statistisch signifikanten Unterschied (Abb. 4). Sowohl beim WOMAC, als auch beim SF-36 wurden keine signifikanten Unterschiede beobachtet. Im Hinblick auf die isokinetische Kraftmessung wurde eine Subgruppenanalyse von Patientinnen und Patienten mit einer unilateralen Knie-TEP durchgeführt. Diese Analyse zeigte, dass es keinen signifikanten Unterschied zwischen den beiden Gruppen gab. Während des Studienzeitraums wurden keine akuten schädlichen Effekte, wie Schwellung oder Anstieg der Schmerzen, berichtet. Auch bei den durchgeführten Röntgenuntersuchungen wurden keine Anzeichen für eine Lockerung oder Abnutzung gefunden. Der bei der klinischen Untersuchung erhobene Score (KSS) verbesserte sich signifikant in der Interventionsgruppe im Vergleich zur Kontrollgruppe.

157


a

KOOS Interventionsgruppe 100 80 60 40 20 0

Schmerzen

Symptome

Eingangstest

ADL Ausgangstest

Sport

Lebensqualität

Retentionstest

ADL = Aktivitäten des alltäglichen Lebens

b

KOOS Kontrollgruppe 100 80 60 40 20 0

Schmerzen

Symptome

Eingangstest

ADL Au sgangstest

Sport

Lebensqualität

Retentionstest

Abb. 4: KOOS beim Eingangstest, Ausgangstest und Retentionstest für die Interventionsgruppe (a) und die Kontrollgruppe (b)

158


DISKUSSION Es konnte gezeigt werden, dass Patientinnen und Patienten, welche über einen Zeitraum von 12 Wochen regelmäßig wanderten, bessere Ergebnisse im Hinblick auf die funktionalen Fähigkeiten aufwiesen (gemessen mit dem Stair Climb Test) als jene Patientinnen und Patienten, welche den Aktivitäten des alltäglichen Lebens nachgingen. Pötzelsberger et al. zeigten, dass es durch 12-wöchiges Alpinskifahren zu einer Verbesserung beim Treppen abwärts gehen kommt (47). Die Ergebnisse für das Treppen abwärts gehen sind ähnlich wie die Ergebnisse der vorliegenden Studie. Des Weiteren wurde aber in der vorliegenden Studie aufgezeigt, dass die Wandergruppe auch eine Verbesserung beim Treppen aufwärts gehen erreichte. Mögliche Gründe hierfür sind, dass die Patientinnen und Patienten der Studie durch das regelmäßige Wandern genau diese Anstrengungen trainiert haben. Eine weitere wichtige Feststellung ist, dass sich die Lebensqualität der Gruppe, welche über den Studienzeitraum von 12 Wochen wanderte, im Vergleich zur Kontrollgruppe, welche den Aktivitäten des alltäglichen Lebens nachgingen, moderat verbesserte. Auch in der Studie zum Thema Alpinskifahren von Patientinnen und Patienten mit einer Knie-TEP konnte eine Verbesserung des Wohlbefindens in der Interventionsgruppe gefunden werden (48). Ein direkter Vergleich der Ergebnisse ist jedoch schwierig, da andere Messinstrumente verwendet wurden. Die vorliegende Studie konnte zeigen, dass Wandern positive Auswirkungen auf die funktionalen Fähigkeiten und die Lebensqualität von Patientinnen und Patienten mit einer Knie-TEP hat. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer, welche regelmäßig wanderten, waren nicht nur in der Lage schneller die Treppen auf- und abwärts zu gehen – sie fühlten sich aufgrund des Wanderns auch sicherer dabei. Das regelmäßige Wandern hatte auch Einfluss auf die Dinge des alltäglichen Lebens. Hausarbeit erledigen, Socken anziehen oder auch in bzw. aus dem Auto steigen war für die Interventionsgruppe leichter als für die Kontrollgruppe. Basierend auf den Ergebnissen kann den Patientinnen und Patienten mit einer Knie-TEP Wandern empfohlen werden, um auch alltägliche Dinge leichter zu verrichten. Gemäß den Richtlinien der Knee Society ist wandern „allowed with experience“. Diese Empfehlungen sind Eminenzbasiert, nicht Evidenz-basiert (15,21). Die Studie liefert jetzt jedoch Evidenzbasierte Ergebnisse und kann Ärztinnen und Ärzten bei der Entscheidungsfindung im Hinblick auf die Sportausübung von Patientinnen und Patienten mit einer Knie-TEP unterstützen. 159


