HSLU T&A – Institut für Architektur – Jahrbuch 2017/2018

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Quart Verlag


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Einleitung

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BDA Abschlussparty Love re-invents us, Vorwort Prof. Johannes Käferstein Grundpfeiler des Bachelorstudiums und Baustein des grossen Ganzen: Gestalten und Kulturverständnis, Prof. Christian Zimmermann Gestalten und Kulturverständnis, Prof. Hansjürg Buchmeier

Jahresausstellungen

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Ausgangssituation, Dr. Marion Sauter

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Curriculum

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architekturbibliothek.ch

Prozessbuch Bachelor-Thesis Kunst und Architektur

Symbol einer Zeitenwende: Das Löwendenkmal, Dr. Peter Omachen

Räumliche Vision

Ein verborgenes Juwel – Die Schatzkammer in der Luzerner Hofkirche, MA Urs-Beat Frei

Konzeption Denk/Werk Farbe und Interaktion im gebauten Umfeld Kommunikation und Kultur

210 216 218 240

Denken in Sequenzen – Ein Gespräch mit Filmemacher und Architekt Marc Schwarz Räume und Raum erzählen – Architektur im Dokumentarfilm, Prof. Gregor Imhof Naumatt – ein Ferientraum vor der Haustür, Interview mit Dominique de Meuron-Hopf und Pierre de Meuron

Externes Fachseminar

248 252 260 268

276

292 324

Architekturgeschichte? Baukultur!, Dr. Marion Sauter

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Bildnachweis / Kolophon

Kopenhagen – Struggle against deformity, Prof. Natalie Plagaro Amsterdam – Die schönste Stadt der Welt, Prof. Hansjürg Buchmeier Prag – Eine Zeitreise, Dr. Marion Sauter

Visuelle Komposition Visuelle Grundphänomene

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Love re-invents us

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Die Attraktivität des Architekturstudiums ist nach wie vor hoch. Es ist die ganzheitliche Betrachtungsweise unserer Kultur und Umwelt, das Verständnis für komplexe Zusammenhänge, aber auch die grosse Verantwortung diese so kostbare Umwelt gestalten zu können, die das Studium und nicht zuletzt den Beruf der Architektin, des Architekten ausmachen. Die sorgfältig aufgebaute Didaktik und die curriculare Ausgewogenheit zwischen einem humanistischen Ansatz und disziplinären technischen Kenntnissen erlaubt es unseren Studierenden sich zu Persönlichkeiten zu entfalten, die die bevorstehenden Herausforderungen und Veränderungen annehmen möchten. Nur wenn wir unseren Beruf lieben, werden wir einen wirklichen Beitrag an unserer Gesellschaft leisten. Das hochmotivierte Team um Prof. Hansjürg Buchmeier – bestehend aus Künstlern, Fotografen und Filmemacherinnen, Grafikerinnen, Drohnenpiloten, Kunst- und Architekturtheoretikerinnen, Denkmalpflegern und Ausstellungsmacherinnen – leistet in der Architekturausbildung des Instituts für Architektur ( IAR ) einen ganz entscheidenden Beitrag. Hier werden die Sinne unserer Studierenden durch «Buchmeiers Sehschule» geschärft. Hier lernen sie zu lesen und zu schreiben und die Seele der Dinge in wenigen Strichen wiederzugeben. Hier wird die Welt seziert, um sie als Architektin oder als Architekt mit Liebe wieder zusammensetzen zu können. Und so müssen wir sie erfinden – von Tag zu Tag. Sie halten das vorerst letzte Jahrbuch des Instituts für Architektur ( IAR ) der Hochschule Luzern – Technik & Architektur in den Händen, und ich bin hierüber nicht betrübt, sondern ausgesprochen glücklich! Was unter der sperrigen Kernmodulschienenbezeichnung «Gestalten und Kulturverständnis» vorliegt, strahlt so viel Lust am Wahrnehmen, Gestalten und nicht zuletzt am Architekturstudium aus, dass wir zukünftig die digitalen Möglichkeiten der Kommunikation ausloten wollen. Die lieb gewonnene Jahrbuchform reicht nicht mehr aus, um die Gleichzeitigkeit einer solch gewaltigen Schaffenskraft abzubilden. Der erste Teilschritt, die Neuerfindung architekturbibliothek. ch, liegt bereits vor. Die überarbeitete architekturagenda.ch ist in der ersten Jahreshälfte online, Ende 2019 werden Sie uns auf einer komplettierten, neuen digitalen Plattform besuchen können. Prof. Johannes Käferstein

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Grundpfeiler des Bachelorstudiums und Baustein des grossen Ganzen: «Gestalten und Kultur­verständnis» Das Berufsbild der Architektin/des Architekten, das unserem Bachelorstudium zu Grunde liegt, ist thematisch breit gefächert, komplex in den Fragestellungen und sehr herausfordernd. Neben Aspekten der Nutzung, der Gestaltung, der Konstruktion und des Prozessmanagements muss auch ein Verständnis für die kulturelle Bedeutung von Architektur und die für das eigene Tun erforderliche, gesellschaftliche Verantwortung aufgebaut werden. Aus ihrer Schulzeit oder ihrer Hochbauzeichnerausbildung bringen die Studierenden dieses Verständnis für Komplexität noch nicht mit. Sie wurden allenfalls ins «Bauen», keinesfalls aber in ein Architekturverständnis eingeführt. Damit dies in der kurzen Zeit des Bachelorstudiums nachvollziehbar aufgebaut werden kann, muss die grosse Komplexität thematisch fokussiert, die didaktischen Methoden und die breit gefächerten Inhalte über die Semester konsekutiv aufgebaut werden. Das Curriculum ist deshalb thematisch wie folgt aufgegliedert:

In den Themenschienen «Entwurfs- und Konstruktionsmethodik» (E&K) mit den zugeordneten Projektmodulen und in der Themenschiene «Umsetzung und Baurealisierung» (U&B) werden die Studierenden in die Kernthemen und Methoden ihres Metiers eingeführt: Was ist und was prägt Architektur? Wie wurde und wird Architektur entwickelt und umgesetzt? Die E&K-Module beleuchten die grundlegenden Aspekte, bearbeiten mithin den ganzen Fundus der Architektur- und Konstruktionsgeschichte. Um der drohenden Überforderung zu entgegnen, werden hier aktuelle Sachzwänge allerdings ausgeblendet. Mit diesen setzten sich die Studierenden in einem zugeordneten U&B-Modul auseinander. Sie nähern sich somit über das Studium an eine eigene architektonische Haltung und an ein eigenes Berufsverständnis an.

Die Module der Themenschiene «Gestalten und Kulturverständnis» (G&K) betten diese fachspezifischen Kompetenzen in einen übergeordneten kulturellen Kontext ein: Wie nehmen wir wahr? Wie gelangen wir zu einem

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eigenen Repertoire? In welchem geschichtlichen und theoretischen Kontext bewegen wir uns? Aber auch ganz pragmatisch: Wie lese und verstehe ich einen Text? Wie gelange ich zu einer klaren Aussage und wie formuliere ich adressatengerecht? Wie setze ich meine Gedanken, meine Projekte ins «richtige» Bild? Wie strukturiere ich meine Arbeitsweise in unterschiedlichen Medien, vom Bleistift über Farben bis hin zu Bild, Film und Ton? Bedeutsam ist dabei, dass die Inhalte und Methoden auf das Handwerkszeug des Architekten ausgerichtet sind und nicht autistisch in ihrem eigenen disziplinären Verständnis verhaftet bleiben. In der Gesamtschau erweisen sich die G&K-Inhalte somit als Kernbestandteile des Architekturmetiers, denn ohne eine bewusste Wahrnehmung ist kein kontrollierter, eigenständiger Entwurfsprozess möglich. Ohne das Wissen darum, wie Entwürfe adressatengerecht aufgearbeitet und dargestellt werden können, bleiben Entwürfe stumm … Während der letzten Jahre wurden die Inhalte, Lernziele und Methoden der G&K-Module immer wieder diesbezüglich überarbeitet, so dass sie heute auch von den Studierenden als wichtiger Bestandteil ihres Studiums anerkannt und wertgeschätzt werden. Als Studiengangleiter Bachelor danke ich dem ganzen G&K-Team für dessen unermüdlichen Einsatz und die immer wieder verblüffenden Lernerfolge in seinen Modulen. Prof. Christian Zimmermann

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Gestalten und Kulturverständnis Im gestalterischen Bereich des Instituts für Architektur der Hochschule Luzern haben handfeste, praktische Fragestellungen, Anwendungen und Zielsetzungen einen sehr hohen Stellenwert. Wir denken nicht nur, aber auch mit den Händen. Die Optik des Machens, eine langjährige Maxime, ist uns dementsprechend ein grosses Anliegen. Theorie wird nie selbstreferentiell, sondern als Erweiterungsraum und Ergänzung des Experimentierens und Handelns eingesetzt. Sie soll neue Denkfelder erschliessen, Fragestellungen vertiefen und einen neuen Zugang zum Kontext ermöglichen. Seit 2009 ist der Bereich Gestalten und Kulturverständnis ( G&K ), welcher im Curriculum des Instituts Architektur mit sieben Modulen und 36 ECTS hoch gewichtet ist, inhaltlich und mit Sachinvestitionen – Fotostudio, Equipment und Ausstattung – kräftig entwickelt worden. War 2009 gerade mal ein Assistent als Grafikdesigner im gesamten Bereich tätig, sind es heute deren sechs aus den Bereichen Fotografie, Video, Bildende Kunst, Kunstgeschichte und Grafikdesign. Waren 2009 Fotografie und Video nur rudimentär oder gar nicht existent, bilden sie heute Eckpfeiler der visuellen Gestaltung des Instituts für Architektur. Zeichnen, Fotografie, Video und Farbe als Hauptthemen werden sekundiert von drei weiteren, in allen Modulen relevanten Grundthemen: Layout und Typografie, Textarbeit, sowie Kunstgeschichte und Baukultur. Sprache und Theorie werden integriert und mit den gestalterischen Bereichen verschränkt. Im Bachelor Basic stehen Zeichnen, Raumdarstellung und Fotografie im Vordergrund, im Intermediate dann Video und die Thematik der Farbe im Kontext der Architektur. In den Advanced-Modulen ist konzeptionelles Denken und Arbeiten in den Bereichen Kunst, Raum und Architektur von zentraler Bedeutung. Ebenso ist die Theorie in den Gebieten des Films, der Kunstgeschichte und der Baukultur intensiver Bestandteil unseres Unterrichts. Die in diesem Jahrbuch publizierten Beiträge von MA Urs-Beat Frei, Prof. Gregor Imhof, Dr. Peter Omachen und Dr. Marion Sauter zeigen an ausgewählten Beispielen unsere diesbezüglichen Interessen und Themen auf. Auch die jüngsten Entwicklungen geben Anlass zur Freude. Die Architekturbibliothek, ein Onlinelexikon, das sich unter der Leitung ihrer Initiantin Dr. Marion Sauter der Schweizer Architektur seit 1920 annimmt, ist in Betrieb! Hier entsteht, eingebettet in den Unterricht und in enger Zusammenarbeit zwischen Dozierenden und Studierenden eine einzigartige Dokumentation der Schweizer

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Baukultur. Wir haben für die Architekturbibliothek Drittmittel aquiriert, aber auch die Hochschule ist intensiv am Projekt beteiligt. Die Architekturbibliothek ist ein Projekt mit einem sehr langem Zeit­ horizont – wir denken hier in Jahrzehnten – und sie wird Teil eines grösseren Projekts, der Erneuerung der Website des Instituts Architektur. Darüber hinaus hat sich der Bereich G&K in den letzten Jahren aber auch in der allgemeinen Entwicklung der Abteilung Architektur bemerkbar gemacht: Mit sieben Ausstellungen in der Kunsthalle Luzern, sieben Jahrbüchern, zahllosen Plakatgestaltungen und vielen weiteren Aktivitäten haben wir über den Unterricht hinaus für Aufmerksamkeit gesorgt. Mittlerweile können wir feststellen, dass die Hochschule Luzern – Technik & Architektur diese Entwicklungen nicht nur aufmerksam verfolgt, sondern sich auch von unseren Ideen anstecken lässt. Im vorliegenden Jahrbuch finden Sie Beispiele aus all diesen Wirkungsfeldern. Beispiele, die Ihnen zeigen, wie vielfältig und reichhaltig das Gebiet der visuellen Gestaltung und der Theorie ist und wie eng dies bei uns mit Themen der Architektur verknüpft wird. Prof. Hansjürg Buchmeier

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Jahresausstellungen Die Institute für Architektur und Innenarchitektur kuratierten zwischen 2012 und 2018 jeweils im Dezember in den interessanten, aber nicht einfach zu bespielenden Räumen der Kunsthalle Luzern Ausstellungen mit ausgewählten Arbeiten von Studierenden. Der Anspruch war, trotz beschränkter finanzieller Ressourcen jeder Ausstellung ein eigenes, unverwechselbares Gesicht zu geben. Die folgende Bildstrecke gibt auf jeweils zwei Doppelseiten einen Einblick in die vielfältige Bildund Raumsprache dieser Jahresausstellungen. Für die Ausstellungen zeichnete ein Team aus Dozierenden und Assistierenden hauptsächlich aus dem Bereich der Visuellen Gestaltung verantwortlich. 2018 – Dokumentationen 2017 – Dark Room 2016 – Inversionen 2015 – Projektionen 2014 – Wunderkammer 2013 – Mit Material 2012 – Blick nach Innen

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Konzept / Gestaltung

Assistierende

Hansjürg Buchmeier Nadine Jerchau

Linda Baer Jürgen Beck Cornel Bigliotti Irène Bisang Christoph Cramer Klaus Fromherz Manuel Gächter Lukas Galantay

Mitarbeitende Jan Hostettler Oliver Zumbühl Christine Jungo Maude Léonard-Contant Samira Liebendörfer Jara Malevez Sara Stäuble Ramona Tschuppert Natalia Wespi

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architekturbibliothek.ch Im Februar 2019 geht nach einer dreijährigen Vorbereitungsphase die Architekturbibliothek, das Lexikon der Schweizer Architektur von 1920 bis heute, online. Das Nachschlagewerk schliesst eine wichtige Informationslücke, erreicht eine breite Öffentlichkeit, vor allem jedoch sind alle unserer Studierenden an diesem Wissenschaftsprojekt beteiligt. Die Architekturbibliothek ist zugleich auch ein Architektenlexikon und ein frei zugängliches, qualifiziertes Bildarchiv zur zeitgenössischen Architekturfotografie, was in dieser Form bislang einzigartig ist.

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Verantwortung

Dozent

Assistierende

Design

Marion Sauter

Markus Käch

Jürgen Beck Lukas Galantay Christine Jungo Jana Stratmann

l’équipe [visuelle]

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Ausgangssituation Seit fast 100 Jahren wird die Schweizer Architektur in der Reihe «Kunstdenkmäler der Schweiz» ausführlich dokumentiert. Dem Entstehungszeitpunkt des Projekts und der erforderlichen Kontinuität entsprechend werden hierin bis heute fast ausschliesslich Bauwerke erfasst, die vor 1920 entstanden sind. Auch das folgende «Inventar der neueren Schweizer Architektur» hielt an der 1920er-Grenze fest und liess damit die Moderne und ihre Nachfolger weitgehend ausser Acht. In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts begannen die kantonalen Fachstellen für Denkmalpflege systematisch Denkmäler zu erfassen und zu schützen. Der Schwerpunkt lag dabei anfänglich ebenfalls auf historischen Wahrzeichen. Erst in den letzten Jahren werden die Denkmalinventare auch um die Architektur des 20. Jahrhunderts ergänzt. Einige kantonale Fachstellen arbeiten mit der fixen Grenze 1980, andere mit der zeitlichen Distanz einer Generation, mit 30 Jahren. Wertvolle Pionierarbeit für die moderne Architektur leistete auch das Autorenteam um Christa Zeller mit einem dreibändigen Schweizer Architekturführer, der von 1920 bis 1990 reicht. Die fundierte Architekturdokumentation endet in der Schweiz somit bislang in den 1980er-Jahren. All diesen überaus wertvollen Beiträgen gemein ist, dass sie in der heutigen, schnelllebigen Informationswelt kaum wahrgenommen werden. Auch wenn sie den aktuellen Forschungsstand widerspiegeln, sind Publikationen, die im letzten Jahrtausend erschienen sind, im Buchhandel nicht mehr präsent, und Quellen, die nur in Amtsstellen oder Staatsarchiven einsehbar sind, nach heutigen Massstäben schlecht zugänglich. Ihre Reichweite beschränkt sich auf engste Fachkreise. Und egal wie wertvoll die Inhalte sind: Gedruckte Register sind im digitalen Zeitalter hoffnungslos überholt. Das historische Lexikon der Schweiz wie auch das Schweizer Künstlerlexikon haben dieses Problem bereits vor Jahren erkannt und ihre Themen auf niederschwellig erreichbare und einfach nutzbare Onlineplattformen ausgelagert. Dies ist wahrscheinlich auch das Anliegen der grösseren kantonalen Fachstellen für Denkmalpflege. Die aktuelle Umsetzung erreicht jedoch leider nur Personen, die mit den äusserst komplexen digitalen Kartenwerken der Kantone vertraut sind, nach konkreten Bauwerken suchen und wissen, wo diese situiert sind. Alle anderen sehen sich mit bunt gefärbten Lageplänen konfrontiert, die keine komfortable Recherche ermöglichen – auch googeln führt meist nicht zum Ziel. Hinzu kommt der Föderalismus: Es ist nicht abzusehen, dass aus der kantonalen Vielfalt jemals ein

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einheitliches Schweizer Werkzeug geformt wird. Dies gilt auch für die vielen, äusserst interessanten regionalen Architekturführer und Auszeichnungen, die von Institutionen, Interessengruppen oder Verbänden publiziert und vergeben werden. Eine anschauliche Dokumentation von Architektur erfordert reichlich Bildmaterial. Die Lücke einer Gesamtschweizer Darstellung ist bislang möglicherweise auch der komplexen rechtlichen Situation geschuldet. Das Urheberrecht und damit das Reproduktionsrecht für Fotografien ist weit über den Tod der Fotografinnen und Fotografen hinaus geschützt. Eine rechtlich einwandfreie Onlinepublikation vorhandener Fotografien sowie mögliche Persönlichkeitsrechte müssen daher aufwendig abgeklärt und Neuaufnahmen in der Regel teuer bezahlt werden – auch wenn die Bildervielfalt im Internet eine freie Verfügbarkeit aller Daten weltweit suggeriert. Diese Hürde wird bislang mit einigen nur beschränkt zugänglichen, kommerziellen E-Books oder App-Lösungen umgangen. Bei Letzteren ist besonders das Angebot von Hochparterre zu würdigen, die Hochparterre-Applikationen sind jedoch ebenfalls regional fokussiert. Quo vadis? Gesucht ist also ein Träger mit Format, der langfristig eine qualifizierte Onlinedokumentation der Schweizer Architektur leisten kann, sowie engagierte Fotografinnen und Fotografen … Und das sind wir: Das Institut für Architektur der Hochschule Luzern, die grösste Fachhochschule unserer Disziplin in der Schweiz. Seit Jahren arbeiten wir daran, die Schreibkompetenz unserer Studierenden zu fördern und sie in wissenschaftliches Arbeiten einzuführen. Unsere Studierenden absolvieren Kurse in Fotografie und in Bildbearbeitung, lernen professionell mit Rohdaten umzugehen. All diese Übungen waren bislang Selbstzweck. Mit der Veröffentlichung in der Architekturbibliothek erhalten die Übungen einen übergeordneten Sinn, was auf die Studierenden ungemein motivierend wirkt: Ihre Beiträge werden Teil des öffentlichen Fachdiskurses. Allerdings nicht in der studentischen Fassung. Um die Qualitätsansprüche eines Lexikons zu gewährleisten, benötigt es eine fundierte redaktionelle Überarbeitung von Texten und Bildern. Die Architekturbibliothek ist das erste Wissenschafts­ projekt an der Hochschule Luzern, an dem alle Studierenden beteiligt sind. Das Projekt ist in das Pflichtmodul Visuelle Komposition ( s.S. 279–291 ) eingebunden und wird von den Dozierenden für Architekturgeschichte, Marion Sauter, und Fotografie, Markus Käch, getragen. Jeder der etwa 140 Studierenden jährlich dokumentiert ein Schweizer

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Bauwerk. Das Curriculum sieht dafür jeweils rund 20 Stunden Arbeitszeit vor. Die Studierenden liefern somit einen gewaltigen inhaltlichen Grundstock und verhelfen der Architekturbibliothek aufgrund ihrer guten Vernetzung zu einer breiten Verankerung in der Fachwelt. Die Hochschule Luzern darf Arbeiten, die im Rahmen des Studiums entstehen, verwerten. Die Studierenden wissen, was mit ihren Texten und Fotografien geschieht: So ist schlankerhand auch das Urheberrechtsproblem im Bereich der Architekturfotografie gelöst und das erste frei zugängliche, qualifizierte Bildarchiv zur modernen und zeitgenössischen Schweizer Architektur begründet. Und es ist ein ehrliches Bildarchiv. Es dokumentiert den Alltag und auch die Rückseiten der Bauwerke, nicht nur deren Schokoladenseiten, die vor dem Bezug frei von Krimskrams, Bewuchs und Patina für Fachzeitschriften oder Architekturbürohomepages in Szene gesetzt werden. Architekturbibliothek Die Architekturbibliothek sammelt Baudokumentationen von Schweizer Gebäuden, die seit 1920 entstanden sind. Damit werden die Moderne und ihre Nachfolger zu einem schlüssigen Gesamtpaket zusammengefasst. Unser Alleinstellungsmerkmal ist – neben der attraktiven Darbietung und der niederschwelligen Zugänglichkeit – die Dokumentation der Architektur von 1980 bis in die 2000er-Jahre, der Zeit vor der allumfassenden Digitalisierung, deren Vertreter in der gedruckten wie medialen Präsenz bislang kaum vertreten sind. Wir wählen in engem Austausch mit der Denkmalpflege, den kantonalen Bauforen und lokalen Gewährsleuten etwa einen Bau auf 2’500 Einwohner für die Architekturbibliothek aus und bilden damit bewusst auch den ländlichen Raum ab. Die Architekturbibliothek ist eine Bauwerkssammlung, die jederzeit ergänzt werden kann. Wir erheben nicht den Anspruch ein Inventar zu sein und formulieren kein fixes «best-of». Die Architekturbibliothek ist ein niederschwelliges wie fundiertes Nachschlagewerk, das es beispielsweise ermöglicht, nach Architekten oder Bautypen, nach Regionen oder Jahrzehnten zu suchen und das im Handumdrehen eine anschauliche Übersicht liefert. Die Wegleitung führt über Fotografien – der erste Blick bringt einen ersten Eindruck. Der Lage unserer Hochschule entsprechend sind wir mit der Dokumentation in der Zentralschweiz gestartet und haben bislang fast 300 Bauwerke beschrieben und in über 1’800 Fotografien erfasst – ein Vielfaches des Schweizer Architekturführers von 1992. Die Zentralschweiz ist dort mit 22 Luzerner, 18 Zuger, vier Obwaldner, zwei Urner, einem Nidwaldner und einem ( ! ) Schwyzer Bau vertreten.

