celluloid 5/2020

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CINEMA FOREVER

5/2020 NOVEMBER/DEZEMBER EUR 5.00

celluloid filmmagazin

BOND, Foto: Universal Pictures

WIR BRAUCHEN SIE!*

* UND HOFFEN, DASS SIE IM MÄRZ 2021 DAS KINO RETTEN CINEMA FOREVER!

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CELLULOID FILMMAGAZIN 5/20

wieder verschoben!


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CELLULOID FILMMAGAZIN


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inhalt ARTIG, NICHT BRAV

celluloid filmmagazin Ausgabe 5/2020 21. Jahrgang November/Dezember 2020

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liebe leserInnen,

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BOND, WIR BRAUCHEN SIE!

Die Verschiebung des 25. Bond-Abenteuers auf 2021 ist ein weiterer Rückschlag für die Kinos. Siegfried Tesche verkürzt uns die Wartezeit, Christian Langhammer spricht über die Kino-Krise

FEATURES WESTERN Was macht dieses Genre so

beliebt, und wer sind die größten Western helden aller Zeiten - in unserem Dossier FILMFESTSPIELE VENEDIG Trotz Corona hat man in Venedig die Festspiele durchgezogen. Wir waren live dabei. Hier lesen Sie über alle Highlights, Enttäuschungen und sehen die besten Star-Fotos VERGIFTETE WAHRHEIT Umweltkino von Todd Haynes als pakender Thriller KINO-ANARCHIE: Der Wiener Sebastian Brauneis hat einen Spielfilm für 3000 Euro gedreht. Ein Gespräch. MANFRED DEIX kommt ins Kino: Als Animationsfilm aus dem Hause Aichholzer MICHAEL OSTROWSKI: im Interview zu seinem neuen Film „Der Onkel“, für den er vom ÖFI keine Förderung bekam ARASH T. RIAHI über seinen famosen Film „Ein bisschen bleiben wir noch“

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FILMKRITIK

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28 Vergiftete Wahrheit 38 I Am Greta 39 Falling 40 Und morgen die ganze Welt Trivia: Wie die Viennale heuer aussieht 46 Events: 20 Jahre dok.at, Nachschau Jüdi sches Filmfestival, Ausstellung Ruth Mader 48 Gastkommentar: Michael Loebenstein, Chef 50

RUBRIKEN 4 41 44

des Österreichischen Filmmuseums, über die Herausforderungen des Kinos Neues im VOD-Club DVD & Blu-ray Zum 90er: Jean-Luc Godard

Seven Elephants/Oliver Wolff; Katharina Sartena; zVg

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Immer noch, und im Herbst wieder verstärkt, plagt uns die Corona-Pandemie - dennoch haben wir uns entschieden, unseren Cover-Film wie geplant auf Seite 1 zu hieven: Auch, wenn Bond wieder einmal verschoben ist, diesmal auf 31. März 2021, wollen wir als Filmmagazin die Vorfreude zelebrieren, und bringen einen Setvisit des Bond-Experten Siegfried Tesche, der für uns hinter die Kulissen blickte. Genau darum geht es nämlich in der Krise: Den Fokus auf das Kino nicht zu verlieren, das mehr denn je unter Druck geraten ist. Christian Langhammer von den Cineplexx-Kinos hat mit uns darüber gesprochen (Seite 11). Gemeinsam werden wir über den Corona-Winter kommen: Die Filmkultur soll dabei nicht zu kurz kommen, wie diese Ausgabe zeigt. Bleiben Sie gesund und uns gewogen! Herzlichst, Ihr MATTHIAS GREULING CHEFREDAKTEUR UND HERAUSGEBER

celluloid@gmx.at

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trivia Viennale-Direktorin Eva Sangiorgi (beim Filmfestival von Venedig): „Sicherheit steht im Vordergrund“

Foto:Katharina Sartena

Unser Viennale-Sonderheft mit exklusiven Interviews (Mads Mikkelsen, Jasmila Zbanic oder Willem Dafoe) gibt es GRATIS in allen Viennale-Spielorten. Unsere Abonnenten finden das Heft als Beilage zu dieser Ausgabe.