Eine Limitation der durchgeführten Studie ist die Verwendung einer Stoppuhr zur Messung beim Stair Climb Test. Dieses Messinstrument wird zwar in der Literatur empfohlen, allerdings wäre die Messgenauigkeit, beispielsweise bei einer Lichtschranke, wesentlich größer. Das Verwenden eines weiteren funktionalen Tests wäre für die Zukunft erstrebenswert, um die Resultate des Stair Climb Tests zu verifizieren bzw. zu unterstützen.

FAZIT Die Gruppe, welche über einen Zeitraum von 12-Wochen regelmäßig wanderte, konnte bessere funktionale Fähigkeiten und eine verbesserte Lebensqualität aufzeigen. Daher sollten Patientinnen und Patienten mit einer Knie-TEP ermutigt werden regelmäßig Wandern zu gehen, damit die Aktivitäten des alltäglichen Lebens leichter gemeistert werden können.

160


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❙ Martin Niedermeier, Andreas Weisleitner, Larissa Ledochowski, Anika Frühauf, Martin Burtscher, Martin Kopp ❙

Riskante Entscheidungen in Hypoxie – eine Beobachtungs­ studie über potentielle Einfluss­faktoren Correlates of risky decision making in hypoxia – an observational study

SUMMARY Decision making is impaired in hypoxic environments what may have serious or even lethal consequences for mountaineers. Little is known about correlates on decision making and the development of decision making over time in hypoxia. Thus, possible factors influencing risky decision making and the effect of exposure to hypoxia over time on risky decision making were analyzed in the present study. Overall, 77 healthy participants were exposed to a normobaric hypoxic environment (FiO2 = 12.6%, corresponds to 4500 m) for 12 hours. Risky decision making was assessed using the Game of Dice Task at four time points in hypoxia. Possible variables related to decision making were collected. Statistical analysis included Spearman rank correlations and an ANCOVA with repeated measurements. The study was completed by 42 participants. Self-reported positive affective valence prior to decision making was negatively and age was positively related to the number of risky decisions. Higher correlations were found for males compared to females. The number of risky decisions significantly reduced over time in the hypoxia, p = 0.028, partial η² = 0.08, when the age-effect on decision making was controlled. Positive affective valence prior to decision making seems to have a medium-sized protective effect against risky decision making and might be relevant 165


to consider in risk reducing programs; especially in males. Early physiological adaptations and the experimental situation without physical activity might explain the positive time effect on decision making in hypoxia. Keywords: acute mountain sickness; affective responses; decision making; mountaineering; risk taking ZUSAMMENFASSUNG Hypoxie beeinflusst das Entscheidungsverhalten, was zu ernsthaften oder sogar tödlichen Konsequenzen für Bergsportler führen kann. Bislang ist nur wenig über Einflussgrößen auf das Entscheidungsverhalten in Hypoxie bekannt. Daher war es Ziel der vorliegenden Studie, potentielle Einflussfaktoren in Zusammenhang mit dem Entscheidungsverhalten in Hypoxie zu analysieren, sowie das Entscheidungsverhalten in Hypoxie über einen längeren Zeitraum zu beobachten. Insgesamt wurden 77 gesunde Probanden für 12 Stunden normobarer Hypoxie ausgesetzt (FiO2 = 12,6%, entspricht ca. 4.500 m). Das Entscheidungsverhalten in Hypoxie wurde mittels des Game of Dice Task an vier Zeitpunkten in Hypoxie erfasst. Zudem wurden potentiell relevante Variablen im Zusammenhang mit dem Entscheidungsverhalten erhoben. Die statistische Analyse beinhaltete Spearman Rang Korrelationen sowie eine ANCOVA mit Messwiederholung. Die Studie wurde von 42 Probanden beendet. Die selbstberichtete positive affektive Befindlichkeit vor Entscheidungsfindung zeigte eine negative und Alter eine positive Korrelation zur Anzahl der riskanten Entscheidungen in Hypoxie. Höhere Korrelationen wurden bei Männern im Vergleich zu Frauen gefunden. Die Anzahl der riskanten Entscheidungen reduzierte sich signifikant über die Aufenthaltsdauer in Hypoxie, p = 0,028, partielles η² = 0,08, wenn der Alterseffekt auf das Entscheidungsverhalten kontrolliert wurde. Positive affektive Befindlichkeit vor Entscheidungsfindung könnte einen mittelgroßen protektiven Effekt gegen riskantes Entscheidungsverhalten in Hypoxie haben. Eventuell sollte die affektive Befindlichkeit in Programmen zur Entscheidungsfindung in riskanten Bergsportsituationen beachtet werden, was insbesondere für Männer gilt. Der positive Effekt der Aufenthaltsdauer in Hypoxie könnte durch frühe physiologische Adaptationen sowie die Laborsituation ohne körperliche Aktivität erklärt werden. Schlüsselwörter: akute Bergkrankheit; affektive Befindlichkeit; Bergsport; Entscheidungsverhalten; Risikoverhalten