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Letzterer ist die Villa des Luzerner Architekten Heinrich Auf der Maur in Küssnacht, ein Landsitz am damals noch weitestgehend unbebauten Ufer des Vierwaldstättersees, der wohl eher zufällig 700 Meter von der Luzerner Kantonsgrenze entfernt liegt. Die Fachstellen für Denkmalpflege der Kantone Luzern und Zug besitzen gute, online verfügbare Inventare für das 20. Jahrhundert. Obwalden und Nidwalden führen Typoskripte bzw. eine interne Datenbank. In den Kantonen Uri und Schwyz steht die Dokumentation der jüngeren Architektur hingegen noch aus, ebenso fehlen hier populäre Bautenführer. Während der Kanton Uri die Architekturbibliothek finanziell unterstützt und somit das moderne und zeitgenössische Bauschaffens am Gotthard erstmals würdigt, wird der Kanton Schwyz leider weiterhin weder der Vergangenheit noch der Gegenwart gerecht. Somit sind die gut 50 Schwyzer Architekturbibliotheksbauwerke eine wirkliche Premiere! Ausblick Parallel zur Datenbank-Aufarbeitung arbeiten sich unsere Studierenden bereits weiter durch die Schweiz. Noch steht das Projekt ganz am Anfang, müssen Erfahrungen gemacht und Inhalte wie Auftritt verbessert werden. Wir hoffen jedoch, mit unserer visuell-attraktiv gestalteten Architekturbibliothek grundlegend zur Sensibilisierung und zum Diskurs über Baukultur beitragen zu können und eine breite Öffentlichkeit zu erreichen. Dr. Marion Sauter

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OW Erlebnisbad Seefeld Park Seestrasse 20, 6060 Sarnen 2008–2011 Joos Mathys Architekten AG mit Seiler Linhart Architekten AG

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Erlebnisbad Seefeld Park – Ansicht Nordwest Foto: Sandro Zihlmann, 2017

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Die Gemeinde Sarnen beschloss 2008, die verschiedenen Aktivitäten am Sarnersee unter einem Dach zusammenzuführen und lancierte einen Architekturwettbewerb zum Bau des Seefeld Parks. Die Gewinner des Wettbewerbs, die Architektengemeinschaften Joos Mathys Architekten AG und Seiler Linhart Architekten AG realisierten in den Jahren 2008 bis 2011 ein Erlebnisbad und eine Campingplatz-Infrastruktur. Die Aussenanlagen plante August Künzle. Der Seefeld Park befindet sich am Ufer des Sarnersees und ist in die Uferlandschaft eingebettet. Östlich der Parkanlage befindet sich die von Zürich nach Interlaken führende Autobahn A2 sowie die Brünigstrasse. Der langgestreckte Baukörper des

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Erlebnisbads – eine Seebadi – ist Ost-West orientiert und im nördlichen Teil der Seeparzelle situiert, der Campingplatz liegt im Süden. Grosszügige Durchgänge im Gebäude schaffen eine Verbindung zwischen den verschiedenen Aussenbereichen. Der Blick in Richtung Südwest bietet das Alpenpanorama rund um das Brienzer Rothorn. Die Konstruktion des Erlebnisbads berücksichtigt die Hochwasserschutzmassnahmen. Die beiden Geschosse werden von feingliedrigen Stahlstützen getragen und von Ortbetonplatten gefasst. Die leichte Erhöhung des Erdgeschosses und die auskragenden Betonplatten lassen den Baukörper schwebend wirken. Die einzelnen Funktionsbereiche sind ganz in der Tradition klassischer Seebadis als hölzerne Kabinen in die Konstruktion eingestellt. Die Fassaden bestehen aus einer filigranen Holzlattung mit Schattenfuge und geschosshohen Fenstern. Die Holzlattung dient auch als Sonnenschutz und überdeckt einzelne Fenster. Das Obergeschoss wird auf der Nordseite durch eine repräsentativ geschwungene Freitreppe erschlossen. Zwei weitere Treppenläufe verbinden das Oberdeck mit der Liegewiese. Im östlichen Teil des Erdgeschosses sind der Empfang für die eintreffenden Camper sowie ein Laden, eine Wäscherei und Garderoben untergebracht. Abgetrennt von einem Durchgang folgen in Richtung See die Umkleidekabinen und ein Restaurant. Das Obergeschoss folgt dieser Zweiteilung: Im Osten sind die Büroräume, im Westen Umkleidekabinen, vor allem jedoch ein Schwimmbecken situiert. Markante, querovale Fenster gewähren den Blick in das Schwimmbecken. Feine Stahlgeländer sichern die Freibereiche. Im Gegensatz zur belebten Liegewiese am Seeufer, wurde hier mit einfachen Mittel der Eindruck eines «First Class Decks» erzeugt, das jedoch selbstverständlich von allen Badegästen benutzt werden kann. Der Bau von Seebädern hat eine lange Tradition. Christoph Mathys, Peter Joos, Patrik Seiler und Søren Linhart haben in Sarnen mit tradierten Gestaltelementen einen neuen Badi-Typus geschaffen. Das Schwimmbecken im Oberdeck besitzt herausragende Qualitäten: Panoramablick und Abgeschiedenheit bieten Komfort fernab der Liegewiese. Sandro Zihlmann 2017 Linhart, Søren; Seiler, Patrik. Bürodokumentation – Seiler Linhart Architekten. Sarnen 2017, S. 33–38. – Wirz, Heinz (Hg.). Joos & Mathys, (De aedibus, Bd. 57). Luzern 2015, S. 64–77. – Simon, Axel. Bad an Bord: Die neue Badi in Sarnen hebt das Bad über die Wiese, in: Hochparterre 6–7/2011, S. 50–53.

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Erlebnisbad Seefeld Park – Ansicht Nordost. Foto: Sandro Zihlmann, 2017

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Erlebnisbad Seefeld Park – Treppe. Foto: Sandro Zihlmann, 2017

Erlebnisbad Seefeld Park – Obergeschoss. Foto: Sandro Zihlmann, 2017

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ZG Terrassenhäuser Terrassenweg 1–9, 6300 Zug 1957–1960 Stucky Meuli

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Terrassenhäuser – Ansicht Südwest Foto: André Hediger, 2018

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Die Überbauung am Terrassenweg 1–9 wurde in den Jahren 1957 bis 1960 von Fritz Stucky und Rudolf Meuli errichtet. Die 25 Wohnungen wurden in den letzten Jahren im Inneren teilweise umgestaltet. Der Aussenbau entspricht hingegen noch weitgehend dem ursprünglichen Zustand. Die Überbauung liegt an einem nach Westen ausgerichteten Hang, rund einen Kilometer vom Zugersee entfernt und direkt im Anschluss an die Kernzone Zugs. Die in fünf getreppten Blöcken zusammengefassten Wohnungen sind durch den Terrassenweg und den Rothusweg erschlossen. Die seitliche Erschliessung der siebengeschossigen Treppenhäuser, die sogenannte Guggitreppe, ist frei im Gelände angelegt und zugleich eine wichtige Fussgängerverbindung der Stadt. Baukörper und Konstruktion der Überbauung lassen sich mit einer Treppenanlage vergleichen, die von mehreren Wangen getragen wird und ausgehend von einem massiven Felsband – dem

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Sockelgeschoss mit den Garagen – an den Hang anlehnt. Die wie Einfamilienhäuser organisierten Terrassenwohnungen wurden in zwölf verschiedenen Grundrissvarianten ausgeführt, mit vier bis acht Zimmern. Jede Wohnung besitzt eine grosszügige Terrasse, die den Lebensraum um ein Drittel bis zur Hälfte der Grundrissfläche erweitert. Dank der Überlagerung der Terrassenwohnungen kann ein Besitzer von 50 Quadratmetern Land über eine Hausfläche von 150 Quadratmetern und eine Terrassenfläche von 60 Quadratmetern und mehr verfügen. Die vertikale und horizontale Erschliessung der Terrassenhäuser erfolgt über geschwungene Aussentreppen. Die verputzten Fassaden variieren heute in Grau-, Grün-, und Blautönen. Das gestalterische Hauptmerkmal der Terrassenhäuser sind jedoch die umlaufenden, schräg auskragenden Pflanztröge aus zwischenzeitlich weiss gestrichenem Sichtbeton. Die Fenster und Terrassentüren sind einzeln in die Wände geschnitten – bislang wurden die Lochfassaden nicht dem späteren Trend zur Vollverglasung geopfert. Innerhalb der Überbauung gibt es keine Verbindungen und keine Gemeinschaftsräume. Jede Partei hat ihren eigenen Keller, Luftschutzraum und Waschküche. Diese individuelle Grundrissgestaltung unterstreicht den Eigenheimcharakter. Fritz Stucky und Rudolf Meuli errichteten in Zug die ersten Terrassenhäuser in der Schweiz! Diese mit dem Ziel der Verdichtung entwickelte Bautypologie fand darauf an den vielen Hanglagen in der Schweiz weite Verbreitung. Der Baukomplex ist daher als schützenswert eingestuft. Stucky hatte 1950 ein internationales Stipendium bei Frank Lloyd Wright absolviert und sich von dessen architektonischer Handschrift inspirieren lassen. Besonders das zentrale Anliegen Wrights, die Natur in die Innenräume einzubeziehen, lässt sich an den Zuger Terrassenhäusern klar erkennen: Die vorfabrizierten Pflanztröge folgten damals neusten technischen Standards. André Hediger 2018 Brunner, Roman. Erste Terrassenhäuser der Schweiz, in: Zuger Zeitung 2014, S. 14. – Bauforum Zug (Hg.). Zuger Bautenführer. Ausgewählte Objekte 1902–2012. Luzern 2013, S. 50–51. – Schweizer Heimatschutz (Hg.). Baukultur entdecken. Die Architektur der 1950er und 1960er Jahre. Zug 2009, Nr. 4. – Schweizer Heimatschutz (Hg.). Die schönsten Bauten der 50er-Jahre. Schweizer Architektur im Jahrzehnt des Aufschwungs. Zürich 2007, S. 51. – Jenatsch, GianMarco; Krucker, Bruno; Bauforum Zug (Hg.). Werk Serie. Fritz Stucky. Architekt und Unternehmer. Zürich 2006, S. 68–69. – Gesellschaft für Schweizerische Kunstgeschichte (Hg.). Kunstführer durch die Schweiz (Bd. 1). Bern 2005, S. 716. – Allenspach, Christoph. Architektur in der Schweiz. Bauen im 19. und 20. Jahrhundert. Zürich 1998, S. 96–97. – Rucki, Isabelle; Huber, Dorothee (Hg.). Architektenlexikon der Schweiz. Basel 1998, S. 521. – Bauforum Zug (Hg.). Zuger Bautenführer. Ausgewählte Objekte 1920–1990. Zug 1992, S. 44–45. – Zeller, Christa. Schweizer Architekturführer 1920–1990. Nordost- und Zentralschweiz (Bd. 1). Zürich 1992, S. 246. – Adler, Florian; Girsberger, Hans; Riege, Olinde (Hg.). Architekturführer Schweiz. Zürich 1978, Nr. 442. – Altherr, Alfred. Neue Schweizer Architektur, Teufen 1965, S. 133. – Terrassenhäuser in Zug, in: Werk 2/1961, S. 58–60.

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Terrassenhäuser – Ansicht Südwest. Foto: André Hediger, 2018

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Terrassenhäuser – Detail. Foto: André Hediger, 2018

Terrassenhäuser – Ansicht Nordost. Foto: André Hediger, 2018

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ZG Zuger Kantonalbank Bahnhofstrasse 1, 6300 Zug 1949–1958 / 1986, 1997 / 2010–2016 Hafner Wiederkehr / Wiederkehr Krummenacher Architekten AG Josef Rickenbacher ( Kunst am Bau )

Zuger Kantonalbank – Ansicht Südost Foto: Sanja Despotovic, 2018

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strasse und die Westseite leitet im leicht abfallenden Gelände auf die spätmittelalterliche Häuserzeile am Zugersee über. Der Haupteingang der Bank befindet sich – eher unscheinbar situiert – in der Kolonnade an der Bahnhofstrasse. Für das Personal ist das Gebäude auch über den Hinterhof zugänglich. Das kubische Gebäude erhebt sich über einem nahezu quadratischen Grundriss um einen Lichthof. Das Attikageschoss ist zurückgesetzt, jedoch durch ein fassadenbündiges Vordach mit dem Hauptbau verbunden. Einzelne Abschnitte des Vordaches sind mit Lamellen versehen, um die Wohnungen im Dachgeschoss ausreichend belichten zu können. Das Erdgeschoss ist im Westen und im Süden mit grossformatigen Fensterelementen durchsetzt, deren Raster sich auch in der Kolonnade an der Bahnhofstrasse wiederfindet. Die darüberliegenden drei Bürogeschosse sind jeweils mit einer vorgesetzten, kastenförmigen Aluminium-Glaskonstruktion mit schwarzen Brüstungselementen zusammengefasst – die erste ihrer Art in der Schweiz. Eine geschlossene Wandfläche und die Brüstung des Attikageschosses rahmen die grossen Fensterfronten im Westen und im Süden. Hier ist auch ein Relief einer sitzenden Frau angebracht, die Früchte pflückt: Das figurative Werk symbolisiert eine reiche Ernte und stammt vom Schwyzer Bildhauer Josef Rickenbacher. Im Erdgeschoss befinden sich der Empfangsbereich und die Schalterhalle. Die öffentliche Kolonnade und das Foyer sind durch einen weissen Laaser-Marmorsteinbelag optisch miteinander verbunden. Die Atmosphäre der Schalterhalle wird durch die Helligkeit des Lichthofs bestimmt und von einer Steinverkleidung der Wände in kontrastierendem Schwarz akzentuiert. Der äusserst qualitätvolle 1950er-Jahre-Bau setzt in seiner Eleganz einen radikal modernen Akzent in das historische Ortsbild am Zuger Postplatz und fand neue Formen für das Repräsentationsbedürfnis eines Bankhauses. Die Kolonnade initiierte einen öffentlichen Raum, der entlang der Bahnhofstrasse weitgehende Fortsetzung fand. 1949 wurde ein Wettbewerb für den Neubau der Zuger Kantonalbank ausgeschrieben, den die Architekten Leo Hafner und Alfons Wiederkehr gewannen. Durch den Ankauf einer angrenzenden Liegenschaft wuchs der Projektumfang noch in der Planungsphase. Das Bankgebäude wurde in den 1980er- und 1990er-Jahren modernisiert. Die letzte grosse Sanierung erfolgte durch Wiederkehr Krummenacher Architekten in den Jahren 2010 bis 2016. Der Hauptsitz der Zuger Kantonalbank liegt im Zentrum von Zug. Das fünfgeschossige Bankgebäude schöpft die Parzelle an der Ecke Bahnhofstrasse, Postplatz und Vorstadt voll aus. Ihre Südseite fasst damit den Zuger Hauptplatz mit den historistischen Repräsentationsbauten Regierungssitz und Hauptpost. Die Ostseite flankiert die Bahnhof-

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Sanja Despotovic 2018 Hafner, Leo. LHA, Leo-Hafner-Archiv. Bilder, Plastiken, Bauten. Steinhausen 2009, S. 106–115. – Speck, Guido. 125 Jahre Zuger Kantonalbank 1892–2017. Zug 2017. – Bauforum Zug (Hg.). Zuger Bautenführer. Ausgewählte Objekte 1902–2012. Luzern 2013, S. 44–47. – Schweizer Heimatschutz (Hg.). Die schönsten Bauten der 50er-Jahre. Schweizer Architektur im Jahrzehnt des Aufschwungs. Zürich 2007, S. 50. – Bauforum Zug (Hg.). Zuger Bautenführer. Ausgewählte Objekte 1920–1990. Zug 1992, S. 40–41. – Zeller, Christa. Schweizer Architekturführer 1920–1990. Nordost- und Zentralschweiz (Bd. 1). Zürich 1992, S. 246. – Noseda, Irma. Kulturobjekte der Stadt Zug. Zug 1990, Nr. 20. – Hafner, Leo. 40 Jahre – 40 Objekte. Zug 1988, S. 31–34. – Adler, Florian; Girsberger, Hans; Riege, Olinde (Hg.). Architekturführer Schweiz. Zürich 1978, Nr. 4062. – Brunner, Josef. Hafner, Leo: Das neue Kantonalbankgebäude, in: Zuger Neujahrsblatt 1959, S. 63–69. – Kantonalbank Zug, in: Werk 5/1959, S. 176–179. – Kantonalbank Zug, in: Zuger Volksblatt 25.6.1958.

