business im Breisgau

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Im Fokus: Software made in Freiburg

Die heftigen Folgen der EZB-Politik

Freiburgs Bankbosse über das Besondere in ihren Bilanzen

Boombranche

Wie sich Freiburg zum

Bike-Hotspot mausert

Innovationen

Bauen mit Bionik: Weltpremiere in Freiburg

Energiewende

Frischer Wind für Badenova und Ökostromgruppe

Wirtschaft
März 2023 Ausgabe Nr. 35

Kognitiv dissonant

Die Energiewende und die Doppelmoral

Die „Energiepolitik“ in Deutschland spielt sich immer mehr in die Herzen des Kabaretts. Atomkraft? Nein danke. Dieser Slogan, geboren Mitte der 70er von der dänischen Studentin Anne Lund, war mitsamt des Logos eine

Im Ländle war der GAU mitverantwortlich für den Regierungswechsel. Nach 58 Jahren CDU zog der Grüne Winfried Kretschmann in die Villa Reitzenstein ein. 1000 neue Windräder, hieß es damals schon, sollen gebaut werden. Im neuen Koalitionsvertrag taucht diese Zahl auch wieder auf –zehn Jahre später. Der heftige Sturm für mehr Erneuerbare Energien im Ländle war vielerorts einer der Entrüstung. Die Taten ein laues Lüftchen. Es regiert eine als makaber zu bezeichnende Doppelmoral in Bund und Land. Wir schalten – Stand heute –im April freiwillig unsere letzten Kernkraftwerke ab, importieren dafür lieber Atomstrom. Wir verbieten Fracking, um dann gefracktes Gas aus den Niederlanden einzukaufen. Wir bauen LNG-Terminals an der Küste, damit Riesentanker aus den Staaten „klimafreundlich“ übern Teich schippern und wir dann russisches Gas durch flüssiges Gas ersetzen. Oder wir kaufen es aus so „liberal“ geprägten Ländern wie Katar. Dafür reüssiert plötzlich wieder die Kohle – der Klimakiller Nummer eins in der Energieerzeugung. Im dritten Quartal 2022 stammten 36,3 Prozent der Stromerzeugung aus Kohlekraftwerken. 4,5 Prozent mehr als ein Jahr zuvor.

erste Mindbomb. Die verheerende Katastrophe von Fukushima im März 2011 war eine zweite. Fortan trommelten hierzulande immer mehr Menschen immer lauter gegen die Kernkraft. Gegen importierten Atomstrom gibt es indes wenig Protest.

Und gleichzeitig sitzen überall Bürgerinnen und Bürger, Verbände, Behörden und Initiativen, die neue Energieanlagen verhindern wollen. Windkraft? Nein danke – das sollte sich so mancher aufs Heck seines Batterie-Autos kleben. Auch in Südbaden ziehen längst nicht nur Artenschützer immer wieder alle Register, um neue Anlagen zu verhindern. Darüber gibt es Bücher. Den Energiepatienten Deutschland würde man in der Psychologie als kognitiv dissonant beschreiben. Unser Redakteur Philip Thomas beschreibt die aktuelle Lage vor der Haustür.

Wie die aktuelle Lage der südbadischen Wirtschaft aussieht, wollte Lars Bargmann von den beiden Bankbossen Uwe Barth und Daniel Zeiler wissen. Der alte Volksbank- und der neue SparkassenVorstandsvorsitzende führen damit die Tradition dieses Doppelinterviews fort, das seit 2007 weit über die jeweiligen Bilanzen der Banken hinausführt.

Und wir wünschen anregende Lektüre. Bleiben Sie zuversichtlich.

Herzlichst

| 03.2023 | 3 Editorial Anzeige
Foto: © Neidhard Schleier

Inhalt

Titel

Fast 23 Milliarden Euro an Krediten, Einlagen und Wertpapieren verantworten mittlerweile die Sparkasse und die Volksbank in Freiburg. Wir haben die Bankbosse Uwe Barth und Daniel Zeiler zum Gespräch gebeten. Es geht um die EZB, um asoziale Inflation und die eigenen Bilanzen 6-9

Energiewende

Frischer Wind: Badenova kündigt Grünstromanlagen mit einem Gigawatt Leistung an, die Ökostromgruppe sieht endlich deutlich mehr Tempo beim Ausbau 10-11

Fahrrad-Branche

Wie sich Freiburg und der Breisgau auch zur neuen Boom-Region im Rad-Business entwickeln 12-14

Arbeitsmarkt

Wie CHATGPT die Arbeitswelt verändern wird 16

Die enorme Entwicklung von Arbeitsplätzen in Freiburg 17

Zugpferd Vier-Tage-Woche: Weniger Arbeit fürs gleiche Geld? 18-19

Kommunen

Freiburgs 2,4-Milliarden-Euro-Haushalt: Das wollen die Fraktionen im Rathaus 20-21

Unternehmen aus der Region

Bei Hardwork wird auch so gearbeitet wie die Firma heißt 22

Finanzwelt

Expertenbeitrag: Mathias Hecht über neue Steuermöglichkeiten bei PV-Anlagen 23

Ortsbesuch in Herbolzheim: 25 Jahre GFA Vermögensverwaltung 24

Warum das Geschäftsmodell der S-Beteiligungsgesellschaft gut läuft 25

Verbände

Mixed emotions: Die neuen Konjunkturumfragen von IHK und WVIB 26

Luftverkehr

Am EuroAirport ist der Neustart nach dem Absturz gelungen 27

Software

Wie ein Scrum-Master bei Lexware als Rädchen im Erfolgsgetriebe arbeitet 28-29

Die Tomes GmbH hilft mit der Software Idana Patienten und Ärzten 30

Innovationen

Bionik in der Botanik: Pionierprojekt aus Freiburg verschattet Gebäude 31

Tourismus

Überraschung: Freiburg knackt Zwei-Millionen-Marke bei Übernachtungen 32-33

Menschen & Meldungen

Hopp+Hofmann feiert 150-Jähriges / FAIR ways Förderpreis: 82.500 Euro für Engagement in der Region / 30,4 Millionen Euro für den ländlichen Raum / Badenova erhöht den Strompreis / Auftragsrekord für ystral / Morgenstern-Gruppe expandiert / Bewerbungsfrist für Innovationspreis verlängert / Wörnle als Tourismusheld ausgezeichnet / inomed Medizintechnik investiert 5,85 Millionen in die Forschung / Sparkasse Markgräflerland bilanziert grundsolide / Sick AG spendet 60.000 Euro an „Ärzte ohne Grenzen“ / Hauptzollamt Lörrach entlarvt Betrüger 34-36

Fakten, bitte

Die Welt, die Wirtschaft in Zahlen 38

IMPRESSUM business im Breisgau

Themenheft 03.2023

Das business im Breisgau-Themenheft erscheint im Freiburger Stadtmagazin chilli

Herausgeber:

chilli Freiburg GmbH

Paul-Ehrlich-Straße 13

79106 Freiburg

fon: 0761-76 99 83-0

fax: 0761-76 99 83-99

bargmann@chilli-freiburg.de www.business-im-breisgau.de

Geschäftsführung: Michaela Moser (V.i.S.d.P.)

Chefredaktion: Lars Bargmann

Redaktion: Philip Thomas, Till Neumann, Pascal Lienhard

Autoren: Reinhold Wagner, Mathias Hecht

Titelcollage: Miriam Hinze; © iStock.com/ Nuthawut Somsuk

Fotos: iStock.com, Pixabay, freepik.com

Grafik: Miriam Hinze

Lektorat: Beate Vogt

Anzeigen: Marion Jaeger-Butt, Nathalie Braun, Dirk Borcherding

Druck: Hofmann Druck, Emmendingen

Ein Unternehmen der

Die im Magazin enthaltenen Beiträge sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwendung außerhalb der Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Dies gilt insbesondere für Vervielfältigung und Einspeicherung in elektronische Systeme. Gleiches gilt für den Nachdruck der von uns entworfenen Bilder und Anzeigen.

4 | chilli | business im Breisgau | 03.2023
12-14 32-33 10-11

Heftige Nebenwirkungen der EZB-Politik

Freiburgs Bankbosse Uwe Barth und Daniel Zeiler im Interview

Wer sich mit Uwe Barth und Daniel Zeiler an einen Tisch setzt, sitzt dort quasi mit einem Kundenvolumen von fast 23 Milliarden Euro. Denn diese Summe verantworten die Vorstandsvorsitzenden der Volksbank und Sparkasse in Freiburg. Vor sechs Jahren waren es keine 17 Milliarden. Jedes Jahr

kommt allein bei ihnen eine Milliarde dazu. Jetzt haben sie die Bilanzen fürs vergangene Jahr veröffentlicht. Für ein Jahr, in dem der 24. Februar einen Wendepunkt markierte. Der sich aber kaum im Geschäft niederschlug, wie sie im Gespräch mit Chefredakteur Lars Bargmann erzählten. Es gibt aber noch andere Besonderheiten.

bib: Herr Barth, vor einem Jahr meinten Sie, dass die EZB eher zurückhaltend agieren wird. Sie hat den Leitzins aber von 0 auf 3 Prozent erhöht.

Barth: Wir alle waren überrascht von der Dynamik. Mit dem Krieg in der Ukraine hatte niemand gerechnet, die Energiepreissteigerungen, eine Inflationsrate über acht Prozent, alles innerhalb kürzester Zeit.

6 | chilli | business im Breisgau | 03.2023
Titel Fotos: © tln
Redaktionsgespräch im Restaurant: Uwe Barth (l.) und Daniel Zeiler (r.) im Austausch mit Lars Bargmann

Zeiler: Wir waren genauso überrascht. Ende 2021 begannen die ersten Preissteigerungen und damit auch die Inflation. Die EZB hat am Anfang ein bisschen spät reagiert, aber dann musste sie sehr schnell handeln.

bib: Die EZB hat den Banken sozusagen das alte Geschäftsmodell zurückgegeben. Alle deutschen Banken zusammen können mit 25 bis 27 Milliarden Euro an eigenen Zinseinnahmen rechnen. Die Sparkasse wird geschätzt 30 Millionen Euro für ihre bei der EZB geparkten Gelder bekommen, die Volksbank geschätzt etwa die Hälfte. Richtig?

Zeiler: 30 Millionen sind sehr großzügig geschätzt. Auf der anderen Seite verzinsen wir auch wieder Spareinlagen, dadurch geht auch unser Aufwand wieder nach oben.

Barth: Nein, unsere geparkten Gelder betragen zum Bilanzstichtag 2022 etwa 150 Millionen Euro. Wir erhalten dafür wieder Zinsen, aber weniger als von Ihnen geschätzt, auf der anderen Seite können wir unseren Kunden wieder Zinsen für die Geldmarkt- und Spareinlagen in Höhe von 1,5 Milliarden Euro bieten. Von den höheren Kreditzinsen werden wir erst in ein, zwei Jahren profitieren.

bib: Loben Sie die EZB nun für die Zinswende oder übertreibt sie nun wieder, nachdem sie ja aus der Niedrigzinsphase einen Niedrigzinszustand gemacht hatte und damit auch, zumindest zeitlich, übertrieben hatte?

Barth: Grundsätzlich ist es positiv, dass die Negativzinsen beendet sind. Nicht nur aus Bankensicht. Ja, damit kommt

Volksbank Freiburg 2022 (Veränderung zu 2021)

unser ursprüngliches Geschäftsmodell zurück. Aber es hat deutliche Nebenwirkungen, weil die Zinswende so schnell und so intensiv gekommen ist wie noch nie. Zumindest nicht nach dem 2. Weltkrieg. Damit verbunden ist nicht nur, dass die Nachfrage nach Wohnimmobilien rapide gesunken ist. Das ist also nicht nur positiv.

Zeiler: Auch wir merken die deutliche Zurückhaltung im Wohnungsbaubereich. Aber das Zinsniveau ist mit 4 oder 4,5 Prozent im langfristigen Vergleich völlig normal. Wir waren einfach viele Jahre verwöhnt. Neben den Zinsen

Nährboden für die Inflation

spielen aber auch die Baupreise, die Inflation, die Lebenshaltungskosten eine große Rolle. Regionalbanken haben aber genau jetzt Vorteile, weil wir mit unseren Kunden sehr individuell nach Lösungen suchen können.

bib: Konkret?

60,6 Mio. € (+6,2 Mio.)

... aus Provisionen 27,9 Mio. € (-0,2 Mio.)

Personal- und Sachkosten 51,8 Mio. € (+ 0,6 Mio.)

Operatives Ergebnis 36,8 Mio. € (+5,6 Mio.)

Ergebnis vor Steuern* 16,3 Mio. € (unverändert)

Steuern 5,8 Mio. € (-5,9 Mio.)

Jahresüberschuss 3,1 Mio. € (unverändert)

CIR** 58,5 (-3,6%-Punkte)

Eigenkapital 385 Mio. (+37,5 Mio.)

Geschäftsstellen (+SB) 17 (ohne SB) (-4)

Mitarbeiter 401 (-2)

* nach Reservenbildung und Bewertungen

** So viel Cent gibt die Bank für 1 Euro Ertrag aus

Zeiler: Man kann auf der Laufzeitseite was machen, die Häuslebauer müssen ihr Eigenkapital hochfahren, so früh wie möglich damit anfangen. Es wird aber sicher auch die eine oder andere Ablehnung geben. Wir müssen den Kunden auch mal sagen: Es tut uns leid, aber diesen Traum kannst du dir derzeit nicht erfüllen.

bib: Welchen Anteil hat die EZB an der Inflation in Deutschland?

Barth: Die EZB wurde für ihre sehr offensive Geldpolitik zu Recht massiv kritisiert, sie hat eine politische Rolle eingenommen, damit sich vor allen die südeuropäischen Länder entschulden können …

bib: … also nicht nur Geld-, sondern auch Wirtschaftspolitik gemacht …

Barth: Das ist so. Jetzt hat sie einen Nährboden für die Inflation gelegt. Die Ausweitung der Geldmenge wirkt aber nur dann inflationstreibend, wenn sie nachfragewirksam wird. Genau dann entsteht Inflation. Das ist aber nicht

chilli | business im Breisgau | 03.2023 | 7 Titel
Bilanzsumme 3,84
Betreutes Kundenvolumen 7,95
... in Krediten 2,86 Mrd.
... in Einlagen 3,02 Mrd.
... in Wertpapieren 1,2
Ertrag
...
Zinsen
Mrd. € (-270 Mio.)
Mrd. € (+250 Mio.)
€ (+180 Mio.)
€ (+140 Mio.)
Mrd. €
88,5 Mio. € (+6,1 Mio.)
aus
Uwe Barth: „Dann werden wir die Spirale erleben.“
BILANZ

vollumfänglich geschehen. Man kann der EZB also nicht die gesamte Schuld geben. Die hohe Inflation ist vor allem durch die Energiepreise getrieben. Sie muss jetzt gegensteuern, ihr Job ist Geldwertstabilität, gezwungenermaßen kommt sie dem nun nach.

bib: Marcel Fratzscher, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, hat unlängst in einem Vortrag in Freiburg gesagt, 80 Prozent der deutschen Inflation ist importiert. Durch Rohstoffe, Nahrungsmittel, Energieträger.

Zeiler: Es gibt sicher importierte Inflation, ob das 80 Prozent sind, weiß ich nicht. Die EZB hat ihre Niedrigzinspolitik übertrieben. Geld ist ein Gut, ein Gut braucht einen Preis und den hat die EZB jahrelang ausgehebelt. Geld hatte keinen Wert. Jetzt bekommt es wieder einen.

bib: Ist es umgekehrt so, dass die EZB nur einen geringen Einfluss auf die Inflation hat?

Barth: Die steigenden Zinsen nützen schon was. Das ist empirisch belegt. Aber es dauert. Das sehen wir in ein, zwei Jahren. Machtlos ist die EZB da nicht.

bib: Ist Inflation asozial, weil einkommensschwächere Haushalte einen höheren Anteil an Konsumausgaben haben?

Zeiler: In der momentanen Gemengelage hat das sicher unsoziale Komponenten. Allein die Inflation ist es aber nicht. Die Schere zwischen Arm und Reich geht schon länger auseinander. Bemerkenswert ist sicher, dass wir in einer solchen Situation wie jetzt noch nie einen so stabilen Arbeitsmarkt hatten. Die Leute müssen sich keine großen Sorgen um ihre Jobs machen. Das hilft.

bib: Die Wirtschaftsleistung hat allen Unkenrufen zum Trotz im vergangenen Jahr um 1,8 Prozent zugelegt. Die Inflation schon rausgerechnet. Sind Sie überrascht?

Barth: Die Prognosen zur Jahresmitte waren schlechter. Wir sind froh, dass es noch Wachstum gab. Im Herbst

sind wir alle von einer großen Rezession für dieses Jahr ausgegangen. Das hat sich jetzt auch etwas nivelliert. Das war durchaus eine positive Überraschung. Geplant haben wir ein ganz schwieriges Jahr. Das wird wohl so nicht kommen.

Zeiler: Die Prognosen sind unter dem Schock des 24. Februar entstanden. Geholfen haben sicher die massiven Staatshilfen und auch, dass die Gasmangellage ausgefallen ist. Der Ausblick 2023 ist aber extrem volatil.

Weiter große geopolitische Risiken

bib: Ein extrem volatiles Jahr prognostizieren Analysten auch an den Aktienmärkten. Im März 2020, mit Beginn der Pandemie, sackte der DAX unter 9000. Am 1. März, nach dem besten Börsenstart in ein neues Jahr seiner Geschichte, liegt er trotz Krieg bei 15.300. Überrascht von der Performance?

