Mediales Alternativ-Bingo: Aufmerksamkeit um jeden Preis Ob soziale oder klassische Medien: PopulistInnen benötigen das Rampenlicht, ganz gleich wie. Hierfür wird gerne auch auf Falschinformationen und Übertreibungen zurückgegriffen – umso fragwürdiger oder extremer die Aussagen, desto besser. Mit SUMO konferierten darüber Stephan Russ-Mohl, Gründer des European Journalism Observatory und emeritierter Professor für Journalismus und Medienmanagement an der Università della Svizzera Italiana in Lugano, sowie Felix Simon, Leverhulme Doktorand am Oxford Internet Institute und Forschungsassistent am Reuters Institute for the Study of Journalism der Universität Oxford.
Covid-19 und Populisten: unterschiedliche Länder, unterschiedliche Strategien Die Kommunikationsstrategien der Populisten und Autokraten dieser Welt – SUMO missachtet ob männlicher Dominanz hier bewusst auf geschlechtssensible Sprache – unterschieden sich
in dieser pandemischen Zeit teils deutlich voneinander. Der Rechtpopulist und per Dekret zum Autokraten aufgestiegene Viktor Orbán griff laut „Der Standard“ zu gewohnten Maßnahmen und beschuldigte die „üblichen Verdächtigen“: George Soros und AusländerInnen. Letztere waren es laut dem Staatschef, die Covid-19 nach Ungarn brachten. Allerdings kamen vergleichsweise wenig TouristInnen auf Besuch, sondern mehr jene heimischen „GastarbeiterInnen“ aus Oberitalien und Tirol wieder nach Hause, die vermutlich das Virus mit sich brachten. Getestet wurden sie zum Großteil nicht. Orbán nutze die virale Notsituation Ungarns aus und zog der Demokratie vorerst den Stecker. Nachdem die EU und deren Kommissionspräsidentin Ursula Von der Leyen Kritik ausübte und sogar mit „Maßnahmen“ gedroht wurden, erwähnte der ungarische Staatschef im Zuge einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Serbiens Oberhaupt Aleksandar Vučić das voraussichtliche Auslaufen seiner Vollmacht mit Ende Mai 2020. Dies hinderte Viktor Orbán allerdings nicht daran, noch im Mai 2020 die Grund-
rechte von trans- und intersexuellen Menschen massiv einzuschränken. Der belarussische Präsident Alexander Lukaschenko hingegen leugnete jegliche Fakten zu Covid-19, wie „ZEIT Online“ berichtete. Offizielle Zahlen scheinen den Autokraten wenig zu interessieren. Wiederholend sprach er von der „Corona-Psychose“ und demonstrierte mit einer 3.000 SoldatInnen starken Militärparade im Zuge des heimischen „Tag des Sieges“ am 9. Mai seine Entschlossenheit. Selbst dem russischen Oberhaupt Vladimir Putin war die virale Lage zu heikel: Feierlichkeiten wurden abgesagt. Die Ignoranz von Lukaschenko in Kombination der Bilder und Berichte aus der EU und China führte dazu, dass die BürgerInnen der Republik Belarus sich freiwillig in Selbstisolation begaben, Homeoffice einführten und soziale Kontakte minimierten. Nachdem Chinas staatliche „Volkszeitung“ Ende Dezember 2019 die Krankheit vermeldete, verging fast ein Monat, in dem das Virus in Wuhan wütete. Dr. Li Wenliang, der die Entdeckung machte und davor warnte, wurde Anfang Jänner
© Copyright: adobe stock / Jürgen Fälchle
Entweder lassen PopulistInnen und deren Spin Doctors ihrer eigenen Kreativität freien Lauf oder sie verwerten „eingestaubte“ bzw. unbelegte Theorien. Das Ziel ist simpel: mediale Präsenz. Donald Trump hat bewiesen, welche Macht seine Tweets haben können. Selbst Börsenkurse sind dessen direktem Sprachrohr gegenüber nicht gewappnet, er muss dafür nicht einmal die zur Verfügung stehenden 288 Schriftzeichen verwenden. Direkte Kommunikation statt direkter Demokratie, Message out of Control oder gezielte Message Control: Mainstreammedien geben diese Botschaften, oft durch Screenshots verdoppelt, häufig unkommentiert wieder. Die Befürwortung erfolgt meist über befreundete gleichgesinnte Mediennetzwerke.
Mediales Alternativ-Bingo
27