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Zuger Kantonalbank – Ansicht West. Foto: Sanja Despotovic, 2018

Zuger Kantonalbank – Ansicht Südwest. Foto: Sanja Despotovic, 2018

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Zuger Kantonalbank – Treppe. Foto: Sanja Despotovic, 2018

Zuger Kantonalbank – Foyer. Foto: Sanja Despotovic, 2018

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LU Zentralbibliothek Sempacherstrasse 10, 6003 Luzern 1949–1951 / 1995–1996 / 2018–2019 Otto Dreyer / Eugen Mugglin / Lussi Halter

Zentralbibliothek – Ansicht Nordost Foto: Angela Inäbnit, 2018

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Die Zentral- und Hochschulbibliothek Luzern wurde in den Jahren 1949 bis 1951 nach Entwürfen Otto Dreyers erbaut. Das Gebäude wurde in den Jahren 1995/96 durch Eugen Mugglin renoviert, jedoch nicht wesentlich verändert. 2018 startete ein seit 2007 geplantes, grosses Sanierungs- und Umbauprojekt unter der Leitung des Architekturbüros Lussi Halter, heute Halter Casagrande Partner AG. Die Grundlage bildete ein Wettbewerb. Die Bibliothek befindet sich im Zentrum der Luzerner Neustadt. Im Südwesten grenzt das Gebäude an die stark befahrene Hirschmattstrasse. Im Nordwesten führt die Frankenstrasse vorbei, die als ruhige Nebenstrasse wahrgenommen

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wird, ebenso die Murbachstrasse im Südosten und die Sempacherstrasse im Nordosten. Angrenzend an die Sempacherstrasse liegt der Park Vögeligärtli. Hier befindet sich der Haupteingang. Der Solitärbau nimmt ein ganzes Geviert im Gründerzeitquartier ein. Die Bibliothek gründet auf einem Sockelgeschoss und setzt sich aus zwei Riegeln mit Walmdach zusammen. Die Walmdächer enden jedoch in horizontalen Betonplatten, sogenannten Flugdächern, und werden daher aus Besucherperspektive als Flachdächer wahrgenommen. Der verbindende, flach gedeckte Mitteltrakt ist U-förmig konzipiert und fasst einen Innenhof. Die Konstruktion als Betonskelettbau zeichnet sich an allen Fassaden ab. Die Felder sind mit Natursteinen und Fenstern beziehungsweise mit markant kassettierten Betonelementen und Milchglasfenstern ausgefacht. Der Hauptriegel ist viergeschossig, wobei das Eingangsgeschoss überhoch ausgebildet ist – es beherbergt den Haupteingang, die Garderobe, Gruppenräume sowie den Ausstellungs- und Vortragssaal. Der Haupteingang ist durch einen Mittelrisalit hervorgehoben. Das Büchermagazin nimmt den fünfgeschossigen Riegel an der Hirschmattstrasse und Teile des Mitteltrakts ein. Der Archivbau besitzt ebenfalls unterschiedliche Geschosshöhen, die sich an den Fensterhöhen an der Hischmattstrasse ablesen lassen: Die raumhohen Betonfensterelemente umfassen im Erdgeschoss sechs, in den folgenden fünf und im obersten Geschoss vier Teilungen in der Vertikalen. Die Stirnseiten sind geschlossen ausgebildet: Die feinen Betonkassetten fassen den Archiv- und den Mitteltrakt zusammen. Im Mitteltrakt sind ausserdem der Katalog- und der Lesesaal mit Empfang und Bücherrückgabe untergebracht. Das geordnete und zurückhaltende Auftreten, die klare, gelungene Struktur des Baus sowie der angrenzende grosszügige Park besitzen grosse räumliche Qualitäten. Der moderne Zweckbau – ein Vertreter der restaurativen Moderne – besticht durch seine kubische Ausbildung, seine schlichte Detailsprache und seine differenzierte Fassadengestaltung. Dank seiner herausragenden Architektur gilt die Zentral- und Hochschulbibliothek Luzern als wegweisend für den schweizerischen Bibliotheksbau. Angela Inäbnit 2018 Schnyder, Ivan. Was lange währt zögert sich hinaus, in: 041. Das Kulturmagazin 2/2017, S. 22–25. – Grünenfelder, Cony. Ein Kulturdenkmal von nationaler Bedeutung, in: Karton 1/2013, S. 18–21. – Gmür, Otti. Architekturführer Luzern. Spaziergänge durch Raum und Zeit. Luzern 2003, S. 90–91. – Rucki, Isabelle; Huber, Dorothee (Hg.). Architektenlexikon der Schweiz 19./20. Jahrhundert. Basel 1998, S. 149. – Zeller, Christa. Schweizer Architekturführer 1920–1990. Nordost- und Zentralschweiz (Bd. 1). Zürich 1996, S. 261. – Ineichen, Hannes; Zanoni, Tomaso (Hg.). Luzerner Architekten. Architektur und Städtebau im Kanton Luzern 1920–1960, Bern/Zürich 1985, S. 24–25.

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Zentralbibliothek – Ansicht Nordwest. Foto: Angela Inäbnit, 2018

Zentralbibliothek – Haupteingang. Foto: Angela Inäbnit, 2018

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Zentralbibliothek – Lesesaal. Foto: Angela Inäbnit, 2018

Zentralbibliothek – Foyer. Foto: Angela Inäbnit, 2018

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NW Siedlung Wechselacher Acherweg 40–68 / 72–98, 6370 Stans 1988–1989 Werner Hunziker, Roman Lüscher ( Lüscher, Lauber, Gmür )

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Siedlung Wechselacher – Ansicht Nordwest Foto: Dugald Gardner, 2017

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Der Entwurf für die Siedlung Wechselacher stammt von den Luzerner Architekten Werner Hunziker und Roman Lüscher, der damals in der Architektengemeinschaft Lüscher Lauber Gmür wirkte. Die Siedlung beherbergt Wohnungen und kleine Studios; sie wurde von der Wohnbaugenossenschaft Wechsel in Auftrag gegeben und in den Jahren 1988 / 1989 erbaut. Der Wechselacher befindet sich in unmittelbarer Nähe des Gemeindeplatzes am nördlichen Ortsrand von Stans, der von Feldern und der Autobahn A2 abgeschlossen wird. Je fünf der insgesamt zehn Gebäude formen einen Innenhof. Die Innenhöfe sind durch ein Wegesystem miteinander verbunden. 1993 wurde ein weiterer Riegel zwischen die beiden Baugruppen gesetzt.

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Den Auftakt machen jeweils zwei kleinere, zwei Wohnungen umfassende Gebäude im Südwesten. Sie bilden eine Torsituation. An den Seiten werden die Innenhöfe von einem länglichen Gebäude begrenzt. Diese beherbergen jeweils fünf Wohneinheiten, das die Siedlung gegen Westen abschliessende Gebäude nur vier. Die insgesamt 27 Wohnungen umfassenden Baukörper sind dreigeschossig und mit Pultdächern gedeckt. Das zweite Obergeschoss und das Dachgeschoss springen zurück und bilden grosszügige Dachterrassen. Die Wohneinheiten im Erdgeschoss haben auf der Hausrückseite private Terrassen und sind gegen den halböffentlichen Innenhof mit Vorplätzen und überdachten, als Holzkonstruktionen ausgeführten Velounterständen abgegrenzt. Die nordwestliche Baugruppe schliesst mit einem zweigeschossigen Riegel, der mit einem Satteldach gedeckt ist und gemeinschaftlich genutzte Räume sowie mehrere Studios umfasst. Die südöstliche Baugruppe wird von einem dreigeschossigen Riegel mit Wohnnutzung begrenzt, der sich durch eine Laubengangerschliessung mit Metallverkleidung auszeichnet. Alle anderen Fassaden der Siedlung Wechselacher sind in hellem Kalksandstein ausgeführt, die zumeist französischen Fenster mit traditionellen, hellblauen Klappläden versehen. Die Haustüren setzen abwechslungsreiche Farbakzente in Pastelltönen. Die Siedlung Wechselacher gehört zu den wenigen qualitätsvollen Zeugen der Postmoderne in der Innerschweiz. Die angestrebte Individualität und Vielfalt findet sich neben der Gestaltung auch im Nutzungsangebot. Die Liebe zur Detailgestaltung reicht bis in die Aussenräume. Dugald Gardner 2017 Bauinventar Kanton Nidwalden. Gemeinde Stans. Datenblatt zur Denkmalpflege. Stans 2005.

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Siedlung Wechselacher – Ansicht Südwest. Foto: Dugald Gardner, 2017

Siedlung Wechselacher – Hof. Foto: Dugald Gardner, 2017

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Siedlung Wechselacher – Ansicht Südost. Foto: Dugald Gardner, 2017

Siedlung Wechselacher – Ansicht Südwest. Foto: Dugald Gardner, 2017

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LU Erweiterung Augenklinik Kantonsspital, 6004 Luzern 2009–2016 Schneider Schneider Architekten

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Erweiterung Augenklinik – Ansicht West Foto: Martina Benz, 2017

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Angesichts der grossen Nachfrage reichten die Kapazitäten der 1975 errichteten Luzerner Augenklinik nicht mehr aus. Ausserdem war die energetische Ausstattung des Bauwerks überholt und musste an die aktuellen Anforderungen angepasst werden. Nach einer Generalplanerausschreibung begannen Schneider Schneider Architekten aus Aarau 2009 mit dem Erweiterungsbau der Augenklinik und sanierten anschliessend den bestehenden Bau. Die Arbeiten waren 2016 abgeschlossen. Die Augenklinik erfüllt heute den Minergiestandard. Die Augenklinik bildet den Auftakt des weitläufigen Spitalareals. Das Gebäude ist zwischen dem Bettenhochhaus und dem Parkhaus sowie zwischen der Frauen- und der Kinderklinik in den Hang ein-

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gebettet. Der Erweiterungsbau grenzt westlich an den Altbau an, der polygonale Baukomplex wird von der internen Erschliessungsstrasse «Kantonsspital» gefasst. Der Eingang der Augenklinik liegt auf der Nordseite des Gebäudes, an welcher der Baukomplex etwas zurückspringt. Der talseitig fünf- und bergseitig viergeschossige Altbau gründet auf einem nahezu quadratischen Grundriss. Die durchgehende Befensterung der Westseite machte eine deutliche Fuge zum Erweiterungstrakt erforderlich. Zusammengefasst wird der nun L-förmige Komplex von einem Sockelgeschoss, einem langgezogenen Vordach auf der Nordseite und der gleichen Gebäudehöhe beziehungsweise Geschossdisposition. Eine vorgehängte Metallfassade gibt beiden Baukörpern ein gleichmässiges Fensterraster. Einzig der Erweiterungsbau ist auf der Süd- und der Westseite mit jeweils einer breiteren Fensterachse akzentuiert. Die wenigen geschlossenen Wandflächen sind mit Paneelen verblendet. Die horizontale Gliederung der Metallfassade irritiert: Die Bänder liegen nämlich nicht auf Höhe der Geschossdecken, sondern unterhalb der Fensterbrüstungen. Die Paneele alternieren in bronzefarben und grau und reflektieren das Licht unterschiedlich, was eine optische Leichtigkeit erzeugt. Im Sockel- und einem weiteren Untergeschoss befinden sich die Operationsräume. Die darüber liegenden Geschosse sind unterteilt in Behandlungs- und Untersuchungsräume sowie in Büros und Wartezimmer. Da sich Sehbeeinträchtigte ausgeprägt über den Tast- und Gehörsinn orientieren, wurde ein spezielles Augenmerk auf die Materialisierung der Innengestaltung gelegt. Der dunkle Terrazzoboden steht in Kontrast zu den hellen und grosszügigen Räumen. Als Orientierungshilfe sind an den Wänden Handläufe montiert. Trotz der baulichen Dichte des Spitalareals bieten die Warteräume Blicke ins Grüne. Schneider Schneider Architekten, die zuvor andernorts Erfahrungen im Spitalbau gesammelt haben, ist es gelungen, bei der Erweiterung der Augenklinik Alt- und Neubau harmonisch zu verschmelzen und sowohl einen ästhetischen wie den aktuellen technischen Standards entsprechenden Kubus zu formen – dies unter der Herausforderung, den Spitalbetrieb während des gesamten Umbaus weiterzuführen. Martina Benz 2017 Bauten des Gesundheitswesens 9/2018, S. 22–23. – Schweizer Baudokumentation, Rüschlikon 2017, B03. – Bauten für die Gesundheit 6/2012, S. 31–39. – Neue Augenklinik soll Wachstum bringen, in: Luzerner Zeitung 25.4.2012.

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Erweiterung Augenklinik – Ansicht Südost. Foto: Martina Benz, 2017

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Erweiterung Augenklinik – Treppe. Foto: Martina Benz, 2017

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LU Dulaschulhaus Bruchstrasse 78, 6003 Luzern 1931–1933 / 2006 Albert F. Zeyer / Lengacher Emmenegger & Partner AG Dulaschulhaus – Ansicht West Foto: Maria Kuonen, 2017

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Der viergeschossige Bau weist eine signifikante Längsorientierung auf. Die schlichten Nordund Südfassaden zeichnen sich durch ein strukturiertes Fensterraster aus: Jeweils vier Scheiben formen ein Fensterelement. Die Nordfassade weist eine horizontale Gliederung auf, bestehend aus den Brüstungen und den gleichmässigen Fensterelementen mit liegendem Format. Die Fassade scheint zu schweben, da das Erdgeschoss zurückversetzt ist und Stützen eine Kolonnade formen. Im Gegensatz dazu wirkt die Südfassade durch die deutlich grösseren Fensteröffnungen gerastert. Die gestalterische Zurückhaltung wird an der östlichen Stirnseite des Baus aufgehoben. Hier trifft man auf ein halbzylindrisch ausgeformtes Treppenhaus, dessen Fenster sich über die Geschosse hinweg erstreckt und dem Gebäude Signifikanz verleiht. Ein ähnliches Fenster durchbricht auch die schmale Westfassade. Hier ergänzt ein einstöckiger Anbau, in dem ein Kindergarten untergebracht ist, den langgestreckten Baukörper. Das Dulaschulhaus wurde in Anlehnung an die bereits bestehenden Nachbarschulbauten nicht weiss, sondern in einem sanften Orangeton gestrichen. Die bewusste Integration in die Umgebung wird auch in der Ausformulierung des Daches spürbar: Statt eines Flachdachs erhielt das Dulaschulhaus ein leicht geneigtes Walmdach. Aufgrund der verdeckten Traufausbildung treten für den Betrachter jedoch die kubischen Baukörper in den Vordergrund. Die Grundrisse des Dulaschulhauses sind auf einem strukturierten Raster aufgebaut und lassen flexible Nutzungen zu. Alle Schulzimmer sind gegen den Pausenhof hin orientiert und werden über einen Längskorridor auf der Südseite erschlossen. Das Dulaschulhaus gehört zu den wenigen Pionierbauten des Neuen Bauens in der Innerschweiz und nimmt eine Schlüsselstellung im modernen Schulhausbau ein. Mit seiner architektonischen Gestaltung, unter anderem der Rasterfassade und dem halbrunden Vorbau, symbolisiert es den sozialen und kulturellen Aufbruch in den 1930er-Jahren.

Albert Zeyer konnte im Jahr 1930 den Wettbewerb für den Bau der Schulanlage Dula gewinnen. Benannt nach Franz Dula, einem Schweizer Lehrer und Politiker, wurden das Schulhaus und die dazugehörige Turnhalle von 1931 bis 1933 erbaut. Die Turnhalle wurde zwischenzeitlich um ein Geschoss aufgestockt, nach einer umfassenden Renovierung der gesamten Anlage durch die Luzerner Architekten Lengacher Emmenegger Partner im Jahr 2006 jedoch in ihren ursprünglichen Zustand zurückgeführt. Das Dulaschulhaus befindet sich im Bruchquartier und ist von der Säli- und der Bruchstrasse umschlossen. Zusammen mit den späthistoristischen Pestalozzi- und dem Sälischulhaus bildet es ein Ensemble an Bildungseinrichtungen, welche sich um einen gemeinsamen, grosszügigen Schulhof gruppieren. Die Haupteingänge des Dulaschulhauses befinden sich an der Nordseite, mit direktem Zugang zum Pausenplatz.

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Maria Kuonen 2017 Niederberger, Claus u.a. Neues Bauen in der frühen Moderne der Zentralschweiz. Die Gesamtrestaurierung der Schulanlage Dula in der Stadt Luzern, in: Jahrbuch der Historischen Gesellschaft Luzern. Luzern 2010, S. 31–109. – Schärer, Caspar. Zurück in die Zukunft, in: Hochparterre 4/2009, S. 34–37. – Stadt Luzern (Hg.). Immobilien. Bauten 2006: Schulhaus Dula, in: www.stadtluzern.ch. – Brentini, Fabrizio. Der Architekt Albert Zeyer (1895–1972). Luzern 2004, S. 18–19, 30, 56–66. – Meyer, André. Architektur zwischen Tradition und Innovation. Die Zentralschweiz auf dem Weg in die Moderne. Luzern 2003, S. 100–101. – Gmür, Otti. Architekturführer Luzern. Spaziergänge durch Raum und Zeit. Luzern 2003, S. 123. – Rucki, Isabelle; Huber, Dorothee (Hg.). Architektenlexikon der Schweiz 19./20. Jahrhundert. Basel 1998, S. 580–581. – Ineichen, Hannes; Zanoni, Tomaso (Hg.). Luzerner Architekten. Architektur und Städtebau im Kanton Luzern 1920–1960. Zürich/Bern 1985, S. 101. – Zeller, Christa. Schweizer Architekturführer 1920–1990. Nordost- und Zentralschweiz (Bd. 1). Zürich 1996, S. 257. – Meyer, André. Siedlungs- und Baudenkmäler im Kanton Luzern. Ein kulturgeschichtlicher Wegweiser. Luzern 1977, S. 186. – Bill, Max. Moderne Schweizer Architektur 1925–1945, Basel 1949, o. S. – Birchler, Linus. Moderne Schweizer Architektur. Basel 1947, o. S. – Zeyer, Albert. Dulaschulhaus mit Turnhalle Luzern. Luzern 16.2.1935 (StaLU B.3.31). – Zeyer, Albert. Erläuterungsbericht des Architekten. Luzern 29.1.1931 (StaLU B.3.31).

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Dulaschulhaus – Kolonnade. Foto: Maria Kuonen, 2017

Dulaschulhaus – Ansicht Nordwest. Foto: Maria Kuonen, 2017

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Dulaschulhaus – Treppe. Foto: Maria Kuonen, 2017

Dulaschulhaus – Ansicht Nordost. Foto: Maria Kuonen, 2017

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UR Heilpädagogisches Therapiezentrum Gotthardstrasse 14a, 6460 Altdorf 2008–2011 Graber Steiger Beat Streuli ( Kunst am Bau )

Heilpädagogisches Therapiezentrum – Ansicht Ost Foto: Martin Furrer, 2017

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2008 wurde ein Projektwettbewerb zum Bau eines neuen heilpädagogischen Therapiezentrums der Stiftung Papilio ausgeschrieben. Das Architekturbüro Graber Steiger aus Luzern erhielt den ersten Rang und konnte den Bau im Anschluss im Minergie-Standard ausführen. Das Therapiezentrum eröffnete 2011. Der Neubau fügt sich in den bestehenden Gebäudekomplex des Heilpädagogischen Zentrums Uri im Zentrum von Altdorf ein. Die in mehreren Etappen errichteten Bauten bildeten bislang eine U-Form. Mit der Platzierung des Neubaus im Nordwesten, an der Stoffelgasse, entstand ein kreisförmiges Ensemble – eine dorfähnliche Situation rund um einen zentralen Platz.

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Die neuen Räumlichkeiten sind in einem dreigeschossigen kubischen Baukörper mit versetzt angeordneten Geschossen untergebracht. Die Auskragungen und Rücksprünge bilden Terrassen und gedeckte Aussenbereiche. Der Neubau wurde in Holzelementbauweise ausgeführt, lediglich die Tiefgarage und der Treppenkern in Massivbauweise. Die Wandflächen sind mit einer vertikalen, die Bodenplatten mit einer horizontalen Holzschalung versehen. Darüber ist eine weitere Schicht angeordnet: Lamellen aus Fichtenholz gliedern die grosszügig bemessenen Fensterflächen sowie einige Wandflächen. Die Dichte in der vertikalen Gliederung variiert. Die feingliedrigen Hölzer reichen partiell über zwei Geschosse und verbinden die Ebenen. Diese abwechslungsreiche Linienführung lässt das Bauwerk skulptural erscheinen. Die Holzlamellen und die Holzverschalung sind mit einer grauen Lasur mit Aluminiumpigmenten behandelt und schimmern im Sonnenlicht metallisch. Die beiden Eingänge an der Nord- und Südseite sind gleichwertig gestaltet. Es entsteht ein Durchgang, welcher zugleich als Eingangs- und Aufenthaltsbereich dient. Im Gegensatz zur dunklen Fassade sind die Innenräume hell gestaltet. Die Wände und Decken sind mit Dreischichtplatten aus Fichtenholz verkleidet. Die Flure sind mit einem fugenlosen Magnesitbodenbelag, die Räume mit geöltem Raucheichenparkett ausgestattet. Der Künstler Beat Streuli gestaltete die grossen Panoramafenster mit transluzenten Kinderporträts. Mit der dezidierten Verwendung von Holz kehrt das Therapiezentrum den steinernen Bauten im Altdorfer Ortskern den Rücken zu und leitet geschickt zu den Wohn- und Landwirtschaftsbauten in der Umgebung über. Der parallel zur Stoffelgasse platzierte Bau unterstreicht das ortstypische Merkmal des Gassenraums. Durch die leichte Neigung des Geländes und die raffinierte Stapelung der Geschosse passt sich das Gebäude trotz seiner Grösse gut in die Umgebung ein. Martin Furrer 2017

Adam, Hubertus; Richli, Cybu; Burri, Fabienne (Hg.). Graber & Steiger, Bauten und Projekte 1995–2015. Luzern 2015. S. 63–64, 202–215, 395. – Schneider, Sabine. Die Stufenpyramide von Altdorf, in: Baumeister 1/2012, S. 46–55. – Linhart, Søren. Stapelungen und Verflechtungen, in: Werk, Bauen und Wohnen 1–2/2012, S. 26–31. – Jaeger, Michael. Therapiestelle HPZ Uri, in: Best Architects 2012. Düsseldorf 2011, S. 226–229.