Barth: Der DAX hat sich nach einigen Schocks wieder an der Realwirtschaft orientiert, an den Gewinnen und Gewinnerwartungen der großen Unternehmen. Es ist eher überraschend, dass die Zinsentwicklung jetzt nicht zum Rückgang der Märk-

te geführt hat. Wir haben aber weiter große geopolitische Risiken, mit der Ukraine, mit dem Thema China und Taiwan. Es gilt aber der alte Spruch: Man braucht Zeit an den Märkten.

Zeiler: Wenn derzeit Nachrichten kommen, dass die Wirtschaft gut läuft, dann gehen die Märkte runter, weil dann erwartet wird, dass die Zinsen weiter steigen. Der Aktienmarkt wird in diesem Jahr sicher noch volatiler werden. Deshalb gehört regelmäßiges Aktiensparen zur Vermögensansparung unbedingt dazu.

bib: Die Reallöhne sind im vergangenen Jahr um 4,1 Prozent (höchster Wert seit 2008) runtergegangen, trotz einer Rekord-Lohnsteigerung um 3,4 Prozent. Gab es bisher maßvolle Tarifabschlüsse etwa bei IG Metall oder IG BCE, fordern jetzt Post (15) und Verdi (10,5) zweistellige Erhöhungen.

Droht eine Lohn-Preis-Spirale?

Barth: Wenn alle Tarifabschlüsse zweistellig werden, dann werden wir diese Spirale erleben und auch einen neuen Inflationsdruck. Dass die Tarifparteien höhere Abschlüsse anstreben, ist richtig, aber gesamtwirtschaftlich gesehen ist es auch wichtig, dass diese Abschlüsse maßvoll sind. Wenn irgendwo zweistellige Zuwächse sehr richtig wären,

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Titel Foto: © tln
Daniel Zeiler: „Zwei Herzen schlagen in meiner Brust.“

dann im Pflegebereich oder der Erziehung.

Zeiler: Zwei Herzen schlagen in meiner Brust, wir als Sparkasse hängen ja am Tarif für die öffentliche Hand. Wir brauchen sicher einen maßvollen, badisch gesagt gescheiten Abschluss. Ob der bei zehn Prozent liegen muss, da mache ich ein Fragezeichen dran. Ich vertraue darauf, dass die Partner zu ausgewogenen Abschlüssen kommen. Leider ist aber die Rhetorik derzeit sehr auf Konfrontationen ausgerichtet.

bib: Ihre eigenen Abschlüsse bieten wenig Konfrontatives. Die Sparkasse hat ihren Ertrag um 15 auf 174 Millionen Euro verbessert (siehe Infoboxen), die Volksbank um 6,1 auf 88,5 Millionen Euro. Wie kam’s?

Zeiler: Wir haben 16 Millionen Euro mehr Zinsertrag und ein leicht rückläufiges Provisionsergebnis.

Barth: Wir haben 6,2 Millionen mehr aus den Zinsen. Bei den Provisionen konnten wir nicht zulegen.

bib: Erstaunlich ist erneut das Neukreditvolumen.

Rekord bei neuen Krediten

Zeiler: Ja. Wir haben mit 1,47 Milliarden an neuen Krediten einen Rekord aufgestellt. Maßgeblich daran beteiligt war der Baubereich, aber auch große Volumina bei unseren institutionellen und kommunalen Kunden.

Barth: Wir haben das Gesamtkreditvolumen um 6,5 Prozent gesteigert. Das liegt über unserer Planung. Damit sind wir sehr zufrieden. Bei den neuen Krediten waren es 720 Millionen, etwa je zur Hälfte im privaten Wohnungsbau und bei unseren gewerblichen Kunden.

bib: Solche Zahlen werden Sie 2023 nicht erreichen.

Barth: Das Neugeschäft wird sicher zurückgehen. In diesem, wahrscheinlich auch noch im nächsten Jahr. Wir werden keine Wachstumsraten mehr von sechs oder mehr Prozent haben.

Zeiler: Das wird auch bei uns sicherlich weniger sein. Wir rechnen aber nicht damit, dass die Kreditbestände zurückgehen, weil beanspruchte Kontokorrentlinien sicher zulegen werden.

Barth: 2023 zu planen, ist wirklich spannend. Wir rechnen zwar auch nicht mit Rückgängen bei den Beständen, aber die weitere Zinsentwicklung, die Auswirkungen auf den Wohnungsbau, die Inflation, wir haben viel mehr Unsicherheiten als in früheren Jahren.

Zeiler: Das sehe ich genauso. 2023 ist für die Planung ein besonderes Jahr.

bib: Das Provisionsgeschäft könnte wachsen, weil schon totgesagte Produkte durch die Zinsen wieder aufleben.

Barth: Es gibt wieder bessere Chancen auf den Wertpapiermärkten, Staatsanleihen notieren je nach Laufzeit wieder bei zwei Prozent, Unternehmensanleihen höher. Bausparverträge kommen wieder. Das Klavier für die Kunden ist wieder größer geworden.

Zeiler: Auch Lebensversicherungen sind wieder attraktiver.

Alte Produktfelder rücken wieder neu in den Fokus. Es gibt wieder ein breiteres Feld der Vermögensanlage.

bib: Welche Besonderheiten liegen in Ihren Bilanzen?

Barth: Eine erste Besonderheit ist für uns das sehr gute operative Ergebnis. Die zweite ist die Bewertungsseite. Wenn der Zins steigt, sinkt der Kurs unserer Wertpapiere und das müssen wir bilanzieren, mit 20 Millionen an Abschreibungen. Das ist der Preis für die schnelle Zinssteigerung. Das ist aber nur ein temporärer Effekt. Am Ende der Laufzeit der Wertpapiere sind wir wieder bei 100 Prozent. In diesem Thema ist viel Spielraum für Bilanzpolitik.

Zeiler: Wir haben dasselbe Thema, bei uns sind das 60 Millionen Euro. Das ist aber ja allein ein bilanzrechtliches Thema, es gibt hier keinen Wertverlust.

bib: Sehen Sie durch Spätfolgen der Pandemie, den Krieg, mit durchaus vorhandenem Eskalationspotenzial, die Inflation und vieles mehr besondere Risiken in Ihren Kreditbeständen?

Zeiler: Nein, wir sehen keine besonderen Risiken. Das zeigt die wirtschaftliche Stabilität der Unternehmen in unserer Region.

Barth: Unsere Bilanzen sind nicht zuletzt ein Spiegelbild der südbadischen Wirtschaft. Wir bilden einen großen Teil des Marktes ab. Die Region ist robust aufgestellt.

bib: Herr Barth, Herr Zeiler, vielen Dank für dieses Gespräch.

Sparkasse Freiburg 2022 (Veränderung zu 2021)

Mrd. € (-135 Mio.).

Ertrag 159 Mio. (+15 Mio.)

... aus Zinsen 118 Mio. € (+16 Mio.)

... aus Provisionen 56 Mio. € (-1 Mio.)

Personal- und Sachkosten 97 Mio. € (+1 Mio.)

Operatives Ergebnis 77 Mio. € (+14 Mio.)

Ergebnis vor Steuern* 24 Mio. 24 Mio.

Steuern 11 Mio. € (-4 Mio.)

Jahresüberschuss 5 Mio. € (-2 Mio.)

CIR** 54,9 (-4,9 %-Punkte)

Eigenkapital 721 Mio. (+5 Mio.)

Geschäftsstellen (+SB) 28 (unverändert)

Mitarbeiter 956 (-16)

* nach Reservenbildung und Bewertungen

** So viel Cent gibt die Bank für 1 Euro Ertrag aus

chilli | business im Breisgau | 03.2023 | 9 Titel
Bilanzsumme 8,128 Mrd. € (+241 Mio.) Betreutes Kundenvolumen 14,712 Mrd. € (+614 Mio.) ... in Krediten 6,010 Mrd. € (+332 Mio.) ... in Einlagen 6,132 Mrd. € (417 Mio.) ... in Wertpapieren 2,570
BILANZ

»Die Stimmung hat sich gewandelt«

Badenova will ein Gigawatt Grünstromanlagen bauen / Ökostromgruppe sieht mehr Ausbau-Tempo

Mit einem Anteil von 25,2 Prozent war die Windkraft im Jahr 2020 erstmals der wichtigste Energieträger zur Stromerzeugung in Deutschland. Doch der Ausbau stockt. Südbadens Energie-Experten bemerken jetzt Rückenwind. Mit dem werde sich die Anzahl der Windmühlen zwischen Basel und Karlsruhe binnen fünf Jahren verdoppeln.

Die Bundesregierung hat ehrgeizige Ziele ausgegeben: Windkraft an Land soll sich von 58 Gigawatt im Jahr 2022 auf 115 Gigawatt bis 2030 verdoppeln. Das ist auch notwendig: Planung, Genehmigung und Bau eines einzigen Windrads dauern in Deutschland bislang zwischen fünf und sieben Jahre.

Die Folge: Genau drei Windkraftanlagen gingen vergangenes Jahr in Baden-Württemberg ans Netz, so das Landesumweltministerium. Energiewende sieht anders aus. Kein Wunder also, dass der Präsident des Bundesverbandes Windenergie, Hermann Albers, dem deutschen Süden jüngst ein „Armutszeugnis“ ausstellte.

Von 58 Gigawatt im Jahr 2022 auf 115 Gigawatt bis 2030

Andere Experten bemerken frischen Wind: „Im vergangenen halben Jahr hat sich mehr getan als in den 30 davor“, sagt Andreas Markowsky. Den frischen Wind führt der Geschäftsführer der 1994 gegründeten Freiburger Ökostromgruppe auf verbesserte

Rahmenbedingungen zurück: „Die durchschlagenden Erfolge kamen von Bund und EU.“

Mitte Dezember wurde im EUEnergieministerrat eine Notvereinbarung getroffen, wonach einzelne Prüfungen innerhalb von Genehmigungsverfahren für bereits ausgewiesene Windkraft-Gebiete entfallen können. Ende Januar beschloss das Bundeskabinett den von Wirtschaftsminister Robert Habeck getauften „Windausbau-Beschleuniger“ für Anlagen und Trassen an Land und auf See.

Vor dem Hintergrund des russischen Angriffs auf die Ukraine wurde die Energiesicherheit in Deutschland zu einer Frage nationaler Sicherheit.

„Alle Windkraftanträge, die bis zum Sommer 2024 eingereicht werden, haben deswegen stark vereinfachte Genehmigungen“, erklärt Markowsky.

10 | chilli | business im Breisgau | 03.2023
©
Energiewende
Foto:
Badenova
Energetisches Dreierlei: Die Standorte auf der Linacher Höhe sollen mal 20 Megawatt Windstrom bringen.

Gegenüber Denkmal- und Tierschutz werde der Ausbau von Windkraft nun stärker gewichtet. Der zweite Grund für den Aufwind sei gestiegene Nachfrage von Kommunen und Industrie: „Neue Energiegenossenschaften gründen sich.“

Auch die Zahl der Genehmigungsverfahren von Windkraftanlagen habe sich erhöht. Aktuell laufen bei der Freiburger Ökostromgruppe 25 Anträge. „Die allermeisten haben sehr gute Genehmigungschancen“, sagt Markowsky. Vergangenes Jahr erhielt sein Unternehmen nur zwei Zusagen von Ämtern. Der Experte prophezeit nun:

„In den nächsten fünf Jahren wird sich der Anlagenbestand zwischen Basel und Karlsruhe verdoppeln.“ Aktuell drehen sich rund 100 Windmühlen in diesem Gebiet.

So plant die Ökostromgruppe zwei Rotoren auf dem Hohfirst bei Pfaffenweiler. Zwei 246 Meter hohe Anlagen sollen rund 15 Millionen Euro kosten und jährlich zehn Millionen Kilowattstunden Strom produzieren. „Die Gemeinden zeigen Interesse“, sagt Markowsky über die Beteiligten Schallstadt, Pfaffenweiler und Ebringen. Auf einer Informationsveranstaltung Mitte November in Schallstadt-Wolfenweiler sei von Windkraftgegnern wenig zu hören gewesen: „Die Stimmung hat sich gewandelt.“

Auch für Anlagen auf dem Kohlernkopf im Hexental laufen erste Gespräche. Geben die involvierten Gemeinden Bollschweil, Bad Krozingen, Sölden und Wittnau grünes Licht, könnte 2027 mit dem Bau von drei Anlagen begonnen werden. Laut Markowsky kann eine rund 250 Meter hohe Anlage an dem Standort rund zwölf Millionen Kilowattstunden bringen und damit einen großen Teil des Söldener Stromverbrauchs decken. Die Gemeinde St. Peter ist stromtechnisch bereits Selbstversorger. Schon 2001 ließ dort ein Landwirt die erste Anlage in Betrieb nehmen. Seitdem sind fünf hinzugekommen.

Zusammen produzieren die Mühlen jährlich rund 18,4 Millionen Kilowattstunden Strom. Fast drei Mal so viel wie der Ort verbraucht. Aktuell prüft die rund 2700-Seelen-Gemeinde die Möglichkeit weiterer Anlagen. Und auch die Badenova dreht kräftig am Rad. 300 Megawatt will der Versorger bis 2035 durch Windenergie erzeugen. 20 Megawatt soll ein Windpark mit drei Anlagen auf der Linacher Höhe bei Furtwangen beisteuern. Entsprechende Verträge zwischen Badenova, Bürgern aus dem Oberen Bregtal sowie der KWA Contracting AG aus Stuttgart wurden am 13. Februar unterzeichnet.

grünen Strom liefern sollen. „Ein Drittel davon durch Windkraft. Und das wollen wir in unserer Region gemeinsam mit den Kommunen und Partnern erreichen“, erklärt Klaus Preiser, Geschäftsführer der Badenova-Tochter Wärmeplus.

Markowsky fürchtet nun Lieferengpässe: „Die Logistik flutscht nicht mehr so wie früher.“ So verzögert sich das Repowering-Projekt auf der Holzschlägermatte am Schauinsland. Dort sollen zwei Alt-Anlagen durch eine neue ersetzt werden. Den Bauantrag hatte die Ökostromgruppe bereits im Sommer 2020 gestellt. Die Inbetriebnahme war ursprünglich für dieses Jahr vorgesehen.

Die Parteien versprechen sich von den drei Anlagen jährlich jeweils 15 Millionen Kilowattstunden und damit grünen Strom für 30.000 Personen. Drehen sollen sich die Windräder ab 2027. Die Badenova betreibt bereits Windparks am Kambacher Eck und am Hohenlochen in der Ortenau. Unterm Strich peilt das Unternehmen 60 neue Windkraftanlagen bis zum Jahr 2035 an. Auf der Agenda stehen Windparks in Oberndorf am Neckar sowie auf der Sirnitz bei Müllheim. Am Kallenwald bei Biberach ist derzeit eine Windmühle mit 4,2 Megawatt Nennleistung im Bau und geht im kommenden Jahr ans Netz.

Auch Sebastian Schüßler, Leiter Projektentwicklung Wind bei Badenova, spricht von mehr Tempo: „Aktuell sehen wir viele gute Zeichen, dass die Politik den Ausbau der regionalen Windkraft beschleunigen will. Das stimmt uns zuversichtlich, dass wir zukünftig bei einer schnelleren Umsetzungszeit landen als die bisherigen rund fünf Jahre.“

Insgesamt will die Badenova bis 2035 Anlagen bauen, die ein Gigawatt

Auch am Taubenkopf bremst der Beschaffungsstau. Nachdem der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg die Klage einer Initiative gegen zwei Windräder auf dem Berg abgewiesen hatte, begannen im Winter lediglich die Rodungsarbeiten. Neuer Spatenstich-Termin für die bereits im Dezember 2021 genehmigten Anlagen: 2024. Ohne den massiven Ausbau der Windkraft wird die Energiewende in einem Luftloch steckenbleiben.

chilli | business im Breisgau | 03.2023 | 11
Foto: © Eberle
Energiewende
»Die allermeisten haben sehr gute Genehmigungschancen«
Bemerkt bessere Rahmenbedingungen und mehr Interesse von Kommunen: Andreas Markowsky, Geschäftsführer der Freiburger Ökostromgruppe.

»Guter Nährboden«

Wie sich Freiburg zum Mekka der Fahrrad-Entwickler mausert

Die Mobilitätswende wird in Freiburg mit großen Pedaltritten vorangetrieben. 16 Millionen Euro hat das Rathaus zuletzt in bessere Infrastruktur investiert. Mit JobRad hat Freiburg den Marktführer in Sachen Leasingrad. Ganz nebenbei entwickelt sich der Breisgau auch zum Mekka für Innovation, Handel und Entwickler in Sachen Fahrrad. Wie kommt es, dass sich in und um Freiburg so viele Radverrückte tummeln? Was sagen sie zum jüngsten Paukenschlag? Und wie geht es Händlern nach den CoronaEngpässen?

Freiburg ist eine Fahrradstadt. Klar. Hier steigen viele aufs Velo. Aber Freiburg ist mittlerweile auch eine Radbusiness-Stadt. Immer mehr Velopioniere tummeln sich hier. Sie entwickeln Bremsen, Lastenräder oder

Mountainbikes. Oft, ohne groß Aufsehen zu erregen. Zuletzt hat die Szene Verstärkung von Weltrang bekommen. Ein Big Player schlägt seine Zelte hier auf: Der US-Hersteller Specialized wird ein Innovation Center in der Lokhalle Freiburg am Güterbahnareal eröffnen. „Das wird das

75 Prototypen des Big Players

Fahrrad-Image Freiburgs in der Branche und darüber hinaus maßgeblich prägen“, jubelte Oberbürgermeister Martin Horn beim Pressetermin im Dezember. Leiten wird das Entwicklungszentrum Peter Denk: „Wir bauen hier eine High-End-Entwicklungswerkstatt insbesondere für die Entwicklung von Rennrad- und Mountainbike-Plattformen.“ Auf 3800 Quadratmetern soll von Mitte 2024 an neuen Techniken

gefeilt werden. Mittelfristig sollen hier rund 75 Prototypen entstehen, lässt Denk wissen. Zudem wird ein RacingTeam dazugeholt. Es kann Entwicklungen in und um Freiburg unmittelbar testen. Nur rund einen Kilometer Luftlinie entfernt hat Fahrradfreak Thomas Ketterer sein Quartier aufgeschlagen. Der 55-Jährige ist Entwickler von Lastenrädern, seine Firma Roc-Ket Cargo Bikes wurde gerade mit dem Freiburger Klimaschutzpreis „Climate First“ ausgezeichnet. 2000 Euro Preisgeld gibt es für „emissionsfreie Lieferungen im Stadtgebiet“. Durch die klimafreundliche Anlieferung und Abholung von Last werden täglich rund 3,5 Tonnen Ware emissionsfrei im Raum Freiburg transportiert, lobt die Stadtverwaltung. Die eigens dafür produzierten Lastenfahrräder sparten so täglich etwa sieben Tonnen CO2 ein.

