Vorwort
Lydie Polfer Bürgermeisterin der Stadt Luxemburg
Der über 6 Millionen Fotografien begreifende Bestand der Photothèque de la Ville dokumentiert die Geschichte der Stadt Luxemburg vom 19. Jahrhundert bis heute. Diese beeindruckende Sammlung - das älteste Dokument stammt aus dem Jahr 1855 - ist ein historisches Erbe von unschätzbarem Wert. Einen der wertvollsten Beiträge bildet der fotografische Nachlass von Pol Aschman (1921–1990): rund 220.000 Negative dokumentieren die Entwicklung der Stadt in der so entscheidenden Zeit der 1950er bis 1980er Jahre. Seit ihrer Gründung im Jahr 1984 lautet der Auftrag der Photothèque, all diese Schätze zu archivieren und sie über Ausstellungen und Buchveröffentlichungen der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Der fotografische Nachlass von Pol Aschman, den die Stadt Luxemburg 1997 erworben hat, wurde bereits dreimal ausgestellt, 2000, 2009 und 2021. Ergänzend zu der Ausstellung des gens et des rues – 100 ans Pol Aschman (von Menschen und Straßen – 100 Jahre Pol Aschman) im Ratskeller des Cercle Cité im Sommer anlässlich des 100. Geburtstags von Pol Aschman 2021, gibt die Stadt Luxemburg in Zusammenarbeit mit Pol Aschmans Neffen, dem Fotografen Christian Aschman, der Photothèque und dem Cercle Cité diesen Band über sein Werk heraus. Bereits 2001 widmete die Photothek einen Band der Reihe Trésors de la Photothèque der Arbeit von Pol Aschman. Während diese Publikation überwiegend Fotografien aus den 1950er-, 1960er- und 1970er-Jahren enthält, zeigt der vorliegende Band die ganze Bandbreite von Pol Aschmans Kunst und vermittelt einen vollständigen Überblick über seine Karriere als Fotoreporter in der Zeit von 1949 bis 1988. Wie sein Zeitgenosse Robert Doisneau wusste Pol Aschman die großen und kleinen Momente im Leben unserer Stadt und unseres Landes einzufangen. Seine Aufnahmen in Schwarzweiß oder auch in Farbe wecken eine gewisse
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Nostalgie für das Luxemburg von einst; doch gleichzeitig sind sie ein Spiegel ihrer Zeit und eines der authentischsten Zeugnisse der Luxemburger Nachkriegsgeschichte. Nach den Gräueln des Zweiten Weltkriegs schlägt Pol Aschman ab 1949 eine Karriere als Fotoreporter ein, die beinahe 40 Jahre andauern sollte. Seine Reportagen und Fotografien, die in der Wochenzeitschrift Revue und der Tageszeitung Luxemburger Wort veröffentlicht wurden, spiegeln die Aktualität dieser Jahre wieder, die entscheidend für die Entwicklung Luxemburgs und seiner Hauptstadt waren. Als Gründungsmitglied der Europäischen Gemeinschaft wird Luxemburg zum Sitz der ersten europäischen Institutionen und legt damit den Grundstein für seine künftige Entwicklung. 1952 wird Luxemburg zum ersten Sitz der Montanunion (EGKS) und damit zur ersten europäischen Hauptstadt. Ab diesem Zeitpunkt erleben Land und Stadt Luxemburg eine rasante Entwicklung: im Kielwasser der europäischen Institutionen siedeln sich große internationale Industriekonzerne an, und ab den 1960er-Jahren beginnt die Entwicklung zu einem globalen Finanzzentrum. Gleichzeitig wächst die Bevölkerung und das Leben der Luxemburger beginnt sich zu verändern. Diese gesamte Entwicklung verfolgt Pol Aschman sehr genau und leiht uns seinen unverstellten, besonderen Blick auf die Menschen und die großen und kleinen Ereignisse - die Eröffnung der Schueberfouer, die alljährliche Braderie, der Bichermaart, die internationale Messe, Prinzenhochzeiten - vor allem aber das ganz normale Leben. Immer fand Pol Aschman das Außergewöhnliche am Alltag und gab ihm gern einen humorvollen Touch - zu sehen etwa auf der Fotografie von dem kleinen Hund vor der Ehrengarde der Armee oder auf der vom Fahrkartenkontrolleur in der Reportage über die Luxemburger Tram 1958 - der Fahrkartenknipser ist niemand anderes als Aschman selbst!