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Heilpädagogisches Therapiezentrum – Foyer. Foto: Martin Furrer, 2017

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Heilpädagogisches Therapiezentrum – Ansicht Süd. Foto: Martin Furrer, 2017

Heilpädagogisches Therapiezentrum – Fassade (Detail). Foto: Martin Furrer, 2017

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Offizielles Curriculum 2019 / 20 Projektmodule

Kernmodule

Erweiterungsmodule

Master Thesisbuch

Vertiefungsarbeit

Thesisprojekt

Fokusvorlesungen

Fokusprojekt Material Struktur Energie

Studienreisen

Gestalten und Kultur­ verständnis

Entwurf und Konstruktionsmethodik

Keynote lectures Basisvorlesung

Umsetzen und Baurealisation

Bachelor Advanced Kunst und Architektur

Raumgestalt

Ausschrei­bung

Architektur und Raum­ gestalt

Bachelor-Thesis Prozessbuch

Räumliche Vision Tektonik

Interiors and Furnishings

Konzeption: Denk / Werk

Baurealisierung Komfort und Energie

Architektur und Tektonik

«achtung: die Schweiz»

Interdiszipl. Workshop •

Human Building

Architekturszene

Praxis im Studium

Building Information Modelling

Bachelor Intermediate Gebautes Umfeld

Atmoshpäre, Farbe, Licht und Material

Raum und Nutzung

Farbe und Interaktion

Kommunikation und Kultur

Vorstudien

Projektierung

Architektur und Kontext

Architektur und Raum

Konstruktion im Innenraum

Bauplanung

Städtebau

Studienarbeit

3D-Design Architektur

Konstruktives Entwerfen

Seminarwoche•

Summer Sch. Fachber. Bau•

Neptune•

Bachelor Basic Struktur und Material

Visuelle Komposition

Realisierung

Architektur und Struktur

Bauten entdecken Kontext 2

Grundlagen des Bauens Tragwerkslehre 1

Visuelle Grundphänomene

Grundlagen der Architektur

Kontext 1

Externes Fachseminar• Baurecht

Werkstatt Basic

Innenraumdarstellung

IT-Tools Architektur

Städtebauliche Analysen•

Modul ist Pflicht Modul ist Wahl • Blockwoche

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Prozessbuch Bachelor-Thesis – Layout und Typografie Die Gestaltung eines Prozessbuches für die Bachelorthesis ist der krönende Abschluss der Auseinandersetzung mit Layout und Typografie, die während des ganzen Bachelor-Studiums, immer als Anwendung und Überprüfung am konkreten Objekt, entwickelt und vorangetrieben wird. Die Prozessbücher sind Abschluss und Aufbruch zugleich, dienen sie doch nach dem Diplom auch der Präsentation bei zukünftigen Arbeitgebern oder weiterführenden Hochschulen. Sie sind eine Zusammenfassung der erworbenen Fähigkeiten und erbrachten Leistungen. Sie kommunizieren diese in Wort und Bild: sinnvoll und auf hohem Niveau. Wir sind davon überzeugt, dass Architektinnen und Architekten Kenntnisse und Fähig­ keiten im Bereich von Abgaben, Präsentationen und Publikationen in ihren Berufsalltag mitbringen sollten. Wir sind sehr erfreut über die Qualität der im Frühlingsemester 2018 abgegebenen Projekte. Die folgenden vier Prozessbücher stammen alle von Studierenden, die einen Abschluss mit Bestnote erreichten.

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Modulverantwortung

Dozierende

Assistierende

Hansjürg Buchmeier

Hansjürg Buchmeier Erich Häfliger

Christine Jungo Ramona Tschuppert

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Kunst und Architektur Das Löwendenkmal in Luzern ist mit jährlich 1,5 Millionen Besuchern eines der meistbesuchten Denkmäler der Welt. Es ist ein Werk des im 19. Jahrhundert europaweit berühmten, dänischen Bildhauers Berthel Thorvaldsen und feiert im Jahr 2021 seinen 200. Geburtstag. Aufgrund dieses Anlasses hat die Kunsthalle Luzern den vierjährigen Projektzyklus «Löwendenkmal 21» oder kurz «L21» lanciert. Für eine Schlussveranstaltung auf dem Areal des Denkmals entwickeln die Kunsthalle und das Institut für Architektur der Hochschule Luzern zusammen mit Studierenden eine Projektidee. Aufgabe ist es, für Konzerte und Perfor­ mances eine temporäre Plattform zu kreieren, die zugleich ein Betrachten des Löwen aus der Nähe ermöglicht. Das Spannungsfeld zwischen Architektur, Kunst und Kontext, sozialem, kulturellem und historischem Hintergrund muss hierbei ausgelotet und mit den spezifischen Bedürfnissen der Auftraggeberin L21 in Einklang gebracht werden. Modulverantwortung

Dozierende

Assistierende

ExpertInnen

Hansjürg Buchmeier

Hansjürg Buchmeier Roland Heini Peter Omachen

Jan Hostettler Christine Jungo

Peter Fischer, Projektleiter L21 Cony Grünenfelder, Denkmalpflegerin Kanton Luzern

Studierenden-Projekte Gruppe 1 Gruppe 4 Gruppe 11 Gruppe 14 Gruppe 15

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Samuel Fisler, Florian Gugger, Anna Zweifel Leah Lüscher, Monika Zaharievska, Stefanie Zobrist Eliane Ulrich, David Lutz, Pirmin Trütsch Julia Egli, Michelle Müller, Christine Schmid Tania Cruz, Livia Kneubühler, Chantal Winiger

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Symbol einer Zeitenwende: Das Löwendenkmal Luzern blickt auf eine lange Militärtradition zurück. Seit den Glaubenskriegen nicht mehr angegriffen, verblieb die Stadt in ihrem spätmittelalterlichen Festungsgürtel. Das militärische Handwerk wurde in Luzern allerdings nicht zur Verteidigung gepflegt, sondern als Solddienst – neben der Landwirtschaft bildete dieser die Haupteinkommensquelle des Patriziats. Das Versiegen der sogenannten Reisläufertradition bedeutete einen Bruch im kulturellen Wertgefüge der Luzerner. Den Wendepunkt bezeichnet das Löwendenkmal von 1821: Obwohl das Monument wieder an die alte Ordnung anknüpfen wollte, zeigte es selbstverräterisch das untergehende Söldnertum in Gestalt des sterbenden Löwen. Das Löwendenkmal ist die symbolische Kippfigur vom alten zum neuen Luzern: Geschaffen zur Feier der überholten Vasallentreue von Kriegsdienern, verdankt der sterbende Löwe von Luzern seine Berühmtheit dem modernen Tourismus, dessen Bestand vom internationalen Frieden abhängig ist. Unversehens waren aus Söldnern in fremden Diensten Diener der Fremdenindustrie geworden. Hauptinitiant für den Denkmallöwen war Carl Pfyffer von Altishofen ( 1771–1840 ), ein ehemaliger Offizier der königlichen Schweizergarde in Paris. Früh verwaist, hatte er seine Schulbildung im Kloster St. Urban und bei den Jesuiten in Freiburg erhalten. Anschliessend absolvierte er die Militärschule in Paris, wo er 1787 zum Leutnant avancierte und der Schweizergarde zugeteilt wurde. Gegen seinen Willen musste der Hauptmann im Sommer 1792 einen Urlaub in Luzern antreten und entging so dem Massaker, das revolutionäre Milizen im Louvre anrichteten. Aufgabe der rund 1’000 Mann starken Schweizergarde wäre es gewesen, den französischen König Louis XVI. vor dem aufgebrachten Volk zu beschützen. Am 10. August 1792 stürmten die Revolutionäre jedoch mit grosser Übermacht die von den Schweizern heldenhaft verteidigten Tuilerien. Die Garde wurde beinahe restlos vernichtet. Auch die 200 Schweizergardisten, die den König während des Sturmes auf die Tuilerien in die Nationalversammlung begleitet hatten, mussten ihre Pflichterfüllung mit dem Leben bezahlen: Vom Revolutionstribunal zum Tode verurteilt, wurden sie alle hingerichtet. In den folgenden Jahren war Pfyffer weiterhin als Offizier in fremden Diensten engagiert, bis er 1801 endgültig nach Luzern zurückkehrte, wo er schon bald höhere Ämter bekleidete. Er wurde Luzerner Militärdirektor, nahm Einsitz im Grossen Rat und war Mitglied des Stadtgerichts. Von 1819 bis 1836 führte er die Geschicke der Luzerner Kunstgesellschaft als deren erster Präsident. Seit Langem

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hatte er den Wunsch gehegt, seinen gefallenen Waffengefährten der Schweizergarde ein würdiges Denkmal zu setzen. Als Standort bestimmte er den zu seiner Liegenschaft gehörenden Steinbruch unterhalb des Wesemlin. Für die Finanzierung des Denkmals veranstaltete er eine Geldsammlung. Im Frühling 1818 setzte sich Pfyffer mit dem in Rom wirkenden dänischen Künstler Bertel Thorvaldsen ( 1768/70– 1844 ) in Verbindung, der damals ein berühmter Bildhauer war. Dieser fertigte für Pfyffer zwei Modelle an, die in Luzern wegen unzureichender Verpackung in stark lädiertem Zustand eintrafen. Da Pfyffers finanziellen Mittel nicht ausreichten, um Thorvaldsen persönlich für die Ausführung des ausgewählten Models zu engagieren, wurde der Solothurner Bildhauer Urs Pankraz Eggenschwyler ( 1756–1821 ) ausgewählt. Leider stürzte dieser kurz nach der Arbeitsaufnahme vom Gerüst und erlag wenig später seinen Verletzungen. An seiner Stelle kam nun der Konstanzer Bildhauer Lukas Ahorn ( 1789–1856 ) zum Zuge, der innerhalb von 14 Monaten den Thorvaldsen-Löwen aus dem Fels meisselte. Am 7. August 1821 war das Werk vollendet. Als sakrales Gegenstück zum profanen Denkmal entstand 1819 am Eingang des Parkgeländes anstelle der baufälligen Antoniuskapelle eine kleine Gedenkrotunde mit Altar und den Wappen der gefallenen Offiziere im Innern. In seinen bescheidenen Ausmassen zitiert der überkuppelte Zylinder mit vorspringendem Portikus das Pantheon in Rom. Die Enthüllungsfeier des Löwendenkmals am 10. August 1821, am 29. Jahrestag des Tuilerien-Sturms, wurde zum Fest der Aristokratie. «Mit der gleichen Schablone wie Paris» – Das Weyquartier Der Bau des ersten Luzerner Bahnhofs im Jahr 1859 brachte eine wesentliche Veränderung des Stadtgefüges mit sich und verlieh der Stadtentwicklung eine neue Dynamik. In der Folge berief der Stadtrat 1860 eine Baukommission mit dem Auftrag, je einen Bebauungsplan für das Bahnhofsgebiet sowie für das Gebiet auszuarbeiten, das sich vom «Neuen Platz» unterhalb der Hofkirche bis zum Löwendenkmal erstreckte. 1861 wurde der Zofinger Architekt Samuel Senn als Stadtbauinspektor nach Luzern berufen und mit der Ausarbeitung eines Bebauungsplans für das «Hofquartier» beauftragt. Sein «Plan zur Erweiterung der Stadt Luzern» wurde im November 1861 öffentlich aufgelegt. Er umfasste das rechte Seeufergebiet, das sich von der Mitte des Schweizerhofquais bis zum äusseren Ende des Haldengebiets erstreckte und enthielt das gesamte Wohngebiet der «Äusseren Weggis», des späteren Weyquartiers bis zum Löwendenkmal sowie

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die Umgebung des Stiftsbezirks. Senns Projekt zeigte neben den bestehenden baulichen Verhältnissen des Wey- und Hofquartiers die Linienführung einer neuen, grosszügig geplanten Stadtanlage. Dieser erste bedeutsame Entwurf machte die Absicht deutlich, gegenüber den kleinteiligen Verhältnissen der «mehreren Stadt» und der alten Wohnviertel ein modernes Quartier erstellen zu wollen. Dieses sollte die Stadt durch ein breites und geometrisch angelegtes Strassennetz dem Verkehr öffnen und durch die Schaffung geräumiger Bauplätze den Schwerpunkt gegen Osten und gegen den See hin verlagern. Es war vorauszusehen, dass der neue Bebauungsplan wegen seiner grosszügigen Konzeption und seiner Eingriffe in die bestehenden Strukturen zunächst eher skeptische, teilweise ablehnende Reaktionen auslöste. Das Luzerner Tagblatt vom 5. Dezember 1861 meinte dazu: «Vor einigen Tagen bekamen wir den für das Quartier Hof angefertigten neuen Plan zu Gesicht, über dessen grossartige Dimensionen wir nicht wenig erstaunten. Die mit dieser Arbeit betraute Kommission mag sich wohl die Vorgänge in den grösseren Städten Frankreichs und Deutschlands zum Muster genommen haben, für unsere auf kleine Verhältnisse beschränkte Lage finden wir selbe durchaus unpassend [...]. Ein grosser Theil der durch den Plan berührten bestehenden Gebäulichkeiten wird entweder von anzulegenden Strassen durchschnitten und ist somit auf Kosten der Gemeinde zu expropriiren oder kommt so ungeschickt in die neuen Quartiere zu stehen, dass auf Generationen hin selbe auf eine Art entstellt werden, wie solches gegenwärthig nirgends zutage tritt. Überhaupt scheint es, man habe die jetzt bestehenden Verhältnisse zu wenig ins Auge gefasst, statt die nothwendigen Korrekturen zu planiren, deren Ausführung die Gemeinde nicht übermässig in Anspruch genommen hätte». Bereits Anfang 1862 setzten als unmittelbare Folge dieses Bebauungsplans die ersten Spekulationen um das künftige Baugelände im Wey- und im Hofquartier ein. So bewarben sich etwa die Gebrüder Hauser, seit 1861 Besitzer des Hotel Schweizerhof, im Februar 1862 beim Stadtrat um die «billige Abtretung» der zwischen dem Stiftsbezirk und dem Schweizerhof gelegenen Bauparzellen. Der Stadtrat liess die Anträge der Unternehmer vorerst unberücksichtigt und beauftragte im April 1862 Samuel Senn unter Beizug des Architekten und Zeichnungslehrers Joseph Plazidus Segesser mit der «zweckmässigen Verbesserung» des ersten Bebauungsplans. Dieser zweite Entwurf, der im Dezember 1862 vorlag, bestand in einer wesentlich grosszügigeren Neugestaltung des Haldengebiets. Doch auch dieses überarbeitete Projekt fand keine ungeteilte Zustimmung. In der Folge beauftragte der Stadtrat die Architekten Ferdinand Stadler aus

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Zürich und Bernhard Simon aus St. Gallen «die Zweckmässigkeit der Pläne zu überprüfen». In wesentlicher Abweichung vom Projekt Senn schlugen die Architekten vor, durch ein halbkreisförmiges Gelenk eine organische Verbindung zwischen den beiden Quaianlagen herzustellen. Dieses «Rondeau mit Treppen mit einem Musikzelt in der Mitte, von welchem aus man den malerischen Prospekt gegen den See und die Gebirge zu geniesst» sollte zusammen mit dem als Garten gestalteten Vorplatz vor den Stiftshäusern den Mittelpunkt der Anlage bilden. Als eine nach Norden verlaufende Hauptachse sollte von hier aus ein breiter, baumbestandener Boulevard direkt zum Löwendenkmal führen. In seinem Bericht an den grösseren Stadtrat führte der Stadtrat zur Anlage des neuen Quartiers aus: «Wir halten uns für überzeugt, dass Luzern es bereuen würde, wenn die noch unbebauten Plätze und Wiesen im Wey, beim Löwen und noch mehr am Quai für alle Zukunft zu einem blossen Netze von Gassen umgeschaffen würden, was mit der Zeit unfehlbar geschähe, wenn nicht dermalen, wo die Baulust im Wachsen begriffen, halt geboten und auch für Luzern vorbereitet wird, was man in anderen Städten als eine Wohlthat anstrebt und was dort mit Opfern von Millionen erkauft werden muss». In Bezug auf die Ausführung des Projekts äusserte die Behörde vorerst keine Bedenken, da sie mit einer starken Beteiligung von privaten Bauunternehmern rechnete. Im Gegensatz zur optimistischen Haltung des Stadtrates wurde der neue Bebauungsplan von der Öffentlichkeit erneut sehr skeptisch aufgenommen. Die Luzerner Zeitung schrieb am 6. März 1864: «Der nach diesen Dispositionen angefertigte neue Plan macht auf jeden unbefangenen Beobachter einen sehr befriedigenden Eindruck. Derselbe erscheint selbst grossartig in Folge seiner Verbindung mit der schönen Stiftskirche, mit dem See und durch die Nähe der Gebirgswelt, welche erhabenen Schöpfungen glücklicherweise schon vorhanden sind und keiner Kostenrechnung unterliegen. Der Plan selbst, der schön ausgearbeitet ist und mit seinen bunten Farben einen freundlichen Anblick biethet, gereicht den fremden Architekten, die uns etwas Glänzendes, Grossartiges darreichen wollten, nicht zur Unehre. Sie hatten aber keinen Blick in unseren inneren Haushalt, der nicht gestattet Luzern mit der gleichen Schablone wie Paris zu behandeln». Nachdem der Bebauungsplan am 27. Oktober 1864 vom Stadtrat provisorisch genehmigt worden war, gelangten die Anwohner des Wey- und des Hofquartiers und des Haldengebietes, die sich in ihren eigentumsrechtlichen Verhältnissen gefährdet sahen, in einer gemeinsamen Zuschrift an den Regierungsrat und forderten eine

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weitgehende Abänderung des Stadtbebauungsplans. Die Proteste richteten sich vor allem gegen die breite, spöttischerweise als «Boulevard du Lion» bezeichnete Hauptachse, deren Erstellung umfangreiche Enteignungen erfordert hätte. Ablehnend äusserten sich die Gegner des neuen Bebauungsplans auch in Bezug auf das grosszügig bemessene Baugelände des Haldengebiets: «Durch schöne Gebäude und grossartige Strassenanlagen werden überhaupt die Fremden nicht nach der Schweiz gezogen, wohl aber hört man sie nicht selten über einen übertriebenen, einem einfach sein sollenden Hirtenvolke übel anstehenden Luxusaufwand sowohl auf Bergen als im Thal klagen». Infolge der zahlreichen Einsprachen sahen sich die Behörden veranlasst, im Frühjahr 1865 eine weitere Neufassung des Plans auszuarbeiten. Die breite, zum Löwendenkmal führende Allee wurde in Vereinfachung gegenüber dem Projekt von 1864 durch eine Fahrstrasse ersetzt und den angrenzenden, parallel nach Norden verlaufenden Strassenzügen angeglichen. Unverändert hingegen blieb die geplante Bebauungszone des Haldengebiets, dessen Anwohner, wie es aus den Verhandlungsprotokollen des Stadtrats hervorgeht, untereinander zerstritten waren und sich offenbar nicht auf ein gemeinsames Konzept einigen konnten. Der modifizierte Bebauungsplan wurde, nachdem er zuvor dem Stadtrat zur Stellungnahme vorgelegt worden war, am 18. September 1865 endgültig durch den Regierungsrat genehmigt. Innerhalb der Luzerner Baugeschichte stellt der Bebauungsplan für das Hofquartier die erste öffentliche und rechtsverbindliche Massnahme zur Anlage eines neuen Stadtteils dar. Es wird deutlich, dass man bestrebt war, die bauliche Entwicklung der Stadt zugunsten des rechtsufrigen Gebietes zu fördern und Luzern durch breite, geradlinige Strassenzüge, elegante Park- und Quaianlagen und grosszügig bemessene Bauparzellen ein grossstädtisches Gepräge zu verleihen. Hauptzweck dieser städtebaulichen Konzeption war es zweifellos, das neue Bebauungsgebiet gewinnbringend in den Dienst des Tourismus zu stellen. Mochten gegnerische Stimmen den Plan zu Anfang noch als Utopie bezeichnet haben, so liess doch der seit Beginn der 1860er-Jahre durch die Eisenbahn stetig zunehmende Reiseverkehr die Hoffnung auf neue Erwerbsquellen aufkommen. Deren Erschliessung erforderte die Schaffung neuer Unterkunftsmöglichkeiten und entsprechender städtebaulicher Anlagen. Die allgemein eintretende Erkenntnis, dass Luzern im Wettbewerb mit den übrigen Fremdenverkehrsorten der Schweiz einer städtebaulichen Gesamtplanung bedurfte, veranlasste das Luzerner Tagblatt am 3. März 1866 zu der Feststellung: «Man betrachtet jetzt die Stadt

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nicht mehr wie einen Sack, in den man die Fremden hinein, aber möglichst lange nicht mehr hinaus lassen will. Man erkennt jetzt daselbst, dass je mehr gute und bequeme Zufahrtsstrassen die Stadt hat, sie von den Fremden desto besuchter und Handel und Verkehr desto blühender ist». In den folgenden rund 30 Jahren wurde der vorgegebene Strassenraster des neuen Weyquartiers kontinuierlich überbaut. Wie von Anfang an vorgesehen, entwickelte sich das Quartier zur eigentlichen Touristenmeile, die den See mit dem Löwendenkmal verbindet. Hotels, Cafés und Restaurants, Souvenirläden, Museen und weitere, im Lauf der Zeit wechselnde Touristenattraktionen reihen sich seither dicht an dicht entlang der Löwen- und der Alpenstrasse sowie am Löwenplatz. Dr. Peter Omachen Omachen, Peter: Luzern – eine Touristenstadt. Hotelarchitektur 1782 bis 1914. Baden 2010. Riedler, Michael: Idyllisches Luzern. Luzern 1987. Wyss, Beat; Rüesch, Edgar: Inventar der neueren Schweizer Architektur INSA, 1850–1920, Luzern (Bd. 6). Zürich 1991.