VIENNALE FEIERT DIE FILME

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Die Viennale 2020 bietet viele hochkarätige Filme, dafür gibt es Corona-bedingt keinerlei soziale Events.

ir haben uns auf das Wesentliche des Festivals konzentriert: die Filme.“ Kurz und knapp stand diese Devise am Beginn der diesjährigen Programmpräsentation der Viennale, die von 22. Oktober bis 1. November stattfinden soll - um drei Tage kürzer als sonst, um fast die Hälfte der Filme schlanker, dafür um fünf Kinosäle reicher, um genügend Vorstellungen anbieten zu können, damit die Wiener Filmfans trotz Corona die Möglichkeit haben, die von Viennale-Direktorin Eva Sangiorgi ausgewählten Filme zu sehen. Das Angebot geht deutlich über die bisherigen Viennale-Spielorte Gartenbau, Urania, Metro, Künstlerhaus und Filmmuseum (wo die Retrospektive läuft) hinaus: „Dieses Jahr schlossen sich Admiralkino, Blickle Kino, Filmcasino, Le Studio Film und Bühne c/o Studio Molière und Votiv Kino unserer Initiative an, um zusätzliche Wiederholungsvorstellungen zu ermöglichen und das ViennaleErlebnis auf weitere Teile der Stadt auszudehnen“, sagt Eva Sangiorgi. Der Rest ist ausgeklügelte Planung: „Wir haben darauf bestanden, die Viennale als Präsenzveranstaltung zu

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organisieren, da unser Festival vor allem eines für das Publikum und die Stadt ist“, sagt Sangiorgi. „Ein Virus hat die Art und Weise umgekrempelt, wie wir miteinander umgehen und kommunizieren, insbesondere wie wir unsere Räume beleben und wie wir in diesen Räumen leben. Doch das Konzept der sozialen Distanz ist irreführend; zwar mag aus gesundheitlichen Gründen ein interpersonaler Abstand empfehlenswert sein, ganz sicher nicht aber eine Zunahme der Diskrepanzen in unserer Gemeinschaft. Also haben wir ein Protokoll entwickelt, das den Zugang zu den Vorführungen unter Einhaltung der Sicherheitsmaßnahmen erlaubt.“ SAUFEN MIT MADS Inhaltlich wird sich die Viennale wie immer an den FestivalOrten der großen Schauen orientieren, doch Cannes ist heuer bekanntlich entfallen, dennoch wird es hier einige Arbeiten geben, die dort hätten gezeigt werden sollen. Etwa „Druk - Another Round“, das Trinkerdrama von Thomas Vinterberg mit Mads Mikkelsen, oder „Été 85“, ein Jugend-Sex-Drama von Francois Ozon. Außerdem stehen die neuen Arbeiten von Filmemachern wie CELLULOID FILMMAGAZIN

Frederick Wiseman, Kelly Reichardt, Gianfranco Rosi, Miranda July, Jasmila Zbanic, Philippe Garrel, Tsai Ming-liang, Eliza Hittman, Thomas Vinterberg, Lav Diaz und Andrei Konchalovsky auf dem Spielplan - die meisten davon holte Sangiorgi von den Filmfestivals Berlinale und Venedig nach Wien. Mit dabei sind auch die Gewinnerfilme dieser Festivals: „Sheytan vojud nadarad“ von Mohammad Rasoulof (Goldener Bär, Berlin) und „Nomadland“ von Chloé Zhao (Goldener Löwe von Venedig). Als Eröffnungsfilm steht mit „Miss Marx“ am 22. Oktober ein Bio-Pic über die Tochter von Karl Marx auf dem Programm. Abseits des Hauptprogramms sind Sonderreihen über Christoph Schlingensief, Zelimir Zilnik oder Isabel Pagliai geplant, die Retrospektive im Österreichischen Filmmuseum in der Albertina widmet sich dem Found-Footage-Kino. Auf jegliche Rahmenveranstaltungen muss man bei der diesjährigen Viennale völlig verzichten: Weder der Eröffnungsempfang im Rathaus noch das Lusthausfest im Prater oder die täglichen Clubbings in der Viennale-Zentrale können stattfinden. DORIS NIESSER INFOS: WWW.VIENNALE.AT


