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Wa rum ich (kein) De utsch mag“ nen– eine Unter su chung der Mo ti va tion zum De utschler

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„Wa rum ich (kein) De utsch mag“– eine Unter su chung der Motivation zum Deutschlernen

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Über set zung von Ve li mir Pe tro vi}

Von den ehemaligen, jetzigen und potenziellen Deutsch Lernenden ist oft die Meinung zu hören, Deutsch sei eine schwer zu erlernende Sprache, wohingegen Englisch viel leichter, schöner und nützlicher sei. Worauf beruht diese Auffassung und gibt es eine Rechtfertigung dafür? – Eine Verfolgung und Untersuchung der Motivation zum Fremdsprachenlernen bei den Osijeker Schülern deutet auf gewisse Gründe für diese Erscheinung hin, aber auch auf Möglichkeiten, wie die Veränderung dieser Beziehung zum Deutschen im positiven Sinne zu beeinflussen wäre.

Den Osijekern war Deutsch bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges eine gut vertraute Sprache. Fast jeder Einwohner der Stadt Osijek, ob jung oder alt, bediente sich damals der Osijeker Variante der deutschen Sprache – des "essekerischen"1 Idioms. Wie nahe diese Variante der deutschen Standardsprache stand, das hing vom Bildungsgrad des Einzelnen ab bzw. von der Dauer einer systematischen Erlernung dieser Sprache, der er in der Schule ausgesetzt war. Deutsch als Unterrichtfach war zu jener Zeit in dieser Gegend überhaupt nicht fragwürdig. Neben dem etwas schwächer vertretenen Französischen galt Deutsch als Weltsprache, die jeder gebildete Mensch beherrschen musste. Deshalb war Deutsch ein obligatorisches Unterrichtsfach in allen Schulen, in denen auch Fremdsprachen gelehrt wurden. Weder Eltern noch Schüler sträubten sich dagegen, wenn auch damals ebenso viele Schüler Probleme bei der Beherrschung der Grammatik und der Rechtschreibung der deutschen Standardsprache hatten.

Der Zweite Weltkrieg hat die Beziehung zum Deutschen nicht nur in unserem Land, sondern auch in der ganzen Welt von Grund auf verändert. Die Verarmung Deutschlands nach dem Ersten Weltkrieg, besonders aber die nationalsozialistische Politik im Deutschland der 30er Jahre führte dazu, dass führende österreichische und deutsche Köpfe in allen Bereichen der Wissenschaft und Kunst ins Exil gingen. Die Mehrheit der Vertriebenen fand ihre neue Heimat in einem der Länder des englischen Sprachraums. So verlor die deutsche Sprache, die anfangs des 20. Jahrhunderts die primäre Sprache wissenschaftlicher Publikationen und Abhandlungen war, ihre führende Position zu Gunsten des Englischen, dessen

1 Die Stadt Osijek wird in dieser Mundart Essek (standardsprachlich Esseg) genannt (Anm. des Übersetzers).

Einfluss von der Zeit an kräftig zunimmt, so dass es heute schon die Stufe erreicht hat, die von keiner anderen Sprache zu erreichen ist.

Deutschland hatte den Krieg verloren, aber der Verlierer im Krieg war, wie gewöhnlich, nicht nur die deutsche politische Führung, sondern das ganze deutsche Volk und damit auch die deutsche Sprache. Volksdeutsche wurden nach dem Krieg von ihrem heimischen Herd, wo sie jahrzehntelang friedlich und glücklich gelebt und geschaffen hatten, vertrieben und die deutsche Sprache wurde, besonders in unseren Gebieten, aus den Lehrprogrammen als Sprache des Feindes gestrichen. Die östlichen Sieger zwangen ihre Sprache, das Russische, als Ersatz auf und machten daraus ein Pflichtfach in allen Schulen des sog. Ostblocks. Ihr Wunsch war, die russische Sprache zur Weltsprache der internationalen Verständigung zu erheben, die dann mit dem Englischen Schritt halten sollte. Die Folge solch einer Zwangstat äußerte sich selbstverständlich im Hass und Abneigung der Schüler gegen die russische Sprache, die sie lernen mussten und weder Sinn noch Nutzen darin sahen. Man muss jedoch zugeben, dass Jungwissenschaftlern und -forschern in den im Krieg verarmten Ländern die Beherrschung des Russischen zugute kam, weil russische Wissenschaftspublikationen, obwohl sie die neuesten Errungenschaften zum Inhalt hatten, im Unterschied zu den beispielsweise englischen oder amerikanischen sehr billig waren, denn die Russen kamen zu den Angaben "piraterisch" d. h. ohne die Urheberrechte zu beachten.