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Räumliche Vision Im Modul Räumliche Vision ist das zentrale Thema die visuelle Analyse von Kunstprojekten im öffentlichen Raum der Schweiz. Die Beziehungen zwischen Objekt und Raum, zwischen Kunst und Architektur werden in einem eigens für das Projekt entwickelten Ansatz visuell untersucht, in eine ästhetisch überzeugende Ordnung gebracht und in einer adäquaten Präsentationsform vor­ gelegt. Im Vordergrund steht dabei die gestalterische Annäherung an die Situation und die Entwicklung einer sinnvollen Darstellung. Inputveranstaltungen vermitteln grundsätzliche Möglichkeiten der visuellen Analyse, aber auch in der Architektur entwickelte Raumwahrnehmungstheo­ rien werden vorgestellt, praktisch erprobt und diskutiert. Jasmin Mohammadi legt mit ihrem Projekt «Klänge des Lichts» eine bezaubernd schöne und stimmige Recherche der räumlichen und atmosphärischen Qualitäten der in den Jahren 1960 bis 1964 von Ernst Studer errichteten Kollegiumskirche St. Martin in Sarnen vor. Die Dar­ stellungsmittel der Zeichnung und der Fotografie fügt sie in einer klugen Dokumentation zu einer überzeugenden Gesamtschau.

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Modulverantwortung

Dozierende

Assistierende

Hansjürg Buchmeier

Hansjürg Buchmeier Stefan Davi Urs-Beat Frei

Lukas Galantay Jara Malevez Ramona Tschuppert

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Ein verborgenes Juwel: Die Schatzkammer in der Luzerner Hofkirche Es war ein Glücksfall für die Luzerner, ja, man darf sogar sagen, für die Schweizer Kunstgeschichte, dass der ortsansässige Kunstmaler und Restaurator Alfred Schmidiger 1931 einen ungewöhnlichen Auftrag «erbte»: die dekorative Ausmalung des Schatzkammerraums in der Luzerner Stifts- und Pfarrkirche St. Leodegar im Hof. Der Vorgängerbau derselben brannte bekanntlich 1633 ab. Bereits 1644 wurde die heutige Kirche eingeweiht, die als eines der wenigen und überaus gelungenen Zeugnisse der Spätrenaissance bzw. des Manierismus in der Schweiz gilt. Sie weist auf beiden Seiten des Chors je eine längsrechteckige Sakristei mit eingewölbter Decke und zwei toskanischen Säulen auf. Die linke (nördliche) wurde 1930–1933 zu einem eigentlichen Schatzkammerraum mit einer massiven Tresoranlage umgestaltet. Dies wiederum war das Ergebnis einer acht Jahre zuvor erfolgten Intervention des damaligen Konservators der Luzerner historischen Sammlung, Jost Meyer-Schnyder von Wartensee. In einem Schreiben mahnte er unmissverständlich an, dass das Chor-herrenstift und die städtische Kirchgemeinde, die je hälftig Eigentümer des Stiftsschatzes sind, zu diesem besser Sorge tragen sollten. Der Schatz sei in einem katastrophalen Zustand und das bedürfe dringendst der «Remedur». Im Zuge der Instandstellungs- und insbesondere klimatechnischen Sanierungsmassnahmen des Raumes wurde auch an den Luzerner Kunstmaler Caspar Herrmann (1885–1955) der Auftrag zur Anbringung einer Deckenmalerei vergeben. Wegen Arbeitsüberlastung trat dieser allerdings Mitte 1931 davon zurück und der Auftrag wurde an den damals neunundreissigjährigen Alfred Schmidiger (1892–1977) weitergegeben. Warum die Auswahl auf diese beiden Künstler fiel, ist aus den Akten nicht ersichtlich. In den folgenden knapp eineinhalb Jahren schuf Schmideger die heutige, damals dem modernsten Zeitstil entsprechende Ausgestaltung des Raums. Ganz im Art-déco-Stil gehalten, mit intensiver Farbgebung und dominierenden Rot-Tönen sowie geometrischen, teilweise mit christlichen Symbolen versetzten Mustern, ist diese vollständig ausgemalte Schatzkammer nicht nur sein Hauptwerk geblieben, sie wurde überdies zu einem schweizweit einzigartigen kirchlichen Innenraum. Dieser lebt vom Zusammenspiel von Schmidigers Dekorationsmalerei mit der von der Renaissance geprägten architektonischen Formensprache des Raums, die sich auf den Fassaden der raumhohen Holzschränke fortsetzt, welche an drei

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Seiten angebracht sind, sowie mit der Aura der – sind die Schrank- und (dahinter) Panzertüren einmal alle geöffnet – darin aufbewahrten verschiedensten Schatzobjekten aus Gotik und Barock. Wie dieser Raum damals von den Auftraggebern und der Öffentlichkeit, soweit sie dahin Zugang hatte, aufgenommen wurde, ist leider nicht bekannt. Bekannt ist indessen, dass ein weiterer Auf-trag der Luzerner Kirchgemeinde fünf Jahre später zu einer tragischen Wende in der Biographie des Kunstmalers Alfred Schmidiger führte: Die 1938 von ihm für die Fronleichnamsprozession geschaffenen beiden sieben Meter hohen und zwei Meter breiten Panels, die auf der Seebrücke an zwei je neun (!) Meter hohen Holztürmen befestigt wurden, lösten in Luzern einen wahrhaften Skandal aus. Hunderte empörte Briefe wurden an den Bischof nach Solothurn, an die Verantwortlichen der Kirchgemeinde und an das Pfarramt der Hofkirche gesandt und Schmidiger unter anderem – aufgrund der in diesen Werken ebenfalls dominierenden Rot-Töne – als Kommunist und Modernist beschimpft. Das führte dazu, dass dieser sich fortan weitgehend aus der Öffentlichkeit zurückzog. Er malte zwar weiterhin und blieb auch, nun auf moderate Weise, der Moderne verpflichtet, gehörte aber gewiss nicht mehr zur künstlerischen Avantgarde. Nicht die Erinnerung an diesen Eklat, sondern andere Gründe, auf die hier der Kürze halber nicht eingegangen werden kann, haben dazu geführt, dass die tatsächlich einzigartige Schatzkammer mit ihren Schatzobjekten von nationalem Rang – nachdem sie in der zweiten bis fünften Ausgabe des Schweizer Museumsführers noch aufgeführt gewesen war (1969–1991) – zunehmend in Vergessenheit geriet und in den letzten gut zwanzig Jahren immer mehr zum Abstellraum verkam – obwohl in dieser Zeit die Kirche, 2000/01, und die Sakristei, 2009/10, restauriert wurden. Das 1250-Jahre Jubiläum des Luzerner Chorherrenstifts 2018 bot nun den Anlass, erste Schritte einzuleiten, um diesbezüglich Abhilfe zu schaffen. Der Propst erteilte Urs-Beat Frei den Auftrag, die Schatzkammer erstmals seit ihrer Entstehung als Ausstellungsraum neu einzurichten. Dabei wurden insbesondere die Beleuchtung des Raums und der Schränke den heute verfügbaren technischen Mitteln angepasst, so dass jetzt sowohl die Malereien von Schmidiger als auch die Glanzstücke des Schatzes in bestem Licht erscheinen. Dass dieser Raum, der nur mit einer Führung zu besichtigen ist, zu einem verzaubernden Erlebnis werden kann, erfuhren im Frühjahrssemester die Studierenden des Moduls «Räumliche Vision». Die Führung begann nämlich im Dunkeln, im Lichtschein nur der Osterkerze, die mitten im Raum auf einem prächtigen Art-déco-Leuchter

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aus den 1920er Jahren brannte – entworfen vom Kunstmaler Joseph von Moos, dem Vater des später berühmteren Max von Moos, und ausgeführt von Schülern der Luzerner Kunstgewerbeschule. Schwach angeleuchtet war der Text des frühchristlichen Hymnus «Coelestis Urbs Jerusalum», den Schmidiger über der Eingangstür auf die Wand geschrieben hat, und der zur Einstimmung als gregorianischer Choral erklang. Dann wurden die Schrank- und Panzertüren eine nach der anderen geöffnet und die goldenen und silbernen Kreuze, Monstranzen, Kelche, Reliquienbüsten etc. funkelten in den noch dunklen Raum – bis schliesslich auch das Gewölbe und die Wände stimmungsvoll beleuchtet wurden. Einleuchtend erschien deshalb die Erklärung, dass der Künstler mit seiner orientalisierenden Malerei wohl so etwas wie eine himmlische Stimmung in dem Schatzkammerraum erzeugen wollte, da ja christliche Kirchen seit dem Mittelalter auch als Repräsentationen des Himmlischen Jerusalems auf Erden verstanden werden. Der Besuch des Luzerner Stiftsschatzes ergänzte so vorzüglich die Vorlesung «Religiöse Visionen als virtuelle und gebaute Kunstwerke», in der auch das Himmlische Jerusalem thematisiert und in einem Gang durch die Jahrhunderte vielfältig illustriert wurde, ausgehend von der einschlägigen, wort- und bildgewaltigen Textgrundlage in der «Offenbarung an Johannes», dem letzten Buch des Neuen Testaments. M. A. Urs-Beat Frei

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Konzeption: Denk/Werk Künstlerisches Denken für Architekten. Sind Architekten auch Künstler? Sollen Architekten künstlerische Strategien lernen? Sind Künstler auch Architekten? Ist die Baukunst näher beim Bau oder bei der Kunst? Welche Ausbildungen gibt es, wo beide Disziplinen gleichwertig verhandelt werden? Das Modul Konzeption: Denk/Werk hat sich zum Ziel gesetzt, künstlerisches Denken und Schaffen am Institut für Architektur zu üben. Derweil verwandelt sich im künstlerischen Arbeitsprozess der Körper zum Kontext, das Objekt zum Subjekt, die Ordnung zur Unordnung, die Aktion zur Partizipation … Bedeutende Kunstwerke der Gegenwart geraten bei der Aneignung durch die Studierenden in aktualisierte und individualisierte Sinnzusammenhänge. Modulverantwortung

Dozierende

Assistierende

Gäste

Monika Kiss Horváth

Alberto Alessi Jonas Etter Monika Kiss Horváth Christoph Lang René Odermatt

Linda Baer Manuel Gächter Christine Jungo Jara Malevez Sara Stäuble Ramona Tschuppert

Karin Lehmann Katja Schenker Markus Weiss Anna-Sabina Zürrer

Abgebildete Arbeiten von S. 168, 176 S. 169, 189 S. 170, 186 S. 171 S. 172 S. 173, 182 S. 174, 187 S. 175 S. 177, 180 S. 178, 179 S. 181 S. 183 S. 184 S. 185 S. 188

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Fabian Emmenegger, Marc Kneubühler, Tobias Küchler, Flavio Staffelbach Berivan Issa, Evelyne Jost, Chantal Kretz, Fabio Rainoldi Sabrina Lüscher, Alexandra Wüthrich Julien Arni, Fabio Gsell, Andri Marugg, Kerstin Maurer Niklas Dierks, Matt Horn, Lars Rumpel, Nadine Vonlanthen Roland Baggenstoss, Pascal De Gamio, Severin Erni, Jana Mulle Patrik Egger, Silas Maurer, Florian Oertli, Katja Suter Lonra Fuchs, Timo Henzmann, Maria Hischier, Vivianne Husmann Samuel Ackermann, Philippe Geiser, Gilles Guignard, Fabian Zobrist Carine Amacker, Beat Hess, Mirjam Inauen, Stephanie Margraf Alexa Cavegn, Manuele Pinelli, Roman Stock, Sara Zoboli Tania Cruz, Laura Kaiser, Livia Kneubühler, Gabriela Shabo, Chantal Winiger Anina Butti, Tobias Furter, Lulkuqe Gega, Michael Kneubühler, Marina Rietmann Michael Bürgi, Fabian Gantenbein, Barbara Rapin, Angela Steffen, Lukas Zehnder Nicole Birrer, Alena Komarek, Jansi Nagalingam

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Farbe und Interaktion im gebauten Umfeld Noch vor 2000 Jahren war die Farbe im abendländischen Kontext fest mit der Architektur verbunden. Die Farbe eines Materials oder etwa die Fresco­malerei waren integraler Bestandteil eines Bauwerks, erweiterten es dialogisch zur Projek­ tionsfläche, zum vitalen Raum. Das wäre die ideale Ausgangslage gewesen, wenn nicht die Kunst- und Architekturgeschichte im Lauf der Epochen getrennte Wege eingeschlagen hätten. Aktuell lassen sich Tendenzen zu einer Wiedervereinigung des Farbmediums mit dem Bauwerk beobachten. Synergien zwischen Architekten und Künstlern fördern Baukunstwerke zutage, wo die Farbe kohärent mit der Architektur eine sinnstiftende Einheit bildet. An dieser Entwicklung beteiligen wir uns im Modul Farbe und Interaktion forschend und gestaltend seit mehreren Jahren anhand von konkreten Fallbeispielen aus Luzern. Modulverantwortung

Dozierende

Assistierende

Monika Kiss Horváth

Gregor Imhof Monika Kiss Horváth Peter Omachen

Manuel Gächter Christine Jungo Samira Liebendörfer Ramona Tschuppert

Abgebildete Arbeiten von S. 194/195 o., 197 u. S. 194/195 u., 198 o. S. 196, 197 o., 198 u., 199 u. S. 199 o. S. 200/201 S. 202/203 S. 204/205 S. 206/207 S. 208/209

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Karin Burkhardt, Nadia Christ, Ingrid Rasmussen, Dominik Roos, Carmen Steiger Nicole Birrer, Niklas Dierks, Thomas Durrer, Lars Rumpel Patrik Egger, Silas Maurer, Gemiliano Mura, Florian Oertli, Katja Suter Sereina Fischli, Katja Frick, Karin Gisler, Nadja Laager, Michele Pini Tobias Furter, Michael Kneubühler, Pascal Schnydrig, Dominic Roth Carol Ast, Charlotte Hustinx, Marina Rietmann, Michelle Stutz Michelle Anliker, Julie Bänziger, Céline Oberholzer, Sarah Zoboli Michael Berchtold, Mara Bühler, Marina Engel, Alex Lötscher Geraldine Häusler, Katja Jucker, Erich Lussi, Claudio von Euw

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Kommunikation und Kultur Im Kernmodul Kommunikation und Kultur erforschen wir den architektonischen Raum mit filmischen Methoden. Grundlagen der Bauforschung, Arbeitsmethoden der praktischen Denkmalpflege sowie die Geschichte des Dokumentarfilms werden thematisch vermittelt. Raumwahrnehmung und Raumwirkung sind gleichsam Dreh- und Angelpunkt videografischer Unter­suchungen. Konventionelle Muster der Raumwahrnehmung werden aufgebrochen und im Bezugsfeld der Kultur- und Architekturgeschichte auf ihre Raumwirkungen hin überprüft. Das Produkt dieser Arbeit ist die Transferleistung vom architektonischen zum filmischen Raum. Die Videoarbeiten stehen in einer thematischen Reihe von architektonischen Untersuchungen der lokalen und regionalen Baugeschichte. Modulverantwortung

Dozierende

Assistierende

Erich Häfliger

Klaus Fromherz Erich Häfliger Gregor Imhof Marc Schwarz

Lukas Galantay Christine Jungo Jara Malevez

Studierenden-Projekte Geschäfts- und Wohnhaus «Burgertor», Burgerstrasse 22, Luzern Yannick Fortiguerra, Kevin Kummerow, Pascal Steinmann, Michael von Ins Reiheneinfamilienhäuser, Meilipromenade 1–8, Emmen Sandra Barmettler, Renato Bosshard, Fabian Huber, Caterina Schmidlin Ferienhaus Hopf-de Meuron, Naumattstrasse 14, Meggen Dario Müller, Silvan Schaller, Eric Wolfensberger, Gregor Zemp

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Denken in Sequenzen – Ein Gespräch mit Filmemacher und Architekt Marc Schwarz Am Anfang der Architektur stehen Entwurf und Planung, am Ende die Dokumentation eines Bauwerks. Pläne, Fotografien und Publikationen sind zweidimensional, Architekturmodelle und Filme hingegen erweitern die Sphären der Wahrnehmung. Das Filmemachen im Modul Kommunikation und Kultur stellt für die Studierenden fast immer eine ganz neue Erfahrung, eine grosse Herausforderung dar. Gregor Imhof im Gespräch mit dem Filmemacher und Architekten Marc Schwarz über die Möglichkeiten dieses Mediums. Marc Schwarz, wie kommt ein Architekt zum Filme­ machen? Ich hatte das Glück, dass es an der ETH eine Filmklasse gab. Rudolf Manz leitete sie. Da haben wir einerseits praktische Übungen gemacht. Es wurde gewünscht, dass man sich einlässt auf Raum und Zeit. Je experimenteller, desto besser. Andererseits, und fast noch wichtiger, hielt Rudolf Manz eine Vorlesung, in der er viele Ausschnitte zeigte und uns das Medium Film näherbrachte. Und dann bin ich sozusagen mit dem Blick durch den Viewfinder aufgewachsen, denn mein Vater hat mit uns Kindern 16mm-Filme gedreht und geschnitten. Was interessiert den Filmemacher an Architektur? Der Schritt von der Architektur zum Film ist für mich ein kleiner. Unsere Ausbildung war stark auf Räume und ihre Abfolge ausgerichtet, also wie man ein Haus betritt, es durchschreitet. Das ist sehr filmisch gedacht, insofern haben beide Disziplinen etwas stark Narratives. Wo liegen generell die Schwierigkeiten, wenn man dreidimensionale Räume im zweidimensionalen Bild einfangen muss? Das eine Problem ist ein logistisches. Ist ein Raum zu klein, wird es schwierig, ihn zu fassen. Einfach ein Weitwinkelobjektiv einzusetzen, reicht nicht. Zweitens ist die Versuchung oft gross, ähnlich wie in der Architekturfotografie, eine grafische Arbeit umzusetzen. Also man komponiert ein Bild so, dass es gute Proportionen, einen schönen Bildaufbau hat. Mit der bewegten Kamera ist mir wohler. Ich habe den Eindruck, durch die Bewegung verschieben sich Dinge und erschliesst sich oft erst die Qualität eines Gebäudes.