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COVER

Universal Pictures

KINOSTART: 31.03.2021

WARTEN AUF 6

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Der 25. Bond-Film „Keine Zeit zu Sterben“ wurde coronabedingt erneut verschoben - von November auf 31. März 2021. Dabei lag die Hoffnung der Kinobetreiber auf diesem Blockbuster. Bond-Experte Siegfried Tesche verkürzt uns die Wartezeit mit seinen Schilderungen von den Bond-Dreharbeiten, aber auch mit seiner Einschätzung über die problematische Zukunft der Filmreihe. Plus: Cineplexx-Chef Christian Langhammer im Interview über die Corona-Katastrophe (auf Seite 11).

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F BOND CINEMA FOREVER!

s sind fünfeinhalb Jahre vergangen, seitdem der letzte James Bond-Film „Spectre“ in unsere Kinos gekommen ist. Seitdem gab es viele Planungen, Autoren- und Regiewechsel, und lange Zeit war noch nicht mal klar, ob Daniel Craig nochmals als 007 vor der Kamera stehen wird. Am 16. August 2017 gab er jedoch bekannt, dass er die Rolle nochmals spielen wird. Von Ende März bis Dezember 2019 liefen die Dreharbeiten für den neuen Film „Keine Zeit zu sterben“ (No Time to Die), der nun nach etlichen Startterminverschiebungen final am 31. März 2021 anlaufen soll, nicht wie zuletzt geplant Anfang November. Die Corona-Krise hat die Planungen zunichte gemacht, doch deshalb verzichten wir nicht auf die angebrachte Dosis Bond: Im August und September 2019 war die mehr als 400 Personen umfassende Crew im süditalienischen Matera an der Arbeit, wo sich für unseren Autor, den Bond-Experten Sigfried Tesche, die Gelegenheit bot, aufwändige Stunts zu beobachten. Hier sein ausführlicher Bericht vom Set des 25. Bond-Abenteuers „Keine Zeit zu sterben“ und auch über die Probleme, die die Produktion durchlebte: Es müssten 282 PS sein, die der klassische Aston Martin DB 5 aus dem Jahr 1964 auf die Straße bringt, aber bevor man den silbernen Klassiker sieht, hört man ihn ganz deutlich. Einer von zehn (!) Wagen, die für die Dreharbeiten nach Matera gebracht wurden, rast die Via San Biagio entlang. Er passiert die überlebensgroße Skulptur eines lang7


IST „NO TIME TO DIE“ DER LETZTE BOND, DER INS KINO KOMMT? beinigen schwarzen Elefanten von Salvator Dalí, die für eine Ausstellung in der Stadt wirbt, und driftet mit quietschenden Reifen über die Piazza Vittorio Veneto, um die Via XX. Settembre zu erreichen. Einige der knapp 50 Statisten bringen sich in Sicherheit und flüchten aus der Fußgängerzone, denn nur wenige Sekunden später folgt ein mattschwarzer Mercedes ML 63 mit hoher Geschwindigkeit. Darin sitzt aber nicht etwa ein Bösewicht, sondern die Crew. Sie verfügt über einen so genannten Scorpio Arm, einem langen Ausleger über dem Dach des Wagens, an dem die Filmkamera hängt. Der zeichnet jede Bewegung des Sportwagens auf und federt Stöße ab. Dann ist auch noch ein Motorrad mit einer Kamera dabei, die das Geschehen von der Seite filmt. Der vielfach ausgezeichnete, frühere Motocross-Rennfahrer Rob Herring fährt diese KTM 530. Nach einem eindringlichen „Cut“ von 2nd-Unit-Regisseur Alexander Witt, bewegen sich die Fahrzeuge zum Ausgangspunkt zurück. Das Ganze beginnt von vorn. Der gebürtige Chilene Witt ist zum vierten Mal für die spektakulären Verfolgungsjagden der James-Bond-Filme verantwortlich. Er ist Teil des Teams, das in Europas Kulturhauptstadt 2019 die Eröffnungssequenz des letzten Einsatzes von Daniel Craig dreht. Schon vor mehr als zehn Jahren sollte die 60.000 Einwohner zählende Stadt Drehort werden, doch die geplante Sequenz wurde als zu aufwändig verworfen. Stattdessen wurden der Gardasee und Carrara Schauplätze der ersten Bilder 8