166


EINFÜHRUNG Hypoxische Umgebung hat großen Einfluss auf den menschlichen Organismus (1). Bei akuter Höhenexposition ist es hauptsächlich der reduzierte Sauerstoffpartialdruck, der eine Beeinträchtigung der physischen Leistungsfähigkeit zur Folge hat (2). Der reduzierte Sauerstoffpartialdruck kann jedoch auch zur Einschränkung kognitiver Funktionen führen. Virues-Ortega et al. (3) berichten in ihrem Übersichtsartikel über einen negativen Einfluss von Hypoxie auf verschiedene kognitive Funktionen wie beispielsweise die Wahlreaktionszeit oder das Kurzzeitgedächtnis. Die Verschlechterung der kognitiven Funktionen kann die Fähigkeit, richtige Entscheidungen im richtigen Moment zu treffen, beeinträchtigen und damit eine Erhöhung des Verletzungsrisikos nach sich ziehen (4). Schnelle, richtige und wenig riskante Entscheidungen zu treffen ist angesichts der oft unwirtlichen und manchmal gefährlichen Umgebung in größeren Höhen wichtig. In dieser Umgebung ist es meist das menschliche Entscheidungsverhalten, das für tödliche Unfälle verantwortlich ist, und weniger die Umweltbedingungen (5,6). Pighin et al. (7) konnten in einer experimentellen Crossover-Studie zeigen, dass sich die Anzahl riskanter Entscheidungen in Hypoxie im Vergleich zu normoxischer Umgebung erhöht. Die Erhebung des Entscheidungsverhaltens fand in dieser Studie nach 20 Minuten in Hypoxie statt. Bergsportaktivitäten wie Skitouren gehen, Bergwandern oder Klettern dauern jedoch häufig mehrere Stunden (8–10) und die Betrachtung des Entscheidungsverhaltens ist speziell in einer späteren Phase der Sportausübung wichtig, da Ermüdung eine große Rolle spielt (6). Die meisten tödlichen Unfälle bei Expeditionen geschehen im Gipfelbereich (11). Daher ist es wichtig, das Entscheidungsverhalten des Menschen in hypoxischer Umgebung genauer zu analysieren. Dabei sind vor allem zwei Aspekte interessant. Wie verändert sich das Entscheidungsverhalten von Bergsportlern in einem längeren Zeitraum in Hypoxie? Welche Einflussfaktoren spielen im Entscheidungsverhalten in Hypoxie eine Rolle? Mit diesem Wissen könnten Empfehlungen für Risikominimierungsprogramme gegeben werden, was in der Folge zu einer Reduzierung von Unfällen auf Grund riskanter Entscheidungen führen könnte. Die Studienziele der vorliegenden Untersuchung waren daher: a) die Analyse potentieller Einflussfaktoren im Zusammenhang mit dem Entscheidungsverhalten in Hypoxie und b) die Beobachtung des Entscheidungsverhaltens in Hypoxie über einen Zeitraum von 12 Stunden. 167


