Durch
blick
Wie sinnvoll ist Gefängnis?
von Malin Rütten
In den Gefängnissen Deutschlands sit-
teil, etwa jeder Vierte, musste wegen
Auch wenn es in den JVAs viele Chan-
zen rund 62.000 Menschen eine Frei-
Diebstahls oder Unterschlagung ins
cen auf Weiterbildung gibt – ohne
heitsstrafe ab. Die Haft ist die Bestra-
Gefängnis. Mit einer lebenslangen
Qualifikation, ohne Job kein Geld –
fung und eine Art Schuldausgleich für
Freiheitsstrafe saßen 1.794 Personen
und ohne Geld rutschen viele Straftä-
eine begangene Straftat. Daneben hat
ein.
ter*innen nach ihrer Entlassung wie-
die Zeit im Gefängnis aber noch eine
der in die Kriminalität ab. Einige keh-
andere Funktion: Die Resozialisierung,
Es gibt zwei verschiedene Arten des
ren in alte Verhaltensmuster zurück,
also die Vorbereitung auf ein geordne-
Strafvollzugs: den geschlossenen und
stehlen, erpressen oder handeln mit
tes Leben in der Gesellschaft nach der
den offenen Vollzug. Die Mehrzahl der
Drogen. Als letzte Konsequenz landen
Entlassung. Doch dieses Ziel verfehlt
Inhaftierten, mehr als 80 Prozent, be-
sie wieder im Knast. Die großen Pro-
die Justiz in etwa der Hälfte aller Fälle.
findet sich nach Angaben des Statisti-
bleme beginnen aber meistens erst
Fast jede*r zweite Haftentlassene
schen Bundesamtes im geschlossenen
mit der Entlassung – vor allem, wenn
wird in den folgenden Jahren wieder
Vollzug.
den Ex-Häftlingen kein*e Bewährungs-
Entlassung in sozialer Verantwortung
Jede*r dritte Inhaftierte wird in den
helfer*in zusteht. Das betrifft etwa
ohne Straftaten lebt. Das ist der Auf-
ersten drei Jahren nach seiner Entlas-
diejenigen, die ihre Strafe vollständig
trag. So soll der Vollzug ausgerichtet
sung wieder straffällig. Das belegt
abgesessen haben. Gerade diese Per-
sein”, sagt die Juristin Susanne Ger-
eine Rückfallstatistik des Bundesmini-
sonen fallen oft in ein "Entlassungs-
lach. Differenzierte Maßnahmen sol-
steriums der Justiz.
loch", wie Fachleute es nennen. Daher
straffällig. Kein Wunder, sagen Knastkritiker. Denn in unseren Gefängnissen werde niemand zu einem besseren Menschen. 1977 trat das Strafvollzugsgesetz in Kraft: Seitdem heißt es nicht mehr Schuld und Sühne, sondern die Resozialisierung des*r Inhaftierten während der Zeit im Gefängnis steht im Vordergrund. „Das ist die Befähigung, dass ein*e Gefangene*r nach seiner
len diesen Prozess während des Aufenthaltes fördern.
ist es entscheidend, dass Ex-Häftlingen Dabei bemüht man sich schon im Ge-
nach Ihrer Entlassung genügend Un-
fängnis, die Gefangenen auf ihr Leben
terstützung bekommen. Vor allem
Im Durchschnitt sind die Gefangenen
in Freiheit vorzubereiten. Therapien,
junge Menschen, die aus schwierigen
männlich (94 Prozent), zwischen 30
Anti-Gewalt-Trainings, Schauspielun-
familiären Bedingungen kommen, ha-
und 50 Jahre alt und bleiben für ein
terricht – das Angebot in den Justiz-
ben so eine deutlich höhere Chance
bis fünf Jahre im Gefängnis. Der Groß-
vollzugsanstalten (JVAs) ist groß.
nicht rückfällig zu werden.
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orange2 · April 2022