Neues Bond-Girl: Die 32-jährige Kubanerin Ana de Armas

von „Ein Quantum Trost“. LocationManager Enzo Sisti, der vor vier Jahren für „Spectre“ eine nächtliche Verfolgungsjagd durch Rom und den Vatikan organisierte, überzeugte die Produktion von der spektakulären Kulisse. „Bei diesem James-Bond-Film gibt es sehr viele Spezialeffekte und Explosionen“, sagte der grauhaarige Profi im italienischen Fernsehen. „Das ist auch für mich eine neue Erfahrung. Bei ‚Spectre‘ haben wir sehr viel nachts gearbeitet. Hier sind wir in einer Kleinstadt voller historischer Gebäude und müssen viel beachten und berücksichtigen. Es gibt ständig negative, aber auch positive Überraschungen“. Er fügt hinzu, dass dieses Mal Matera auch Matera im Film ist „und nicht Jerusalem wie in vielen anderen Filmen.“ KLEINE HINWEISE, GROSSER AUFWAND

Vor allem dürfen die historischen Gebäude, die zum Teil aus dem 16. Jahrhundert stammen, nichts abbekommen. Um auf der einen Seite den sensiblen Bereichen nicht zu schaden, auf der anderen Seite den Zuschauern aber etwas Besonderes zu bieten, gibt es strenge Bedingungen. Kleine Schilder in leuchtenden Farben mit neutralen Bezeichnungen wie „IT Base“, „IT Techs“ und „Mini Bus Stop“ weisen in Matera darauf hin, wo sich Teile der Sets befinden. Nach Erfahrungen früherer Dreharbeiten wurden Schilder mit Aufschriften wie „Bond 24“ oder auch nur „B 24“ von Fans einfach mitgenommen. Die Drehorte wurden aufwändig abgesperrt, mehrere hundert Helfer als Sicherheitspersonal rekrutiert. Jeden CELLULOID FILMMAGAZIN

Abend säubern Hilfskräfte die Straßen von den Reifenspuren der Wagen, extra Bauten wurden errichtet. An der Via Domenico Ridola entstand ein Hotel mit Aussichtsterrasse für 250.000 Euro, weil man so einen unverbauten Blick in die Sassi, die Höhlensiedlungen der Stadt, hat. Hier erleben Bond und die zum zweiten Mal von Léa Seydoux gespielte Madeleine Swann einen romantischen Abend. Auf der anderen Seite der Stadt, nahe der Kirche Madonna delle Vergini, entstand ein Friedhof aus Pappmaché. Dort wurde eine Szene gedreht, in der James Bond an Vesper Lynds Grab trauert. In Gravina, knapp 30 Kilometer nordwestlich von Matera, wurde mehrere Tage lang ein römisches Viadukt gesperrt, weil ein Stuntman dort heruntersprang. Enzo Sisti empfindet das Ganze als „sehr, sehr kompliziert, und es wird auch schwierig bleiben. Tag für Tag tauchen neue Probleme auf. Man muss mit den Behörden Absprachen treffen, Straßen absperren, den Verkehr umleiten und neue Sets errichten. Es gibt ständig Besprechungen mit dem Regisseur, dem Kameramann und den Stuntfahrern, und alle sind ganz verrückt, denn es geht um Bond. Die Serie und die Figur sind ja schließlich ein Massenphänomen.“ UNFÄLLE, VERZÖGERUNGEN, VERLETZUNGEN

Die Anfänge dieses Films waren mehr als nur holprig. Ursprünglich sollte Oscar-Gewinner Danny Boyle („Slumdog Millionär“) den Film drehen. Im März 2018 begann er mit seinem Drehbuchautor John Hodge („Trainspotting“), an

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Die meisten Kinos, darunter das Wiener Votivkino, öffnen wieder am 19. Juni.