METHODIK Probanden und Studiendesign Die vorliegende Untersuchung ist ein Teilprojekt einer bereits publizierten Studie (12). Im Folgenden werden nur die relevanten Komponenten für die vorliegende Untersuchung beschrieben. Ursprünglich wurden 77 Probanden rekrutiert (Ausschlusskriterien: kardiovaskuläre, respiratorische und neurologische Erkrankungen, Migräne, chronischer Kopfschmerz, Raucher, wohnhaft >1.000 m, Übernachtung in Höhen >2.500 m im letzten Monat und Aufenthalt in Höhen >2.500 m in den letzten beiden Wochen vor Untersuchungsbeginn). Die Daten wurden innerhalb eines 12-stündigen Aufenthalts in normobarer Hypoxie (FiO2 = 12,6%, entspricht ca. 4.500 m Seehöhe) erhoben. Vor der Untersuchung fand ein identischer Hypoxieaufenthalt zur Familiarisierung mit den Erhebungsmethoden statt. Zwischen Familiarisierung und Untersuchung lag eine 5-wöchige De-Akklimatisationsphase, um einen Akklimatisierungseffekt der Familiarisierung zu vermeiden. Ein Ausscheiden aus der Studie war jederzeit möglich, was von einigen Probanden in Anspruch genommen wurde (Abb. 1).

Abb. 1: Probandenflussdiagramm

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Familiarisierung und Untersuchung wurden in einer normobaren Hypoxiekammer (LowOxygen, Berlin, Deutschland) am Institut für Sportwissenschaft der Universität Innsbruck (600 m Seehöhe) durchgeführt. Das Studienprotokoll wurde durch das Ethik-Komitee der Medizinischen Universität Innsbruck genehmigt und die Durchführung erfolgte nach den Richtlinien der Deklaration von Helsinki.

MESSUNGEN Entscheidungsverhalten Zur Erhebung des Entscheidungsverhaltens in Hypoxie wurde das Computer-gestützte Verfahren Game of Dice Task verwendet (13). Im Zuge des Tests wurden die Probanden in eine Glücksspiel-Situation (virtueller Würfelwurf) versetzt, in dem auf die Zahl des Würfels gewettet wurde. Dazu erhielten sie ein fiktives Startkapital, mit dem auf eine oder mehrere Zahlen gesetzt wurde. Dabei konnte auf 1, 2, 3 oder 4 Zahlen gesetzt werden, was in unterschiedlichen Gewinnchancen resultierte, aber auch in unterschiedlicher Verlust-/ Gewinnhöhe. Wenn der Würfel eine der gewetteten Zahlen zeigte, gewannen die Probanden, wenn nicht, verloren die Probanden vom fiktiven Startkapital. In Anlehnung an Brand et al. (13) wurde die Wahl von 1 oder 2 Zahlen (Gewinnwahrscheinlichkeit: ≤33,3% bei hoher Gewinn-/Verlustsumme) als riskante Entscheidung bezeichnet, die Wahl von 3 oder 4 Zahlen (Gewinnwahrscheinlichkeit: ≥50,0% bei geringer Gewinn-/Verlustsumme) wurden als nicht riskante Entscheidung bezeichnet. Es wurden 18 Würfelwürfe durchgeführt mit der Vorgabe, das Startkapital zu maximieren. Nach jedem Wurf wurde der Gewinn/Verlust der Probanden am Computer angezeigt. Kriteriumsvalidität (rs = 0,71, Brand et al. (13)) und Diskriminanzvalidität des Game of Dice Task können als gut bezeichnet werden (13,14). In der Originalversion des Game of Dice Task werden immer dieselben 18 Zahlen gewürfelt. Da in dieser Studie das Entscheidungsverhalten mehrfach (nach 2, 5, 8 und 10 Stunden in Hypoxie) erhoben wurde, wurde der Test dahingehend verändert, dass eine Zufallszahl gewürfelt wurde. Dabei war die Wahrscheinlichkeit, gewürfelt zu werden, für alle 6 Zahlen gleich hoch. Hauptparameter der Studie war die Anzahl der riskanten Entscheidungen im Game of Dice Task.