In den ersten Jahren ihrer Herrschaft ließ die kommunistische Regierung des damaligen Jugoslawien eine negative Beziehung zu den Deutschen und deren Sprache entstehen und sie systematisch weiternähren. Ältere Generationen erinnern sich wahrscheinlich an die ersten heimischen Kriegsfilme, in denen die Deutschen nur negative Gestalten sein durften: Faschisten, Okkupanten, Mörder, Verräter oder Feiglinge. Auf diese Art und Weise wurde bei jüngeren Generationen eine Abneigung gegen die deutsche Sprache hervorgerufen; die Folgen dessen spürte man auch, nachdem Deutsch als eine der gleichberechtigten Weltsprachen in die Schulprogramme wiederaufgenommen worden war. Da die sonst bilingualen Osijeker aus Angst und Vorsicht den Gebrauch des Deutschen in der alltäglichen Kommunikation vermieden, waren jüngere Generationen nicht mehr dem Deutschen zu Hause ausgesetzt, so dass auch dieser positive Einfluss verloren ging.

Die völlige Isolation vom Westen dauerte glücklicherweise wesentlich kürzer für Jugoslawien als für die Ostblockstaaten. Schon in den 60er Jahren wurde Deutschland für eine große Anzahl unserer Menschen verlockend, weil sie dort eine Lösung ihrer Existenzprobleme fanden. Die massenhafte Beschäftigung unserer Arbeiter in Deutschland änderte auch die Beziehung zum Deutschen. Die Kinder unserer Arbeiter bekamen so die Gelegenheit, mit ihren Eltern im deutschen Sprachraum zu leben. Im Unterschied zu den Eltern beherrschten sie schnell die deutsche Sprache, der sie tagtäglich ausgesetzt waren. Viele dieser Kinder kehrten mit guten Deutschkenntnissen zurück und setzten die Ausbildung in unserem Lande fort.

So war in den 70er und 80er Jahren die deutsche Sprache den Osijekern wieder vertraut, diesmal in ihrer "Gastarbeiter"-Variante. Die Motivation zum Deutschlernen stieg sichtlich an, aber in der Zwischenzeit war die Motivation zum Englischlernen noch schneller gestiegen sowohl wegen eines realen Bedürfnisses, diese Sprache zu lernen, als auch als Folge einer stark entwickelten Medienwerbung. Im Jahre 1969 sponserte die Osijeker Fabrik "Saponia" die Einführung des Englischen in allen Kindergärten in Osijek (in keinem einzigen aber die Einführung des Deutschen). Einige Jahre danach wurde Englisch experimentell in niederen Klassen etlicher Volksschulen2 in Osijek eingeführt. An der "Volksuniversität" wurden Englischkurse für Kinder gehalten. Englisch wurde absolut Sprache Nummer 1, ohne die es keine Zukunft mehr gab.

Glücklicherweise haben die Schöpfer der Bildungspolitik erkannt, dass das Lernen nur einer Fremdsprache nicht genug ist und dass man den Schülern ermöglichen soll, schon in der Volksschule zwei Fremdsprachen zu lernen. Seitdem realisieren manche Schulen den Unterricht der zweiten Fremdsprache unterschiedlich: als fakultativen oder als Wahlfachunterricht, gratis oder mit finanzieller Beteiligung der Eltern. Die zweite, sowohl von Eltern als auch von Kindern ausgewählte Fremdsprache ist fast ausschließlich Deutsch. Eine 1988 durchgeführte Befragung der Eltern von Drittklässlern in fünf Volksschulen in Osijek und dessen naher Umgebung zeigt, dass über 80% der Eltern den Wunsch geäußert haben, dass ihr Kind Englisch als erste Fremdsprache lernt; 70% derselben Eltern wünschen, dass ihr Kind noch eine Fremdsprache in der Volksschule lernt. Etwa 90% davon möchten, dass diese zweite Fremdsprache Deutsch ist. Diese Wünsche wurden in den 80er Jahren von der Mehrheit der Schulen in Osijek erfüllt.

