Automarkt
»Das ist eskaliert« Darum sagen Messegesellschaft und Händler die Automobil 2022 ab
Ein Bild aus einer fast schon vergessenen Zeit: Nachdem Corona der Messe im laufenden Jahr schon einen Strich durch die Rechnung gemacht hatte, fällt sie im kommenden Jahr nun der Chipkrise zum Opfer.
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und 15 Millionen Euro Umsatz haben die Händler bei der Freiburger Automobil 2019 gemacht, 2020 waren es 12 Millionen. Im kommenden Jahr werden es null Euro sein. Die Automobil 2022 ist abgesagt. Schweren Herzens, wie Messechef Daniel Strowitzki Ende Oktober erklärte. Einen so eklatanten Liefermangel wie in diesen Zeiten haben die Autohändler im Breisgau noch nie erlebt.
Nach dem bereits abgesagten Genfer Autosalon trifft die globale Halbleiterkrise nun auch Freiburg. „2021 durften wir nicht, 2022 können wir nicht“, sagt Tobias Gutgsell, Sprecher der Interessengemeinschaft Freiburger Autohäuser und Geschäftsführer beim BMW-Autohaus Märtin. Die Händler befänden sich derzeit in einer „sehr, sehr herausfordernden“ Lage. „Der Halbleitermangel hat inzwischen viele Branchen erreicht, das ist eskaliert“, so der Kestenholz-Geschäftsführer Volker Speck. Weil die Händler kaum neue Autos bekommen, könnten sie auf der Messe auch wenig zeigen, geschweige denn verkaufen. Da in die DNA der Freiburger Automobil – anders als bei der IAA oder im Autosalon – auch das Verkaufen fest eingewoben ist, biegt sie nun nach dem pandemiebedingten Ausfall 2021 zum zweiten Mal in eine Sackgasse ab. Dabei sind die Auftragsbücher nicht nur bei Märtin oder bei der Freiburger Mercedes-Benz-Niederlassung ausgerechnet jetzt so prall wie selten gefüllt. Auch beim Autohaus Sütterlin (Skoda) oder bei der Kollinger-Gruppe (Land und Range Rover, Jaguar,
Volvo, Mitsubishi, Fiat, Alfa Romeo) wird aktuell um so gut wie jedes Fahrzeug gerungen. „Wir erleben sozusagen das Long Covid der Wirtschaft“, sagt Ralph Kollinger. Das jahrzehntelang funktionierende Modell mit der Just-in-time-Produktion sei durch gestörte Lieferketten, Sondereffekte wie Digitalisierungsschübe, Homeoffice oder auch den blockierten Suez-Kanal „komplett ins Stottern geraten“. Auch für Marcus Sütterlin sind die „externen Faktoren aktuell so stark wie selten zuvor“. Die Hersteller warten auf Teile, die Mietwagenbranche speist nach den Reisebeschränkungen im Corona-Jahr so gut wie nichts in den Jahreswagenmarkt ein, Leasingfahrzeuge werden nicht zurückgegeben – die Verträge werden einfach stillschweigend verlängert. Auch junge Gebrauchte sind immer seltener zu haben. Lange suchten die Händler Kunden für ihre Autos, heute suchen sie Autos für ihre Kunden. So beackern die Händler auch den Markt der privaten Verkäufer, wollen das Geschäft nicht den wirkaufendeinauto.deoder mobile.de-Plattformen überlassen. „Wir sind da weit über die Landes- oder Bundesgrenzen aktiv“, sagt Gutgsell. Auch Bernhard Schmolck vom gleichnamigen Autohaus in Emmendingen kauft intensiver als sonst Fahrzeuge von Privaten, um die geplanten Umsätze halbwegs halten zu können: Weil kaum Neuwagen zu haben sind, leert sich peu à peu auch der Gebrauchtwagenmarkt. Und je leerer der wird, umso voller wird’s in der Zeile, in der die Preise angegeben werden. Auf der anderen Seite wächst die Kompromissbereitschaft der Kundschaft mit der Intensivität des Mangels. Dann ist es eben doch nicht ganz so wichtig, ob
Foto: © Nicolas Kuri
Früher suchten Autos Kunden, heute Kunden Autos
12 | chilli | business im Breisgau | 11.2021