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Fahrrad-Branche
Foto: © Carla Cargo

Ketterers Basis an der Neunlindenstraße ist schwer zu übersehen: Vor dem Gebäude tummeln sich Lastenräder und Elektrolieferwagen, Bewegung ist hier fast immer. Ketterer sagt trotzdem: „Freiburg ist eine Fahrradstadt, aber keine Lastenradstadt.“ Seine Lieferanten würden in der Innenstadt behandelt wie 7,5-Tonner. Denn Lieferungen im Innenstadtbereich nach 11 Uhr vormittags sind auch für seine Gefährte untersagt. „Das kann nicht sein“, schimpft Ketterer. Vom Entwickeln neuer Techniken hält ihn das nicht ab. Mit zwei Ingenieuren versucht er einen Schritt voraus zu sein. Aktuell geht es um Dachkonstruktionen für mehr Fahrerschutz bei Lastenrädern. Und darum, Dächer mit Solartechnik auszustatten. Außerdem sollen automatische Bremsen konstruiert werden. „Die gehen zu, wenn man sich vom Rad entfernt“, erklärt Ketterer. „Jetzt hole ich unseren neuesten Gag“, sagt der Freiburger und steigt auf ein bulliges blau-gelbes Bike. Zum Rangieren kann es rückwärts fahren –und hinten eine Palette mit bis zu 300 Kilo laden. Wie einfach das geht, zeigt Ketterer mit wenigen Handgriffen. Mit einer Kurbel dreht er die Tragarme zum Boden. Ist die Palette drauf, kurbelt er wieder hoch. Auch eine patentierte Neigetechnik für Kurven kommt aus seinem Hause. Was sein Team entwickelt, wird bei Lastenfahrten auf Herz und Nieren ge-

prüft: „Freiburg ist ganz gut zum Testen“, sagt er. Sein Team fahre zwar nicht den Schauinsland hoch, aber ein paar Steigungen nehme man gerne mit. Drei Teilzeitkräfte beschäftigt er aktuell. Dazu rund zehn Fahrer auf Minijobbasis. Tendenz steigend. Der Anspruch bei RocKet ist klar: „Wir wollen tolle Fahrräder bauen, um Marktführer zu sein.“ Ein Neuankömmling wie Specialized könne da nur helfen. „Das ist wirklich gut“, schwärmt Ketterer. Er wisse zwar noch nicht im Detail, was das seiner Firma

gen Unternehmungen, die mit Hilfe der Carla Cargo Lastenanhänger umgesetzt werden. „Die Anhänger werden extrem vielfältig benutzt, zum Beispiel für die Auslieferung von Paketen und Gemüsekisten“, so Bergmann. Sie kämen zudem zum Einsatz für mobile Infotheken, Küchen, Soundanlagen oder Kaffeestände, beim Transport im Werksgelände oder als Forschungsvorhaben. Bergmann fällt auf, „dass bei unseren Kund·innen viele Pioniere der ersten Stunde dabei sind“. Sie hätten von Anfang an das Thema klimafreundlicher Transport mit in ihre Überlegungen eingebracht und letztlich auf die Carla-Anhänger gesetzt.

bringe, aber er werde Angebote machen. „Elektronik, Akku, Rahmenteile …“ Angetan von der namhaften Verstärkung ist auch Markus Bergmann von Carla Cargo. „Es scheint sich rumgesprochen zu haben, dass man in Freiburg ganz gute Entwickler mit dem nötigen Herzblut für die Sache bekommt, so wie Cannondale das ja auch schon lange macht“, sagt der Geschäftsführer der Firma, deren E-Anhänger um die Welt gehen. Bis nach New York haben es die mit Strom angetriebenen Radanhänger aus Kenzingen geschafft. „Freiburg und seine Umgebung sind ein sehr guter Nährboden für grüne Ideen“, schwärmt der 39-Jährige. Das spüre sein Team auch an den vielfälti-

Vom Südwesten aus hat die Firma eine rasante Entwicklung erlebt. Mehr als 2500 ihrer Lastenanhänger fahren mittlerweile durch die Welt, berichtet Bergmann. In Freiburg schätzt er die Zahl auf 50. „Wer mit wachsamem Auge durch Freiburg geht, kann täglich eine Carla im Einsatz sehen“, sagt Bergmann. Das mache das Team stolz, da die Firmengeschichte hier gemeinsam mit der Gartencoop begonnen habe. Nördlich von Freiburg, in Gundelfingen, sitzt mit der Firma Supernova ein Hidden Champion, der Fahrradlampen im Hochpreissegment baut. Dort ist auch bereits seit 2005 Tout Terrain am Markt. Die 30-köpfige Crew wird in diesem Jahr mehr als 3500 Trekkingräder und Mountainbikes produzieren. Weiter südlich, in Buggingen, sitzt mit Tune ein Spezialist für Leichtbau-

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Fotos: © Carla Cargo, Till Neumann Dynamos der Mobilitätswende: Markus Bergmann (links), Roman Heim (Mitte) und Thomas Ketterer
»Mit dem nötigen Herzblut»
Fahrrad-Branche

komponenten wie Naben oder Laufräder. Oder auch der Bremsenspezialist Trickstuff in Pfaffenweiler. Dort arbeiten 30 Beschäftigte in einer RadmarktNische. Auf dem Ganter-Areal in Freiburg entwickelt zudem die Cycling Sports Group ebenfalls Fahrradtechnik für den Hersteller Cannondale aus den USA.

Können zu viele Entwickler auf einem Fleck zur Konkurrenz werden? Nein, sagt Bergmann. „Wir finden das eher bereichernd für uns und die Region, da dadurch ein sehr guter Nährboden für jegliche klimafreundliche Unternehmung geschaffen wird, von welchem alle profitieren können.“ Von der Stadt wünscht er sich mehr Mut zur Förderung alternativer Mobilität: „In dem Moment, wo der Innenstadtbereich noch restriktiver für auf Verbrennungsmotoren basierenden Lieferverkehr wird, ist es noch attraktiver, auf klimafreundliche Transportlösungen wie Lastenanhänger und Cargobikes zu setzen.“ Da sei jetzt schon ein internationaler Trend zu erkennen. Bergmann fordert: „Freiburg sollte als Ökostadt auch als solche international wahrgenommen werden – das Amsterdam oder Kopenhagen von Deutschland sozusagen.“

Mehr Mut zum Umbau wünscht sich auch Roman Heim. Der 39-Jährige ist Chef von Freiburgs größtem Fahrradladen „Hild Radwelt“. Freiburg sei zwar eine Radstadt und aktiv dabei, die Infrastruktur aufzuwerten. Aber das reicht ihm nicht: „Zu viele unsichere Fahrradwege sorgen dafür, dass viele nicht aufs Rad steigen.“ Es brauche mehr vom Pkw-Verkehr abgetrennte Radwege, übersichtlichere Kreuzungen und bessere Infrastruktur, um ein hochwertiges E-Bike vernünftig in der Innenstadt abzustellen. Die Corona-Krise hat seine Branche zuletzt hart getroffen. Zwar stieg das Radinteresse erst mal exponentiell an. Doch dann mussten Kunden wegen Lieferengpässen monatelang auf Räder

oder Ersatzteile warten. Kein schöner Moment für Handelnde, die zuverlässig sein möchten. „Die Lage ist vielschichtig“, sagt Heim. Lieferschwierigkeiten habe es in den vergangenen zwei Jahren oft gegeben. Das reiße dann auch mal eine Umsatzlücke. Der Andrang stabilisiere sich jetzt aber auf ein normales Vor-Corona-Niveau.

Für die vergangenen beiden Jahre hat er einen Umsatzzuwachs von 14 Prozent errechnet. Zwei Faktoren führten zum Anstieg: der E-Bike-Boom und das Leasing. „Teurere Modelle sind gefragt“, sagt Heim. Der Anteil an hochwertigen und zuverlässigen Modellen für den Alltag steige. Für ein E-Bike geben Kunden bei ihm im Schnitt 3000 Euro aus. Für herkömmliche Rä-

Dezember und Januar testweise einen Rad-Pop-up-Store in der Freiburger Innenstadt betrieben und damit keine gute Erfahrung gemacht. Das führt er aber auf die allgemeinen Probleme der Freiburger Innenstadt zurück. „Nicht umsonst steht hier alles leer“, sagt er mit Blick auf den zunehmenden Leerstand und die Debatte um die Erreichbarkeit der Fußgängerzone. In seinem Laden an der Schwarzwaldstraße laufe es dafür rund. „Im Januar haben sie uns die Bude eingerannt“, erzählt der 50-Jährige. Freiburg schätzt er als „mords fahrradaffin“ ein, die Stadt sei eine wahre Insel für Velofans. Die vergangenen Jahre waren auch für ihn turbulent. „Corona war ein Booster“, sagt Orlando. Die Nachfrage sei extrem gewesen, die Lieferengpässe wahnsinnig. Doch mit einem gut gefüllten Lager habe sein Team das ordentlich überstanden.

der seien es 700 Euro. Auch hier ist die Tendenz steigend. Das liege an der allgemeinen Kostensteigerung, aber auch an Innovation. Die Branche sei erfinderisch, Räder würden zunehmend digitalisiert und mit Sensoren ausgestattet. Ist es für ihn ein Vorteil, in einer Radboomstadt zu handeln? „Nein, eher nicht“, sagt Heim. Es seien viele Mitbewerber vor Ort, auch kleinere, spezialisierte Geschäfte. „Das Händlerumfeld ist extrem“, fasst Heim zusammen. Ein Mitbewerber ist Franco Orlando, Chef von Bike Sport World. Er hat im

Um rund 100 Prozent habe er den Absatz in den vergangenen fünf Jahren steigern können, berichtet Orlando. Auch er nennt E-Bikes und Leasing als die entscheidenden Faktoren. „Das beschert uns viele Kunden.“ Die Räder würden teurer und die Kunden kämen schon nach drei Jahren wieder, um ihr zweites oder drittes Rad zu leasen. Freiburg nennt er ein Mountainbike- und Rennradparadies. „Wir haben die besten Trails hier“, sagt Orlando. Nicht ohne Grund seien daher Gravelbikes die am meisten verkauften Räder. Also sportliche Crossallrounder. Rund 4000 Euro lassen Kunden bei ihm im Schnitt für ein Velo. Auffällig dabei: „Es sind nicht selten über 10.000 Euro für ein Rad“, berichtet Orlando. S-Works-Rennräder der Marke Specialized gehen bei ihm für 15.000 Euro über die Theke. „Die sind immer als Erstes weg“, berichtet Orlando. Früher seien solche Preise eine Ausnahme gewesen. Heute wundere er sich über fünfstellige Beträge nicht mehr.

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Setzt aufs Rad: Franco Orlando von Bike Sport World
»Teurere Modelle sind gefragt«
Foto: © ZVG

»Jobs werden anders aussehen«

Freiburger Experte erklärt Auswirkungen von Bots wie ChatGPT auf den Arbeitsmarkt

Schon bald könnten Computerprogramme wie ChatGPT Callcenter überflüssig machen oder Bankberatung übernehmen. Das schätzt der Freiburger Wirtschaftsinformatiker Dirk Neumann. Die Technologie hinter dem Bot biete zahlreichen Branchen allerdings Chancen – vorausgesetzt der Mensch lernt, mit der Maschine zusammenzuarbeiten.

„Das ist ein Durchbruch“, sagt Dirk Neumann vom Lehrstuhl für Wirtschaftsinformatik an der Freiburger AlbertLudwigs-Universität

über „ChatGPT“, den Prototypen eines Chatbots. Seit Ende November 2022 schlägt die Software des USamerikanischen Unternehmens OpenAI

Wellen: 100 Millionen

Nutzer verbuchte die Firma mit weniger als 400 Mitarbeitern nur zwei Monate später, schätzte die UBSBank. Damit wäre ChatGPT die am schnellsten wachsende VerbraucherApp aller Zeiten.

KI kann kein Urheber sein: Der Schutz setzt menschliches Schaffen voraus.

Von der Trefferquote ist der Professor allerdings beeindruckt. Ein Kollege am Institut für Wirtschaftswissenschaften habe ChatGPT eine Programmierklausur schreiben lassen. Das Ergebnis: Note Eins mit Sternchen. Auch Neumann fordert seine Studierenden auf, den Bot als Werkzeug zu nutzen. Ganze Hausarbeiten sollten damit aber nicht geschrieben werden: „Man verlässt sich auf statistische Häufigkeit. GPT ist keine Wissensrepräsentation.“ Oft unterlaufen dem Bot noch Fehler und Kuriositäten. So wird im selbstbewussten Ton etwa die Trennung von Prinz Harry und Meghan Markle verkündet. Für faire und freie Wahlen empfiehlt der Computer an anderer Stelle den Einsatz von Hüpfburgen. „Man braucht Vorbildung, weil ChatGPT oft sehr selbstbewusst Unwahrheiten erzählt“, so Neumann, der deswegen ein KonfidenzMaß vermisst. Der Computer erfindet sogar wissenschaftliche Quellen. „Das macht es ungeeignet, um wissenschaftliche Texte zu produzieren.“

schlechten Rat kann das Unternehmen hinter dem Bot nicht belangt werden. Neumann vergleicht den neuartigen Bot mit einem selbstfahrenden Auto: technisch heute durchaus möglich, juristisch sind jedoch noch Fragen offen. Wo liegen die Grenzen von künstlicher Intelligenz (KI)? Immerhin handelt es sich bei ChatGPT noch um eine Beta-Version. Beruflich werden wohl die wenigsten Bots völlig autonom eingesetzt werden, schätzt Neumann: „Ich glaube, niemand möchte eine medizinische Diagnose, die ausschließlich von einer KI erstellt wurde.“

Und wer muss um seinen Arbeitsplatz bangen? „Am naheliegendsten sind Callcenter-Mitarbeiter. Ihre Arbeit könnte relativ schnell von künstlicher Intelligenz übernommen werden.“

Schon heute werkeln Chatbots etwa bei der Deutschen Bahn oder dem Versandhändler Amazon und fangen zahlreiche Fragen ab. „Bislang sind diese Bots allerdings mit wenig Intelligenz ausgestattet“, kommentiert Neumann. Welche Rolle KI in den Planungen von Sensorspezialist Sick und Softwareschmiede Haufe spielen,

Das ist kaum verwunderlich: Auch in deutscher Sprachausgabe wirkt ChatGPT menschlich, gibt per Textbefehl Tipps, etwa zum Reifenwechsel, fasst Texte zusammen und schreibt auf Wunsch sogar Gedichte. „Es lernt aber nicht die Fakten“, erklärt Neumann. Dank sogenannter neuronaler Netze und maschinellem Lernen greift der Bot auf 570 Gigabyte eingespeiste Texte zurück. Welche Wörter der Bot zu einer Antwort aneinanderreiht, entscheidet er auf Basis von Statistik.

ChatGPT ist nicht auf bestimmte Domänen trainiert. Welche Texte genau als Trainingsdaten verwendet wurden, ist ein Firmengeheimnis von OpenAI. Darin sieht Neumann einen weiteren Schwachpunkt. „Die Modelle müssen noch richtig gefüttert werden. Dazu braucht es eine gewisse Varianz von Quellen und Dokumenten.“

Neben den technischen gibt es außerdem rechtliche Hürden. Nicht umsonst begrüßt ChatGPT seine Nutzer mit einem Haftungsausschluss. Für

wollen die beiden Unternehmen derweil nicht verraten.

Grundsätzlich könne künstliche Intelligenz überall dort menschliche Arbeit übernehmen, wo strukturell gearbeitet wird: „Mittelfristig wird simple Sach-, Versicherungsarbeit oder Bankberatung übernommen. Ich kann mir vorstellen, dass Chatbots bald Anlagegespräche führen.“ Kurzfristig werden die Auswirkungen gering sein, so der

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»Man braucht Vorbildung«
Arbeitsmarkt

Experte: „Noch liegt KI zu oft mit ihren Aussagen daneben, wenn auch ohne bewusste Absicht.“ Auf lange Sicht werde künstliche Intelligenz den Arbeitsmarkt allerdings verändern: „Jobs werden anders aussehen.“

Die Angst vor dem Jobkiller Digitalisierung ist nicht neu. 2017 ging die Beratungsfirma McKinsey in einer Veröffentlichung davon aus, dass rund 20 Millionen Arbeitsplätze, also fast die Hälfte aller Jobs in Deutschland, automatisiert werden könnten. 2013 schätzen zwei Professoren an der Oxford-Universität, dass 47 Prozent aller US-amerikanischen Arbeitsplätze durch technischen Fortschritt gefährdet seien. Seit 2008 transportieren zwei U-Bahn-Linien unter Nürnberg ihre Gäste fahrerlos. Gleichzeitig entstehen auch neue Jobs. Die fränkischen U-Bahn-Fahrer wurden umgeschult. Unterm Strich ist der technische Fortschritt ein Segen, schätzte das Weltwirtschaftsforum 2020: Bis zum Jahr 2025 gehen weltweit 85 Millionen Arbeitsplätze verloren, 97 Millionen neue werden geschaffen. „Viele Arbeitsplätze werden unmittelbar mit KI verbunden sein. In Beratung oder Lehre können viele interessante Berufsfelder entstehen“, prognostiziert Neumann. Um die Stärken von Computern richtig einzusetzen und Automatisierungsgewinne zu erzielen, seien allerdings Schulungen notwendig.