Mit dem Anstieg der Deutschlernerzahl kam ein neues Problem zum Vorschein –Mangel an fachlich und didaktisch ausgebildeten Lehrkräften, die diese Schüler unterrichten könnten. Von 1961 an wurden an der Pädagogischen Akademie Osijek Englischlehrer für das Lehramt an Volksschulen ausgebildet. Etwa zehn Jahre später immatrikuliert die Pädagogische Akademie die erste Studentengeneration für ein zweijähriges Studium der deutschen Sprache. Da für so ein Studium Vorkenntnisse bzw. praktische Fertigkeiten erforderlich sind, gab es nicht viele Bewerber, die sich für das Studium immatrikulieren und es erfolgreich abschließen konnten

Dieser Mangel an für ein erfolgreiches Studium erforderlichen Vorkenntnissen war noch krasser nach der Gründung der Pädagogischen Fakultät 1977 zu spüren, an der ein vierjähriges Studium der englischen und der deutschen Sprache, beides als Hauptfach, aufgebaut wurde. In den ersten zehn Jahren seines Bestehens wurden zwangsläufig auch Bewerber fast ohne irgendwelche Deutschkenntnisse zum Studium zugelassen. So immatrikulierte Studierende wurden darauf hingewiesen, dass sie diesen Mangel bis zum Ende des ersten Studienjahres beheben müssen, damit ihre Kenntnisse in beiden Fremdsprachen im zweiten Studienjahr gleich sind. Viele hatten Erfolg dabei, brauchten aber ein oder zwei Jahre dazu und mussten

2 in Kroatien "Grundschule" genannt, sie umfasst die ersten acht Klassen (Anm. des Übersetzers)

deshalb das erste Studienjahr wiederholen; jedoch gaben fast 50% der Studierenden nach den ersten erfolglosen Versuchen das Studium, auch das des Englischen, auf.

In den letzten zehn Jahren hat sich die Situation sichtlich verändert. Während des Heimatkrieges verbrachte ein Großteil der Schüler des damaligen Kriegsgebietes einige Monate oder Jahre in Deutschland oder Österreich, wo sie dem Einfluss des Deutschen in einer natürlichen Umgebung ausgesetzt waren. Die Beziehung des souveränen Kroatien zu Deutschland und Österreich war wieder freundschaftlich, was die Motivation zum Deutschlernen positiv beeinflusste. Eine unter den Anglistik- und Germanistikstudenten im Mai 2000 durchgeführte Befragung besagt, dass von den 130 Studierenden in allen vier Studienjahren 48 schon vor der Immatrikulation oder während der Studienzeit einige Monate bis einige Jahre im deutschen Sprachraum verbracht haben. Gleichzeitig haben 61 Studierende schon von niederen Klassen der Volksschule an Deutsch gelernt, d. h. mindestens neun Jahre lang vor der Immatrikulation.

Bei derselben Befragung wurden die Studierenden aufgefordert, eigene Englisch- und Deutschkenntnisse zur Zeit der Immatrikulation zu bewerten. Aus ihren Antworten geht hervor, dass 23% unter ihnen der Meinung sind, ihre Fertigkeiten seien in beiden Sprachen gleich gewesen, 55% meinen, ihre Beherrschung des Deutschen sei schwächer gewesen als die des Englischen, während 22% die Meinung vertreten, dass sie besser Deutsch als Englisch gekonnt hätten. Die dritte Gruppe besteht vorwiegend aus Studierenden, die eine längere Zeit in Deutschland oder Österreich gelebt haben. Den angeführten Angaben zufolge haben 45% der Studierenden am Anfang des Studiums keine Probleme mit der deutschen Sprache gehabt.

Da alle Studierenden beide Sprachen in der Volks- und/oder in der Mittelschule3 gelernt haben, wurde von ihnen verlangt, eine Erklärung dafür zu geben, warum sie in einer der Sprachen schwächer waren. Den Grund dafür sehen die meisten darin, dass sie die betreffende Sprache eine kürzere Zeit gelernt haben, was jedenfalls auch der Hauptgrund ist. Als zusätzlichen Grund für ihre schwächeren Deutschkenntnisse führen 62% der Studierenden die schwächere Organisiertheit des Deutschunterrichts in der Schule an, die sie besucht haben, 33% geben an, sie seien zum Deutschlernen schwächer motiviert gewesen, während 30% der Meinung sind, Deutsch sei schwerer zu erlernen als Englisch.

