Die (Ohn-)Macht des Presserates Die einen bezeichnen ihn als zahnlosen Tiger und die anderen vergleichen ihn mit dem „Politbüro der Kommunistischen Partei in China“. SUMO hat dem Presserat auf den Zahn gefühlt und dazu mit Alexander Warzilek, Geschäftsführer des Presserates, und Alexandra Halouska, Stv. Chefin vom Dienst bei der „Kronen Zeitung“ und neues Senatsmitglied des Presserates, gesprochen.
Verstöße und Konsequenzen – „in the eye of the tiger“ Laut der letzten Fallstatistik 2019 wurden dem Presserat im vergangenen Jahr 297 Beiträge österreichischer Printmedien gemeldet. Davon haben, nach Prüfung der Senate, 37 Fälle auch tatsächlich gegen den Ehrenkodex der Branche verstoßen. Warzilek nennt den Persönlichkeitsschutz, das Gebot gewissenhaft zu recherchieren und Informationen richtig darzustellen, die Diskriminierung gesellschaftlicher Gruppen und die Unterscheidung zwischen redaktionellem Inhalt und Werbung als die wichtigsten Punkte, die sich in den Verstößen am häufigsten wiederfinden würden. Gegen den Persönlichkeitsschutz verstoßen haben „kleinezeitung.at“, „vol. at“, „heute.at“, „krone.at“ und „oe24.at“, als sie ein Video veröffentlichten, das einen Sportler – unverpixelt und nicht unkenntlich gemacht – bei der Nordi-
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Thema Die (Ohn-)Macht des Presserats
schen Ski-WM in Seefeld beim Eigenblut-Doping im Hotelzimmer zeigten. Bei einem „Heute“-Reporter, der sich als Polizeibeamter ausgab und so über „WhatsApp“ an detaillierte Informationen und Bilder eines Tatverdächtigen in einem Mordfall gelangte, wurde ein schwerwiegender Verstoß wegen unlauterer Materialbeschaffung festgestellt. Die Veröffentlichung der Entscheidung im eigenen Medium werde nur gefordert, wenn jemand persönlich von einer Berichterstattung betroffen sei, ansonsten beschreibt Warzilek das sogenannte „Naming & Blaming“ als die schärfste Konsequenz für Medien, die gegen den Ehrenkodex verstoßen haben. „Wir stellen quasi ein Medium an den Pranger. Durch unsere Presseaussendungen über die Entscheidungen und die APA-Meldungen erfährt die Branche darüber. Es wird darüber diskutiert und berichtet.“ Dabei solle man die Wirkung nicht unterschätzen. „Ich kann es allein daran messen, dass immer wieder Chefredakteure anrufen und sehr erbost sind, wenn eine Entscheidung gegen sie getroffen wird.“ Eine Herausgeberin habe den Presserat sogar mit dem Politbüro der Kommunistischen Partei in China verglichen. „In der Branche wird das sehr genau wahrgenommen, was wir sagen und wie wir entscheiden. Auch bei den Medien, die bisher noch nicht bei uns mitmachen.“ Dabei spricht Warzilek von der GratisTageszeitung „Heute“, der „Kronen Zeitung“ und dem Webportal „oe24.at“, die die Schiedsgerichtbarkeit des Presserates bisher noch nicht anerkannt haben. Medienethik im Boulevardjournalismus Nicht überraschend ist, dass sich genau diese Boulevardmedien die ersten Plätze in der Fallstatistik teilen. Die beiden Spitzenreiter im vergangenen Jahr waren die Printausgaben und OnlinePlattformen von „oe24“ mit 14 und der „Kronen Zeitung“ mit neun Verstößen. Liegt es in der Natur des Boulevardjournalismus, sich von der Medien-
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„Journalismus bedingt Freiheit und Verantwortung.“ So tiefgründig und doch bestimmend lauten die ersten Worte des Ehrenkodex‘ für die österreichische Presse. Doch hinter dem Satz birgt sich der Grund, warum der Presserat in einer Demokratie, in der die öffentlichen Medien die vierte Gewalt des Staates darstellen, so essentiell ist. Die Selbstkontrolle durch den Presserat garantiert, dass Eingriffe durch den Staat verringert werden und Medien frei und unabhängig berichten können. Mit dieser gewonnenen Freiheit geht auch die Verantwortung einher, medienethische Maßstäbe bei der Berichterstattung zu gewährleisten. Damit diese Maßstäbe tatsächlich eingehalten werden, wurde der Presserat als freiwilliges Selbstkontrollorgan der österreichischen Presse von den wichtigsten Journalisten- und Verlegerverbänden gegründet. Der Presserat verfügt über drei unabhängige und weisungsfreie Senate. Die jeweils elf Mitglieder der Senate sind rechtskundige Personen oder JournalistInnen, die über Beschwerden und Mitteilungen der LeserInnen entscheiden.