Neumann geht davon aus, dass die Effekte auf den Arbeitsmarkt zumindest bis 2028 moderat ausfallen. Seriöse Vorhersagen seien schwierig. Der technische Fortschritt schreite rasant voran. „GPT ist ein Quantensprung der Texterkennung. Vor zehn Jahren war so etwas nicht denkbar“, so Neumann. Noch spannender ist für den Experten jedoch die Entwicklung im Bereich Deep Learning, also der Möglichkeit, große Datensätze mit sogenannten neuronalen Netzwerken, etwa für Sprach- oder Objekterkennung, zu analysieren. Neumann betont: „ChatGPT ist die Spitze des Eisbergs.“

Philip Thomas

Freiburger Arbeitsmarkt boomt

Arbeitsagentur hat 5999 Aufträge für Stellen

Die Zahl der Arbeitslosen in Freiburg und den Landkreisen Breisgau-Hochschwarzwald sowie Emmendingen ist im Februar um 58 auf 14.233 leicht gesunken. Das meldet die Agentur für Arbeit Freiburg. Die Arbeitslosenquote notiert unverändert bei 3,8 Prozent. Die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten ist in den vergangenen zehn Jahren um knapp 26 Prozent auf 135.710 gestiegen.

„Der Frühjahrsaufschwung hat zwar noch nicht eingesetzt, aber die milde Witterung kam dem Arbeitsmarkt entgegen“, sagt die Vorsitzende der Geschäftsführungen der Agenturen für Arbeit Freiburg und Offenburg, Theresia Denzer-Urschel. Besonders erfreulich sei die Situation bei den Langzeit-Arbeitslosen, die sich sowohl auf Jahressicht als auch im Vormonatsvergleich besser entwickelt haben als der Gesamtmarkt. Trotz der wirtschaftlich schwierigen Lage ist die Arbeitskräftenachfrage weiter hoch. Treiber sind vor allem Vakanzen im Bereich Erziehung, Verwaltung, Büro und Sekretariat, Lager und Transport sowie Verkauf. Auf der Helferebene fielen zahlreiche Stellenmeldungen aus dem Reinigungsgewerbe auf. „Die Unternehmen sorgen sich um Engpässe bei Arbeitskräften. Das wiegt schwerer als die Risiken, die von Personaleinstellungen in einem unsicheren wirtschaftlichen Umfeld ausgehen“, so Denzer-Urschel. Wegen der Frühjahrsbelebung rechnet sie in den kommenden Monaten mit einem weiteren Rückgang der Arbeitslosig-

keit. Mitte Februar lagen der Agentur 5999 Aufträge zur Stellenbesetzung vor (81 Prozent für Fachkräfte, Experten und Spezialisten, 19 Prozent für Helfer).

Freiburg ist ein boomender Arbeitsmarkt-Standort. Die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten hat sich in den vergangenen zehn Jahren um fast 26 Prozent auf 135.710 (Mitte Juni 2022) hochgearbeitet. Im gleichen Zeitraum ist diese Zahl im Landkreis Breisgau-Hochschwarzwald um knapp 21 Prozent, im Landkreis Emmendingen um 25,5, im Ortenaukreis um 21,1 Prozent gestiegen. Alle Regionen liegen damit deutlich über dem Landesdurchschnitt von 18,1 Prozent. Freiburg hat auch die beste Performance von allen Großstädten im Ländle. Motor ist vor allem der Gesundheitssektor, in dem mittlerweile jeder sechste Arbeitsplatz angesiedelt ist. Mit dem Zuwachs sprudelt auch die Gewerbesteuer: Finanzbürgermeister Stefan Breiter freute sich im vergangenen Jahr über ein Rekordergebnis in Höhe von 248 Millionen Euro. bar

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Arbeitsmarkt
Foto: © DIFOMA Theresia Denzer-Urschel: Milde Witterung kam dem Markt entgegen.

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from 9 to 5

Die 4-Tage-Woche ist in aller Munde – ein Freiburger Betrieb nutzt sie erfolgreich

Einen Tag weniger schuften, aber das gleiche verdienen. Kann das klappen? Ja, zeigen Studien. Belgien hat die 4-Tage-Woche sogar gesetzlich verankert. Doch ohne Recht auf weniger Arbeit. Ein Freiburger Betrieb nutzt das Teilzeitmodell seit Jahren mit Erfolg. Ein Forscher hält es für die Arbeitsweise der Zukunft.

Markus Franz ist Chef der Freiburger Firma ageff. 2009 hat er sich mit dem Betrieb für Photovoltaikanlagen selbstständig gemacht. Seit 2016 hat er Angestellte. Schon sein erster Monteur setzte auf eine 4-Tage-Woche. Mittlerweile sind auch 3-Tage-Wochen möglich. Franz: „Gerade im Bereich der Installationstätigkeit der Photovoltaik-Module auf dem Dach können wir von einem anspruchsvollen körperlichen Job sprechen.“

Aus eigener Erfahrung wisse er, dass so ein Job in Vollzeit nicht auf Dauer machbar wäre. Mögliche Folgen: „Körperliche Beschwerden, Überbelastungen oder Unzufriedenheit und damit Fluktuation“.

Der 51-Jährige weiß um die Herausforderungen: „Unsere Solarteure arbeiten das ganze Jahr durch, bei jedem Wetter und jeglicher Temperatur.“ Den Freitag gibt er

daher gerne frei. An den anderen Tagen müssen seine Monteure in Vollzeit ran. Im Gegensatz zu anderen Firmen, die auf vier Tage Arbeit für fünf Tage Gehalt setzen, zahlt Franz nur die gearbeiteten Tage. Es ist also ein Teilzeitmodell. Doch mit dem gleichen Ansatz: Weniger Belastung bringt mehr Motivation, Zufrieden-

heit und Leistung. Mit ruhiger Stimme erzählt der Solarpionier von einem Modell, das manchen Arbeitgeber in Wallung bringt. Angestellte weniger schaffen lassen – da bleibt doch vieles liegen? Nein, sagt der Arbeitsmarktforscher Philipp Frey. „Wenn man den Arbeitsprozess reorganisiert, geht es.“ Der 36-Jährige vom Institut für Technologiefolgenabschätzung und Systemanalyse (ITAS) in

Karlsruhe begleitet Studien und Feldversuche zur 4-Tage-Woche im In- und Ausland. „Die Ergebnisse sind extrem gut“, berichtet Frey. Beispielsweise bei einem Testballon mit 61 Unternehmen und 3300 Angestellten in Großbritannien. Dort bekommen alle für sechs Monate bei vollem Gehalt einen zusätzlichen freien Tag. „90 Prozent der Firmen können sich vorstellen, dauerhaft so umzustellen“, berichtet Frey. Das ergab die Halbzeitbilanz im Herbst. Mittlerweile liegt auch die Abschlussbilanz vor. Sie zeigt: Das Modell lohnt sich für Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Die Angestellten sind leistungsfähiger, gesünder, motivierter. Die Firmen konnten ihren Umsatz im Schnitt um 1,4 Prozent steigern. Macht weniger Arbeit wirklich produktiver? Auch hier sagt Frey ja. „Wir Forscher erwarten, dass es mit einem 50-50-Verhältnis klappt.“ Um 50 Prozent würden die Angestellten effizienter. Und für 50 Prozent der wegfallenden Leistung brauchte es einen Personalausgleich. Doch Frey meldet Überraschendes: „Die britische Untersuchung zeigt: Es geht ohne Personalausgleich, alle kommen ohne Neueinstellungen aus.“ Das führt er auf höhere Motivation und mehr Ausgeruhtheit zurück. Der Umsatz der

18 | chilli | business im Breisgau | 03.2023 Illustration: © iStock.com/Muhamad Chabib
Arbeitsmarkt
alwi, Fotos: tln, privat
Firmenchef: Markus Franz von ageff

britischen Firmen sei sogar um acht Prozent gestiegen.

Auch als Antwort auf den Fachkräftemangel wird die 4-Tage-Woche gepriesen. Frey ist überzeugt: Unternehmen im Inund Ausland berichteten von steigenden Bewerberzahlen als Effekt. „Bei einem waren es sogar fünf- bis sechsmal so viele wie zuvor.“ Auch deutsche Handwerksunternehmen berichten von dem Effekt.

Für den Karlsruher ist es das Modell der Zukunft. Und in jeder Branche anwendbar, doch mit Unterschieden: „Zum Beispiel in der Pflege ist es unrealistisch ohne Personalausgleich.“ Für Deutschland wünscht sich Frey einen Feldversuch wie in Großbritannien. Auch Spanien, Island, Portugal seien schon weiter. „Wir hinken hinterher“, sagt Frey.

Ein Grund für die positiven Studienergebnisse aus dem Ausland ist für Frey auch: „Das sind Firmen, die sich dafür entschieden und darauf vorbereitet haben.“ Alle hätten sich drei Monate Zeit genommen und mit der gesamten Belegschaft überlegt, wo Zeit eingespart werden könne. Oft würde die Zahl der Meetings

reduziert – und ihre Dauer. Auch die Investition in neue Technologien oder Software sei ein guter Weg. Zudem werde die Einführung von „Focus Time“ erprobt. „Für drei Stunden werden die Telefone am Vormittag stummgeschaltet, damit die Angestellten in Ruhe arbeiten können“, erklärt Frey. Das funktioniere. Untersuchungen zeigten, dass es nach jeder Unterbrechung einige Minuten dauere, bis wieder konzentriert gearbeitet werde. Das ganze Team mitzunehmen, ist für Frey essentiell: „Sonst haben sie Angst vor Verdichtung.“

Die Zahl der Unternehmen in Deutschland, die das Modell erproben, ist überschaubar. In Freiburg kennt die Handwerkskammer (HWK) nur ageff als Beispiel. HWK-Präsident Johannes Ullrich ist skeptisch: „Der Wunsch nach mehr WorkLife-Balance, insbesondere der Vereinbarkeit von Familie und Beruf, ist verständlich.“ Viele Betriebe versuchten bereits, Angestellten entgegenzukommen. „Doch mit den dringenden gesellschaftlichen Aufgaben, vor denen das Handwerk steht, ist eine Arbeitszeitverkürzung

schwierig in Einklang zu bringen.“ Hinzu komme der eklatante Fachkräftemangel. Ullrich sagt: „Ob sich die 4-Tage-Woche im Handwerk umsetzen lässt, hängt auch stark vom jeweiligen Gewerk ab.“

Markus Franz von ageff kann nur schwärmen: Er hatte noch nie Personalsorgen bei seinen Monteuren. Und das Tempo stimme: „Die Produktivität ist fast die gleiche wie bei fünf Tagen.“ Wenn jemand zwei Jahre ackere und dann ein halbes Jahr krankgeschrieben sei, wäre nichts gewonnen. Erzählen kann er das alles an diesem Freitag in ruhiger Umgebung. Außer ihm ist fast keiner da.

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Arbeitsmarkt
Forscher: Philipp Frey aus Karlsruhe

Die Fraktionen scheren nur leicht aus

In Freiburg haben die Fraktionen ihre Anträge für den Doppelhaushalt 2023/24 vorgelegt. Ende März gibt es die öffentliche zweite Lesung, am 9. Mai soll das 2,4-Milliarden-Euro-Paket beschlossen werden. Für Oberbürgermeister Martin Horn und Finanzbürgermeister Stefan Breiter, die den Entwurf kurz vor Weihnachten ins Gremium getragen hatten, ist es der dritte Haushalt. Der große Wirbel ist bisher ausgeblieben. Ein Überblick.

Die Grünen (13 Sitze) haben in Sachen Klimaschutz kein großes Konfliktpotenzial mit der Rathausspitze. Sie wollen bei 72 Anträgen vor allem mehr Geld (5,15 Mio.) aus den Autofahrern rausholen (Bußgelder, Blitzer, Parkraumbewirtschaftung) und die Vergnügungssteuer (Spielautomaten, sexuelle Dienste) um gut eine Million erhöhen. Mehr Geld ausgeben will die stärkste Fraktion für den Ausbau des Ganztagsangebots an den TunibergSchulen, die Sanierung der Schultoiletten (je 1 Mio.), Inklusionsfachkräfte für Kitas (0,28 Mio.) und Kulturimmobilien (0,25 Mio.). Leitlinie: Autofahrer zahlen für Kultur und Soziales. Die Fraktionsgemeinschaft Eine Stadt für Alle (7 Sitze) will die Gewerbesteuereinnahmen um 22 Millionen Euro erhöhen, wie die Grünen die Vergnügungssteuer (1 Mio.) erhöhen und die Eigenheimförderung um eine Million kürzen. Dafür soll unter anderem die geplante Erhöhung der Kita-Gebühren (4,9 Mio.)

kassiert werden, zwei Millionen in die Planung der TunibergSchule und den Ausbau von Ganztagsschulen, drei Millionen mehr in Bildung, Kultur, Soziales und Integration/Migration investiert werden. Wenn alle 89 Anträge durchgingen, wäre der

Haushalt um 10,5 Millionen Euro entlastet. Leitlinie: Unternehmen zahlen für Bildung und Soziales.

Die SPD/Kulturliste (7 Sitze) will bei 59 Anträgen eine Million Euro in die Planung der neuen Tuniberg-Schule investieren, eine halbe in Park-and-Ride-Parkplätze, eine halbe in die Jugendarbeit in Sportvereinen, die Wohnungslosenhilfe und in Räume für die Musikschule. Mehr Fördergelder für den P+R-Ausbau und die Erhöhung der Automatensteuer (1 Mio.) sollen einen Ausgleich schaffen. Leitlinie: Soziale Härten abfedern.

Auch die CDU (6 Sitze) will die Planung der Tuniberg-Schule voranbringen (damit dürfte es dafür eine Mehrheit geben), einen 675.000 Euro schweren Sportinvestitionsfonds gründen, 150.000 Euro für die Musikschule und 100.000 für ein Feuerwehrhaus in Kappel aufwenden. Dafür soll die Freiburger Stadtbau GmbH (FSB) 4,4 Millionen Euro ans Rathaus zurückzahlen, bei Großprojekten sollen zudem 4,2 Millionen, bei der Digitalisierung eine Million weniger ausgegeben werden.

Leitlinie: Mehr für Sport und Kultur, weniger für Stadtbau und Großprojekte.

Die JUPI-Fraktion (5 Sitze) plädiert auch für eine höhere Automatensteuer (mehrheitsfähig), will 600.000 Euro weniger an die FWTM auskehren, vier Millionen mehr durch Bußgelder einnehmen. Im Gegenzug sollen öffentliche Räume aufgewertet werden (0,78 Mio.), mehr in Inklusion und Barrierefreiheit (0,68 Mio.), in den Gewaltschutz für Frauen, die Obdachlosenhilfe (je 0,26 Mio.) und zwei neue Stellen für die Einbürgerung (0,19 Mio.) investiert werden. Leitlinie: Autofahrer und Spielautomaten finanzieren öffentliche Räume, Inklusion und Barrierefreiheit.

20 | chilli | business im Breisgau | 03.2023 Illustrationen: © freepik Kommunen
und Steuern, Kitas und Feuerwehrhäuser bei Doppelhaushalt im Fokus
Stadtbau

Die Fraktionsgemeinschaft FDP/BfF (4 Sitze) will Grundstücke im Wert von zwei Millionen Euro verkaufen und einen globalen Minderaufwand (den Ämter irgendwie einsparen müssen) in gleicher Höhe beschließen. Dafür 200.000 Euro mehr in die Aufwertung der Rathausgasse, mit 80.000 das Marienbad, je rund 50.000 ZMF und Refudocs sowie den Treffpunkt Bildung mit 40.000 Euro unterstützen. Unterm Strich entlasten die 15 Anträge den Haushalt um 3,5 Millionen Euro. Leitlinie: Sparen und unwichtige Grundstücke verkaufen, Infrastruktur (vor allem kulturelle) stärken.