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einem Drehbuch zu schreiben. Beide stiegen im August aber nach kreativen Differenzen aus. Boyle drehte stattdessen die Beatles-Hommage „Yesterday“. „Es ist wirklich eine Schande“, so Boyle, „John und ich erschufen eine Geschichte, die wirklich gut war, aber dann wollten die Produzenten die Autoren wechseln. Ich sagte Nein, und wir brachen die Zusammenarbeit ab. Es wäre etwas anderes gewesen, wenn unsere Story schlecht gewesen wäre, aber sie war wirklich gut. Schade, dass es so nicht zu einer tollen Schlagzeile gekommen ist: ‚Von den Beatles zu Bond‘“. Nach massiven Drehbuchproblemen und dem Einsatz von insgesamt sechs Autoren begannen im März 2019 endlich die Dreharbeiten unter der Regie des Amerikaners Cary Joji Fukunaga, der noch nie zuvor einen Actionfilm inszeniert hatte. Das Team reiste nach Jamaika, Norwegen und Schottland, doch Craig verletzte sich im Mai auf Jamaika am linken Bein und musste in New York operiert werden. Im Juni kam es in der 007-Stage der Londoner Pinewood Studios zu einer Explosion, bei der ein Mann verletzt wurde. Bis Ende September weilte das Team in Italien. Für 25. Oktober war das offizielle Drehende vorgesehen, doch daraus wurde nichts. Ab dem 20. Dezember wurden in den Pinewood Studios noch Szenen mit Léa Seydoux nachgedreht. Zwischen 180 und 190 Drehtagen kamen so zusammen - selbst für eine solche Mammut-Produktion eine außergewöhnliche Dauer. Im Herbst 2019 wurde der Komponist Dan Romer gefeuert, dessen Soundtrack als „zu experimentell“ galt. Daraufhin engagierte man Hans Zimmer, der sich mit Steve Mazzaro und Gitarrist Johnny Marr noch Hilfe dazu holte. Zu dem Ärger kam noch hinzu, dass der britische Sänger Boy George sich über die Musik lustig machte. Am 22. Oktober 2019 veröffentlichte er die Single „No Time to Die“, die aber keinen Bezug zu den Bond-Machern hatte;

Bond-Fototermin im italienischen Matera, mit Regisseur Fukunaga und den Schauspielern Seydoux und Craig: „Alles absperren, jeden Tag Chaos“.

sie sollte nach seiner Aussage nur „Dua Lipa und Ed Sheeran verärgern“, die damals als Interpreten gehandelt wurden. Schließlich sang Billie Eilish den Titelsong ein. DER LETZTE JAMES-BOND- FILM IM KINO?

Am 31. März 2020 hätte „Keine Zeit zu sterben“ in der Londoner Royal Albert Hall seine Weltpremiere erleben sollen, doch Corona kam dazwischen. Mit der neuen Unsicherheit im Kinobetrieb stellt sich nun auch die Frage: CINEMA FOREVER!

Wird der Film möglicherweise der letzte sein, der seine Premiere überhaupt noch im Kino feiert? Ganz abgesehen von Corona, ist auch die Unsicherheit in Bezug auf die Fortführung der Erfolgsserie groß, denn Teilhaber MGM wird eventuell verkauft und damit 50 Prozent der Bond-Rechte. Diejenigen, die nicht mit Kinoauswertungen groß und erfolgreich geworden sind, bringen sich schon in Stellung. Ende des Jahres 2019 trafen sich Verantwortliche von Apple mit denen 9


