MAGIE UND DISZIPLIN
Wenn Sol Gabetta mit der Sächsischen Staatskapelle Dresden unter der Leitung von Daniele Gatti auf der Konzerthaus-Bühne steht, ist ihr letzter Besuch hier fast neun Jahre her. Schon damals wurde die gebürtige Argentinierin als »Cello-Königin« gefeiert – ein hart erkämpfter Titel. Für jeden Cellisten gibt es Situationen, bei denen es nur heißen kann: die Zähne zusammenbeißen. Nochmal so schlimm, wenn sie einen während des Auftritts ereilen. »Es gibt da einen typischen Riss unter dem Fingernagel, der außerordentlich schmerzt«, sagt Sol Gabetta. »Oft versuche ich, den Schmerz psychologisch zu behandeln und denke zum Beispiel an eine Balletttänzerin, die viel stärkere Schmerzen hat und trotzdem tanzt. Der Kopf spielt bei so etwas eine große Rolle.« Klassikstars wissen oft, wie man sich selbst austrickst und sich in Disziplin übt. Üben ist überhaupt das Stichwort: Ohne konzentrierte tägliche Stunden am Instrument geht nichts, und wenn die musikalischen Exerzitien nicht mit Spaß und Ehrgeiz einhergehen, wird es nichts, zumindest mit der ganz großen Karriere. Sol Gabetta aber kann von jeher schon große Begeisterung und den unbedingten Willen aufbringen, sich kompromisslos für die Musik einzusetzen. Natürlich ist ihr Terminplan etwas lichter geworden, jetzt, seit sie vor rund zwei Jahren Mutter geworden ist. Weniger stressig ist der Alltag aber nicht. Sie gibt kaum Interviews und weniger Konzerte, reist mit einer Nanny und kümmert sich trotzdem noch
intensiv um den Nachwuchs. Auf das tägliche Üben verzichtet sie allerdings nicht, und das seit ihrer Kindheit. In ihren Teenagerjahren nimmt es beängstigende Ausmaße an: Bis zu 14 Stunden am Tag sitzt sie am Instrument. »Mit 17 war ich an der Grenze zur Magersucht«, gibt sie zu, die bedenkliche Entwicklung vor lauter Einsatz und Konzentration damals kaum registrierend. »Mental war ich in dieser Zeit so stark wie nie.« Die zierliche, temperamentvolle Sol Gabetta ist immer in Bewegung. Man kennt sie als Moderatorin des Medienmagazins »Klick-Klack« im Bayerischen Rundfunk. Als Leiterin des von ihr gegründeten »Solsberg Festivals« in der Schweiz holt sie jedes Jahr Klassikstars in die Oberrhein-Region. Viele davon sind gute Freunde, mit denen sie immer wieder gern Kammermusik macht. Selbstverständlich hat sie in ihrer jungen Karriere die großen Wettbewerbe für sich entschieden, die sich allesamt als Türöffner er-
orchesterzyklus 17