Die Freien Wähler (3 Sitze) haben kräftig in die Tasten gegriffen, wollen die Eigentums-/Mietwohnungsquote der FSB beim Neubau von 25/75 in 60/40 drehen und somit eine Haushaltsentlastung um 16 Millionen Euro erreichen, für 10 Millionen Euro „Handtuchgrundstücke“ verkaufen, dafür die Kita-Gebühren nicht erhöhen, drei Millionen ins Feuerwehrhaus in Kappel und eine in den Umbau der Wache in Hochdorf, 150.000 in eine Umnutzung der Gaskugel und 100.000 mehr ins ZMF investieren. Wenn alle Anträge beschlossen würden, wäre der Haushalt um 16 Millionen Euro leichter. Leitlinie: Stadtbau stärker wirtschaftlich als politisch führen, Eltern entlasten, in Feuerwehren und Kultur investieren. Die AfD (2 Sitze) untermauert ihre Oppositionsrolle durch Einsparungen und Mehreinnahmen in Höhe von 67,6 Millionen Euro. 14 Millionen sollen weniger in den Klimaschutz, 5,5 weniger in den Radwegeausbau investiert werden. Dafür soll der –längst beschlossene und laufende – Bau des NS-Dokuzentrums gestoppt (3,8 Mio.) und stattdessen das Rotteckhaus verkauft werden (7 Mio.). Zudem soll das Rathaus für neun Millionen Euro Erbpachtgrundstücke verkaufen. Dann könnten die KitaGebühren so bleiben, das Berthold-Gymnasium erweitert (3 Mio.), das Feuerwehrhaus in Kappel gebaut (3 Mio.), noch einmal drei Millionen fürs Eisstadion auf die Seite gelegt und der Ordnungsdienst mit 1,5 Millionen aufgestockt werden. Leitlinie: „Klima-ideologische Überfrachtung“ im Haushalt beenden, mehr in Schulen und öffentliche Ordnung investieren. Und schließlich will Freiburg Lebenswert (1 Sitz) den geplanten Stadtteil Dietenbach sofort stoppen (11,4 Mio Einsparung), dafür das Lycée Turenne sanieren (10 Mio.), die Feuerwehr in Kappel bauen, je 1,2 Millionen für die Planung einer Mooswaldhalle und die Sanierung des Michael-Denzlinger-Hauses sowie 300.000 Euro für die Umnutzung der Gaskugel und der Freifläche bereitstellen. Leitlinie: Dietenbach muss weg, dann können Gebäude saniert, mehr in Kultur, Soziales und Sport investiert werden. Die zweite Lesung des Doppelhaushalts geht am 27. und 28. März über die öffentliche Bühne. Am 9. Mai soll der Gemeinderat, der bisher nur leicht den von der Verwaltung vorgeschlagenen Weg verlässt, den 2,4 Milliarden Euro schweren Haushalt beschließen. Auch wenn er höhere Vergnügungssteuern beschließt, wird es kein vergnügungssteuerpflichtiger sein: Der Haushalt ist mit rund 140 Millionen Euro unterfinanziert.

Kommunen
Kommunen

Kraft und Köpfchen

Mehrere Hundert Kilo schwere Objekte durch ein Treppenhaus schleppen? Für die Männer der Firma „Hardwork“ aus Freiburg-Hochdorf ist das Routine. Das Team transportiert fast alles, was gewöhnliche Möbelpacker an ihre Grenzen bringt. Manchmal mit Millionenwert.

Der Auftrag heute ist für die Crew von Benjamin Schwarzer nichts Aufregendes: Für eine Freiburger Kanzlei transportiert er mit zwei Kollegen ein 150 Kilo schweres Bild über zwei Stockwerke. Die durchtrainierten Männer packen das Objekt in dicke Tücher, stabilisieren es mit Gurten über ihren Schultern. Dann geht es vorsichtig zum Treppenhaus.

Viel reden müssen sie nicht, die Handgriffe sitzen. Vier Hände tragen, Hardwork-Chef Schwarzer leitet an. Minuten später ist es geschafft. „Ein Kinderspiel“, sagt Arpad Kökenyesi und grinst. Er atmet laut

„Der Job gibt einen Adrenalinkick“, erzählt der 33-Jährige mit Tattoo am bulligen Hals. Es brauche eine Mischung aus Kraft und Köpfchen. Seit zehn Jahren ist er Teil des Teams. Bisher ohne Verletzungen. Ob die Spezialtransporte wehtun?

„Gar nicht, ich bin abgehärtet“, antwortet Kökenyesi. Dabei schleppt er mit den Kollegen Dinge durch Treppenhäuser, die andere zum Verzweifeln bringen würden: Steinway-Flügel, Billardtische, Whirlpools. „300 Kilo zu zweit sind Routine“, sagt Schwarzer. Auch 500 Kilo seien möglich, „aber man sollte es nicht tun“. Bei 750 Kilo zu sechst höre der Spaß auf: „Es war grenzwertig, das machen wir nicht mehr.“ Was sie Besonderes transportiert haben? Schwarzers Liste ist lang: Tresore, Waffenschränke, Brautanks von Feierling – auch ein Holznashorn oder eine Skulptur in Baden-Baden im Wert von mehreren Millionen Euro waren dabei. Der 43-Jährige ist seit 15 Jahren bei Hardwork. Die Firma gibt es seit 1998. Fünf bis zehn Aufträge erledigen sie am Tag. Spontane Anfragen wie „mein Kühlschrank steckt fest“ kriegen sie täglich, berichtet Schwarzer. Doch da müssen sie passen. Sechs Leute seien draußen im Einsatz, „immer zwei zu wenig“, betont er. Groß sind die Nachwuchssorgen. „Man findet keinen mehr für so was“, sagt Schwarzer. Wer bei ihm einsteigen will, muss einen Probetransport schaffen. Dafür hat Hardwork ein Klavier im Büro stehen, es muss mit einem Kollegen eine Treppe hoch- und runtergetragen werden.

„Wer sich da durchbeißt, kann den Rest lernen“, sagt Schwarzer. „Doch viele schaffen es nicht.“ Es fehle der Biss, erklärt der Experte. „Ein Steinway zieht schon ein bisschen, da muss ich durch.“ Arpad Kökenyesi hat den Test bestanden. „Die Chefs haben große Augen gemacht“, erinnert er sich. Der gebürtige Ungar hat sich im Keller sein eigenes Fitnessstudio eingerichtet, um fit zu bleiben. Er ist überzeugt: „Nur wenige sind auf dem Level wie wir.“ Die Firma ist in vielen Teilen Deutschlands unterwegs oder auch mal in der Schweiz. Vergleichbare Anbieter gebe es kaum.

Zu Bruch gegangen ist bisher nichts. „Wir haben wenn dann kleine Lackschäden“, so Schwarzer. Für ihn ist das ein Traumberuf: „Ich mag, wenn es tüftelig wird.“ Unschön können dafür Baustellen oder ein Heizungstausch werden: „Da stehen wir oft knöcheltief in der Schlacke.“ Ob das entsprechend belohnt wird?

Ja, sagt Schwarzer: Er fahre keinen Ferrari, lasse die Arbeit aber ordentlich bezahlen. Die größte Herausforderung sei dabei nicht das Gewicht, sondern wie trageintensiv die Transporte sind. Fotos auf dem Instagramkanal „hardworkklaviertransporte” zeigen, wie eng es oft zugeht.

22 | chilli | business im Breisgau | 03.2023 Foto: © tln Unternehmen aus der Region
Das „Hardwork“-Team trägt Konzertflügel durch Treppenhäuser Schleppen, was andere nicht schaffen: Arpad Kökenyesi (rechts) und seine Kollegen.

»Große Entlastung«

Wirtschaftsprüfer Mathias Hecht über neue Regelungen bei PV-Anlagen

Um die Klimakrise zu verlangsamen und eine sichere Energieversorgung für die Zukunft zu gewährleisten, muss der Ausbau erneuerbarer Energien beschleunigt werden. Kein gutes Beispiel gibt da die Landesregierung in Stuttgart ab, die zwar häufig Forderungen formuliert, aber auf ihren eigenen 8000 Dächern nur 222 Solaranlagen installiert hat. Aber: Die Änderungen im Steuerrecht des Bundes bieten seit Jahresbeginn zahlreiche Vergünstigungen und bauen auch bürokratische Hindernisse ab. Das begrüßen wir, der Gesetzgeber könnte es den Betreibern aber noch leichter machen.

Nach dem im vergangenen Dezember beschlossenen Jahressteuergesetz 2022 bleiben – rückwirkend zum 1. Januar 2022 –Einnahmen aus dem Betrieb kleiner PV-Anlagen bis maximal 30 Kilowattpeak (kWp) steuerfrei. Gleiches gilt auch für die Stromentnahmen. Egal übrigens, wofür dieser Strom genutzt wird. Korrespondierend hierzu entfällt natürlich auch der Abzug von Betriebsausgaben. Die Neuregelung gilt nicht nur für neue Anlagen, sondern (mit Wirkung ab 2022) auch für bereits bestehende. Die ertragsteuerlichen Erleichterungen beschränken sich dabei auf Anlagen mit bis zu 30 kWp auf Einfamilienhäusern, Gewerbeimmobilien und Nebengebäuden (etwa Carports, Garagen) sowie auf 15 kWp je Wohn- und Gewerbeeinheit bei anderen Gebäuden. Zudem gibt es eine Höchstgrenze von 100 kWp für jeden Steuerpflichtigen. Hierauf ist beim Betrieb mehrerer PV-Anlagen zu achten.

Außerdem fällt seit Jahresbeginn die Umsatzsteuer für die Lieferung und den Aufbau von PV-Anlagen mit höchstens 30 kWp, die auf oder in der Nähe eines Wohngebäudes installiert werden, komplett weg. Das gilt auch für PV-Anlagen auf öffentlichen und anderen Gebäuden, die für Tätigkeiten genutzt werden, die dem Gemeinwohl dienen.

Dadurch werden Solaranlagen im Einkauf deutlich günstiger als zuvor. Der Nullsteuersatz gilt auch für Solarmodule, Batteriespeicher und andere wesentliche Komponenten. Zudem entfällt eine Versteuerung des Eigenverbrauchs als unentgeltliche Wertabgabe. Und: Jede ans öffentliche Netz angeschlossene Anlage kann nach dem Erneuerbare-Enegien-Gesetz (EEG) zusätzlich von einer Fördervergütung profitieren. Mit dem 1. Januar wurden die Vergütungssätze sowohl für Anlagen mit Eigenversorgung und Netzeinspeisung als auch für Anlagen mit Volleinspeisung erhöht – egal, ob die PV-Anlage auf dem Dach steht oder in der Freifläche gebaut wird.

Bisher war eine eigene PV-Anlage stets mit viel Bürokratie und erheblichem steuerlichen Aufwand verbunden. Der Betrieb einer PV-Anlage wurde steuerlich als Gewerbebetrieb gewertet. Mit allen bürokratischen und steuerlichen Folgen. Die steuerlichen Änderungen stellen jetzt für die Solaranlagenbetreiber eine große Entlastung dar. Es gibt aber weiter viele außersteuerliche Hürden. Neben der Meldung an das Marktstammdatenregister oder der Anmeldung beim örtlichen Energieversorger machen komplizierte Förderanträge die Beauftragung von externen Beratern weiterhin notwendig.

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Foto: © ns, iStock.com/veterok_77 Erxpertenbeitrag
Mathias Hecht: ist Steuerberater, Wirtschaftsprüfer und Gesellschafter bei der Hecht Bingel Müller & Partner Wirtschaftsprüfungsgesellschaft in Freiburg. www.hbm-partner.de

Investieren mit System

Die GFA setzt auf Algorithmen und Expertenwissen

Sie kannten sich erst ein paar Wochen, als Werner Krieger und Udo Winterhalder 1997 die GFA Vermögensverwaltung GmbH gründeten. Heute verwaltet das Team in Herbolzheim etwa 200 Millionen Euro für rund 440 Kunden. Die wichtigsten Teammitglieder allerdings sind ohne Kopf: Es sind selbst kreierte Algorithmen. Prädikat unverkäuflich.

Der Analyst Krieger (60) und der Banker Winterhalder (55) waren sich vor 25 Jahren schnell einig. Krieger hatte schon 1995 den Fondsshop Baden gegründet, aber wenig Ahnung vom Bankgeschäft, Winterhalder kannte das Bankenwesen aus dem Effeff, ist ein guter Netzwerker. „Es hat von Anfang an gepasst“, sagt Winterhalder.

Heute ist die GFA einer von bundesweit nur 400 bankenunabhängigen Vermögensverwaltern. Vermögensverwalter brauchen eine Bankenlizenz, werden von der BaFin geprüft und verdienen keinen

Cent an den Produkten, die sie ihrer Klientel anbieten. Ihre Provisionen – hauptsächlich erfolgsorientiert – bekommen die GFA-Experten allein von ihrer Kundschaft, die sie nicht nur gut durch die Pandemie geführt hat, sondern auch durch das Platzen der Dotcom-Blase und andere Turbulenzen an den Aktienmärkten.

Bis Mitte der 90er-Jahre waren Aktien in Deutschland etwa so begehrt wie vegane Steaks. Erst als die Telekom 1996 an die Börse ging, bekamen die Deutschen Aktienfieber. Als die Dotcom-Blase vier Jahre später platzte und der DAX 70 Prozent verlor, gerann Millionen Anlegern das Blut. „Unsere Kunden sind da aber supergut durchgekommen“, blickt Winterhalder zurück. Die GFA hat Algorithmen-gestützte Frühwarnsysteme an der Börse. Wenn der DAX wackelt, schlagen sie an. „Wenn Gefahren auftauchen, reduzieren wir für alle unsere Kunden mit einem Klick Stück für Stück die Aktienquoten, wenn der Markt sich wieder beruhigt, fahren wir die Quote wieder Stück für Stück hoch“, erklärt Krieger. Eigentlich sei das wie ein Surfen auf den Wellen des Marktes.

So kam es schon vor, dass in einem Oktober die Aktienquote nur noch bei 20 Prozent lag, Ende November aber wieder bei 100 Prozent. Auch im vergangenen November, drei Monate vor dem Einmarsch der Russen ins Nachbarland, drosselte die GFA die Aktienquote wieder. Und auch Monate bevor der Wirecard-Skandal publik wurde, war die GFA schon wieder aus dieser Aktie ausgestiegen. „Wir haben da für unsere Kunden aber große Gewinne mitgenommen“, sagt Winterhalder.

„Der Markt ist ein guter Seismograph. Wir werden nicht auf dem falschen Fuß erwischt“, so Krieger. Die Millionen werden zwischenzeitlich in sicheren Häfen geparkt.

Auch für die Investition auf den Aktienmärkten gibt es unterschiedliche Strategien für unterschiedliche Anlegergruppen. Momentum-, Dividenden-, Value- oder auch Trendfolger-Investments. „Stock picking“ nennt Krieger das. Ebenso werden Anlagen in Gold oder Rohstoffen aktiv gesteuert.

Die Algorithmen-Systeme von miteinander verbundenen Mechanismen, die in regelbasierte Strategien gefasst sind, sind neben dem eigenen Know-how und einem Profi-Netzwerk die Erfolgsformel.

„Die Stärke unseres Hauses ist sicher das Regelbasierte. Viele Regeln bringen uns und unseren Kunden viel Sicherheit, aber auch Rendite“, sagt Winterhalder. Im internationalen Vergleich gelten Deutsche immer noch als Aktienmuffel. „Das Interesse ist mit der Zeit größer geworden, aber es ranken sich immer noch viele Mythen um den Markt. Unser Job ist, hier für Klarheit zu sorgen“, sagt Krieger, der das auch in öffentlichen Vorträgen macht.

„Aktien sind der langfristig sicherste Baustein der Altersvorsorge“, sagt Winterhalder. Und wenn Christian Lindner nun erstmals von einer Aktienrente spricht, nennt Krieger das einen guten Anfang. „Der Finanzwissenschaftler Bernd Raffelhüschen sagt das schon seit 20 Jahren. Zehn Milliarden aber reichen lange nicht.“ Wichtig sei, dass das nicht schuldenfinanziert wird, sondern vom umlagefinanzierten Anteil im Haushalt abzwacke. Die eigenkreierten Algorithmen und ihre Performance werden auch außer Haus geschätzt. Bei Krieger flatterte schon eine diskrete Kaufanfrage auf den Tisch. Er wünschte dem Interessenten einen schönen Tag. bar

Die GFA Vermögensverwaltung GmbH wurde 1997 gegründet. 2002 folgte die GFA-Finanzberatung, 2018 die GFA Immo. Die Gruppe beschäftigt heute 41 Menschen.

24 | chilli | business im Breisgau | 03.2023 Foto: © GFA Finanzwelt
Info
www.gfa-vv.de/podcast www.gfa-vv.de/webinare
Schon 25 Jahre aktiv: Werner Krieger und Udo Winterhalder (r.)

Den Kopf nicht in den Sand gesteckt

Die Beteiligungsgesellschaft der Sparkasse Freiburg (SBG) hat im vergangenen Jahr ihr Rekordergebnis aus dem Vorjahr noch einmal um 200.000 auf 1,3 Millionen Euro gesteigert. In einem Jahr, in dem seit dem 24. Februar mitten in Europa Krieg herrscht. „Es war ein Jahr mit vielen Höhen und Tiefen“, blickt Geschäftsführer Nicolai Gerig im Gespräch mit der Redaktion zurück.

Nicht nur einmal hatten Gerig und Co-Geschäftsführer Markus Hildmann ihre Geschäftszahlen einem 360-GradCheck unterworfen. Das letzte Quartal war dann der Garant für den Erfolg der SBG, die auch das Konzern-EBIT (Gewinn vor Steuern und Zinsen) um 400.000 auf 2,2 Millionen Euro steigern konnte. „Die Unternehmen, an denen wir beteiligt sind, hatten größtenteils keine signifikanten Probleme, und die Unternehmer haben vor allem den Kopf nicht in den Sand gesteckt“, sagt Gerig. In einem Fall hatte die SBG eine kurzfristige Stundung, in einem anderen ein Überbrückungsdarlehen der L-Bank ermöglicht.

Ende 2022 hielt die SBG 44 Beteiligungen an rund 30 Unternehmensgruppen mit einem Wert von 42,5 Millionen Euro – 3,25 Millionen mehr als im Vorjahr. Diese Unternehmen setzten im vergangenen Jahr rund 350 Millionen Euro um und füllten dabei 2700 Lohntüten. Gerig, Hildmann und das kleine Team sitzen als stiller, geschätzter Gesellschafter mit am Tisch. Sie schonen das Eigenkapital und die Liquidität der Firmen, sind aber auch als fachlicher Ansprechpartner geschätzt. Und am Ende des Jahres erhalten sie an diesem Tisch eben auch einen kleinen Anteil vom Gewinn. Eine Firma setzt übrigens seit Gründung der SBG im Jahr 1998 auf ihren Mitge-

sellschafter. Zu den Kunden zählen etwa Welte Fahrzeugbau, Burger Druck, Gutex oder auch die Fitness-Experten der PU-Gruppe.