von MGM, um über eine Übernahme zu sprechen. Apple TV ist vor allem an dem großen Archiv des Filmriesen mit über 5.000 Filmen interessiert, um so den hauseigenen Streaming-Dienst zu füttern. Schon 2017 wurde bekannt, dass sowohl Apple als auch Amazon Interesse an MGM und den BondRechten zeigten. Später kamen noch Gespräche mit Netflix hinzu. Dank der Aktivitäten der Hedgefonds ist MGM inzwischen besser aufgestellt als zuvor. Nach Recherchen des Wirtschaftsressorts von CNBC, hat MGM in den ersten neun Monaten des letzten Jahres rund 600 Millionen Dollar durch Filmund TV-Lizenzrechte eingenommen und nochmals 300 Millionen durch Abonnenten des eigenen Kabelkanals Epix. Die Produzenten Barbara Broccoli und Michael G. Wilson haben sich dazu mit öffentlichen Aussagen lange zurückgehalten. Allerdings sagte Broccoli gegenüber dem Branchenmagazin „Variety“: „Wir machen diese Filme für das Publikum. Wir denken gerne daran, dass sie in erster Linie auf der großen Leinwand zu sehen sind. Wir müssen aber auch in die Zukunft schauen. Es sind unsere Fans, die uns diktieren, wie sie ihre Unterhaltung konsumieren möchten. Ich denke nicht, dass wir irgendetwas ausschließen können, denn das Publikum trifft diese Entscheidungen und nicht wir.“ CRAIG HÖRT AUF Das lässt Raum für Spekulationen, und die gibt es auch in Bezug auf die Figur James Bond und die Nachfolge von Daniel Craig. Der Engländer, der inzwischen 52 Jahre alt ist, hat bereits bekannt gegeben, dass er die Rolle abgibt. Ob er weiterhin als ausführender Produzent der Serie tätig sein wird, ließ er offen. Barbara Broccoli ist nicht glücklich über den 10

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Bond-Dreh in London: Der Fuhrpark von 007 ist in „No Time To Die“ besonders umfangreich.

Ausstieg von Craig und hätte ihn gerne noch in mindestens einem weiteren Film gesehen. In demselben Interview sagte sie, dass sie seine Entscheidung, aufzuhören, zwar „respektiere“, sie aber als „traumatisch“ empfinde. Der Grund ist offensichtlich: Am 6. Oktober 1962 erlebte „Dr. No“ im Londoner PavilionKino seine Erstaufführung. Also steht im Oktober 2022 das 60-Jahr-Jubiläum der Serie an, das man gerne gebührend feiern würde. Aber mit einem neuen Bond-Darsteller und innerhalb von nur eineinhalb Jahren mit einem neuen Film ist das schlicht unmöglich. TEURER SPASS „Keine Zeit zu sterben“ ist nach Insiderangaben rund 250 Millionen Dollar teuer gewesen und sorgte monatelang für Gesprächsstoff. Der betrifft nun auch die Kinobesitzer in der ganzen Welt, denn es wird der längste Bond aller Zeiten werden. Zwar sind die ursprünglich avisierten 174 Minuten inzwischen auf 163 MiCELLULOID FILMMAGAZIN

nuten geschrumpft, wie die deutsche Abteilung von Universal Kinobesitzern mitteilte, aber die stellt auch diese Länge vor erhebliche Probleme. So können weniger Vorstellungen geplant werden und eventuelle Aufschläge sollen das kompensieren. Außerdem sind die Theaterleiter angewiesen worden, keine Pause im Film zu machen. Aber immerhin ist nach Angaben der Produzenten im jüngsten Film „ein emotional befriedigender Abschluss“ zu sehen. Und auch zur Zukunft der Reihe gibt es schon Aussagen, wenn auch keine in Bezug auf den nächsten Hauptdarsteller oder einen anderen Vertriebspartner. Immerhin ist fix: Bond soll auch in Zukunft „männlich“ sein, egal welche Hautfarbe er hat, und er soll laut Michael G. Wilson „aus Großbritannien oder dem Commonwealth“ stammen. In unsicheren Corona-Zeiten sind das immerhin ein paar Gewissheiten, an denen sich die Fans mit Sicherheit orientieren können. SIEGFRIED TESCHE


CORONA: FÜR DIE KINOS BEGINNT

EINE HARTE SAISON INTERVIEW. Christian Langhammer, Chef der größten österreichischen Kinokette Cineplexx

und von Constantinfilm, im exklusiven Gespräch zu den Schwierigkeiten, die durch das Virus für seine Kinos entstanden sind. Cineplexx-Boss Christian Langhammer bleibt derzeit auf viel Popcorn sitzen