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Und wo liegt das Potential? Den Hauptunterschied sehe ich im Ton. Der Architekturfotograf muss alles in einem Bild erzählen. Selbst Geruch und Ton kann ein guter Fotograf vermitteln. Aber mit der Kamera, mit dem Ton ist das selbstverständlicher. Wieso sollten sich Studierende über das Medium Film mit Architektur auseinandersetzen? Nach einigen Semestern wird mir immer bewusster, dass es um das Erzählen einer Geschichte geht. Im Minimum mit einem Anfang und einem Ende. Die Studierenden müssen also eine Art visuellen Aufsatz schreiben. Dann finde ich das Denken in Sequenzen sehr wichtig. Man merkt beim Schneiden, welche Dinge zusammengehören und was nicht in eine Abfolge passt. Das kann einen Einfluss haben auf den Entwurf. Gute Bauten im architektonischen Sinne, sind auch gut zu begehen mit der Kamera. Besten Dank für das Gespräch. Interview Prof. Gregor Imhof

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Räume und Raum erzählen – Architektur im Dokumentarfilm Architektur zu verfilmen ist eine Herausforderung: Wie lässt sich dreidimensionaler Raum im zweidimensionalen Bild einfangen? Wie kann die Dramaturgie von Raumfolgen dargestellt werden? Lassen sich theoretische Konzepte veranschaulichen? Wie sind sinnliche Anmutungen, wie Lichtstimmungen oder haptische Qualitäten eines Raumes wiederzugeben? Räume filmisch zu fassen bleibt immer eine Annäherung an und eine Rekonstruktion von Realität. Am Ende haben die Gebäude zwei Baumeister: den Architekten und den Filmemacher. Architekturfilme bilden ein Nischengenre. Interessanterweise gibt es viele gelungene Beispiele aus der Schweiz. Das hängt einerseits damit zusammen, dass der Dokumentarfilm generell eine Stärke des einheimischen Filmschaffens ist und es andererseits eine hohe Dichte an interessanten Architekturbüros gibt, über die es zu berichten lohnt. Dabei sind unterschiedliche Haltungen denkbar: Ein Film kann sich um eine neutrale ausgewogene Perspektive bemühen oder eindimensional Position ergreifen. Er kann von einem spontanen Gestus getragen oder wie Architekturfotografie stark komponiert sein. Er kann sich auf historisches Material abstützen oder dem Fiktionalen annähern, etwa mit nachgespielten oder gezeichneten Szenen. Betrachtet man die inhaltliche Ausrichtung von Architekturfilmen, lassen sich drei Untergruppen ausmachen: Entweder sie greifen ein städtebauliches Thema auf, stellen ein einzelnes Gebäude ins Zentrum oder sie porträtieren Architektinnen und Architekten. Einige Beispiele sollen dies veranschaulichen. Urbane Impressionen und Konzepte Eines der ersten filmischen Städteporträts ist Berlin – die Synphonie der Großstadt ( D, 1927 ). Der deutsche Regisseur Walter Ruttmann, ursprünglich Maler und Grafiker, drehte als erster abstrakte Filme. Dies merkt man seinem Berlin-Porträt an. Viele Einstellungen sind reduziert auf horizontale oder vertikale Linien, wie Stromleitungen oder Eisenbahnschienen. Auch Fassaden von Gebäuden wurden so eingefangen, dass ihre lineare Struktur betont wird. Dabei durchmass Ruttmann die Stadt in ihren Dimensionen: Von der Vogelperspektive hinunter auf die Strasse, durch den Gulli in die Kanalisation. Die Stadt ist ein Schlund aus Stein, in den am Morgen viele Menschen aus den Vorbezirken gespült werden. Natur findet in seinen Filmen kaum Platz. Ruttmann betonte zudem den industriellen Charakter der

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Metropole mit Zwischenschnitten von Fabrikhallen und dampfenden Maschinen und setzte die neusten technischen Errungenschaften in Szene. Angefangen bei der Eisenbahn über Aufzüge für Autos bis zur Schreibmaschine. Diese kühle, harte Atmosphäre ist Ausdruck der «Neuen Sachlichkeit». Und im Gegeneinander von starrer Statik – die Bauten in Stein und Eisen – und heftiger Dynamik – die vorbeiflirrenden Züge und Strassenbahnen – fand Ruttman seine ästhetische Formel: Beides ist Ausdruck der urbanen Moderne. Neben Berlin werden in den 1920er-Jahren eine ganze Reihe von weiteren Metropolen in Stadt-Sinfonien vorgestellt. Darunter Paris, Chicago, Tokyo, Moskau oder São Paulo. Mit dem zweiten Weltkrieg und dem Kalten Krieg verstummt der Architekturfilm für lange Zeit. Erst die Entwicklung von leichteren Kamera- und Tongeräten in den 1960er-Jahren löst eine neue Bewegung im Dokumentarfilm aus. Diese neuen Geräte macht sich das sogenannte «Direct Cinema» in den USA zu Nutze, das sich für gesellschaftspolitische Themen interessiert. Mit einem ethnologischen Auge soll der filmische Gegenstand beobachtet werden.1 Das heisst die vorgefundene Realität gibt die Inhalte vor, der Filmemacher greift gestalterisch möglichst wenig ein. Chandigarh und Brasilia Beeinflusst von dieser Bewegung ist Une ville à Chandigarh ( CH, 1966 ). Mit diesem filmischen Essay brachte der Westschweizer Alain Tanner kurz vor der 1968er-Revolte wieder ein städtebauliches Thema auf die Leinwand. Ohne Drehbuch filmte er sechs Wochen lang in Chandigarh. Zurück in der Westschweiz wusste er nicht so recht, wie er das Material anordnen soll. Da half ihm sein Freund John Berger. Die beiden interessierte vor allem die Umbruchsituation in Indien, denn Chandigarh war damals ein Testgelände für neuartige Gesellschaftsformen. Mit dem Bau dieser Stadt wurde ein Grossteil der Bevölkerung mit einem Schlag von einer archaischen Lebensweise ins 20. Jahrhundert katapultiert. Eindrücklich zeigt dieser Film, wie die futuristische Stadt praktisch von Hand gebaut wird. Es stehen also vor allem die Menschen im Zentrum und die Frage, ob die Architektur ihnen zu einem besseren Leben verhilft. Kaleidoskopartig schneidet der Film viele Themen an: er wechselt zwischen städtebaulichen Konzepten und täglichen Verrichtungen der Menschen, gesellschaftlichen Ungleichheiten und Analphabetimus, Handwerksarbeit und der Rolle der Frau. Kein Thema wird besonders hervorgehoben, keines entwickelt sich zwingend aus dem vorherigen. Die Themen werden immer nur ein Stück weit

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angerissen und dann durch das nächste abgelöst. Diese Teaser-Dramaturgie führt dazu, dass alle Inhalte zwar gleichwertig neben einander liegen, jedoch nicht wirklich ausgeführt werden.2 Das gilt auch für die Architekturthemen. Innenräume werden durch Rückwärtsbewegungen der Kamera in ihren Dimensionen erfahrbar, seitliche Schwenks und Fahrten fangen die Fassaden und die horizontale Ausbreitung der Stadt ein, Rückwärtszooms verorten die neuen Gebäude in ihrem Kontext. Tanner konzentrierte sich vor allem auf die Wohnbauten, die von Jane Drew und Maxwell Fry stammen, sowie die von Pierre Jeanneret konzipierten Schulbauten. Die Repräsentationsarchitektur, wie etwa das Kapitol von Le Corbusier, interessierte ihn weniger. Schwierig für den Zuschauer ist, in diesem ohnehin komplexen Stadtgefüge eine räumliche Orientierung zu finden. So etwas wie eine kognitive Karte, also eine mentale Repräsentation der räumlichen Gegebenheiten, kann beim Betrachter kaum entstehen.3 Informationen zum Architektenteam oder zu Entwurf und Konstruktion fehlen ganz. Im Zentrum steht immer die Frage, wie sich die Menschen den gebauten Raum aneignen. Rund vierzig Jahre später setzte der Film Brasilia – eine Utopie der Moderne ( CH, 2007 ) stärker auf eine vermittelnde Dramaturgie. Der Schweizer Christoph Schaub wählte für sein Porträt das klassische Narrativ «von der Idee, zum Plan zum fertigen Gebäude». Besonders anschaulich umgesetzt ist dieses Konzept in einer Überblendungssequenz: Sie beginnt mit der historischen Fotografie einer Strassenkreuzung im Nirgendwo, wechselt zur allerersten Skizze mit einem Kreuz im Zentrum, darüber erscheint der Masterplan der Stadt mit seinem flugzeugartigen Grundriss, bis wir die gebaute Wirklichkeit sehen. Zudem konnte der Filmemacher auf historisches Foto- und Filmmaterial zurückgreifen und interviewte einen Bauarbeiter sowie den 100-jährigen ( ! ) Oscar Niemeyer. Im Wechsel von Gegenwart und Rückblenden gelang es, der fertigen Stadt ihren Entstehungsprozess einzuschreiben. Niemeyer erinnerte sich an den hohen Zeitdruck und betonte, dass er mit Brasilia ein Kunstwerk erschaffen wollte, das überrasche und Gefühle auslöse. Der Film macht das nachvollziehbar, etwa wenn er die auf Betonzehen schwebende Residenz des Präsidenten in Nachtaufnahmen zeigt oder wenn die Kamera im Auto vom Zentrum durch die Superquadras bis an die Ränder der Stadt fährt und die grosszügigen Aussenräume durchmisst.

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Gebäude als Resonanzraum der Erinnerung

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Um Bewegung geht es auch im Film Il girasole – una casa vicino a Verona ( CH, 1995 ). Doch bewegt sich hier nicht die Kamera, sondern ein Gebäude. Denn die Villa Girasole ist ein zweigeschossiges, drehbares Haus aus den 1930er-Jahren. Sie steht auf einem runden Sockel, in dem das Getriebe verborgen ist. Eine volle Drehung um die eigene Achse dauert acht Stunden, und im Dreh- und Mittelpunkt befindet sich auch das spiralartige Treppenhaus mit Lift. Der Erbauer Angelo Invernizzi bewältigte mit dem Bau dieser Villa mechanische und betontechnische Herausforderungen, die noch heute starke Herausforderungen sind. Invernizzi interessierte aber weniger das kinetische Ereignis an sich, als die Bewegung als Abfolge von statischen Zuständen.4 Besonders im Bezug von Innen und Aussen zeigt sich das Geheimnis des Gebäudes: Mit jeder Bewegung schneiden die Fenster etwas Neues aus der Landschaft heraus, und umgekehrt verändern wechselnde Licht- und Geräuschsituationen die Stimmung in den Räumen. Der Regisseur Christoph Schaub vermittelt dies in langen, in sich ruhenden Einstellungen. Für ihn funktioniert Film wie Erinnerung, nämlich als eine Aufeinanderfolge von verschiedenen Einzelbildern, die einen bestimmten emotionalen Wert haben.5 Innenund Aussenaufnahmen wechseln sich ab. Dazwischen sieht man die Zahnräder des Getriebes, die ineinandergreifen und das Gebäude unmerklich weiterschieben. Aus dem Off erläutert eine weibliche Stimme die Geschichte und Funktionsweise des Hauses. Es ist die Tochter des Erbauers Angelo Invernizzi. Ganz zum Erinnerungs- und Reflexionsraum wird ein Gebäude im Film Haus Tugenhat ( D, 2013 ) von Dieter Reifarth. Das im Titel genannte Gebäude war ursprünglich das Wohnhaus der jüdischen Industriellenfamilie Tugenhat. Es wurde von Ludwig Mies van der Rohe und seiner Partnerin Lilly Reich 1930 bis ins kleinste Detail entworfen. Der Film beginnt mit einer siebenminütigen Begehung: Durch das Laub eines Baumes im Garten nähert sich die Kamera dem Gebäude, fasst seine Erscheinung, tritt durch eine Art Wintergarten ins Innere, tastet die flutenden Räume und ihre Materialisierung ab, durchschreitet die raumhohen Türen und gelangt über die OnyxTreppe nach oben zum versteckten Eingang des Hauses. Mit dieser Bewegung zeigt der Film, wie die Zeitlichkeit der Architektur, also die vierte Dimension, gedacht werden kann.6 Während die Steadycam so durch das Haus schwebt, wird auf der Tonspur der zeitgenössische Diskurs mit Zitaten aufgespannt. Sind versenkbare Glaswände ein unmoralischer Luxus? Ist der Raum nicht atonal und damit Ausdruck

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eines allgemeinen Weltgefühls? Wirkt das Innere auf die Bewohner befreiend oder pathetisch? Dieser Beginn auf der Tonspur bleibt Programm für den ganzen Film. Es gibt keine erklärende, allwissende Off-Stimme, stattdessen äussern sich über 50 Personen zum Gebäude. Insofern ist der Film ein beeindruckendes Beispiel für die Form der «Oral History». Wir hören die Meinungen von zwei Generationen der Familie Tugendhat, von Architekturhistorikerinnen, von Restauratoren und von Menschen aus Brünn. Diese «Coralita», also Vielstimmigkeit, wird immer durch das Haus selber gebündelt und überlässt es dem Zuschauer, wie er sich zu den verhandelten Themen positioniert. Dabei geht es um jüdische Besitzer und ihre Vertreibung, die Okkupation durch NS-Leute, Umnutzungen im Ostblock, Restitution und eine komplexe Renovierung. Der Architekt und die Nutzerin Kommen wir abschliessend zu den Architekturfilmen, welche eine Person ins Zentrum rücken. Das Beispiel Rem Koolhaas – A kind of Architect ( D, 2005 ) scheint zunächst einer konventionellen Dramaturgie zu folgen. Chronologisch wird das Leben des Architekten nacherzählt. Koolhaas äussert sich selber zu seinem Werdegang, theoretischen Konzepten oder seiner Arbeitsweise. Seine Sicht wird konterkariert durch Ausführungen von Wegbegleitern und Fachleuten. So weit so gut. Unkonventionell ist die Machart des Films. Es scheint, als agiere Regisseur Markus Heidingsfelder wie ein DJ, der eine visuelle Platte auflegt. Über weite Strecken ist der Film eine Art Collage aus Fotos, Zeichnungen, Modellen und Animationen, die flimmerartig aneinandergereiht sind. Vor- und Rücksprünge wirken, als würde jemand auf einer LP «scratchen» und mit Splitscreens, etwa zur Arbeit im Team, entstehen Parallelklänge. Leben und Werk des Architekten erweisen sich als komplexes, splitterartiges und doch vernetztes Gebilde. Mit einem Bruch arbeitet auch der Film Koolhaas Houselife ( F, 2008 ). Im Zentrum steht hier nicht der Architekt, sondern die Reinigungskraft Guadelupe. Ihre Aufgabe ist es, ein Haus in Bordeaux, das Koolhaas entworfen hat, in Schuss zu halten. Das Gebäude aus Beton und Glas hält einige Hürden für sie bereit. Guadelupe lässt sich jedoch von verschlungenen Gängen und wenig hilfreichen Automatisierungen nicht entmutigen. Im Gegenteil, sie agiert wie auf einer grossen Bühne und spielt die ( störende ) Architektur an die Wand. Aus diesem Zusammenprall zweier Welten zieht der Film seine ironische

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Kraft: Hier der hehre Entwurf, da die profane Nutzung. Ob Rem Koolhaas das gefallen hat, ist nicht überliefert. Prof. Gregor Imhof 1

Lipp, Thorolf: Spielarten des Dokumentarischen. Einführung in Geschichte und Theorie des nonfiktionalen Films. Marburg 2012.

2

Imhof, Gregor: Die lernende Stadt. Chandigarh im Dokumentarfilm von Alain Tanner. In: Filmbulletin, 5/2016, S. 50–53.

3

Khouloki, Rayd: Aus der Tiefe des Bildes – Möglichkeiten der filmischen Raumkonstruktion. In: Steiner, Evelyn & Schweizerisches Architekturmuseum (Hg.): Filmbau. Schweizer Architektur im bewegten Bild. Basel 2015, S. 60–65.

4

Meili, Marcel: Villa Cirasole – Der Traum vom Haus in Bewegung. In: Booklet zur DVD. Zürich 2010, S. 6–9.

5

Bächtiger, Marcel: «Du weisst nur, was du siehst.» Interview mit Christoph Schaub. In: Hochparterre 1–2/2018, S. 12–15.

6

Kuch, Ulrike: Zwischenraum, Leib, Chronotopos. Das Erscheinen von Zeit auf der Treppe des Films. In: Binotto, Johannes (Hg.): Film – Architektur. Perspektiven des Kinos auf den Raum. Basel 2017, S. 44–55.

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Naumatt – ein Ferientraum vor der Haustür In den 1930er-Jahren errichtete Armin Meili ein Ferienhaus in Meggen, am Ufer des Vierwaldstättersees. Die Hälfte des Anwesens trat er seinem Freund Max Hopf ab und baute diesem ebenfalls ein Ferien­ haus. Heute wird es von dessen Enkelin genutzt – von Dominique de Meuron-Hopf und ihrem Ehemann Pierre de Meuron. Ein persönliches wie fachliches Gespräch über einen ganz besonderen Ort, das im Rahmen des Moduls Kommunikation und Kultur im Frühlingssemester 2018 mit Studierenden stattgefunden hat, die das Ferienhaus mit der Videokamera dokumentiert haben. Frau de Meuron-Hopf, welchen Bezug haben Sie zu diesem Haus? Dominique de Meuron-Hopf ( DDM ): Wir, meine ganze Familie, sind immer hierher in die Ferien gekommen, seit ich auf der Welt bin. Naumatt ist für mich Freiheit und Paradies. Können Sie uns einige Kindheitserinnerungen schildern? DDM: Gerne. Wir durften immer Freunde mitbringen. Dieses Haus war immer voller Kinder. Ich erinnere mich noch gut an unser kleines Boot. Damit sind wir Kinder oft zum Party-Dampfschiff «Minerva» gepaddelt, das vor Meggen ankerte, hochgeklettert und haben dort gespielt. Manchmal sind wir auch frühmorgens aufgestanden, noch bevor die Fischer kamen, und haben Fische aus deren Netzen gestohlen. Die haben wir dann stolz unserer Mutter gebracht und behauptet, dass wir sie gefischt hätten … Wie kam Ihre Familie bzw. Armin Meili überhaupt an ein solch eindrucksvolles Baugrundstück? DDM ( lacht ): Das ist geradezu legendär: Armin Meilis schwangere Frau hat hier gebadet und sich gesonnt. Das hat den Bauern hässig gemacht. Er hat ihr das verboten – ausser sie würde das Grundstück kaufen. Das hat Armin Meili dann kurzerhand getan. Es war ein riesiges Grundstück. Die Meilis und meine Grosseltern haben immer im Vitznauerhof Ferien gemacht und waren befreundet. Armin Meili hat meinen Grossvater gefragt, ob er ihm die Hälfte dieses Grundstücks abkaufen würde. Das hat er getan und Armin Meili hat meinem Grossvater dann dieses Haus gebaut und für sich selbst ein Boots- und Badehaus nebenan.