Aktuell beobachtet die SBG eine verstärkte Dynamik bei innovativen Start-ups. „Wir wollen da unseren Beitrag leisten, auch wenn das nicht unsere Hauptaufgabe ist“, sagt Hildmann. Auch im vergangenen Jahr war die SBG an einem größeren Konsortialgeschäft mit anderen Verbündeten beteiligt. Wenn die angefragten Volumina zu groß werden, suchen sich Gerig und Hildmann Partner aus ihrem Netzwerk. Dafür hat die Sparkasse – made in Freiburg – ein Portal gebaut, an dem mittlerweile sieben weitere regionale Sparkassen angedockt sind. Ernsthafte Konkurrenten hat die SBG auf dem Beteiligungsmarkt nicht – sieht man einmal von der MBG ab (Mittelständische Beteiligungsgesellschaft Baden-Württemberg GmbH), die aber eher Freund als Feind ist.

Durch Hildmann, Vize-Vorstand der Freiburger Sparkasse, ist zudem die Verzahnung mit den Firmenkundenbetreuern bei der Konzern-Mutter noch enger geworden. Durch die gestiegenen Zinsen muss auch die SBG, die sich auch selber refinanzieren muss, mehr für ihre Beteiligungen nehmen – je nach Ausgangslage 9 bis 10 Prozent. Dafür trägt sie dann auch das Risiko, das in diesen Zeiten nicht kleiner geworden ist.

Anders als die Unsicherheitsfaktoren, die nicht nur den Geldmärkten – so sagen es Experten voraus – besonders in diesem Jahr eine hohe Volatilität verleihen könnten. Auch deswegen kalkulieren Gerig und Hildmann vorsichtig, haben aber im Januar eine erste neue Beteiligung mit einem Volumen von 500.000 Euro ausgezahlt.

bar chilli | business im Breisgau | 03.2023 | 25 Foto: © SBG
Finanzwelt
Kleines SBG-Team, große Wirkung: Thorsten Sillmann, Verena Bischoff, Nicolai Gerig, Rebecca Wollermann, Markus Hildmann und Maria Denda (v.l.).
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Die S-Beteiligungsgesellschaft toppt im Kriegsjahr ihren Rekord

Großwetterlage gemischt

IHK und WVIB haben ihre Konjunkturumfragen vorgelegt –nicht ohne Kritik am Bund

Nachdem die Stimmung im Herbst noch im Keller war, hat sich die Lage bei den Betrieben der Industrie- und Handelskammer (IHK) Südlicher Oberrhein zum Jahresanfang deutlich aufgehellt. Und auch beim WVIB gab es bessere Zahlen als befürchtet.

„Die Stimmung war angesichts der potenziellen Gasmangellage und möglichen entsprechenden Restriktionen katastrophal, die Geschäftslage sah düster aus. Zum Glück sind diese Befürchtungen nicht eingetreten“, erklärte IHKHauptgeschäftsführer Dieter Salomon bei der Vorlage des neuen Konjunkturberichts. Demnach hat sich der Index der Geschäftserwartungen im Vergleich zum Herbst – als er mit -29 Punkten auf den tiefsten Stand seit der globalen Finanzkrise 2008 gefallen war – deutlich erholt und lag Mitte Februar noch bei -1 Punkt. Die Angst vor einer länger währenden Rezession scheint aktuell ins Hinterzimmer gesperrt. So kletterte der IHK-Konjunkturklimaindex von 92 Punkten im Herbst auf 113 Punkte (über 100 Punkte deuten auf Wachstum hin, 2018 lag dieser Wert noch bei 143). Allerdings sehen drei von vier Betrieben in den Energie- und Rohstoffpreisen weiter eine Bedrohung. 68 Prozent sehen im Fachkräftemangel weitere Risiken. „Der demografische Wandel schlägt nun zu, und damit wird uns das Thema die nächsten zehn Jahre verfolgen“, so Salomon. Es sei entscheidend, auf mehr Zuwanderung zu setzen, in Fort- und Weiterbildung zu investieren und dafür zu sorgen, mehr Frauen in die volle Erwerbstätigkeit zu bringen. Und: „Auch das Rentenalter muss erhöht werden.“

Hatten Anfang 2021 nur 24 Prozent

der Betriebe Sorgen, dass die Arbeitskosten zum Problem werden könnten, sind es aktuell – angesichts von Inflation und Tarifkonflikten – 46 Prozent. Sehr skeptisch blickt die Bauwirtschaft in die Zukunft: Dort liegt der Index der Geschäftserwartungen mit -43 weiter tief im negativen Bereich (Herbst: -61 Punkte). Fast die Hälfte aller Bauunternehmen gehen mit negativen

junkturumfrage unter 1000 Betrieben veröffentlicht. „Wir sind vermutlich, mit viel Glück, aus dem Gröbsten raus“, bilanzierte WVIB-Geschäftsführer Christoph Münzer die Ergebnisse. Die Industrie habe sich deutlich besser geschlagen als befürchtet. Die Mitglieder meldeten ein Umsatzplus von durchschnittlich 13,6 Prozent. Auch die Geschäftserwartung ist positiv: 45,5 Prozent erwarten im ersten Halbjahr steigende Umsätze, 13,6 Prozent aber auch sinkende (2021: 5 Prozent). Bei knapp 60 Prozent verbesserte sich der Auftragseingang im Vergleich zum Vorjahr (2021: 69 Prozent), bei 25,8 Prozent (2021: 9 Prozent) verschlechterte er sich.

Erwartungen in das Jahr 2023. „Die Bauindustrie in Summe ist derzeit gebeutelt“, sagte Stephan Jager, kaufmännischer Geschäftsführer bei Weber-Haus in Rheinau-Linx.

„Die Versorgungslage mit Materialien ist zum Teil noch kritisch, hinzu kommen die Preissteigerung der Vorprodukte wie Glas und Stahl sowie der Anstieg der Energiepreise“, so Jager. Die Zinsen für die Baufinanzierung sind binnen Jahresfrist um das Vierfache gestiegen, das sorge zusätzlich für eine Zurückhaltung bei Investitionen.

Auch die sogenannte Schwarzwald AG, der Wirtschaftsverband Industrieller Unternehmen in Baden (WVIB), hat die Ergebnisse ihrer jüngsten Kon-

Münzer warnte dennoch: „Wir stehen vor einer Schwächephase, die wir vorschnell allein auf die Ursachen Pandemie und Ukraine-Krieg schieben.“ Die strukturellen Probleme lägen tiefer. So hatte Deutschland auch schon 2019 die „höchsten Energiekosten und die höchsten Steuern der Welt“, und der Staat „weiß noch immer nicht, wie Digitalisierung und Bürokratieabbau gehen“. Die öffentliche Infrastruktur liege „seit Jahrzehnten im Argen“, und bei der Einwanderungspolitik „sind wir konzeptionslos und reagieren nur“.

Wenn die Baby-Boomer alle in Rente sind, werde der Arbeitskräftemangel noch dramatischer werden: „Die Bundesregierung muss das Land jetzt vom Fundament her neu aufbauen. Die Industrie hat die Kompetenzen für eine Transformation, braucht dazu aber passende Startbedingungen und weniger Gängelei.“

bar/bib

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Illustrationen: © iStock.com/Marta
Verbände
Heiter bis wolkig: Die Industrie im Südwesten hat gemischte Gefühle. Shershen, freepik

Neustart nach Absturz

Wieder mehr als 7 Millionen Passagiere am EuroAirport

DER EUROAIRPORT, DAS KLIMA UND DIE UMWELT

Am EuroAirport Basel-MulhouseFreiburg (EAP) ist der Neustart nach dem Absturz in der Pandemie gelungen. Die Passagierzahl 2022 kletterte auf etwas über sieben Millionen und lag damit fast doppelt so hoch wie im Vorjahr. Zum Niveau von 2019 –die 9,1 Millionen waren damals Rekord – fehlen aber immer noch 23 Prozent.

25 Fluggesellschaften waren im vergangenen Jahr vom EAP aus zu 90 Destinationen geflogen. Die Zahl der Starts und Landungen stieg um knapp ein Drittel auf 84.136. Die wichtigste Fluggesellschaft bleibt Easyjet mit gut vier Millionen Passagieren (Marktanteil: 58 Prozent). Dahinter folgt Wizz Air mit elf Prozent, die vor allem mit der kosovarischen Hauptstadt Pristina punktet (520.000 Passagiere), über die nicht zuletzt viele Beschäftigte im Dreiländereck pendeln. Pristina ist London (389.000 Passagiere) und dem drittplatzierten Istanbul weit davongeflogen. Istanbul wird von April an nun gar nicht mehr angeflogen, weil der Ferienfluganbieter Corendon Air seine erst im Juli 2021 eröffnete Basis am EAP wieder schließt – und statt 17 Zielen dann nur noch Ankara anfliegt. Ab dem 10. Mai fliegt dafür Cyprus Airways zwei Mal wöchentlich Larnaka an.

Das Geschäft mit der Fracht sackte zwar leicht durch (um 4,2 Prozent auf 114.320 Tonnen). Wegen des Frachtverkehrs spielt der EAP aber auch eine strategische Rolle im regionalen Logistikcluster. Der dritte Geschäftsbereich, Wartung und Umbau von Flugzeugen, bilanzierte etwa auf Flughöhe mit dem Vorjahr. „Das industrielle Kompetenzzentrum des EuroAirport ist von weltweiter Bedeutung und generiert ein Drittel der direkten Arbeitsplätze auf der Flughafenplattform“, heißt es in einer Pressemitteilung. Stationiert sind Jet Aviation, AMAC Aerospace, Air Service Basel und die Nomad Technics AG.

Mit direkten und indirekten Jobs verzeichnet die Plattform 6220 Arbeitsplätze. Damit bleibt der Flughafen einer der großen Arbeitgeber in der trinationalen Region. Die Betreibergesellschaft füllte zuletzt 367 Lohntüten – 32 mehr als 2021. Im laufenden Jahr plant die Crew um Captain Matthias Suhr mit 7,4 Millionen Fluggästen. Nach wie vor sei das geopolitische und wirtschaftliche Umfeld von vielen Unsicherheiten geprägt. Bei der Fracht und der Industrie sind keine großen Veränderungen zu erwarten. Etwa 30 Millionen Euro will Suhr heuer investieren, acht Millionen mehr als 2022.

Das von der EU vorangetriebene Programm „Fit für 55“ (CO2-Reduktion bis 2030 um 55 Prozent) wird in den kommenden Jahren kostspielige Maßnahmen fordern. Genauso wichtig wie kleinere Schuhe für den CO2-Fußabdruck ist am EAP die Reduzierung des Lärms, vor allem zwischen 23 und 24 Uhr. Schon am 1. Februar 2022 wurden geplante Starts in dieser Zeit verboten. Zudem dürfen besonders laute Flugzeuge gar nicht mehr zwischen 22 und 6 Uhr landen oder starten. Kurios: Zwar konnten die Starts nach 23 Uhr um 68 Prozent verringert werden, die Lärmsituation zwischen 23 und 23.15 Uhr hat sich aber verschlechtert. Das liegt daran, dass viele Flugzeuge, die vor der Einführung nach 23 Uhr starteten, nun ganz kurz vor 23 Uhr geplant werden. Damit werden die Gemeinden rund um den Flughafen nach 23 Uhr sogar mehr überflogen als früher.

„Das ist aus Sicht des EuroAirport nicht akzeptabel“, heißt es in einer Pressemitteilung. Er setze sich deshalb mit den französischen und schweizerischen Aufsichtsbehörden, mit den betroffenen Fluggesellschaften und mit eigenen Infrastrukturanpassungen für Verbesserungen ein, um die vermehrten Überflüge wieder zu reduzieren.

Beim eigenen Fußabdruck will der EAP bis 2030 eine Netto-Null erreichen. Dafür bezieht er seit Mai 2020 ausschließlich grünen Strom aus Europa, hat sich im vergangenen September ans Fernwärmenetz und die Biomasse-Heizzentrale der Stadt Saint-Louis angeschlossen und wird 2025 mit der Inbetriebnahme der neuen BiomasseHeizzentrale von RCU-E auf dem Flughafengelände 90 Prozent der Wärme regenerativ einkaufen. bar

chilli | business im Breisgau | 03.2023 | 27 Foto: © Cyprus Airways_Photo_CP Luftverkehr
Neu am EuroAirport: Cyprus Airways bietet erstmals Flüge nach Larnaka an.
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Die Mission des Scrum Master

Marvin Kownatzki ist das neue Gesicht der Lexware-Recruiting-Kampagne

Der Master of Scrum (auf Deutsch: Gedränge) ist so etwas wie ein Teamleiter. Scrum ist aber auch eine Methode, wie man in kleinen Teams möglichst agil und effektiv arbeiten kann. Als der Bund nach Ausbruch der Pandemie im zweiten Halbjahr 2020 etwa den Mehrwertsteuersatz von 19 auf 16 gesenkt, Anfang 2021 die Latte wieder auf 19 Prozent gelegt hatte, standen Millionen Buchhalter vor einer Herkulesaufgabe. Eine Lexware-Crew war sofort dran, eine Softwarelösung zu bauen, damit der Kunde sozusagen mit einem Klick alles richtig machen kann. Mit an Bord: der Scrum Master. „Wir sind in solchen Sachen wahnsinnig schnell, weil wir in kleinen Teams arbeiten und nicht so hierarchisch organisiert sind“, erzählt Kownatzki.

Einfach machen. So lautet die Mission des Freiburger Software-Spezialisten Lexware. Wobei man entweder das „einfach“ betonen könnte oder auch das „machen“. Mehr als eine Million Selbstständige, Start-ups, kleine und mittlere Unternehmen nutzen heute die digitalen Helfer von Lexware. Ein Rad im Getriebe von 400 Mitarbeitenden ist Marvin Kownatzki. Der 28-Jährige ist Scrum Master. Und ein Gesicht der im März startenden Recruiting-Kampagne.

Auch als der Gesetzgeber im vergangenen Januar das Steuerrecht für Solaranlagen novelliert hat, wurde sofort ein Team gebildet, zu dem immer ein Scrum Master, ein Product owner (frei übersetzt: der Mehrwertbeschaffer) und ein Programmierer zählen. Bei Lexware ist der Kick immer der eine Klick. Die Kundschaft soll sich auf ihr Geschäft konzentrieren, nicht auf die Buchhaltung. Allein 200.000 nutzen heute die Software lexoffice, die alle Geschäftsprozesse rund um Rechnungen, Buchhaltung, Lohn- und Gehaltszahlungen automatisiert. Offenbar nicht nur so lala: Das Tool wurde zuletzt mit dem deutschen Servicepreis 2022 in der Kategorie „Finanzen“ als „Beste Online Buchhaltung“ ausgezeichnet.

Neulich meldete sich ein Kunde mit einem Problem in der Warenwirtschaft. Er wolle das einfacher, funktionaler, selbstständiger laufen lassen. „Wir haben dann 120 Kundeninterviews geführt und eine lange Liste von Bedürfnissen erarbeitet. Jetzt müssen wir daraus Features ableiten und die dann priorisieren“, sagt Kownatzki. Das läuft meist nach der sogenannten MoSCoW-Methode: Must-have, Shouldhave, Could-have, Won't-have. Der gebürtige Lörracher hatte in Würzburg studiert, bei Lexware seine Bachelorarbeit geschrieben – „damals kannte ich den Begriff Scrum Master noch gar nicht“ –, dann ein Praktikum gemacht und wenig später war er auch schon an Bord, hatte seinen ersten Arbeitsvertrag in der Tasche. Während sich die Kundschaft fragt, wie alles noch einfacher werden kann, fragt sich Kownatzki: Wie können wir zusammenarbeiten, wie können wir als Team gut sein? Wie wird kommuniziert? Wie klein oder groß muss das Team sein? Wann, warum und wie müssen wir skalieren? Wie kurz sind unsere iterativen Schleifen? „Früher gab es oft sehr lange Entwicklungshorizonte, heute schauen wir nur zwei Wochen in die Zukunft. Wir setzen nicht mehr auf lange Linien, sondern reagieren schnell auf Veränderungen“, sagt der Scrum Master. Er ist einer von 9 Scrum Mastern bei lexoffice, es gibt 20 Teams, die jeden Tag an neuen Lösungen für die Kunden arbeiten. „97 Prozent der Realwirtschaft sind unsere Kunden, das treibt uns an“, sagt Nicole Packhaeuser, Brand- und PRManagerin bei Lexware.

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Nun auch in der Öffentlichkeit: Marvin Kownatzki beim Shooting in der Lokation der Lokhalle.
Breisgau
Quelle: © Lexware
Software made im

Für die Kunden, die Solo-Selbstständigen, Freelancer, Gründerinnen und Kleinunternehmer, hat Lexware nicht nur Softwarelösungen parat, sondern auch drei Initiativen gegründet. „lexfree“ fürs Netzwerken, „Lexrocket“ als Gründungs- und Start-up-Förderinitiative und das Magazin „Tell your story“: Darin sind keine Geschichten aus dem Paulaner Biergarten, sondern Erfolgsgeschichten von Menschen, die die Digitalisierung quasi als Teammitglied begreifen, um mehr Zeit für ihre Träume, Ideen und Visionen zu haben. „Wir müssen unseren Kunden den Rücken freihalten“, hat Kownatzki die Botschaft verinnerlicht.