169


Affektive Befindlichkeit vor Entscheidungsfindung Zur Erhebung der affektiven Befindlichkeit vor Entscheidungsfindung in Hypoxie wurde eine deutsche Übersetzung der Feeling Scale verwendet (15). Das bipolare, single Item-Erhebungsverfahren erhebt die Dimension affektive Valenz (Missvergnügen – Vergnügen (16)) und hat 11 Antwortmöglichkeiten von fühle mich „sehr gut“ (+5) über „neutral“ (0) bis „sehr schlecht“ (–5). Die Konvergenzvalidität der Skala zum Self Assessment Manikin zeigte Werte von r = 0,41 bis 0,88 (17). Weitere psychometrische Kennwerte werden von Hardy et al. (15) berichtet. Die affektive Befindlichkeit vor Entscheidungsfindung wurde zu 4 Zeitpunkten in Hypoxie erhoben (nach 30 Minuten, 3, 6 und 9 Stunden). Akute Bergkrankheit Die selbstberichteten Symptome der akuten Bergkrankheit wurden mit dem Fragebogen des Lake Louise Scoring Systems erfasst (18). Die Teilnehmer wurden zu dem Symptomkomplex Kopfschmerz, gastrointestinale Symptome, Müdigkeit und Schwäche sowie Bewusstseinseinschränkung befragt. Da die Teilnehmer nicht in der Höhenkammer geschlafen haben, wurden keine Fragen zu Schlafstörungen gestellt. Die Werte der Symptome wurden aufsummiert und ergaben einen Gesamtscore von 0 (keine Symptome der akuten Bergkrankheit) bis 12 (schwere Symptome). Das Vorliegen von akuter Bergkrankheit wurde bei einem Gesamtscore ≥3 (inklusive Kopfschmerz ≥2) definiert (19). Die akute Bergkrankheit wurde zu denselben Zeitpunkten wie die affektive Befindlichkeit vor Entscheidungsfindung erhoben (nach 30 Minuten, 3, 6 und 9 Stunden). Statistische Analyse Um potentielle Einflussfaktoren im Zusammenhang mit dem Entscheidungsverhalten in Hypoxie zu identifizieren, wurden Korrelationsanalysen mit dem Entscheidungsverhalten in Hypoxie zu den vier Messzeitpunkten und allen demografischen Variablen, den Variablen zur akuten Bergkrankheit und der affektiven Befindlichkeit vor Entscheidungsfindung durchgeführt. Zudem wurden geschlechtsspezifische Korrelationsanalysen mit dem Entscheidungsverhalten in Hypoxie zu den vier Messzeitpunkten und der affektiven Befindlichkeit vor Entscheidungsfindung durchgeführt. Spearman Rangkorrelationen wurde für nicht normalverteilte Daten (überprüft mittels Shapiro-Wilk Test) und punkt-biseriale Korrelationen für dichotome und metrische Variablen verwendet. 170


Um potentielle Effekte der Aufenthaltsdauer in Hypoxie auf das Entscheidungsverhalten zu analysieren, wurde eine einfaktorielle Kovarianzanalyse mit Messwiederholung (ANCOVA) und dem Alter als Kovariate durchgeführt. Die Kovariate Alter wurde auf Grund der Ergebnisse von Wood et al. (20), die eine geringere Anzahl riskanter Entscheidungen beim Game of Dice Task bei jüngeren Probanden berichteten, inkludiert. Dabei war die Anzahl der riskanten Entscheidungen im Game of Dice Task die abhängige Variable. Bei Verletzung der Sphärizität wurde die Korrektur nach Greenhouse-Geisser angewendet. Als Effektstärke für die ANCOVA wurde das partielle η² verwendet. Alle statistischen Analysen wurden mit SPSS v. 24 (IBM, New York, United States) durchgeführt. Die Daten wurden als Mittelwert (MW) und Standardabweichung (SA), bzw. als relative (%) und absolute Häufigkeiten (n) dargestellt. P-Werte kleiner als 0,05 wurden als statistisch signifikant betrachtet.