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Wie nutzen Sie das Haus heute? DDM: Wir kommen praktisch jede Ferien hierher. Mein Mann reist ja sehr viel. Da sind wir froh, wenn wir mal nicht ins Flugzeug steigen müssen, um Ferien zu machen. Können Sie uns die verschiedenen Aussenräume und ihre Nutzung beschreiben? DDM: Wir hatten früher einen sehr grossen Garten, auch noch den oberen Waldteil. Den haben wir aber verkauft. Den unteren Teil nutzen wir ganz unterschiedlich: Hinten bin ich eher am späten Nachmittag, weil es dann noch Sonne hat und vorne ist unser Bootsplatz. Aber eigentlich sind wir gar nicht so viel im Garten, sondern mehr auf der Terrasse. Da sind wir auch geschützter vor den Blicken aus den Booten. Ich weiss eigentlich nicht warum, aber irgendwie ist es uns angenehmer auf der Terrasse. Wie würden Sie die Atmosphäre der Innenräume beschreiben? DDM: Wahnsinnig – wie soll man dem sagen? – «embrassant», geschützt. Ich fühle mich sehr wohl hier. Gibt es spezielle Eigenschaften des Hauses, ein Lieb­ lingszimmer, einen Ort oder ein Detail, das Sie beson­ ders mögen? DDM: Wahrscheinlich das erste Schlafzimmer links, das war immer mein Schlafzimmer, seit ich auf der Welt bin. Es ist auch das kleinste Zimmer. Sie haben das Haus sehr sanft und detailverliebt instandgehalten. Nach welchen Kriterien sind Sie dabei vorgegangen? DDM: Möglichst viel so beizubehalten, wie es war. Das war uns sehr wichtig. Wir haben auch die Möbel behalten – eigentlich alles übernommen, wie es war oder eben wiederhergestellt. In den 1970er-Jahren ist das Haus ja umgebaut worden. Mit Farben, ein roter Boden, eine rote Küche, Badezimmer. Das haben wir rückgängig gemacht. Das war nicht nur unpraktisch, sondern auch noch hässlich. Wie sehen Sie die Zukunft dieses Hauses? DDM: Ich hoffe, dass meine Kinder es behalten werden. Es ist einfach ein Stück unserer Familie. Herr de Meuron, können Sie sich an Ihren ersten Besuch in der Naumatt erinnern? Pierre de Meuron ( PDM ): Ja natürlich, das war 1981. Vor allem das Ankommen war eine grosse Überraschung. Man verlässt die Hauptstrasse, man fährt Kurve um Kurve den Hang hinab – «Ringgeli, Ränggeli». Es hatte damals noch viel weniger Neubauten, dafür mehr Bauernhäuser. Dann lässt man das Auto stehen, läuft einige Schritte

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und steigt dann diese Treppe hinunter. Dann erst entdeckt man diesen unglaublichen Ort. So eine Situation ist sicher einmalig. Das macht auch den Charme und die Kraft dieses Ortes aus. Man hat eine Sicht nach vorne, 180 Grad auf den See und dann diese unglaubliche Bergwelt. Da kann man den Rest getrost hinter sich lassen. Das ist dann nicht nur physisch-geografisch, sondern auch mental. Dies das erste Mal zu entdecken war ein wirklich unglaubliches Erlebnis. Wie waren Ihre ersten Eindrücke im Haus? PDM: Wir waren zu viert hier. Dominique und ich, ganz frisch verliebt, und Jacques Herzog und seine Freundin, auch ganz frisch verliebt. Da waren wir nun. Es war neblig. Man hat nicht viel gesehen und so hat man sich vor allem im Haus aufgehalten. Auffallend ist natürlich, dass alles aus Holz ist. Es herrscht eine äusserst umarmende, warme Atmosphäre. Es gibt ein gutes Wort auf englisch: «cozyness». Das drückt dies unglaublich stark aus. Wie nutzen Sie das Haus heute? PDM: Wie man es eben so nutzt. Ich bin da auch nicht anders als andere. Es ist ein Haus zum Wohnen. Man kann hier aber auch gut arbeiten. Und Gäste empfangen oder Freunde einladen. Die ganze Familie kann hier sein. Es ist sehr gut aufgeteilt. Es hat einen zentralen Raum. Hier trifft man sich, hier isst man, hier schaut man fern. Das Cheminée ist da, man spielt Karten usw. Gleich nebenan ist die Küche. Das ist sehr praktisch. Und dann diese paar Stufen, die den vorderen, gemeinschaftlichen Teil, vom privateren, intimeren Schlafbereich abtrennen. Das funktioniert auch sehr gut, wenn viele Leute da sind. Manche mögen es etwas lärmiger, andere etwas ruhiger und andere schlafen gerne länger … All dies funktioniert hier auf kleinstem Raum extrem gut. Ihre Frau hat schon Ihr ehemaliges Kinderzimmer be­ schrieben. Gibt es spezielle Eigenschaften des Hauses, ein Lieblingszimmer, einen Ort oder ein Detail, das Sie besonders schätzen? PDM: Dieses Haus hat eine unglaubliche Nachhaltigkeit, im besten Sinn. Es ist aus Holz gebaut, was ja schon einmal eine sehr nachhaltige Bauweise ist. Aber es ist auch nachhaltig im Sinne der Nutzung. Wir nutzen es wie eh und je. Dominique hat vorher von den störenden Eingriffen aus den 1970er-Jahren erzählt. Die haben gegen dieses Haus gewirkt. Die damaligen Eigentümer und diejenigen, die es umgebaut haben, haben das Haus nicht geschätzt wie es ist. Darum «gegen» das Haus. Sie

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wollten etwas viel Moderneres, etwas Modernistisches und nichts Traditionelles. Es ist interessant, wie sich die Generationen dem Gebauten gegenüber unterschiedlich verhalten. Wir haben die Eingriffe als störend empfunden und sie wieder rückgängig gemacht. So ist es uns viel wohler. Diese Einheit in Holz: die Holzkonstruktion, die originalen Möbel, der originale Klinkerboden. Auch die Fenster sind noch original. Dieses Fenster hier ist zum Beispiel etwas undicht, aber wir würden es nie ersetzen wollen. Wir haben uns das überlegt, aber diese Qualität, die Einfachverglasung und die feine Sprossung, gibt es einfach nicht mehr. Und es sind all diese Details, die ein Ganzes schaffen. Ich kann nicht sagen, es ist ein Detail, welches mir besonders am Herzen liegt, sondern es ist als Ganzes ein sehr überzeugender Ort. Wie würden Sie die Architektur von Armin Meili einordnen? PDM: Ich denke, er ist ein typischer Vertreter seiner Zeit, sagen wir: Moderne, verbunden mit Traditionalismus und Regionalismus. Beispielsweise diese Schindeln. Die sind natürlich ein fantastisches Zeitzeugnis, zum Glück gibt es sie noch. Ich verstehe Meilis Schaffen als sehr paternalistisch. Er wusste genau, was richtig und was weniger gut ist. Und so hat er auch seine Architektur gemacht. Sie drückt aus, wie er gedacht hat. Er ist ja auch der Direktor der Landi 1939 gewesen. Das war drei, vier Jahre später, da stand schon die Bedrohung durch Deutschland und durch Italien im Raum. Meili hat Widerstand geleistet und dieser Widerstand hat sich sicher auch in seiner Architektur ausgedrückt. Welche Elemente prägen dieses Haus? PDM: Das Aussergewöhnlichste ist sicherlich seine Lage. Das ist das Erste. Das haben wir immer als Architekten. Architektur wird bestimmt durch eine Aufgabe, durch eine Funktion, durch eine Nutzung – aber eben auch durch die Lage. Die Lage am See ist einmalig. Damals existierte noch kein Zonenplan. Heute wäre es nicht mehr möglich direkt am See zu bauen. Und dann schaut dieses Haus genau in Richtung Süd-Ost, in die Achse der sogenannten Ewigkeit. Es gibt die Bürgenstock-Nas und die Gersauer Nas. Die überlappen sich aber nicht, sondern geben den Blick frei in die Beckenrieder Bucht. Dies kennzeichnet diesen Ort und gibt ihm etwas Magisches. Und selbstverständlich sind dann noch die Rigi, der Pilatus und unzählige weitere Voralpen- und

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Alpengipfel von hier aus zu sehen. Es ist eine unglaubliche Landschaft, die sich hier rundherum befindet. Und dann liegt das Haus auf dem See. Die Garage, also das Bootshaus, ist im Haus drin. Oft sind die Boots­häuser ja separat situiert und das Wohnhaus liegt weiter oben oder weiter hinten. Hier ist beides vereint. Das ist sehr selten. Und dann ist es noch ausserordentlich gut gebaut, gut konstruiert. Die damaligen Architekten und Bauzeichner wussten, wie man einen Holzbau detailliert. Und es besteht alles noch. Das ist eigentlich unglaublich, da das Haus ja sehr exponiert ist und nicht ständig bewohnt wird. Hier knallt es manchmal grausam mit dem Wind und den Wellen. Wir haben wenig Reparaturen, das muss man wirklich sagen. Für seine gut 80 Jahre ist es in einem tipptoppen Zustand. Das Haus ist im kommunalen Inventar der schützenswerten Ge­ bäude eingetragen. Wie schätzen Sie seinen architektonischen Wert ein? PDM: Das ist durchaus gerechtfertigt. Wir sind damit absolut einverstanden. Man sieht auch, und das hat nichts mit Nostalgie zu tun, sondern mit einer präzisen Wahrnehmung, mit einer präzisen Beschreibung, was diese Architektur darstellt, verglichen mit anderen Architekturen, die um diesen See herum stehen, wo ich meine, man müsste gelegentlich auch mal eingreifen. Das ist einfach dieser Landschaft nicht würdig. Das grosse Kapital der Schweiz ist die Landschaft. Das ist unsere einzige natürliche Ressource. Wir haben kein Gold, kein Gas, kein Öl, nichts davon. Nur die Landschaft. Das haben die Engländer schon im 19. Jahrhundert festgestellt. Das ist wichtig für euch junge Architekten. Die Landschaft muss sich wehren dürfen gegen den endlosen «sprawl», der im Mittelland stattfindet und sich mehr und mehr auch in der Innerschweiz ausbreitet. Und ihr jungen Architekten müsst diese Verantwortung wahrnehmen und auch mal sagen, nein, das geht so nicht, es ist genug. Also meine These ist: Baue auf dem Gebauten und lass das Unbebaute sein. Ich sage nicht, dass ich recht habe. Aber man muss einfach auf solche Dinge hinweisen, sich austauschen. Architektur ist ja keine mathematische Gleichung, wir können uns Lösungen nur annähern. Und das kann man nur im Team machen. Das kann selten einer allein. Zurück zum Haus … Das Material Holz dominiert innen wie aussen. Was sind die Qualitäten dieser Holzarchi­ tektur?

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PDM: Holz ist warm. Es hat fast immer einen positiven Einfluss auf den Menschen. Ich kenne eigentlich kein Holzhaus, welches dies nicht ausdrückt. Aber man muss aufpassen. Häufig wird Holz viel zu stark behandelt. Man hat Angst, dass Holz schlecht alt wird. Man will, dass es so bleibt wie am ersten Tag. Das stimmt aber nicht. Holz kann altern, weil es ein natürliches Material ist. Holz bietet aber auch in der Vorfabrikation viele Vorteile. Man kann ein Holzhaus in drei bis vier Tagen aufrichten. Und Holz isoliert gut. Die Kältebrückenthematik ist kein grosses Thema. Wir haben dieses Haus hier allerdings vor ein paar Jahren isoliert. Es ist ja nur ein einfacher Ständerbau, ein Sommerhaus. Wir haben die äussere Schindelverkleidung belassen, die ganze innere Verkleidung weggenommen, isoliert und die Paneele dann wieder montiert. Gibt es Aspekte am Haus, die Sie weniger schätzen? PDM: Nein. Dieses Haus hat einfach sehr viele Qualitäten, das Positive überwiegt. Das ist doch, was wichtig ist. Wüsstest Du da etwas, Dominique? Ich wüsste nichts. Die paar Dinge, die wir gemacht haben, die Isolierung, das Bad, die Sauna, die waren ja nicht unbedingt notwendig. Das sind alles Dinge, die man haben kann. Aber sie müssen nicht sein. Frau de Meuron-Hopf, Sie kannten Armin Meili. Wie haben Sie ihn wahrgenommen? DDM: Ich war damals ja noch ein Kind. Aber die Meilis machten auch immer hier Ferien mit all ihren Enkeln. Armin Meili hat für uns ganz oft Kasperlitheater gespielt. Wir sind regelmässig um vier Uhr, wenn die Sonne hier weg war, zu den Meilis rüber und dann gab es eine Aufführung. Das sind aber so vage Erinnerungen … Das Haus wurde ja nur zwei Jahren nach seiner Entstehung um fast das Doppelte vergrössert. Warum? DDM: Das wissen wir nicht ganz genau. Wahrscheinlich hat mein Grossvater es als Refugium für sich geplant, aber dann kamen die Kinder einfach auch immer gerne hierher. Es war wohl einfach zu klein für eine vierköpfige Familie. Sie haben vorhin ein Hochwasser erwähnt? DDM: Oh, wir haben hier schon viele Unwetter erlebt. Auch «Lothar». Das war eindrücklich. Aber wir waren geschützt, weil der Wind über uns drüber ging. Hochwasser haben wir zweimal miterlebt, das eine 1998/99 und das

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andere 2005. Ich sass hier und habe gesehen, wie das Wasser steigt und steigt. Man kann einfach nichts machen. Aber dieses Haus ist so gut konzipiert, dass dieser Raum hier überhaupt nicht nass geworden ist. Der Keller war unter Wasser, aber sonst nichts. Sind sie auch im Winter da? DDM: Ja, Weihnachten sind wir auch da. PDM: Dann steht hier der Weihnachtsbaum, drei Meter hoch. Können Sie noch etwas erzählen über die Sanierung im Jahr 2000? DDM: Wir haben zwei Sanierungen gemacht. Die erste war der Rückbau des Badezimmers und der Küche. Und im 2000 haben wir unten die Halle verglast. Jetzt sind da eine Sauna und ein geschützter Liegebereich. Wenn die Kinder da sind, sind sie oben und wir sind im unteren Teil. Wie sehen Sie Ihr Haus im Vergleich zu den Meili-Bauten nebenan? PDM: Das Haus nebenan ist ein bisschen fortschrittlicher. Man merkt, dass es Meili für sich selbst geplant hat, dieses hier war eine Auftragsarbeit. Da drüben gibt es schon ein paar sehr interessante Elemente. Etwa diese riesige Halle mit ihrer Schiebefront. Und hinten dran die Schlafzimmer, wie ein Eisenbahnwagen. Das sind Elemente, die damals in der Architekturwelt zirkuliert sind. Meili hat gewisse Typologien der Moderne übernommen und sie in eine etwas traditionelle Architektursprache übersetzt. So verstehe ich das. Baut ein Architekt nicht allgemein ganz anders, wenn er für sich selber baut? PDM: Das kommt ganz drauf an. Wenn er einen Bauherrn hat, der ihn herausfordert … Wenn ein Bauherr nicht von einem gegebenen Produkt ausgeht und sagt, so will ich es. Das würde mich zum Beispiel überhaupt nicht interessieren. Der Bauherr muss den Entwicklungsprozess mitmachen wollen. Es ist eigentlich ein Psychospiel. Was bin ich? Was will ich? Wenn die Bauherrschaft ein Paar ist, dann wird es noch komplizierter. Wenn der Architekt immer nur das macht, was man ihm sagt, fühlt er sich sicher freier, wenn er etwas für sich selbst baut. Aber eigentlich ist das nur ein Klischee. Bei Armin Meili sieht man auch eine sehr starke Entwicklung im Verlaufe seiner Karriere. PDM: Ja, die Architekten aus dieser Generation waren alle etwas in den 1910er-/1920er-Jahren behaftet. Heinrich Tessenow war das grosse Vorbild. Und dann kam die Moderne. Aber Tessenow hat den

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Schritt in die Moderne auch nicht ganz geschafft. In Zürich gab es damals Häfeli/Moser/Steiger. Oder Otto Rudolf Salvisberg, das ist auch so einer. Alles gute, solide Schweizer Architekten der 1930er-, 1940er- und 1950er-Jahre. Meili hat ja auch das Redaktionshaus der Basler Zeitung gemacht. Mit Kacheln. Das war ein gutes Gebäude. Aber immer noch zu wenig mutig. Es wurde leider abgebrochen. Das, was jetzt da steht, ist schlechter, viel schlechter. Das spricht für Meili, für seine Architektur. Beim KKL würde ich differenzieren. Meilis Luzerner Kunst- und Kongresshaus war sicher gut. Aber das KKL ist stark. Da hat Jean Nouvel etwas vom Besten gemacht. Dass es das überhaupt in der Schweiz gibt! In Zürich gibt es kein so gutes Haus. Du brauchst Menschen, die bereit sind, auf so etwas einzugehen: Psychologie ist absolut der Kern jeder Architektur. Wo sehen Sie die Architektur in 50 Jahren? PDM: Ich weiss nicht, ich bin doch kein Prophet. Nein, es wird immer noch gebaut werden. Geht es noch mehr in Richtung Dekonstruktivismus? PDM: Ich glaube nicht, ich glaube nicht an diese «Ismen». Es könnte ja auch das Gegenteil der Fall sein. Du kannst mich gerade so gut fragen, wie ist die Welt in 50 Jahren? Gibt es noch eine Demokratie? Das ist gar nicht sicher. Viele glauben, das sei es nun, die Demokratie werde sich durchsetzen. Aber ich finde, vieles, was auf der Welt passiert, belehrt uns einer anderen Möglichkeit. Es ist alles ein Hin und Her. Dann stellt sich die Frage, was die Digitalisierung mit dem Bauen macht? Ist dann plötzlich alles möglich? Kann dann jeder alles? Macht dir dann der Computer ein Rendering und anschliessend gleich ein Haus? Wird dann mit Robotern gebaut? Das ist nicht so meine Art. Es wird immer noch Architekten geben, wie es auch Ärzte geben wird. Das sind gute Berufe. Die braucht es. Besten Dank für dieses Gespräch. Interview Dario Müller, Silvan Schaller, Eric Wolfensberger, Gregor Zemp

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Externes Fachseminar Das Externe Fachseminar bietet den Studierenden die Möglichkeit, in einer konzentrierten Block­ woche herausragende Architektur vertieft kennenzulernen. Die Herangehensweise ist einfach und klar: Wir zeichnen und fotografieren wenige Objekte, diese aber über möglichst lange Zeit­ räume. Unsere These: Genaues Hinsehen ist die erste Voraussetzung für das Verstehen von Zusammenhängen. Das kurz vor dem Start ins Bachelor Intermediate angesiedelte Modul ist ein wichtiger und populärer Baustein in der Entwicklung zeichnerischer und fotografischer Fähigkeiten der Studierenden. Im Folgenden zeigen wir ausschliesslich Zeichnungen, da das Thema der Fotografie im Bachelor Basic bereits mit dem Beitrag zur Architekturbibliothek behandelt wird.

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Modulverantwortung

Dozierende

Assistierende

Hansjürg Buchmeier

Hansjürg Buchmeier Matthew Howell Nadine Jerchau Natalie Plagaro Marion Sauter

Lukas Galantay Jan Hostettler Jara Malevez Nik Ruef Ruth Schmutz Tieme Zwartbol Samira Liebendörfer

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Kopenhagen – Struggle against deformity The Architectural Studies field trip is an opportunity for students to visit sites of national and international significance and to study and portrait historic and contemporary architecture. Relevant sites were visited with the objective of learning with the five senses. The journey was focused on the city of Copenhagen and some of its most prominent architects: Michael Gottlieb, Kay Fisker, Peder V. Jensen-Klint, Arne Jacobsen, Jørn Utzon, Bob & Wohlert and Praksis Architekter. The visit to the Thorvaldsen Museum opened a world of sketching and photographing stimulus with its multiple colours and sculptures. The large housing schemes of Fisker captivated our attention by the way how small delicate human detailing was included into the large radical urban gestures. The Grundtvigs Church brick construction with «naked» surfaces revealed, beyond a lesson of structure and construction, a purity of spaces and sacred atmosphere. By experiencing a number of Jacobsen’s and Utzon’s projects, we learnt about their care for the guidance of light, the haptics of their architecture, the spatial richness and bold integration of interior fittings together with the self-designed furniture. Their architectural legacy transcended in the work of following generations. In the projects of Bob & Wohlert and Praksis Architekter an additional care for interacting with the surrounding landscape or with the materiality of neighbouring buildings was achieved. An ability to observe and analyse architecture through graphic journaling and sketching, while participating in the range of visits, was emphasized. As a result, a documentary Field Book with analytical, atmospheric and detail sketches, photographs and graphic information, yields a valuable remembrance of the journey and bears a testimony of the acquired experiences. Prof. Natalie Plagaro

Dozentinnen

Assistierende

Natalie Plagaro Cowee Nadine Jerchau

Jara Malevez Nik Ruef

Studierende / Zeichnungen S. 253 S. 254, 256 S. 255, 257 S. 258, 259

Anna Zweifel; Radisson Blu Royal Hotel Pascal Ming; Nationalbank / Thorvaldsens Museum Sanja Despotovic; Nationalbank / Researchers’ apartments in Carlsberg District Liliane Wenner; Researchers’ apartments in Carlsberg District

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Amsterdam – Die schönste Stadt der Welt Das Externe Fachseminar 2017 in Amsterdam startete mit den hierzulande nicht sehr bekannten Bauten des wichtigsten Architekten der Amsterdamse School, Michel de Klerk; Het Schip von 1917 und Dageraad von 1920. Die nur zehn Jahre später fertiggestellte Openluchtschool von Jan Duiker und Bernard Bijvoet führte uns in ihrer radikalen Neuartigkeit die enorme Entwicklungsdynamik der niederländischen Architektur jener Zeit kontrastreich und eindrücklich vor Augen. Das Thema des Wohnens konnten wir in verschiedenen Beispielen in grosser Breite und Fülle studieren, angefangen mit einer brutal engen Einzimmerwohnung für eine ganze Familie aus dem frühen 20. Jahrhundert, den darauf reagierenden sozialen Wohnungsbauten der Amsterdamse School, aber auch dem Wohn- und Atelierhaus von Rembrandt und dem Wohnsitz der grossbürgerlichen Familie Loon, heute Museum van Loon, beide aus dem 17. Jahrhundert sowie dem Wohngebäude Piraeus von Kollhoff / Rapp aus dem Jahr 1994. Das Zeichnen und Fotografieren, die Generalthemen des Moduls, fanden zuweilen unter erschwerten Bedingungen statt: Wind und Regen hatten wir in besonderer, holländischer Qualität und Quantität zu überstehen. Trotzdem entstanden spannende Zeichnungen und Fotografien in grosser Zahl. Wir erinnern uns gerne an diese ereignisreiche und schöne Woche. Prof. Hansjürg Buchmeier

Dozent

Assistenten

Hansjürg Buchmeier

Jan Hostettler Tieme Zwartbol Samira Liebendörfer

Studierende / Zeichnungen S. 261, 266, 267 S. 262 S. 263 S. 264 S. 265

Tanja Ochsner; Wohngebäude Piraeus / Museum van Loon Rebekka Engel; Wohngebäude Piraeus Gian Sgier; Wohnsiedlung Dageraad Eva Burkhalter; Wohnsiedlung Dageraad Carlos Reisinho Craveiro; Hubertushuis/Moederhuis

