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Telekommunikationssysteme im Wandel » Autor: Jörg Rothweiler
Sicherheitskommunikation 4.0 Mobile Kommunikation ist für Einsatzkräfte essenziell – auch in Krisenlagen oder wenn das bestehende Mobilfunknetz überlastet ist. Der Bund treibt aktuell drei Projekte voran. Dabei läuft nicht alles wie geplant. Blaulichtorganisationen wie Polizei, Feuerwehr, Zivilschutz und Rettungsdienste, aber auch Betreiber/-innen kritischer Infrastrukturen (BKI) und das Militär müssen jederzeit kommunizieren und grössere Datenmengen austauschen können – mobil und sicher. Normalerweise funktioniert das gut – auf Basis der bestehenden Netze. Sind diese aber überlastet oder fallen teilweise respektive gänzlich aus, etwa im Katastrophen- oder Krisenfall, ist die sichere mobile Breitbandkommunikation nicht mehr unter allen Umständen gewährleistet. Genau das aber, konkret die «Verfügbarkeit der Sicherheitskommunikation in allen Lagen», ist seit 2019 im Fernmeldegesetz (FMG) festgeschrieben. Daher arbeitet der Bund, basierend auf dem im Dezember 2019 totalrevidierten Bundesgesetz über den Bevölkerungsschutz und den Zivilschutz (BZG), an drei Projekten: 1. Werterhalt Polycom 2030 (WEP 2030) 2. Nationales sicheres Datenverbundsystem (SDVS) 3. Mobile breitbandige Sicherheitskommunikation (MSK) Alle drei Projekte sind eng miteinander verknüpft, technisch anspruchsvoll – und teuer. Im Februar 2021 zeigte sich: Nicht alles läuft wie erhofft – und Michaela Schärer, seit 4. Januar 2021 Direktorin des BABS, ist entsprechend stark gefordert.
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VBS, Clemens Laub
WEP 2030 Das ab 2001 errichtete mobile Sicherheitsfunksystem Polycom wird von rund 55’000 Personen genutzt und gilt als sicher und zuverlässig. Allerdings kann es nur begrenzte Datenmengen übertragen und kostet aufgrund proprietärer Komponenten Unsummen. Bis 2015 investierten Bund und Kantone rund 750 Millionen Franken – ohne Berücksichtigung der Betriebs- und Personalkosten. Das 2016 lancierte Projekt «Werterhalt Polycom 2030» kostet weitere 500 Millionen Franken – mindestens. 325 Millionen entfallen auf die Modernisierung der gut 170 Haupt- und Nebenvermittler sowie 750 Basisstationen, die von der TDM-Technologie (Time Division Multiplex, eine Übertragungstechnologie aus den 1990er-Jahren) auf IP-Standards (Internet Protocol) migriert werden. Da dies bis 2025 dauern soll, musste die mit der Aufgabe betreute Atos Schweiz AG einen systemtechnischen Übergang (TDM/IP-Gateway) entwickeln und integrieren. Nur so können beide Übertragungstechnologien parallel genutzt und eine vollständige Funktion auf tak tischer Einsatzebene sichergestellt werden.
» Blaulichtkräfte wie die Polizei, aber auch Betreiber kritischer Infrastrukturen und das Militär sind auf eine sichere mobile Kommunikation und Datenübertragung angewiesen. Der Bund treibt drei entsprechende Projekte voran.
Kürzlich zeigte sich: Das Projekt harzt. Zwar ist das TDM/ IP-Gateway fertig und hat sich im Testbetrieb bewährt. Doch es gibt Probleme bei der Einbettung der neuen Funksystemkomponenten in die kantonalen Datennetzumgebungen. Laut Mitteilungen des BABS bekundet die Atos Schweiz AG Mühe in den Bereichen Qualität, Fachwissen, Sicherheit und Dokumentation der zentralen Infrastrukturkomponenten. Laut BABS besteht daher ein «erhebliches Risiko eines über 2025 hinausgehenden Parallelbetriebs der beiden Technologien» und von Mehrkosten von «mehr als 10 Millionen Franken» – pro Jahr. Weitere Kosten wird der Ersatz der Polycom-Endgeräte verursachen. Die ältesten Endgeräte des Typs P2G werden vom Hersteller nicht mehr repariert, für das TPH700 endet 2025 der Produktsupport und das TPH900 leidet unter Hardwarefehlern, allen voran Spontanabschaltungen. Zwar veranlasste das BABS 2019 den Tausch der Original-Akkus blaulicht | gyrophare bleu | girofaro blu
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