„Illegale“, „EinwanderInnen“ oder „AsylantInnen“ werden sie in den Medien genannt. Sie selbst werden kaum zu Wort gebeten. Als Präsident Erdogan am 1. März 2020 verkündete, dass die Türkei syrische Kriegsflüchtlinge nicht mehr an der Weiterreise nach Europa hindern werde, entfachte die Migrationsdebatte erneut. Der Krieg dauert noch immer an Seit neun Jahren herrscht in Syrien ein erbarmungsloser Bürgerkrieg. Ausgelöst wurden die Spannungen durch friedliche Proteste gegen die autoritäre Herrschaft des Präsidenten Baschar alAssad während des Arabischen Frühlings 2011. Im Laufe des Konfliktes geriet der Gedanke der Demokratisierung zunehmend in den Hintergrund, stattdessen kam es zu einem Krieg unterschiedlicher Religionen und Ethnien. Gegenwärtig kämpfen die Türkei und islamistische Rebellen, sowie Terroristen in der Stadt Idlib gegen die syrische Armee des Präsidenten al-Assad, Russland und Iran. Die Türkei griff in die Auseinandersetzungen ein, um sich kurdische RebellInnen, die das Grenzgebiet beherrschen, vom nationalen Leibe zu halten. Erdogan möchte so progressive und emanzipatorische Bestrebungen der türkischen KurdInnen unterbinden. Zusätzlich werden die RebellInnen von Saudi-Arabien und den USA unterstützt, den Erzfeinden des Irans.
Flucht vor Diversität in österreichischen Medien und der Politik Die Wörter „Flüchtlingswelle“ und „illegaler Migrantenstrom“ sind aus der Berichterstattung des Jahres 2015 nicht mehr wegzudenken. Fünf Jahre später ist die Sprache der Politik und der Medien vielfach weiterhin aggressiv, bei RezipientInnen schürt diese Wortwahl Angst. Sie löst mitunter gar Panik aus, vor dem Ungewissen und dem Fremden. Laut der Bilanz 2019 des Bundesamts für Fremdwesen und Aysl (Stand: 10.01.2020) wurden seit 1. Jänner 2015 in Österreich mehr als 180.000 Asylanträge gestellt, trotzdem muss man nach den persönlichen Erfahrungen der Betroffenen in nationalen Medien mit der Lupe suchen. Nahezu ein Viertel der Bevölkerung Österreichs hat einen Migrationshintergrund. Für eine repräsentative Darstellung dieser müssten 45 der 183 Nationalratsabgeordneten einen Migrationshintergrund haben – tatsächlich sind es neun. Ebenso erheblich unterrepräsentiert sind diese Personen in österreichischen Medien, auch in Qualitätsmedien. Anstatt für mehr Diversität unter den eigenen MitarbeiterInnen zu sorgen, lassen sich maximal Gastkommentare zu besonderen Medienereignissen von ausländischen JournalistInnen finden. Marie-Claire Sowinetz von UNHCR betont, dass die Perspektive der Flücht-
linge in der Berichterstattung oft zu kurz kommt. „Vor allem in der Zeit von 2015 bis 2016 wurde festgestellt, dass es häufig nur zwei Arten der Berichterstattung über Flüchtlinge gab: entweder Flüchtlinge als Opfer darzustellen, oder als potenzielle Bedrohung für die Aufnahmeländer“, erinnert sie sich. Während sich die negative Berichterstattung über Flucht in den letzten Jahren bei 4% der Artikel hielt, zeigt eine Studie des Wiener Publizistikinstituts, dass es im Jahr 2019 schon 7% waren, berichtete Hausjell bei einer Veranstaltung im April 2019 im Rahmen des Projekts „Core – Integration im Zentrum“. Der Anteil positiver Berichterstattung über AsylwerberInnen lag 2019 bei 21,8%, im Vorjahr um 1,7% höher. Das Projekt der Stadt Wien wurde durch den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung im Rahmen der „Urban Innovative Actions Initiative“ kofinanziert. Die 2019 publizierte Studie „Stumme Migranten, laute Politik, gespaltene Medien“ der Otto Brenner-Stiftung untersuchte die Berichterstattung über die Themen Flucht und Migration in 17 Ländern. Verglichen wurden 2.400 Artikel aus sechs Wochen zwischen August 2015 und März 2018. In Deutschland wurden die „Süddeutsche Zeitung“ und die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ Untersuchungsobjekte. Die Studie ergab, dass lediglich in einem Viertel der Berichte die Geflüchteten im Mittel-
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Die Krise der Europäischen Union ist heute fünf Jahre her, trotzdem versuchen täglich Menschen nach Europa zu gelangen. Jeden Tag wird über sie berichtet, aber wie? Was bewirken die bewusst gewählten Begriffe in unserer Mediengesellschaft? SUMO hat dazu mit einem Geflüchteten, sowie mit Univ.-Prof. Fritz Hausjell (Univ. Wien) und Marie-Claire Sowinetz, Mitarbeiterin der UNO-Flüchtlingsorganisation UNHCR gesprochen.
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Emotionalisierung und Dramatisierung um jeden Preis
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