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Prag – Eine Zeitreise Romanik im Elsass, Gotik in der Île-de-France, Barock in Rom, Jugendstil in Brüssel — viele europäische Regionen oder Grossstädte stehen für spezifische Stilepochen. Die tschechische Metropole Prag bietet hingegen ein äusserst reiches Potpourri an Bauwerken, anhand derer eine ganze Zeitreise unternommen werden kann: Der gotische Veitsdom, das angrenzende Belvedere aus der Renaissance, das barocke Schloss Troja … Prag besitzt mit dem «Nationalstil», dem sogenannten Rondokubismus, sogar eine höchst eigene, lokale Variante des in der Architektur selten anzutreffenden Kubismus. Und so blieb unsere Zeitreise nicht historisch, sondern setzte sich in der Klassischen Moderne und dem Brutalismus bis in die jüngste Vergangenheit hinein fort. Ein Hauptaugenmerk unseres Themas, dem Zeichnen und dem Fotografieren, lag demzufolge darin, sich mit variierenden Proportionen, Volumen und Materialien, mit dem unterschiedlichen Umgang mit Aussen- und Innenraum, mit Öffentlichkeit und Privatheit auseinanderzusetzen. Innerlich. Gedanklich. Und im Ausdruck. Letztlich natürlich aber auch im Austausch, der sich nicht nur auf die Baukunst beschränkte. Das externe Fachseminar mischt Semester und Disziplinen, bringt Studierende zusammen und lässt weit weg vom Horwer Campus eine ganz besondere Gemeinschaft entstehen, deren Zusammenhalt durch das gemeinsam Erlebte noch lange fortbestehen wird. Dr. Marion Sauter

Dozierende

Assistierende

Marion Sauter Matthew Howell

Lukas Galantay Ruth Schmutz

Studierende / Zeichnungen S. 269 S. 270 S. 271 S. 272, 275 S. 273 S. 274

Albnora Adili; St.-Veits-Dom Flavia Gämperle; St.-Veits-Dom Yasmine Zaugg; Haus Müller Julia Salamon; St.-Veits-Dom / Nationalgalerie Leandro Spillmann; Haus Adria Doron Schneider; Nationalgalerie

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Visuelle Komposition Den Kern des Moduls Visuelle Komposition mit den Fächern Visuelles Gestalten, Raumdarstellung und Architekturgeschichte bilden Strukturprinzipien im Bildaufbau und räumliche Szenarien, Regeln der Raumabbildung sowie die sprachliche und bildliche Dokumentation von Bauwerken. Das Medium Fotografie steht dabei im Zentrum. Die folgenden Abbildungen aus der Übung «Modellfotografie-Plakate» aus dem Visuellen Gestalten zeigen, wie informative, atmosphärische und dramaturgische Faktoren zusammenspielen. Das Layout übernimmt dabei die Funktion des Kommunikationsmittels. Die vier Modellfotografien spiegeln unterschiedliche Blickachsen und Lichtsituationen wider und verdeutlichen die architektonische Absicht. Als Orientierung dienten Entwurfspräsentationen und Plakatgestaltung. Modulverantwortung

Dozierende

Assistierende

Markus Käch

Claudio Barandun Rudolf Dietziker Markus Käch Marion Sauter

Lukas Galantay Christine Jungo Ramona Tschuppert

Abgebildete Arbeiten von S. 280 S. 281 S. 282 S. 283 S. 284 S. 285 S. 286 S. 287 S. 288 S. 289 S. 290 S. 291

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Dejan Rebozzi, FS17 Benjamin Stähli, FS17 Stefanie Jelinic, HS16 Marc Kobel, FS17 Raphael Arnold, FS16 Delia Schneiter, FS18 André Hediger, HS17 Sylvia Wübbens, FS18 Bela Zwygart, FS17 Alexandra Ledermann, FS17 Emanuel Stieger, HS17 Fabian Huber, HS16

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Visuelle Grundphänomene Das Thema des Zeichnens und seine Einbindung in den Unterricht hat am Institut für Architektur einen hohen Stellenwert. Gleich zu Beginn des Studiums, im ersten Semester, werden die Studierenden im Modul Visuelle Grundphänomene intensiv zu kreativer und persönlicher Entwicklung von Handzeichnung und Skizze verführt. Neben dem freien Zeichnen bildet die technische Zeichnung in der Praxis der Raumdarstellung einen weiteren Schwerpunkt. In den Bereichen Baukultur und Kunstgeschichte gewinnen die Studierenden einen ersten Einblick in die Geschichte sowie in die Einsatzbereiche und Praxis der Zeichnung. Sämtliche Teilbereiche des Moduls – Zeichnen, Raumdarstellung Kunstgeschichte, wie auch das Thema Baukultur – werden in den Modul­endprüfung ausschliesslich anhand von Zeichnungen getestet. Diese unseres Wissens einzigartige Form der Prüfung möchten wir in diesem Jahrbuch würdigen. Mit der vollständig abgebildeten Modulendprüfung des Herbst­ semesters 2017 zeigen wir erstmals die ganze Komplexität der Aufgabe, welche die Studierenden ohne Hilfsmittel, auswendig leisten müssen! Sie sehen: hier in vier Stunden zu bestehen, ist eine ordentliche Herausforderung.

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Modulverantwortung

Dozierende

Assistierende

Hansjürg Buchmeier

Hansjürg Buchmeier Urs-Beat Frei Klaus Fromherz Nadine Jerchau Marion Sauter Kristina Stupp-Rühl Susanne Triller

Jan Hostettler Christine Jungo

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Zeichnen Zeit: 70 Minuten Prüfungsabgabe von Michael Mahrer Aufgabe Entwickeln Sie aus einem der folgenden Architekturbeispiele – Kathe­ drale St. Ursen, Solothurn, oder Pfarrkirche St. Karl, Luzern – ein eigenständiges zeichnerisches Konzept, so wie Sie das in der ersten Phase des Moduls gemacht haben. Bewertet werden die Originalität und die Qualität der Zeichnungen sowie ihr Bezug zum gewählten Gebäude.

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Raumdarstellung Prüfungsabgabe von Jan Gasser Aufgabe 1 – Projektions- / Darstellungsarten: Begriffe und Konstruktion Bewertungsanteil: 8 / 32 Geschätzter Zeitaufwand: ca. 15 Minuten 1.1 Gegeben ist das Bild eines Quaders. Die Originalmasse des Quaders sind x = 3 cm, y = 6 cm, z = 4 cm. Welche Masse hat das Bild des Quaders? Zeichnen Sie das Achsenkreuz mit den entsprechenden Einheiten ein. Um was für eine Abbildungsart handelt es sich hier? 1.2 Gegeben ist das Bild des Achsenkreuzes. Zeichnen Sie das Bild des Quaders mittels Einschneideverfahren ein. Die Originalmasse des Quaders sind x = 3 cm, y = 6 cm, z = 4 cm. Welche Masse hat das Bild des Quaders? Um was für eine Abbildungsart handelt es sich hier?

Aufgabe 2 – Perspektivekonstruktion Bewertungsanteil: 10 / 32 Geschätzter Zeitaufwand: ca. 25 Minuten Gegeben ist eine Abbildungssituation, eine geometrische Figur, die aus drei Körpern zusammengesetzt ist, der Hauptpunkt, die Bildebene, der Horizont und die Grundlinie. Die Distanz beträgt 19 cm. Die Lage des Horizonts und der Grundlinie sowie die Höhenmasse sind in der Seitenansicht ersichtlich. Konstruieren Sie auf dem Vorlagenblatt (Seite 3) das Perspektivebild. Bezeichnen Sie alle für die Orientierung wesentlichen Teile mit den korrekten Begriffen (Abkürzungen genügen). Zeichnen Sie die sichtbaren und die verdeckten Kanten ein.

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Aufgabe 3 – Geometrische / Konstruktive Analyse eines Perspektivbilds Bewertungsanteil: 9 / 32 Geschätzter Zeitaufwand: 20 Minuten Gegeben ist eine Perspektivezeichnung, die Grundlinie = Bildebene und ein quadratisches Bodenraster. Die Konstruktion basiert im Grundsatz auf dem quadratischen Bodenraster. Zeichnen Sie alle Herleitungen zur Lösung der Teilaufgaben direkt auf der Seite 4. a) Bestimmen Sie die Lage der Betrachterposition (Augpunkt/Standpunkt) im Grundriss unterhalb des Bildes (Grundlinie=Bildebene im Grundriss). b) Zeichnen Sie den Grundriss von Objekt A. Nennen Sie die Abmessungen: Höhe, Breite und Tiefe. ...................................................... c) Zeichnen und nennen Sie die folgenden wahren Masse: - Höhe des Raumes ...................................................... - Raumtiefe zw. Bildebene und Raumecke hinten ...................................................... d) Zeichnen Sie Objekt B im Grundriss an der richtigen Stelle ein. Nennen Sie die Abmessungen: Höhe, Breite und Tiefe. ...................................................... e) Begrenzen Sie das Bild mit zwei vertikalen Linien so, dass diese einen Bild-/ Sehwinkel einschliessen, der dem natürlichem Sehen entspricht.

Aufgabe 4 – Verhältnis von Abbildungssituation und Perspektivebild Bewertungsanteil: 5 / 32 Geschätzter Zeitaufwand: ca. 10 Minuten Gegeben ist eine axonometrisch dargestellte Abbildungssituation. Zeichnen Sie das perspektivische Bild aus Sicht des Betrachters/des Augpunktes so, dass es der gegebenen Anordnung entspricht. Verdeckte Raumkanten als gestrichelte Linien zeichnen!

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Baukultur Zeit: 70 Minuten Prüfungsabgabe von Nadja Moser Aufgabe 1 – Zwölf Fachbegriffe Veranschaulichen Sie die architektonischen Fachbegriffe Ionische Säule, Kolonnade, Umgangschor, Laterne, Entasis, Eckrisalit, Kolossalordnung, Lichtgaden, Vierung, Balustrade, Schallarkade und Halle mit Hilfe einer raschen Skizze. Gefordert sind kleine isometrische oder perspektivische Darstellungen, gegebenenfalls auch Schnitte – je nachdem, was der Veranschaulichung des jeweiligen Fachbegriffs gerecht wird. Aufgabe 2 – Zwei Architekturbeispiele Erläutern Sie anhand von mindestens drei Zeichnungen – Grundrisse, Schnitte, Ansichten, Details oder Isometrien etc. – die folgenden beiden epochalen Architekturbeispiele: Kathedrale Notre Dame, Paris, und Stiftskirche, St. Gallen. Beschriften Sie die Zeichnungen mit erläuternden Schlagworten. Verdeutlichen Sie zeichnerisch die Spezifika der jeweiligen Epoche. Bewertet wird die Übereinstimmung mit dem Original – in adäquater Abstraktion. Die Zeichnungen sollen das Prinzip des Gebäudes schematisch erfassen und die Proportionen beziehungsweise die Gestaltungsprinzipien der jeweiligen Epoche widerspiegeln.

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Kunstgeschichte Zeit: 25 Minuten Prüfungsabgabe von Fabio Schaufelberger Aufgabe 1 – Transferübung ( s. rechts ) Gestalten Sie ein attraktives Skizzenblatt nach dem Prinzip der «Vielheit» zu einem typischen Renaissancegebäude. Bewertet wird, in wieweit diese Anwendung gelungen und das jeweils Wesentliche erfasst ist. Aufgabe 2 ( s. unten ) Veranschaulichen Sie skizzenhaft die Zeichnung «Studie nach Michelangelo» von Paul Cézanne so, dass ersichtlich wird, dass Sie das Charakteristische daran verstanden haben. Bewertet werden die Übereinstimmung mit dem Original und das Erfassen von dessen Spezifizität – in adäquater Abstraktion.

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Architekturgeschichte? Baukultur! In kaum einer anderen Disziplin liefert der Blick zurück relevante Grundlagen für die Zukunft, ist die Geschichte Teil des Berufsalltags: In der Architektur ist die Auseinandersetzung mit dem Baubestand jedoch unvermeidlich. Die Herausforderungen reichen von der Bestandssicherung über notwendige Modernisierungen bis hin zu präzis gesetzten Eingriffen, von neuen Nachbarschaften bis hin zu Antipoden. Gefordert ist das sensible Weiterbauen, das Schaffen von qualitätvollen Lebensräumen – schlicht: die Fortführung der Baukultur. Annäherung Mein Auftrag an der Hochschule Luzern lautet: Architekturgeschichte. Die Architekturgeschichte hat sich im 19. Jahrhundert als wissenschaftliche Disziplin etabliert. Die Grundlage bilden herausragende Denkmäler, definiert wurde eine Folge von Stilepochen mit einer respektvollen Distanz zum gegenwärtigen Bauschaffen. Bis heute fordern neue Erkenntnisse aus der Bauforschung immer wieder kleinere Korrekturen oder Ergänzungen. Das historische Gerüst scheint jedoch im Wesentlichen fixiert zu sein. Dieses Gerüst lässt sich zweifellos vermitteln, doch was sollen die Studierenden mit dieser klassischen «Best-of-Folge» anfangen? Ganz pragmatisch: Was ist mit den weniger bedeutsamen Bauwerken – etwa denjenigen, denen sie im Alltag in der Innerschweiz begegnen? Was ist mit der jüngeren Vergangenheit? Inwieweit ist der Kontext bedeutsam? Es gibt aber auch eine theoretische Ebene: Wie wird so ein Gerüst geformt? Was gewinnt man mit historischen Wissenschaften im heutigen schnelllebigen Internetzeitalter? Welche qualifizierten Dokumentations- und Recherchetechniken gehören zum unverzichtbaren Handwerkszeug einer Hochschulabsolventin oder eines Hochschulabsolventen aus dem Fachbereich Architektur? Die Lehre muss nicht nur ein Ziel formulieren, sondern auch den Weg dahin ebnen. Situation Im 19. Jahrhundert prägte der akademische Blick auf die Vergangenheit zugleich auch das zeitgenössische Bauschaffen, den Historismus. Die präzise zeichnerische Dokumentation von Denkmälern und ausgedehnte Studienreisen waren ein relevanter Teil der Ausbildung. Dies hat sich im Laufe des 20. Jahrhunderts grundlegend verändert. Die Avantgarde brach mit den historischen Formulierungen. Zeitgleich wurden jedoch auch die wichtigsten Denkmäler unter Schutz gestellt

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und somit ihr identitätsstiftender Wert gewürdigt. Rund um die Wahrzeichen der Vergangenheit etablierte sich ein lukrativer (Massen-)Tourismus, ebenso um die Wahrzeichen der Moderne und der Gegenwart, was vermuten lässt, dass Architekturgeschichte durchaus Zukunft hat. Geschützt sind in der Schweiz inzwischen aber auch ganze Ortsbilder mit einzelnen Bauwerken weitab der klassischen Leiter. Es sind gewachsene Lebensräume, deren Qualität erkannt wurde, deren Fortbestand und Erhalt jedoch oftmals eine grosse Herausforderung darstellt, da sich die Anforderungen und Bedürfnisse in den letzten Jahrhunderten beziehungsweise Jahrzehnten gravierend verändert haben und sich diese Entwicklung auch weiter fortsetzen wird. Hier ist eine Sensibilität erforderlich, die nur der besitzt, der die Architekturgeschichte und ihre vielfältigen Nachbardisziplinen, etwa die Siedlungs- oder die Stadtbaugeschichte kennt. Jemand, der in der Lage ist, aus der Vergangenheit visionäre Strategien für die Zukunft abzuleiten und so die Baukultur einer Region qualitätvoll fortführen kann. Lehre Eine einführende Architekturgeschichte wird am Institut für Architektur der Hochschule Luzern im Bachelor Basic-Studium, in der Schiene «Gestalten und Kulturverständnis» im Rahmen einer Vorlesungsreihe über zwei Semester hinweg behandelt. Wir thematisieren die Epochen von der Romanik bis heute – entsprechend den Stilphasen, denen eine junge Architektin beziehungsweise ein junger Architekt in der Schweiz heute begegnet. Wir versuchen, uns über Stilphänomene hinweg der politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Situation der jeweiligen Bauzeit anzunähern und regionale Besonderheiten zu spezifizieren. Um historische Konstruktionen adäquat würdigen zu können, eruieren wir die Möglichkeiten der Baumeister und Handwerker vergangener Zeiten oder überlegen, wie die Baumaterialien überhaupt an einen Bauplatz transportiert worden sind. Die Vorlesungsreihe ist eine Synthese aus Architekturgeschichte und Baukultur, ein Versuch, das grosse Ganze in kleine Puzzlesteine zu teilen, die den Studierenden neu zusammengesetzt auch andernorts eine Annäherung an historische Bauwerke oder Siedlungsstrukturen ermöglichen. Praxis Die Auseinandersetzung mit historischen Bauwerken sensibilisiert die Wahrnehmung der Studierenden. Je mehr man erkennt, desto umfassender wird das Verständnis für Konstruktion und Detail, für Formensprache und Materialisierung. Um die Beschreibung historischer

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Bauwerke zu präzisieren führen wir das entsprechende Fachvokabular ein. Hier kommt eine Luzerner Besonderheit ins Spiel: Das neu erworbene Wissen wird entsprechend des Schwerpunkthemas des ersten Moduls, dem Zeichnen, visuell abgefragt: Das Fachvokabular muss an der Modulendprüfung skizziert werden. Dies gilt auch für zwei ausgewählte, epochale Denkmäler. Die Auseinandersetzung mit der Baukultur beschränkt sich somit nicht auf das Auswendiglernen von Baudaten. Gefordert ist vielmehr eine intensive Auseinandersetzung mit dem gesamten Denkmal, mit Raum und Wirkung – darzustellen mit den Mitteln der Architektur, in Grundriss, Schnitt und Ansicht oder Perspektive. Das Schwerpunktthema des zweiten Moduls ist die Fotografie. Entsprechend verändert sich die architektonische Entdeckungsreise der Studierenden. Gefordert ist nun, Bauwerke mit der Kamera zu dokumentieren, die Totale wie auch Details einzufangen. Die historische Wissenschaft fordert ergänzend Textübungen und Literaturrecherchen ein und versucht so die Schreibkompetenz der Studierenden zu stärken. Die Auseinandersetzung mit Text, Zeichnung und Fotografie, die Baudokumentation, schafft und trainiert Grundlagen, die im späteren Berufsleben der Studierenden unabdingbar sind. Die aus den Übungen resultierenden Bau-dokumentationen der Studierenden fliessen unmittelbar in das Onlinelexikon zur Schweizer Architektur von 1920 bis heute, die «architekturbibliothek.ch» der Hochschule Luzern ein. Einschränkungen fordert einzig und allein das enge Zeitfenster. Ziel der Vorlesungsreihe ist es daher auch, Interesse oder gar Begeisterung zu wecken, zur selbständigen Vertiefung und zu Studienreisen anzuregen und die Architekturgeschichte beziehungsweise die Baukultur zu einer lebenslänglichen Begleiterin unserer Studierenden zu machen. Dr. Marion Sauter

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Bildnachweis Fotografien von den Studierenden, ausser: Studierende mit ihren Modellen Die letzte Schlusskritik des Diplomsemesters 2018 war von einem Fotoshooting begleitet. Einige der schönsten Aufnahmen von Lukas Galantay zeigen wir hier. © Die Urheberrechte liegen bei den jeweiligen AutorInnen und / oder deren VertreterInnen.

Kolophon Jahrbuch der Architektur 17 / 18 Hochschule Luzern – Technik & Architektur Verantwortlich: Prof. Hansjürg Buchmeier Konzeption: Peng Peng / Prof. Hansjürg Buchmeier Gestaltung: Peng Peng (Klaus Fromherz & Martin Geel), www.pengpeng.ch Textredaktion: Dr. Marion Sauter Mitarbeit: Lukas Galantay, Jan Hostettler, Christine Jungo, Markus Käch, Jara Malevez, Ramona Tschuppert Druck: Druckerei Odermatt AG, Dallenwil Bindung: Buchbinderei Burkhardt AG, Mönchaltorf Papiere: Magno Star 135 g/m², Magno Satin 100 g/m² Umschlag: Gmund Colours Pink 300 g/m² Schriften: Metric Auflage: 700 Exemplare © Copyright 2018 Hochschule Luzern – Technik & Architektur und Quart Verlag Luzern Alle Rechte vorbehalten ISBN-Nr.: 978-3-03761-169-2 Quart Verlag GmbH Denkmalstrasse 2, CH–6006 Luzern E-Mail: books@quart.ch, www.quart.ch

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