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Revision des Nachrichtendienstgesetzes (NDG) Titel » Autor: » Autor: Jörg Rothweiler Jörg Rothweiler
Wird die Schweiz
zum Schnüffelstaat? Seit der islamistische Terrorismus in Europa grassiert, verstärken viele Staaten die Aktivitäten zur Überwachung der Bevölkerung. Das geht zulasten von Bürgerrechten und Freiheit. Auch die Schweiz will das Nachrichtendienstgesetz (NDG) revidieren. Manchen können die Befugnisse des Nachrichtendienstes des Bundes (NDB) sowie der Polizei nicht umfangreich genug sein, andere sehen bereits mit dem seit 1. September 2017 geltenden Nachrichtendienstgesetz (NDG) die Bürgerrechte ausgehebelt und die Freiheit der Bevölkerung beschnitten. Entsprechend erhofft die eine Seite von der aktuell laufenden Revision des NDG verschärfende Nachbesserungen vom Bundesrat, während die andere Sorgenfalten auf der Stirn hat. Die Wahrheit liegt, wie so oft, zwischen den Extremen.
ÜPF-Statistik 2019
Überwachung Post- und Fernmelde verkehr 2019 Seit März 2018 darf auf Basis des revidierten Bundesge setzes betreffend die Überwachung des Post- und Fern meldeverkehrs (Büpf) in der Schweiz eine Überwachung des Fernmeldeverkehrs angeordnet werden. Zu Über wachungszwecken, bei Fahndungen sowie bei Not suchen. Dabei ist der Einsatz von Echtzeitüberwachun gen streng reglementiert. Es muss eine Katalogstraftat wie beispielsweise Geiselnahme, Raub oder Gefährdung des Lebens vorliegen und es bedarf einer Bewilligung des zuständigen kantonalen Zwangsmassnahmengerichts. Laut dem Dienst Überwachung Post- und Fernmelde verkehr (ÜPF) wurden 2019 in der Schweiz rund 1 429 Echtzeitüberwachungen, 4 823 rückwirkende Überwa chungen, 663 Notsuchen, 24 Fahndungen und 1 727 An tennensuchläufe (rückwirkende Überwachung) durch geführt. Die meisten Massnahmen ordneten im Jahr 2019 die Kantone Waadt (25 Prozent), Zürich (13 Prozent) und Genf (13 Prozent) an. Massnahmen zur Aufklärung schwerer Vermögensdelikte machten den Löwenanteil von 40 Prozent aus, gefolgt von schweren Widerhand lungen gegen das Betäubungsmittelgesetz (26 %) und strafbaren Handlungen gegen Leib und Leben (10 %). Die meisten Aufträge entfielen auf Swisscom (36 %), ge folgt von Sunrise (29 %), Salt (21 %) und Lycamobile (10 %). Zu berücksichtigen ist, dass nicht selten mehrere Über wachungsanordnungen für eine einzige Person verfügt werden, da Täter oft verschiedene Nummern und Ge räte verwenden. Detaillierte Infos finden Interessierte auf www.li.admin.ch.
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blaulicht | gyrophare bleu | girofaro blu
Allem vorausgeschickt werden muss, dass die anstehende Revision des NDG schon lange geplant wurde. Konkret hatte der Bundesrat bereits im September 2016, als die Schweizer Stimmberechtigten über das NDG entschieden und es mit 65,5 Prozent Ja-Stimmen annahmen, eine zeitnahe Revision des neuen Gesetzes in Aussicht gestellt. Dies, um noch offene, rechtlich umstrittene Punkte zu klären. Die dafür nötigen Analysen, Prüfungen und Rechtsgutachten freilich benötigten Zeit, weshalb der Bundesrat beschloss, ein nicht perfektes NDG sei besser als gar keines – und es trotz Klärungsbedarf zur Abstimmung brachte.
Die NDG-Revision im Überblick Anfang 2019 dann erteilte der Bundesrat dem VBS den Auftrag, bis Sommer 2020 einen Vernehmlassungsentwurf für die Revision des NDG zu erarbeiten. Zwei Punkte waren dabei von Anfang an unbestritten. Erstens sollen die Auf gaben der «unabhängigen Kontrollinstanz für die Funk- und Kabelaufklärung (UKI)» an die ebenfalls unabhängige «Aufsichtsbehörde über die nachrichtendienstlichen Tätigkeiten (AB-ND)» übertragen werden. Zweitens wird diskutiert und geprüft, ob und unter welchen konkreten Voraussetzungen genehmigungspflichtige Massnahmen – beispielsweise die Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs oder das Eindringen in Computersysteme und Computernetzwerke – künftig auch für die Aufklärung von Gewaltextremismus zugelassen werden sollen. Bisher sind solche Massnahmen in diesem Kontext untersagt – wegen Unverhältnismässigkeit – und nur bei Vorliegen potenziell besonders grosser Bedrohungen in den Bereichen Terrorismus, verbotener Nachrichtendienst (Spionage), Proliferation, Angriffe auf kritische Infrastrukturen oder zur Wahrung weiterer wichtiger Landesinteressen zulässig. Drei weitere Punkte betreffen eher formelle Korrekturen, von denen manche nicht unerheblich sind. So formulierte die Geschäftsprüfungsdelegation (GPDel) in ihrem Tätigkeitsbericht 2019 klare Forderungen in Bezug auf den «Umgang mit Daten». Unter anderem soll die Systemlandschaft vereinfacht werden – wofür das Kapitel «Datenbe arbeitung und Archivierung» des NDG überarbeitet werden muss. Weitere Anpassungen an den Gesetzestexten werden aufgrund eines Rechtsgutachtens des Bundesamts für J ustiz (BJ) nötig, welches für Klarheit hinsichtlich der zuvor teils unterschiedlichen Rechtsauffassung der GPDel und des Nachrichtendienstes des Bundes (NDB) sorgte. Und zu guter Letzt müssen zwischenzeitlich durchgeführte Prüfungen