ERGEBNISSE Insgesamt beendeten 42 Teilnehmer alle Messungen. Die demografischen Daten sowie Informationen über die akute Bergkrankheit der Gesamtgruppe und getrennt nach Geschlecht sind in Tabelle 1 ersichtlich. Tab. 1: Mittelwerte (MW) und Standardabweichungen (SA) der demografischen und der akute Bergkrankheit-spezifischen Daten der Gesamtgruppe und getrennt nach Geschlecht Gesamt­ gruppe

Frauen (n=19)

Männer (n=23)

MW

(SA)

MW

(SA)

MW

(SA)

Alter (Jahre)

25,3

(5,1)

24,5

(4,5)

26,0

(5,5)

Größe (m)

1,74

(0,08)

1,68

(0,06)

1,79

(0,06)

Gewicht (kg)

67,3

(10,9)

60,6

(9,6)

72,8

(8,6)

Körperliche Aktivität (h/Woche)

7,9

(5,0)

6,0

(3,0)

9,5

(5,9)

Gesamtscore LLS (0–12)

2,9

(2,4)

3,3

(2,4)

2,6

(2,3)

ABK erkrankt, % (n)

47,6

(20,0)

52,6

(10,0)

43,5

(10,0)

LLS: Lake Louise Scoing System (0: keine Symptome der akuten Bergkrankheit, 12: schwere Symptome), ABK: Akute Bergkrankheit

171


Korrelationsanalysen Es zeigte sich eine signifikante Korrelation zwischen der Anzahl der riskanten Entscheidungen beim ersten Messzeitpunkt und dem Alter, rs = 0,38, p = 0,014. Je älter die Probanden waren, desto mehr riskante Entscheidungen wurden getroffen. Zudem waren signifikante negative Korrelationen zwischen der affektiven Befindlichkeit vor Entscheidungsfindung und der Anzahl der riskanten Entscheidungen vorhanden (Tab. 2). Je geringer die affektive Befindlichkeit vor der Entscheidungsfindung bewertet wurde, desto mehr riskante Entscheidungen wurden im Anschluss getroffen. Bei geschlechtsspezifischer Betrachtung zeigten sich höhere Korrelationen bei Männern im Vergleich zu Frauen. Sonst zeigten sich keine signifikanten Korrelationen zwischen dem Entscheidungsverhalten und weiteren demografischen Variablen bzw. Variablen der akuten Bergkrankheit, │rs│< 0,21, p > 0,167. Tab. 2: Korrelationen zwischen der affektiven Befindlichkeit vor Entscheidungsfindung und der Anzahl der riskanten Entscheidungen in Hypoxie in der Gesamtgruppe und separat für Frauen und Männer Anzahl der riskanten Entscheidungen Gesamtgruppe

Affektive ­Befindlichkeit ­vor Entscheidungs­ findung

2h

5h

8h

10 h

Frauen 2h

5h

8h

Männer 10 h

30 min

0

–0,35* –0,37* –0,27 –0,01 –0,4 –0,14 –0,19

3h

–0,26 –0,29 –0,2

6h

9h

–0,27 –0,32*

–0,33*

–0,16 0,07 0,01

0,15 –0,2

–0,19

2h –0,01

5h

8h

10 h

–0,3 –0,56* –0,32 –0,37 –0,54*

–0,3

–0,61* –0,41

–0,38

Korrelationskoeffizienten: Spearman Rang-Korrelationen, *: p < 0,05.

Einfluss der Aufenthaltsdauer in Hypoxie auf das Entscheidungsverhalten In Abbildung 2 ist die Entwicklung der Anzahl riskanter Entscheidungen in Hypoxie über die 4 Messzeitpunkte ersichtlich. Es zeigte sich ein signifikanter Zeiteffekt in der ANCOVA, F(3, 101,4) = 3,38, p = 0,028, partielles η² = 0,08. Die Anzahl riskanter Entscheidungen beim Game of Dice Task reduzierte sich in der Zeit in Hypoxie.

172


Abb. 2: Entscheidungsverhalten zu verschiedenen Zeitpunkten in Hypoxie für die Gesamtgruppe. Fehlerbalken markieren die Standardabweichung.

