«Schweizer Holz – ja, wir wollen es!»

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30 Jahre – und kein bisschen weiter! Das Bündner Volk hat die Sonderjagd­initiative am 19. Mai 2019 auch zur Erleichterung des Forstdienstes abgelehnt. Regierungsrat Dr. Mario Cavigelli hat mutig schnelle Reformen zur Erhöhung des Abschusses während der Bündner Hochjagd angekündigt. Alles, wirklich alles, solle hinterfragt werden. In der Ausgabe des «Bündner Wald» vom August 2019 konnte nachgelesen werden, wie diese Reformlust förmlich verflogen ist. Obwohl an der diesjährigen Jagd einige begrüssenswerte Massnahmen umgesetzt werden, wird mehrheitlich wieder beschwichtigt, relativiert, versprochen und gleichzeitig gedämpft. Die Hoffnungen, die in den neuen obersten Jäger gesetzt wurden, verblassen bereits wieder. Die Wildbestände wachsen genauso wie die Seiten der Jagdbetriebsvorschriften. Statt den Jägern das Jagen zu erleichtern, dürfen sie nun Formulare zur Wirkung der bleifreien Munition ausfüllen. Alles unter Kontrolle, ausser der Wildbestand! Während sich die Bündner Jagd im Gänseschritt entwickelt, zeigen Nachbarkantone, dass man auch vorwärtsmachen kann. Sei es in St. Gallen mit stetiger und innovativer Arbeit oder in Glarus mit liberalen und jagdfreundlichen Vorschriften. Die Auswirkungen des Klimawandels treten rasant schneller in Erscheinung, als von den Experten prognostiziert. Neben den Gletschern machen auch Bäume diese Entwicklungen sichtbar. Die Walderneuerung mit möglichst robusten und angepassten Bäumen müsste längst in Gang gesetzt sein. Die hohen Wilddichten verhindern in weiten Teilen Graubündens das Aufkommen der gewünschten Baumarten wie Eiche, Linde, Ahorn oder Weisstanne. Der Fokus müsste dringend auf diese Regionen gerichtet werden. Mit der neuen Wildeinflusskarte sind die Problemgebiete bekannt und transparent. Dort müssten innovative Wald-Wild-Konzepte vorangetrieben werden. Das Reh ist entscheidend für das Aufkommen des Jungwaldes. Über das Reh weiss man

jagdlich ziemlich viel. Man muss das vorhandene Wissen nur anwenden, statt zu glauben, man wisse auch bei dieser Schlüsselart, wie man es mit einer bündnerischen Sonderlösung besser als der Rest der Welt hinbekommt. Bei der Gämse im Wald wäre ebenfalls mit Vereinfachungen für die Jäger vieles möglich. Beide Arten brauchen eine ordentliche Abschussplanung. Die Möglichkeiten, die Jagd generell zu vereinfachen, liegen auf der Hand. Eine Entschlackung der Vorschriften wäre ein erster Schritt dazu. Das Bekenntnis zum Verjüngungsproblem wird zur Worthülse, wenn nicht zielgerichtet und effektiv eine Reduktion bei Reh, Waldgämse und Hirsch in den weiträumigen Pro­ blemgebieten eingeleitet werden. Was der Wald jetzt dringend braucht, sind mutige Entscheidungsträger wie einst Luzi Bärtsch, Andrea Florin und Peider Ratti, die Anfang der 90er-Jahre bewiesen haben, dass mit gutem Willen und Durchsetzungskraft eine Reduktion des Hirschbestands möglich ist. Es ist frustrierend zu sehen, was aus der Arbeit dieser Pioniere geworden ist: Statt die Bestände bei 10 000 bis 12 000 Hirschen zu halten, haben es die nachfolgenden Verantwortlichen geschafft, den Hirschbestand auf knapp 17 000 Hirsche ansteigen zu lassen und das Schlimmste, es ist kein Ende in Sicht. Grund dafür sind nicht in erster Linie die seit Jahren gebetsmühlenartig wiederholten und zur Genüge bekannten Argumente des AJF, sondern vielmehr die Tatsache, dass viele dieser Politiker und Amtsleiter eine (zu) starke Bindung zur Jagd hatten oder haben und dadurch der absolute Wille, den Hirschbestand nicht wieder ansteigen zu lassen, fehlte. Die Bühne wird Jagdplanern und Wildbiologen überlassen, die den

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