BRENNPUNKT . Corona-Mutationen
Natürliche Selektion Wie groß ist die Gefahr, dass uns Mutationen des SARS-CoV-2-Virus auf Dauer wellenartig überrollen und immer wieder Lock Downs notwendig machen? Hier kann beruhigt werden, die Pharmaindustrie wird letztendlich den Kampf gewinnen. MARIO FRANZIN
M
itte Februar wurde in Finnland
dieses Phänomen auch bei Bakterien, was zu
eine neue Corona-Mutante ent
dem Problem der Antibiotika-Resistenzen
deckt (Fin-796H). Sie kommt
führt. Beim Corona-Virus wird angenom-
zu den bislang bekannten drei Linien
men, dass mit zunehmender Anzahl infi-
(siehe Kasten) hinzu. Allesamt wei-
zierter bzw. geheilter Personen, diese den
sen sie eine höhere Infektiosität
Viren praktisch keine andere Chance lassen,
auf als der Wildtyp aus Wuhan.
als durch Mutationen das Immunsystem des
Bei der finnischen Mutante wird
Wirtes zu umgehen. Und einige Fälle sind ja
zusätzlich befürchtet, dass die
bereits bekannt.
herkömmlichen PCR-Tests auf das veränderte Genom nicht an-
Leben mit dem Virus
sprechen. In der Regel unterschei-
Die deutsche Virologin Melanie Brinkmann
den sich die SARS-CoV-2-Viren
von der TU Braunschweig ist sich sicher,
durch geringfügige Änderungen vor
dass der Kampf gegen die Corona-Mutanten
allem in jener DNA-Sequenz, die für
bereits verloren ist. In Österreich verdrängt
die Kodierung der Spike-Proteine zustän-
z.B. die Briten-Mutante im Osten allmählich
dig ist. Und diese sind einerseits maßgeblich
den Wildtyp. In Tirol gibt es bereits einen
für den Kontakt und den Eintritt in die Kör-
Cluster der Südafrika-Variante. Das klingt
perzellen – also die Infektiosität – und ande-
eigentlich relativ isoliert, ist es aber nicht.
rerseits für die Auslösung von z.T. patho-
Staatsgrenzen gelten für die Viren nicht und
genen Immunreaktionen. Aufgefallen ist
jeder infektiösere Typ setzt sich auch überall
eine Veränderung des Virus erstmals im
durch – bestenfalls mit einer Zeitverzöge-
September in Großbritannien. Bis dahin
rung. „Wir kriegen niemals genügend Men-
wurden
(Antigen-
schen geimpft, bevor die Mutanten durch-
Schnell- oder PCR-Tests) gemacht, um infi-
schlagen“, meint Brinkmann in einem Inter-
zierte Personen zu erkennen, jedoch kaum DNA-Sequenzierungen durchgeführt, die im
view gegenüber dem „Spiegel“, die auch
Labor viel aufwändiger und teurer sind. Aus
gela Merkel angehört. „Erst das Impfen wird
diesem Grund gibt es nur sehr mangelhafte
uns aus der Pandemie befreien, wenn sie
Statistiken über die Verbreitung der Mutati-
weltweit abflaut.“ 2021 wird demnach nicht
onen. Fakt ist aber, dass sie sich überall ver-
den erhofften Sieg über das Virus bringen.
breiten – natürlich auch in Österreich.
Brinkmann ist sich sicher: „Corona wird uns
zwar
Corona
Tests
dem wissenschaftlichen Beraterstab von An-
14 . GELD-MAGAZIN – März 2021
darüber hinaus.“ Brinkmann gilt als eine
Grund für die allmähliche genetische Verän-
Verfechterin einer radikalen Corona-Strate-
derung der Viren sind Spontanmutationen
gie die unter dem Schlagwort „No-Covid“
in der etwa 30.000 Basenpaare umfas-
immer mehr an Fahrtwind erhält. Sie und
senden RNA. Nach dem allgemeingültigen
eine Gruppe aus weiteren Wissenschaftlern
Schema in der Natur „Mutation und Selekti-
glauben nicht daran, dass man mit dem Vi-
on“ setzen sich immer die stärkeren – sprich
rus leben könne, sondern, dass es besiegt
infektiöseren – Varianten durch. Bekannt ist
werden müsse.
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2022 noch beschäftigen und wahrscheinlich
Mutation und Selektion