Lexware legt viel Wert auf die Förderung junger Leute, in der Firma, aber auch außerhalb. So fördert der Betrieb mittlerweile rund 4500 Schulen und Bildungsträger mit kostenloser Software, unterstützt den Verein Kinderlachen oder auch die Arbeiterwohlfahrt Freiburg, um hilfsbedürftigen Kindern

die Teilnahme an sozialen und kulturellen Aktivitäten zu ermöglichen. Das heute von Jörg Frey und Christian Steiger geführte Unternehmen wurde 1989 von Axel Wessendorf gegründet. Vier Jahre später hatte der Rudolf Haufe Verlag (heute: Haufe Group) 76 Prozent der Anteile übernommen, 1997 verkaufte Wessendorf auch die anderen 24 Prozent. Seit 2010 wird die Marke Lexware unter dem Dach der Haufe-Lexware GmbH &

Mit 2500 Menschen

430 Millionen Euro umgesetzt

Co. KG geführt, ist mit fast einer Million User Marktführer im Bereich Finanzsoftware in Deutschland. „Wir sind Marktführer, weil wir uns ständig weiterentwickeln“, sagt Kownatzki. Die Haufe Group erwirtschaftete im Geschäftsjahr 2021/22 mit rund 2500 Beschäftigten 430 Millionen Euro Umsatz.

Und wächst weiter. Der Scrum Master kommt gerade von seinem daily Stand-up zurück an den Monitor. Jeden Tag trifft sich Kownatzki 15 Minuten mit unterschiedlichen Teams. Bei einem ist gerade das Thema, „wie wir neue Mitarbeitende noch besser onboarden können, wie wir unsere Werte und Prinzipien der Zusammenarbeit noch besser vermitteln können“. Dann gab es noch ein Kickoff für ein neues Thema. Das aber intern bleibt.

Der Job des Scrum Master passt gut zu Kownatzki. Er arbeitet gerne mit Menschen, kann gut Gruppen moderieren. Bei seinem Hobby, dem Kochen, setzt der 28-Jährige allerdings nicht so sehr auf Teamarbeit. „Da nehme ich eher die Wünsche meiner Verlobten an, gehe auf den Markt, stöbere in Rezepten, koche dann aber alleine.“ Er macht es eben einfach.

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Mehr Ruhe beim Arzt

Tomes GmbH will Patienten und Medizinern Zeit verschaffen

Wer der Ärztin seine Beschwerden schildert, ist danach nicht immer zufrieden. Zu wenig Zeit. Zu unpräzise Angaben. Das Freiburger Start-up Tomes möchte das ändern: Es hat die Anamnese-Software Idana auf den Markt gebracht – und ist auf Wachstumskurs. Ein Arzt findet: Das Tool ist Gold wert.

Drei junge Menschen haben sich 2016 in Freiburg zusammengetan, um die Welt der Arztpraxen umzukrempeln. Ihre Idee: Patient·innen sollen nicht mehr im Behandlungszimmer ihre Beschwerden schildern, sondern in aller Ruhe vorab. Dafür stellt Idana digitale Formulare zur Verfügung, die vor dem Praxisbesuch ausgefüllt werden können. Patient·innen geben Beschwerden an genau wie Vorerkrankungen, Allergien oder Medikamente, die sie nehmen. Den Behandelnden werden die Infos aufbereitet und bereitgestellt.

„Der Bericht spuckt jedes Detail aus, Warnsymptome werden hervorgehoben, auf der ersten Seite gibt’s eine Zusammenfassung“, erklärt Lilian Rettegi. Die 33-Jährige ist CEO von Tomes und eine der drei Gründer. Ihre Eltern waren selbst Ärzte: „Ich bin mit dem Beruf aufgewachsen, mit der Leidenschaft, aber auch mit den Sorgen, die man so hat“, berichtet sie im schicken Konferenzraum der Firma auf dem Freiburger Güterbahnhofsgelände. Das Gefühl, als Arzt „immer hinterherzulaufen und nie gut vorbereitet zu sein“, kenne sie. Daher hat sie die Idee ihrer Mitstreiter Lucas Spohn und Jerome Meinke auf Anhieb überzeugt. 650 Ärzte in zirka 400 Praxen nutzen Idana mittlerweile, berichtet Rettegi. 670.000 Euro Umsatz generiere ihre Firma. 2022 war das bisher erfolgreichste Jahr: „Im November hat Tomes doppelt so viele Lizenzen an Arztpraxen verkauft wie im verkaufsstärksten Monat bis dato“, meldet das Unternehmen. Von rund einer Million Patienten gaben 93 Prozent an, die Software erneut verwenden zu wollen. „Das Bedürfnis ist da“, sagt Rettegi. Eine der PatientenRückmeldungen sei gewesen: „So gut wurde ich noch nie befragt.“

Laut Idana spart ein Arzt mit dem Tool rund zehn Stunden im Monat. Können das die Nutzenden bestätigen? Der Allgemeinmediziner Florentin Thum ist mit seiner Freiburger Praxis in Corona-Zeiten an Grenzen gestoßen. „Wir hatten enorme Telefonanfragen“, berichtet der 45-Jährige. Idana sei damals unschlagbar gewesen, um die Abläufe zu erleichtern. „Das Programm kann man vielfältig einsetzen“, sagt Thum. Er nutze es viel für bürokratische Prozesse wie Datenerfassungen. Fürs Impfen sei das Tool „Gold wert“ gewesen. Patienten konnten beispielsweise ihren Impfstatus angeben und ob sie zu einer Risikogruppe zählen.

„Der Benefit ist weniger die Zeitersparnis, es ist eher die zunehmende Präzision“, sagt Thum. Die Gefahr verpasster Infos nehme ab. Noch bedienungsfreundlicher könne Idana werden, wenn es tiefer ins Praxissystem eingebunden werde. „Ein Träumchen wäre, in meinem System einen Idana-Button zu haben“, sagt der Mediziner. Auch Patienten auf das ausgefüllte Formular eine unmittelbare Rückfrage schicken zu können, fände er praktisch.

Lilian Rettegi sieht im Markt großes Potenzial. 100.000 niedergelassene Praxen gebe es in Deutschland. Und auch im Ausland sei ihr System anwendbar. „Keine Zeit zu haben, ist auf der ganzen Welt ein Thema.“

30 | chilli | business im Breisgau | 03.2023 Illustration: © iStock.com/elenabs, Foto: © Idana
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Setzt auf Digitales: Tomes-CEO Lilian Rettegi

Bionik in der Botanik

Das Gewächshaus im Botanischen Garten ist mit bionischer Verschattung

Was haben eine Paradiesvogelblume, eine Venusfliegenfalle, ein Wasserrad und ein Betriebsgebäude im Botanischen Garten der Universität Freiburg gemeinsam? Thomas Speck, Biologie-Professor und Direktor des Botanischen Gartens in Freiburg, erforscht genau diese Zusammenhänge und vieles mehr zum Thema „Bionik“ seit mehr als 20 Jahren. Nun gehen Forschung und Entwicklung in den Praxistest über: An einer Wand am vollverglasten Betriebsgebäude im Botanischen Garten wird eine Fassadenverschattung realisiert, die weltweit Pioniercharakter hat.

Speck führt das Funktionsprinzip an einer gerade aufblühenden Paradiesvogelblume vor: Als er durch Herabdrücken der zu einer Sitzstange verbundenen zwei Blütenblätter einen bestäubenden Vogel imitiert, biegt diese sich nach unten und die Blüte öffnet sich, um Pollen und Nektar freizugeben. Lässt er los, klappen alle Teile wieder in den Ausgangszustand zurück. Die reversible Verformung verzichtet vollständig auf Gelenke, ist effizient und langlebig. Diese Eigenschaften wollen die Forscher der Plant Biomechanics Group Freiburg zusammen mit Ingenieuren und Architekten der Uni Stuttgart technisch umset-

Die Klappmechanismen der Venusfliegenfalle und des Wasserrads funktionieren ähnlich. Elastisch verformbare Gebäudeteile sollen nun im Bauwesen für gelenk- und verschleißfreie und somit wartungsarme Beschattung sorgen. „Bionik“ nennt der Fachmann diese von der Natur inspirierte, aber die Vorbilder nicht 1:1 übernehmende, sondern in realisierbare Technik umsetzende Forschungsrichtung. Herausgekommen sind die Fassadenverschattungssysteme Flectofin und Flectofold.

Während ein Gebäude mit auf dem Flectofin-Prinzip basierenden Modulen bereits auf der EXPO 2012 in Südkorea bewundert werden konnte, wird Flectofold erstmals in Freiburg getestet. Die Elemente sind aus unterschiedlich flexiblen Schichten von Fasern zusammengesetzte Leichtbauplatten, die

durch sanften Druck und Entlastung wie zwei Flügel auseinander- und wieder zusammenklappen. Engmaschig nebeneinandergesetzt, sollen sie die Fassade des Gewächshauses im Sommer vollständig vor der Sonne abschirmen und sich bei Bewölkung oder im Winter öffnen, um Licht hereinzulassen.

Nach langer Planung war es am 8. Februar so weit: Die ersten Module wurden am Stahlunterbau angebracht. Nach der Montage weiterer rund 200 Elemente wurden diese mit Strom versorgt, um die durch Druckluft bewegte Mechanik zentral steuern zu können. Sobald die ersten heißen Tage den 14 im Gebäude Arbeitenden um Gärtnermeister Dirk Rohleder zu schaffen machen, wird sich zeigen, wie gut das System für ein angenehmes Klima sorgt.

Die Erwartungen in die neuartige Technik sind hoch. Dirk Rohleder: „Mit der Beschattung werden Sozialräume, Aufenthaltsraum, Küche, Umkleiden, Toiletten und das Büro im 1. OG, im EG ein Seminarraum und das Eckbüro beschattet. Hoffen wir, dass die Beschattung die Räume vor Überhitzung schützt. Im Sommer hatten wir hier an die 35 Grad Celsius. Da war nachmittags an Arbeiten nicht mehr zu denken.“

Finanziell gefördert wurde die Pionierarbeit der Freiburger und Stuttgarter Exzellent-Cluster livMatS und IntCDC durch das Land BadenWürttemberg. Für den ebenfalls im Botanischen Garten stehenden livMatS-Pavillon gab es bereits mehrere Preise und Auszeichnungen. Und bei der Technischen Fakultät hat am 10. März ein weiterer livMats-Pavillon und damit ein weiteres Beispiel innovativer bionischer Baukunst in Freiburg eröffnet.

Reinhold Wagner

chilli | business im Breisgau | 03.2023 | 31
ein weltweites Pionier-Objekt
»Platten, die wie Flügel arbeiten«
Die Ersten von 200: Mit Druckluft werden die Module gesteuert.
Immobilien
Foto: © Pixabay Foto: © Reinhold Wagner

Wasser im Wein

Rekord und Sorgen in der Tourismusbranche

Es gibt etwas zu feiern. Zumindest auf den ersten Blick. Die Freiburg Wirtschaft Touristik und Messe GmbH (FWTM) meldet bei der Tourismusbilanz über zwei Millionen Übernachtungen im vergangenen Jahr. Ein Rekord. Doch plagen die Branche weiterhin Sorgen. Dazu gehören Auslastung, Saisonalität sowie fehlende Fach- und Arbeitskräfte.

Zweimillionenundvierzigtausend. So viele Übernachtungen zählten Freiburger Beherbergungsbetriebe mit mindestens zehn Betten vergangenes Jahr. Sogar gegenüber dem Vorkrisenjahr 2019 entspricht das einem Plus von 11,9 Prozent. Die Hotellerie verzeichnet mit circa 1,4 Millionen Übernachtungen ein Plus von rund 8 Prozent gegenüber 2019. „Das sind Zahlen, mit denen wir so nicht gerechnet hätten“,

Die Top 5 bei den Übernachtungen in Freiburg

1. Schweiz: 138.111

2. Frankreich: 47.124

2. Niederlande: 41.085

4. Spanien: 37.833

5. Italien: 33.508

Gewinner in Prozent und in Zahlen (Vergleich 2019)

Niederlande: + 10,6 auf 41.085

Österreich: + 7,3 auf 15.118

Frankreich: + 0,2 auf 47.124

Verlierer in Prozent und in Zahlen (Vergleich 2019)

Arab. Golfs.: -32,7 auf 11.329

UK: -30,8 auf 19.139

Spanien: -23,5 auf 37.833

Das Freiburger Ergebnis hält sie für einzigartig, zumindest für Städte in Baden-Württemberg. Das Statistische Landesamt hat für 2019 rund 52 Millionen Übernachtungen im Ländle errechnet. Vor der Pandemie waren es ungefähr fünf Millionen mehr. Die Schwarzwald Tourismus GmbH (STG) spricht derweil für Januar bis November 2022 von rund 20,1 Millionen Übernachtungen – und bleibt damit unter Vorkrisenniveau. Lediglich in den Monaten Mai, August, September und Oktober lagen die Werte leicht über denen von 2019. Ob Freiburgs Tourismusbranche auf den „Wachstumspfad“ zurückgekehrt ist – da setzt Pankow ein Fragezeichen. Auch Hanna Böhme ist nicht nur nach Feiern zumute. „Da ist viel guter Wein im Glas, aber da ist auch ein bisschen Wasser“, sagt die FWTM-Geschäftsführerin. Gepanscht haben den edlen Tropen nicht

sagt Franziska Pankow, FWTM-Abteilungsleiterin Tourismus, Convention Bureau & Events.
Foto: © iStock.com/Corri Seizinger
32 | chilli | business im Breisgau | 03.2023 Tourismus

zuletzt fehlende ausländische Gäste. Zwar haben 2022 rund 495.000 von ihnen nach Freiburg gefunden. Das sind aber 13 Prozent weniger als 2019. Dabei seien Gäste aus dem Ausland besonders wichtig: Laut Pankow bleiben sie in der Regel länger und geben mehr Geld aus. Sorgen bereitet auch die Saisonalität: Freiburg ist im Sommer, vor allem im Juli und August, ein sehr beliebtes Reiseziel. Januar, Februar, März und November bezeichnet Pankow dagegen als sehr schwach. Auch bei der Auslastung der Betten sieht sie Spielraum. In der Hotellerie liegt die durchschnittliche Auslastung bei 51 Prozent, mehr als sechs Prozent weniger als vor der Pandemie. Ein Grund: Seit 2019 gibt

Auslastung ist die wichtigste Zahl

es 1400 mehr Betten in Freiburg. „Für uns in der Hotellerie ist ganz klar die Auslastung die wichtigste Zahl“, sagt die Hoteldirektorin des Adagio Access, Wiltrud Rösler, zugleich Vorsitzende Tourismus und Hotellerie beim Branchenverband Dehoga Freiburg-Stadt. Bewegung könnten Projekte bringen, die sich aktuell in Arbeit befinden. Dazu gehört der Aufbau einer touristischen Datenbank. „Damit katapul-

Übernachtungen in Freiburg: Mit dem Tourismus geht es wieder bergauf.

tieren wir uns datentechnisch ins 21. Jahrhundert“, sagt Pankow. Zudem soll das Tourismuskonzept fortgeschrieben werden. Die nächste touristische Marketingkampagne soll sich ferner auf Frühjahr und Herbst konzentrieren. Für Patrick Graf-Mathias, Direktor vom Mercure am Münster und Vize-Vorsitzender des Dehoga Freiburg-Stadt, ist eines besonders wichtig: Gäste in Freiburg sollen wieder kommen. Zentral sind für Graf-Mathias die Attraktivität von Innenstadt und Einzelhandel. „Es muss an einer Strategie gearbeitet werden, um den Leerstand zu reduzieren und die Attraktivität der Innenstadt für Gäste, Freiburger und Investoren zu steigern“, findet er. Zudem sei es ein Unding, dass Gäste des Colombi-Hotels abends nicht guten

Gewissens zum Schlössle flanieren könnten. Auch müsse die Kultur weiter gefördert werden.

Kirsten Moser, Geschäftsführerin des Colombi und des Hotel Stadt Freiburg, treiben neben Energie- und Lebensmittelkosten vor allem fehlende Arbeitskräfte um: „Gerade an stark frequentierten Wochenenden und Monaten fehlt mir ausreichend Personal, um beispielsweise die Zimmer zu reinigen“, sagt sie. Zudem stellt die angespannte Wohnraumsituation Hotelangestellte vor Probleme: Sie haben Schwierigkeiten, in Freiburg eine Unterkunft zu finden oder auch wegen fehlender ÖPNV-Anbindungen rechtzeitig aus dem Umland anzureisen.

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0 200.000 400.000 600.000 800.000 1.000.000 1.200.000 1.400.000 1.600.000 1.800.000 2.000.000 2.200.000 Übernachtungen gesamt Übernachtungen Hotellerie Gäste gesamt Gäste Hotellerie Anteil Ausland an Übernachtungen 736.900 906.100 1,43 Mio. 2,04 Mio. 495.320
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Datenquelle: Statistisches Landesamt Baden‐Württemberg; Darstellung: FWTM

Hopp+Hofmann feiert 150-Jähriges Freiburgs ältestes Bauunternehmen

Bärbel Schäfer: „Die Unterstützung von Investitionen im ländlichen Raum trotz des schwierigen Umfeldes im Baubereich, setzt ein starkes Zeichen sowohl von Seiten des Landes als auch von Seiten der Projektträgerinnen und Projektträger bei uns im Regierungsbezirk.“

Badenova erhöht den Strompreis

FREIBURG. Das familiengeführte Bauunternehmen Hopp-Hofmann feiert 2023 sein 150-Jähriges. Als Maurermeister Lampert Hopp am 17. Februar 1873 die heute älteste Baufirma Freiburgs gründete, gab es viel zu tun für den tüchtigen Handwerker, denn die Stadt wuchs damals stark an. Nicht nur am Annaplatz, in der Erwin-, Zasius- und Glümerstraße tragen noch heute Häuser die Handschrift des Firmengründers. Anfang des 20. Jahrhunderts war das Unternehmen vor allem in den damals neu entstehenden Stadtteilen Wiehre und Herdern aktiv. Seit der Eheschließung des Architekten Karl Hofmann mit Lambert Hopps Tochter Frieda im

FAIR ways Förderpreis: 82.500 Euro für Engagement in der Region

FREIBURG. Gemeinsam mit seinen 14 „FAIR ways“-Partnern unterstützt der SC Freiburg auch dieses Jahr wieder gemeinnützige Institutionen und Projekte aus der Region, die sich wie der Sport-Club in den Bereichen Bewegung, Bildung, Umwelt und Solidarität engagieren. Seit der ersten Vergabe im Jahr 2012 konnte der SC zusammen mit seinen Partnern insgesamt 695.500 Euro ausschütten. Die Bewerbungsfrist für die Preise 2023 endet am 31. März.