Die schwächere Organisiertheit des Deutschunterrichts lässt sich z. T. damit erklären, dass fachlich und didaktisch geschulte Deutschlehrer dünner gesät sind im Vergleich zu den geschulten Englischlehrern. Eine langjährige vom British Council und dem Amerikanischen Kulturzentrum gut organisierte, für Englischlehrer gedachte Hilfeleistung in Form von Seminaren und Konferenzen hat zur permanenten Weiterbildung der Englischlehrer sichtlich beigetragen. Darüber hinaus wetteifern schon jahrelang britische und amerikanische Verlage miteinander bei der Gestaltung und Herausgabe von maximal attraktiven Lehrbüchern für

3 Auf der Volksschule aufbauende drei- bis viertklassige Schule: mittlere Fachschule und Gymnasium (Anm. des Übersetzers)

Lernende aller Altersstufen im Rahmen des Englisch-als-Fremdsprache-Unterrichts. Ganze Teams von Fachleuten, Linguisten und Didaktikern streben danach, möglichst attraktive Methoden und Unterrichtsmaterialien auszuarbeiten, die dem Lernenden den Englischunterricht ständig interessant machen würden.

Die unseren Lehrern zugänglichen Unterrichtsmaterialien für Deutsch sind inhaltlich, didaktisch und visuell erst unlängst sowohl für Schüler als auch für Lehrer verlockender geworden. Wahrscheinlich war auch diese Tatsache der Grund für die schwächere Motiviertheit zum Deutschlernen.

Wie lässt sich aber die Auffassung erklären, Englisch sei leichter und Deutsch schwerer zu erlernen?

Die beiden Sprachen sind germanischer Herkunft. In den längst vergangenen Zeiten waren die Unterschiede zwischen ihnen viel geringer. Historische Ereignisse im 11. bis 13. Jahrhundert haben zu großen Veränderungen im Englischen geführt. Deutsch ist heute immer noch eine Sprache mit reichlich ausgebauter Flexion, mit einer Fülle von grammatischen Endungen zur Bezeichnung des Genus, Numerus und Kasus, während Englisch erst acht Endungen zur Änderung der Wortform kennt, von denen nur eine zur Bezeichnung des Plurals der Substantive und keine einzige zur Kasusbezeichnung der meisten Substantive dient. Darüber hinaus gibt es gar keinen Unterschied im grammatischen Geschlecht der englischen Substantive. So braucht der Englisch Lernende sich nur eine Form des Substantivs und des Adjektivs (mit Ausnahme der Komparation der Adjektive) zu merken und schon kann er das Wort im Satz gebrauchen, wobei er nur auf seine Stellung in Bezug auf andere Wörter zu achten hat.

Im Deutschen muss der Lernende vom ersten Tag des Lernens an auf das Geschlecht der Substantive achten, das sich sehr oft mit dem grammatischen Geschlecht im Kroatischen nicht überlappt. Es gibt keine logische Erklärung dafür, warum z. B. das Wort "stolica" (’Stuhl’) im Kroatischen weiblich und dessen Äquivalent im Deutschen männlich ist oder, was noch schlimmer ist, warum das Wort "Mädchen" im Deutschen sächlich ist. Noch größere Schwierigkeiten entstehen, wenn dem Substantiv ein adjektivisches Attribut hinzugefügt wird und dann der Artikel, das Substantiv und das Adjektiv im Dativ oder Akkusativ gebraucht werden sollen. Selbstverständlich gibt es Regeln, die schön bestimmen, wann welche Endung zu gebrauchen ist, jedoch müssen sie gelernt werden, was für die Mehrheit der Lernenden uninteressant ist.

Die Unveränderlichkeit der Wörter im Englischen ermöglicht dem Schüler in der Anfangsphase des Unterrichts viel schnellere Fortschritte als dies im Deutschunterricht der Fall ist und eben diese Tatsache erweckt den Eindruck, Englisch sei leichter zu erlernen.