DISKUSSION Die Hauptergebnisse der vorliegenden Untersuchung sind, dass a) die Variablen Alter und affektive Befindlichkeit relevante Einflussfaktoren im Zusammenhang mit dem Entscheidungsverhalten in Hypoxie sind und dass b) sich die Anzahl der riskanten Entscheidungen in einer normobaren Hypoxie-Situation im Labor über die Aufenthaltsdauer reduzierte. Einflussfaktoren auf das Entscheidungsverhalten in Hypoxie Sowohl in bisherigen experimentellen Studien in Hypoxiekammern als auch in Beobachtungen in der Höhe wurde ein Einfluss von Hypoxie auf das Entscheidungsverhalten berichtet (7,21). Die Ergebnisse zeigen, dass in Hypoxie riskantere Entscheidungen getroffen werden als in Normoxie. Riskante Ent-

173


scheidungen in der Höhe können jedoch schwerwiegende, unter Umständen tödliche Folgen haben (5). Im Sinne einer Unfallprävention ist es daher wichtig, potentielle Einflussfaktoren auf das Entscheidungsverhalten in Hypoxie zu analysieren. Die Ergebnisse der vorliegenden Studie zeigen, dass moderate bis große Korrelationen zwischen der affektiven Befindlichkeit vor Entscheidungsfindung und dem Entscheidungsverhalten bestehen. Im Zusammenhang mit affektiver Befindlichkeit und Entscheidungsverhalten ist die Unterscheidung zwischen unmittelbaren oder erwarteten Emotionen, die aus dem Entscheidungsprozess resultieren (22), und generellem affektiven Zustand unabhängig vom Entscheidungsprozess (23). In der vorliegenden Studie wurde der generelle affektive Zustand unabhängig vom Entscheidungsprozess betrachtet, da mindestens eine Stunde vor dem Entscheidungsprozess erhoben wurde. Wenn die Probanden angaben, sich schlechter zu fühlen, wurden mehr riskante Entscheidungen getroffen, was im Speziellen für Männer zutrifft. Diese Beobachtung wurde bereits in Normoxie berichtet (24) und von Isen et al. (23) in der sogenannten Mood Maintenance Hypothese erklärt. Diese besagt, dass Menschen mit positiver affektiver Befindlichkeit den derzeitigen Zustand des Vergnügens nicht damit gefährden wollen, dass sie ein Risiko auf sich nehmen. Im Gegensatz dazu versuchen Menschen mit negativer Befindlichkeit, diesen Zustand (auch unter Eingehen eines Risikos) zu verändern. Durch einen möglichen Gewinn aus der riskanten Situation versuchen sie, ihre affektive Befindlichkeit zu verbessern. Im Sinne einer Unfallprävention in hypoxischer Umgebung wie bei Bergsportaktivitäten scheint es also wichtig zu sein, die affektive Befindlichkeit vor Entscheidungsfindung als Risikofaktor mit einzubeziehen. In Analogie zu anderen Einflussfaktoren, wie z.B. der Gruppengröße, die bereits in Empfehlungen zur Entscheidungsfindung bei Lawinen mit einfließt (25), könnte die Beachtung der affektiven Befindlichkeit vor Entscheidungsfindung zur Risikominimierung beitragen. Angesichts der teilweise großen Effekte trifft dies vor allem auf Männer zu. Neben der affektiven Befindlichkeit vor Entscheidungsfindung wurde auch eine mittlere Korrelation zwischen dem Alter und der Anzahl riskanter Entscheidungen gefunden. Je älter die Teilnehmer waren, desto mehr riskante Entscheidungen wurden getroffen. Dieses Ergebnis wirkt auf den ersten Blick widersprüchlich zu bisheriger Forschung im Bereich von selbstberichtetem Risikoverhalten. So zeigten zum Beispiel Ruedl et al. (26) riskanteres Verhalten bei jüngeren Sportlern im Vergleich zu älteren. Möglicherweise liegt der Grund 174