Jahr 1902 firmieren die Freiburger unter dem Namen Hopp+Hofmann. Die Geschäfte mit aktuell 22 Mitarbeitenden führt in fünfter Generation Stefan Hofmann.

Setzten die „Hoppis“ in den vergangenen 20 Jahren ausschließlich auf Umbau, Renovierung und Sanierungen, wollen sie sich künftig stärker in der Immobilienentwicklung positionieren, alte Wohnhäuser und Gewerbeimmobilien kaufen, revitalisieren und dann entweder verkaufen oder vermieten. Mit Stefan Hofmanns Sohn Maurice, studierter Bauingenieur, steht übrigens bereits die 6. Generation in den Startlöchern.

30,4 Millionen Euro für den ländlichen Raum

FREIBURG. Das Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz Baden-Württemberg hat fürs laufende Jahr 100 Millionen Euro zur Unterstützung des ländlichen Raums freigegeben. Wie das Regierungspräsidium Freiburg (RP) mitteilt, entfällt ein Drittel auf den Regierungsbezirk Freiburg. Dadurch werde ein Investitionsvolumen von mehr als 206 Millionen Euro angestoßen. In 146 Gemeinden sind 393 Einzelprojekte zur Förderung vorgesehen. Regierungspräsidentin

FREIBURG. Nachdem der südbadische Energieversorger Badenova die Strompreise trotz aller Turbulenzen über den Jahreswechsel und das erste Quartal noch stabil gehalten hat, erhöht er zum 1. April nun seine Tarife. Und zwar kräftig: Der Preis in der Grundversorgung erhöht sich für einen Durchschnittsverbrauch von 2500 kWh/Jahr – nach Berücksichtigung der Strompreisbremse – um rund 43 Prozent. Eigenen Angaben zufolge bleibe man im Landesvergleich einer der günstigsten Anbieter der Grundversorgung und liege elf Prozent unter dem Durchschnitt. Badenova erhöht die Abschlagszahlungen automatisch und berücksichtigt dabei bereits die kundenindividuelle Entlastung durch die Strompreisbremse. Mehr Infos: badenova.de/preisanpassung-strom.

Auftragsrekord für ystral

BALLRECHTEN-DOTTINGEN. Der südbadische Misch- und Dispergiertechnik-Spezialist ystral hat sein Auftragsvolumen im vergangenen Jahr um rund 13 Prozent auf 52,2 Millionen Euro gesteigert. „Vor dem Hintergrund eines geopolitisch und wirtschaftlich schwierigen Umfeldes sind wir mit dem Verlauf des zurückliegenden Geschäftsjahres sehr zufrieden“, so Karl Prem, Geschäftsführer Operation & Finance bei ystral. Zu den wichtigsten Entwicklungen zählt die Kooperation mit der Fraunhofer-Einrichtung Forschungsfertigung Batteriezelle FFB in Münster. „Schätzungen gehen in den kommenden Jahren von einem Wachstum des Bedarfs an Speicherbatterien um den Faktor 30 aus“, so Dominik Seeger,

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Die Hoppis: Das Team um Geschäftsführer Stefan Hofmann (mit Schild) will künftig auch Gebäude selber kaufen und entwickeln.
bib
Foto: © Hopp+Hofmann

Bereichsleiter Strategischer Vertrieb bei ystral. „Angesichts dessen stellt diese Kooperation einen Meilenstein in der Entwicklung unseres Unternehmens dar.“

Morgenstern-Gruppe expandiert

FREIBURG/REUTLINGEN/LÖRRACH. Die Morgenstern-Gruppe, die auch in Freiburg eine Niederlassung betreibt, hat nach der Eröffnung der Niederlassung in Lahr und der Gründung der Morgenstern solutions AG in Basel nun auch den Geschäftsbereich Print Services der Printcom Output Management GmbH in Lörrach übernommen und baut damit ihre Marktposition als „größtes unabhängiges Dokumentensystemhaus Baden-Württembergs“ weiter aus, heißt es in einer Pressemitteilung.

Bewerbungsfrist für Innovationspreis verlängert

Die Technologiestiftung BioMed hat die Bewerbungsfrist für den Freiburger Innovationspreis 2023 um einen Monat auf Ende März verlängert. BioMed vergibt den von der Sparkasse Freiburg-Nördlicher Breisgau unterstützten Preis zusammen mit der Stryker Leibinger GmbH & Co. KG. Er ist mit insgesamt 10.000 Euro dotiert. Zusätzlich stiften zum zweiten Mal die Industrie- und Handelskammer Südlicher Oberrhein und die Handwerkskammer Freiburg zwei mit jeweils 3000 Euro dotierte „Sonderpreise“ für die Bereiche Industrie, Ge werbe, Handel und Dienstleistungen sowie Handwerk

Mehr Info: freiburg.de/innovationspreis

Wörnle als Tourismusheld ausgezeichnet

FREIBURG. Für seinen herausragenden Einsatz für den Touris mus in Baden-Württemberg sowie sein besonderes Engagement in der „Kategorie Beherbergung“ wurde Rüdiger Wörnle schäftsführer BCW Hotels & Resorts GmbH der CMT-Messe in Stuttgart als Tourismusheld vom Staatssekretär des Ministeri ums für Wirtschaft, Arbeit und Tourismus Baden-Württem berg, Patrick Rapp, ausgezeichnet.

5,85 Millionen für die Forschung

EMMENDINGEN. Die inomed Medizintechnik GmbH startet drei neue Forschungsprojekte im intraoperativen Neuromonitoring. Gefördert vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) wird das Unternehmen 5,85 Millionen Euro in die Erforschung von Zukunftstechnologien und die Entwicklung von Medizinprodukten investieren. Zur inomed Gruppe gehören über 300 Mitarbeiter, neun Tochtergesellschaften und ein großes Netzwerk von Händlern in mehr als 100 Ländern.

chilli | business im Breisgau | 03.2023 | 35 Menschen und Meldungen
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Sparkasse Markgräflerland bilanziert

Die Sparkasse Markgräflerland hat ihre Bilanzsumme im vergangenen Jahr um 236 Millionen auf 3,28 Milliarden Euro gesteigert. Das Kreditvolumen legte um 184 Millionen auf 2,33 Milliarden Euro zu, die Kundeneinlagen um 10 Millionen auf 1,79 Milliarden. Das Eigenkapital wächst ebenfalls um 10 auf 329 Millionen Euro, der Jahresüberschuss liegt nach Reservenbildung und Steuern bei fünf Millionen Euro. „Wir sind und bleiben eine grundsolide Bank“, bilanzierte der Vorstandsvorsitzende Ulrich Feuerstein

Sick AG spendet 60.000 Euro

WALDKIRCH. Das Sensorunternehmen Sick und seine Belegschaft haben 60.000 Euro für „Ärzte ohne Grenzen“ gespendet. Damit wird ein Krankenhaus in Sierra Leone unterstützt. Das afrikanische Land leidet seit Jahren an den Folgen eines Bürgerkrieges und der schlimmsten Ebola-Epidemie weltweit. Angestoßen hat die jährliche Spendenaktion der Betriebsärztliche Dienst von Sick unter der Leitung von Thomas Hössel: „Obwohl wir gemeinsam mit dem Unternehmen und der Familie Sick letztes Jahr schon über eine halbe Millionen Euro für Menschen aus der Ukraine gesammelt haben, konnten wir auch Ärzte ohne Grenzen tatkräftig finanziell unterstützen. Das ist wunderbar. Das Krankenhaus, deren Mitarbeitende und die vielen Helferinnen und Helfer in Sierra Leone leisten unglaubliche Arbeit vor Ort, sowohl medizinisch als auch humanitär“.

Zöllner entlarven Betrüger

LÖRRACH, FREIBURG, OFFENBURG. Einen Schaden von insgesamt mehr als 4,5 Millionen Euro an den Sozialleistungs- und Sozialversicherungsträgern deckten die 162 Zöllnerinnen und Zöllner des Hauptzollamts Lörrach (HZA) im vergangenen Jahr auf.

Rund 1100 Unternehmensprüfungen und mehr als 10.300 Personenbefragungen lieferten Hinweise und Feststellungen, welche Anlass zu weiteren Ermittlungen gaben. Am Ende führten sie zu mehr als 2200 neuen Straf- und 840 Ordnungswidrigkeitenverfahren. Mehr als 2300 Straf- und 540 Bußgeldverfahren konnten parallel abgeschlossen werden. Massive Regelverstöße führten zu insgesamt mehr als elf Jahren Freiheitsentzug und einer Gesamtsumme an Geldstrafen, Verwarnungs- und Bußgeldern von jeweils mehr als einer halben Million Euro, heißt es in einer HZA-Pressemitteilung. Die Bekämpfung organisierter Formen der Schwarzarbeit und illegaler Beschäftigung, auch in gemeinsamen Ermittlungsgruppen mit den Polizeien und Steuerfahndungen der Länder, bildet den Schwerpunkt der Arbeit des HZA. Täter in weit vernetzten Bandenstrukturen, die europaweit tätig sind, verursachen hohe Sozialversicherungs- und Steuerausfälle und stören den fairen Wettbewerb erheblich. bib

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Quintett für den Campus

mbpk gewinnt Wettbewerb für Gemeinschaftsschule in Dietenbach

das mit großer Selbstverständlichkeit gelöst“, sagte Haag am Abend der Bekanntgabe. Den zweiten Preis gewann das Büro Sauerbruch Hutton aus Berlin, die Bronzemedaille gewannen Michel + Wolf Architekten aus Stuttgart.

Für Rüdiger Engel, Leiter der Projektgruppe Dietenbach, interpretiert der Siegerentwurf „die städtebaulichen Zielsetzungen für den neuen Stadtteil Dietenbach in herausragender Weise und projiziert sie auf den Schulund Sportcampus. Hierdurch entstehen eine innovative Bildungslandschaft und ein qualitätsvoller Freiraum für Sport und Freizeit.“

Das Freiburger Architekturbüro mbpk hat zusammen mit RMP Stefan Lenzen Landschaftsarchitekten aus Bonn den Wettbewerb für den Schulcampus im geplanten Stadtteil Dietenbach gewonnen. „Dietenbach nimmt immer mehr Gestalt an. Mit diesem prägnanten, funktionalen und ökologischen Entwurf für den Schul- und Sportcampus steigt die Vorfreude auf den neuen Stadtteil“, sagte Baubürgermeister Martin Haag unlängst bei der Präsentation.

Zwei Tage lang hatte eine hochkarätig besetzte Jury unter dem Vorsitz der Architektin Jórunn Ragnarsdóttir aus Stuttgart die 17 Entwürfe bewertet. „Mit der präzisen Setzung von fünf Gebäuden, die über eine in Ost-West-Richtung verlaufende Magistrale verbunden sind, entstehen unterschiedliche Vorplatzsituationen, die einerseits eine gute Adressierung der einzelnen Schul- und Sportgebäude und andererseits wohlproportionierte Vorzonen zu den Eingangsbereichen bieten“, heißt es in der Begründung der Jury.

Hoch in der Bewertungsmatrix standen die pädagogische Funktionalität, die Gestaltungsqualität, die Holzbaubauweise und eine ansprechende Freiraumgestaltung der Schulflächen sowie des Sport- und Bewegungsparks. „Der ausgewählte Entwurf fügt sich städtebaulich harmonisch in das Umfeld ein. Mit gekonnt versetzten Baukörpern gelingt es, allseitig gut proportionierte Freiräume zu formulieren. Der Schulcampus als Auftakt für die Bebauung entfaltet in seiner Höhenentwicklung eine unverwechselbare Silhouette, die aus der Ferne zur Identität des Ortes beiträgt“, sagte Ragnarsdóttir. Spektakulär unspektakulär könnte man den Entwurf auch bezeichnen. „Ja, man hat gesehen, wie die anderen Büros sich mit den vielfältigen Aufgaben schwergetan haben, mbpk hat

Im Schulcampus sollen mal 1700 Schülerinnen und Schüler lernen. Eine Mensa, ein Veranstaltungssaal mit Bühne, zwei Sporthallen sowie ein Kinder- und Jugendtreff standen auch auf der Agenda für die Planer. Die fünf Gebäude haben eine Bruttogeschossfläche von rund 27.500 Quadratmetern. Der Campus wird mitsamt der Freiflächen – aus heutiger Sicht – bis zu 150 Millionen Euro kosten. So steht es in der Kalkulation des Stadtteils. Der Sport- und Bewegungspark soll nicht nur dem Schulsport dienen, sondern für alle Menschen in Dietenbach und Rieselfeld zugänglich sein. Und auch dem Verein „Sport vor Ort“ zur Verfügung stehen.

„Für die Wettbewerbsteilnehmer war eine große Herausforderung, keinen klassischen Schulbau mit Klassenzimmern und Fluren entstehen zu lassen“, so Ingrid Geiß, die Vize-Leiterin des Amtes für Schule und Bildung. Die Offenheit stehe im Vordergrund, Flure und Treppenhäuser werden zu Lernräumen und das Klassenzimmer habe ausgedient: „Der Siegerentwurf zeigt Wege auf, mit denen es möglich ist, Schule nicht nur pädagogisch, sondern auch baulich neu zu denken.“

Aufbauend auf den Siegerentwurf soll die Entwurfsplanung mit der Kostenberechnung Ende 2024 dem Gemeinderat zur Entscheidung vorgelegt werden. Der Baubeginn könnte dann 2026 sein. Spätestens 2029 soll zumindest ein erster Teil des

Alle Entwürfe: freiburg.de/dietenbach

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Foto: © Seeger/Stadt Freiburg; Visualisierung: © mbpk/RMP Spektakulär unspektakulär: So kann der Campus mal aussehen
Stadtentwicklung

Die Welt, die Wirtschaft in Zahlen

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Kilometer, die in Deutschlang zugelassene Fahrzeuge 2021 zurückgelegt haben (in Mio.) 670.000 Kilometer, die allein Bauarbeiter aus Freiburg im Jahr 2023 fahren werden, um auf ihre Baustellen zu kommen (in Mio.) 6,6 Erdumrundungen, die die Bauarbeiter aus Freiburg im Jahr 2023 machen werden, um auf ihre Baustellen zu kommen 164 Zahl der möglichen Standorte für CCS (Carbon Capture and Storage) in Deutschland 400 Speicherkapazität (in Mio. t) 10.000 Ausstoß von CO2 in Deutschland im Jahr 2021 (in Mio. t) 762 Im Stau verbrachte Stunden je Fahrer im Jahr 2022 in Freiburg 43 Im Stau verbrachte Stunden je Fahrer im Jahr 2022 in Stuttgart 37 Im Stau verbrachte Stunden je Fahrer im Jahr 2022 in München 74 Anteil der Siedlungs- und Verkehrsfläche an der gesamten Bodenfläche in Deutschland Ende 2021 (in Prozent) 14,1 Anteil der Siedlungs- und Verkehrsfläche an der gesamten Bodenfläche in Berlin Ende 2021 (in Prozent) 70,6 Anteil der Siedlungs- und Verkehrsfläche an der ges. Bodenfläche in Mecklenburg-Vorpommern Ende 2021 (in Prozent) 8,4 Anteil der Siedlungs- und Verkehrsfläche an der gesamten Bodenfläche in Baden-Württemberg Ende 2021 (in Prozent) 14,8 Alter der jüngsten Mutter, die 2022 in Freiburg ein Baby zur Welt brachte 15 Alter der ältesten Mutter, die 2022 in Freiburg ein Baby zur Welt brachte 51 Alter des ältesten Mannes, der 2022 in Freiburg Vater wurde 68 Mitarbeitende der Sparkasse und Volksbank in Freiburg im Jahr 2014 1796 Mitarbeitende der Sparkasse und Volksbank in Freiburg im Jahr 2022 1357 Bilanzsumme der Sparkasse und Volksbank in Freiburg im Jahr 2014 (in Mrd.) 8,39 Bilanzsumme der Sparkasse und Volksbank in Freiburg im Jahr 2022 (in Mrd.) 11,96 Geschäftsstellen der Sparkasse und Volksbank in Freiburg im Jahr 2014 119 Geschäftsstellen der Sparkasse und Volksbank in Freiburg im Jahr 2022 (ohne SB) 45 Zahl der Kirchenaustritte 2022 in Freiburg 3805 Zahl der Kirchenaustritt im bisherigen Rekordjahr 2021 2946 Studierende je Wohnheimplatz im Jahr 2022 in Garching bei München 83 Studierende je Wohnheimplatz im Jahr 2022 in Freiburg 5 Studierende je Wohnheimplatz im Jahr 2022 in Heilbronn 19 Zahl der in Baden-Württemberg am 31.3.2022 Inhaftierten 6211 Anteil von Frauen an den in Baden-Württemberg am 31.3.2022 Inhaftierten (in Prozent) 5 Anteil von Frauen an den vor Gericht rechtskräftig Verurteilten in Baden-Württemberg (in Prozent) 17 Lars Bargmann
Idee: brandeins Quellen: IG Bau, freiburg.de, Landesamt für Statistik BW, Bundesamt für Statistik, inrix.com, eigene Recherchen Fakten
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