Jedoch hat auch das Englische seine Tücken, die auf etwas höheren Lernstufen intensiver zum Ausdruck kommen. Vor etwa fünfzig Jahren wurde Englisch für eine "schwere" Sprache gehalten, und das ist es auch immer noch für viele erwachsene Lernende. Was die Englische Sprache schwer macht, ist das Fehlen von

Ausspracheregeln bzw. ein großer Unterschied zwischen der Lautgestalt und dem Schriftbild des Wortes. Das Problem der Aussprache ist aber heute wesentlich gemildert dank der Vielfalt der auf Tonband aufgezeichneten Lehrmaterialien, die im Unterricht ihre Anwendung finden. Darüber hinaus ist man dem Einfluss des Englischen außerhalb des Unterrichts dermaßen ausgesetzt, dass die englischen Sprachlaute, der Rhythmus und die Satzmelodie unseren Schülern nicht mehr fremd sind.

Moderne auf die mündliche Kommunikation gerichtete Unterrichtsmethoden im Fremdsprachenunterricht führen mit Hilfe von auditiven und audiovisuellen Hilfsmitteln scheinbar schneller zum Erfolg auf der Anfangsstufe des Englischunterrichts, was die Motivation zum Weiterlernen anregt. Demgegenüber verlangsamt die im Deutschunterricht stark ausgeprägte Möglichkeit, falsche Endungen zu gebrauchen, den Fortschritt in dieser Sprache in der Anfangsphase des Lernens, was die Motivation zum Weiterlernen schwächt. Unterschiede in der diese zwei Sprachen betreffenden Lernmotivation kommen am stärksten bei den Schülern zum Ausdruck, die mit dem Lernen des Deutschen begonnen haben, nachdem sie schon einige Jahre Englisch gelernt hatten. Schüler, die in den niederen Klassen der Volksschule zuerst Deutsch zu lernen begonnen haben, die also die Hauptschwierigkeiten dieser Sprache schon bewältigt hatten, bevor sie Englisch zu lernen anfingen, haben in der Mehrheit der Fälle die gleiche Beziehung zu den beiden Sprachen und akzeptieren die Unterschiede zwischen ihnen als natürliche Erscheinung. Dies bestätigt auch die Angabe, dass sich etwa zehn Studierende des Englischen und des Deutschen geäußert haben, sie hätten lieber Deutsch als Englisch, manche sind sogar der Meinung, Deutsch sei "leichter", weil sein Regelwerk klarer sei. Es handelt sich dabei vorwiegend um Studierende, die eine längere Zeit im deutschen Sprachraum gelebt haben. Unter ihnen sind aber auch solche, die seit niederen Klassen der Volksschule die deutsche Sprache als Fremdsprache lernen.

Wieso mögen diese Studierenden Deutsch und warum finden sie es nicht schwer, sondern sogar leichter als Englisch? – Während sie sich im deutschen Sprachraum aufhielten, lernten sie Deutsch in natürlichen Verhältnissen unter dem Druck des alltäglichen Bedürfnisses, mit den Menschen ihrer Umgebung zu kommunizieren. Der Prozess des Fremdsprachenlernens war für sie dem Prozess der Aneignung der Muttersprache ähnlich. Die alltägliche Aussetzung der deutschen Sprache regte sie zum Sprechen an, ohne dass sie dabei nachdachten, wie sie etwas sagen würden. Sie hörten andere sprechen und bedienten sich der Sprache in realen Lebenssituationen; angeregt durch mit Erfolg endende Versuche, zu sagen, was sie zu sagen hatten und zu verstehen, was ihnen mitgeteilt wurde. Allmählich veränderten sie, bewusst oder unbewusst, ihren Sprachgebrauch, um ihn – eigene Fehler bewusst oder unbewusst korrigierend – dem Sprachgebrauch der Umgebung anzupassen. Sie brauchten nicht über grammatische Regeln nachzudenken. Der alltägliche Gebrauch der Sprache entwickelte bei ihnen die Fähigkeit, Formen zu unterscheiden, die Muttersprachler des Deutschen akzeptieren, die daher richtig sind, von denen, die von Muttersprachlern abgelehnt werden, und deshalb unkorrekt sind.