für diese Diskrepanz in der Erhebung des Risikoverhaltens. Während Ruedl et al. (26) einen Fragebogen zur Erhebung des Risikoverhaltes verwendet haben, wurde in der vorliegenden Studie der Labortest Game of Dice Task verwendet. Bereits frühere Untersuchungen, die den Game of Dice Task verwendet haben (20,27), berichten von riskanterem Verhalten bei älteren Probanden. Wood et al. (20) erklären die Beobachtung damit, dass ältere Probanden möglicherweise weniger motiviert sind, eine Strategie zur Risikominimierung in einem Labortest zu entwickeln, als jüngere Probanden. Effekte der Aufenthaltsdauer in Hypoxie Die Reduktion der Anzahl der riskanten Entscheidungen über die Aufenthaltsdauer in Hypoxie war etwas überraschend. Ein 12-stündiger Aufenthalt in einer hypoxischen Umgebung vergleichbar mit 4.500 m Seehöhe ist eine große Belastung mit negativen Konsequenzen für den menschlichen Organismus (z.B. Auftreten der akuten Bergkrankheit (28), Beeinträchtigung von kognitiven Funktionen (3)), weshalb ein negativer Effekt der Aufenthaltsdauer in Hypoxie erwartet wurde. Der positive Effekt könnte durch frühe physiologische Anpassungen erklärbar sein. Es gilt als gut belegt, dass der menschliche Körper während akuter Hypoxie-Exposition sofort mit verstärkter Atemfrequenz und erhöhter Herzfrequenz reagiert, um den reduzierten Sauerstoffpartialdruck auszugleichen (1). Diese Adaptationen könnten den positiven Effekt teilweise erklären; speziell angesichts der Tatsache, dass die Probanden körperlich inaktiv waren. Es bleibt fraglich, ob sich dieser Effekt in einer realen Bergsportsituation mit körperlicher Aktivität ebenso zeigt. Limitationen der Studie Die Studie beinhaltet einige Limitationen, die bei der Interpretation der Ergebnisse mit in Betracht gezogen werden sollten. Erstens bestand sowohl bei der Familiarisierung als auch bei der Untersuchung eine große Dropoutrate. Aus ethischen Gründen war es den Probanden gestattet, die Hypoxiekammer jederzeit zu verlassen, falls die Belastung für sie zu groß wurde. Möglicherweise hat dies zu einem Attrition Bias geführt. Zweitens wurde ein Labortest (Game of Dice Task) zur Operationalisierung des Entscheidungsverhaltens verwendet. Es ist fraglich, inwieweit diese Glücksspielsituation die komplexen Entscheidungen bei Bergsportaktivitäten abbildet. Frühere Arbeiten haben bereits gezeigt, dass das Entscheidungsverhalten von der Schwere der erwarteten Konsequenzen abhängt (29). In diesem Zusammenhang ist auch zu nennen, 175


dass die Entscheidung in der Studie nur Auswirkungen auf die Person hatte, die die Entscheidung getroffen hat. Bei Bergsportaktivitäten betreffen die Entscheidungen aber häufig auch andere Personen (z.B. Kletterpartner, andere Expeditionsteilnehmer). Zukünftige Untersuchungen sollten daher in Betracht ziehen, realistischere Entscheidungsszenarien zu verwenden.

CONCLUSIO Auf Basis der vorliegenden Ergebnisse kann die affektive Befindlichkeit vor Entscheidungsfindung als wichtiges Korrelat des Entscheidungsverhaltens in Hypoxie betrachtet werden. Die Aufnahme der affektiven Befindlichkeit vor Entscheidungsfindung in die Entscheidungsstrategie in riskanten Bergsportsituationen könnte zur Unfallprävention beitragen. Dies trifft im Speziellen auf männliche Bergsportler zu. Der gefundene positive Effekt der Aufenthaltsdauer in Hypoxie könnte unter anderem durch die Laborsituation erklärt werden und ist möglicherweise in realen Bergsportsituationen weniger relevant. Künftige Studien sollten in Betracht ziehen, ein realistischeres Verfahren zur Bestimmung des Entscheidungsverhaltens zu verwenden.

DANKSAGUNG Für die Ermöglichung dieser Studie bedanken wir uns herzlich bei unseren Probanden für die Teilnahme. Diese Studie wurde durch die Österreichische Nationalbank gefördert (ÖNB Projektnummer: 14287). Der Fördergeber hatte keinen Einfluss auf das Studiendesign, auf die Datenerhebung und -analyse oder die Manuskripterstellung.

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