Leider haben nicht alle unsere Schüler die Gelegenheit, Deutsch im Lande der Muttersprachler zu lernen. Was könnte also getan werden, um die Motivation unserer Schüler zum Deutschlernen zu steigern? – In erster Linie sollte man die Eltern beeinflussen, sie davon überzeugen, dass nicht nur Englischkenntnisse für die Zukunft ihrer Kinder wichtig sind. Im vereinten Europa ohne Grenzen wird auch die deutsche Sprache ebenso wichtig sein. Englisch- und Deutschkenntnisse werden in Zukunft dem Europabürger das Leben wesentlich leichter machen.

Die unter den Eltern der Drittklässler einiger Volksschulen in Osijek und Umgebung im Juni 2000 durchgeführte Befragung weist darauf hin, dass die Mehrheit der Eltern sich der Bedeutung des Deutschen bewusst ist. 69% der Eltern wünschen, dass ihr Kind zwei Fremdsprachen in der Volksschule lernt, 72% davon möchten, dass die zweite Sprache Deutsch ist. Wenn es aber um die Reihenfolge der Fremdspracheneinführung handelt, dann meint die Mehrheit der Eltern, man solle zuerst Englisch und später Deutsch lernen. Erst 16% der Eltern haben den Wunsch geäußert, dass ihr Kind erst Deutsch und dann Englisch lernt.

Ergebnisse der Untersuchung der Motivation zum Deutschlernen zeigen aber, dass sie besser und beständiger bei jenen Schülern ist, die im frühen Alter mit dem Lernen dieser Sprache angefangen haben. Die im Ausland und bei uns durchgeführten Untersuchungen haben gezeigt, dass das siebte Lebensjahr die optimale Altersstufe wäre, auf der man mit dem Lernen einer Fremdsprache anfangen sollte. Kinder dieser Altersstufe weisen gewisse biologische und psychologische Vorzüge auf, die ihnen das Fremdsprachenlernen erleichtern, unter der Voraussetzung, dass im Unterricht Methoden und Verfahren angewendet werden, die dieser Altersstufe angemessen sind. Kinder lernen nämlich Fremdsprachen auf eine natürlichere Art, die der Aneignung der Muttersprache näher ist. Sie nahmen nach, was sie hören, ohne über die Regeln nachzudenken. Für sie ist eine Sprache weder leicht noch schwer. Solche Schüler braucht man nicht die Sprache viel zu lehren, noch weniger soll man ihnen Kenntnisse über die Sprache vermitteln. Man soll einfach beharrlich und geduldig zu ihnen in der Fremdsprache reden und dabei die Gestik und Mimik reichlich in Anspruch nehmen, dies im entsprechenden Situationskontext, der den Kindern ermöglichen würde, das Gesagte zu verstehen. Für den Unterricht auf dieser Altersstufe eignen sich am besten jene Lehrkräfte, die entweder Muttersprachler sind oder die Fremdsprache wie Muttersprachler beherrschen, aber auch eine didaktische Ausbildung besitzen und alle für diese Art des Unterrichts erforderlichen Eigenschaften, vor allem viel Geduld und Liebe für Kinder haben.

Wie viel Kinder lernen heutzutage in Osijek im Kindergarten oder in niederen Klassen der Volksschule Deutsch? – Im Vergleich zu dem Englischen – sehr wenig. Fast in allen Osijeker Kindergärten wird Englischunterricht gegeben. Ebenso wird in der Mehrheit der Volksschulen von der ersten Klasse an Englisch gelehrt, während Deutsch, falls überhaupt, nicht früher als in der vierten oder fünften Klasse gelernt wird.

Das Lernen des Deutschen vor dem Englischlernen könnte die Motivation zum Englischlernen keinesfalls beeinträchtigen. Sie ist heute nämlich so stark, dass sie jeder Konkurrenz standhalten würde. Es ist heute kaum möglich, die englische Sprache früher oder später nicht zu erlernen, weil es überall um uns herum zu hören ist. Wegen der starken Aussetzung dem Englischen machen die Schüler, wenn sie nur systematisch zu lernen anfangen, schnell Fortschritte und können in kurzer Zeit in dieser Sprache mit Muttersprachlern oder Nicht-Muttersprachlern kommunizieren. Um die Stufe zu erreichen, auf der man einigermaßen korrekt auf Deutsch kommunizieren kann, braucht man wesentlich mehr Zeit. Das früher angesetzte Lernen des Deutschen könnte die Beziehung zu dieser Sprache verändern und sie dem Lernenden weniger "schwer" erscheinen lassen.

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