Philipp Jelenska

bis jetzt halten konnte. Bis dato konnten wir alle Mitarbeiter an Bord behalten, das freut uns sehr. Damit uns das aber auch weiterhin gelingt, braucht es ganz klar rasche Wirtschaftshilfen für die Kinobranche. Auch wenn der Kino-Neustart gut gelaufen ist, die kommenden Monate werden nicht einfach – die Verluste durch die mehrmonatigen Schließungen sind nicht mehr aufholbar. Außerdem sehen wir auch für geringfügig Beschäftigte

„Wir wollen unsere Kinos jedenfalls geöffnet lassen und alle unsere Mitarbeiter behalten.“ CHRISTIAN LANGHAMMER

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elluloid: Inwieweit trifft die Verschiebung des neuen Bond-Films ihre Kalkulation, beziehungsweise was fordern Sie von der Regierung an Hilfen? Christian Langhammer: Wir sind nach der monatelagen Schließung mit ausverkauften Kinovorstellungen im August zurückgekommen, das war ein riesiger Erfolg für unser ganzes Team. Die laufenden Filmverschiebungen der großen Studios machen allerdings leider deutlich, dass es noch dauern wird, bis wir wieder von einem „normalen“ Kinoalltag sprechen können. Große Blockbuster locken ins Kino – darum ist es in der aktuellen Situation leider nicht überraschend, dass sich das tolle Auslastungsniveau vom August nicht

KINO-MARKTFÜHRER MIT CINEPLEXX

dringende finanzielle Unterstützung als notwendig an – wir setzen derzeit auf rund 300 geringfügig beschäftigte Cineplexx-Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die für unseren laufenden Kinobetrieb von großer Bedeutung sind. Darum möchten und müssen wir sie auch weiterhin an Bord behalten. Das geht allerdings nur, wenn die Regierung passende Rahmenbedingungen dafür schafft und uns in dieser Situation unterstützt. Wie beurteilen Sie die geplante Schließung von über 120 Kinos der britischen Cineworld-Gruppe? Droht ein solches Szenario mitunter auch in Österreich? Die gesamte Branche ist davon betroffen, die Nachrichten von CineCINEMA FOREVER!

world haben wir natürlich verfolgt. Als größter Kinobetreiber Österreichs können wir sagen, dass wir unbedingt auch weiterhin unsere Standorte offenhalten wollen und alles daran setzen unsere Besucher mit dem verfügbaren Filmcontent gut zu unterhalten. Auch abseits der großen Blockbuster haben wir zig Filmstarts in Planung, auch den ein oder anderen Filmstart für 2021 konnten wir auf diesen Herbst vorverlegen (z.B. „Kaiserschmarrndrama“ von Ed Herzog oder den neuen Bully Herbig Film „Der Boandlkramer und die ewige Liebe“) Auch unser Angebot zur Opern-Saison haben wir angepasst, sodass wir unseren Besuchern bis zur Wiedereröffnung der internationalen Häuser wie der MET ein wertiges Angebot bieten können. Aktuell stellen wir außerdem fest, dass uns täglich zahlreiche Anfragen zu Geburtstagsoder Weihnachtsfeiern in unseren Kinos erreichen. Die Saalgröße, durch die Abstandsregelungen problemlos umgesetzt werden können, ist hier natürlich ein klarer Vorteil für große Gruppen oder Unternehmen. Welche Strategie steckt hinter ihren tageweisen Kinoschließungen? Es ist kein Geheimnis, dass die aktuelle Situation schwierig ist und sich in einer geringeren Kinoauslastung widerspiegelt. Wir merken zwar, dass die Menschen wieder ins Kino wollen und sich über unser Comeback freuen – für langfristig volle Kinosäle braucht es allerdings auch Blockbuster Content. Daher haben wir unser Filmprogramm vorläufig angepasst – so ergeben sich je nach Standort spielfreien Tage. INTERVIEW: MATTHIAS GREULING 11


Es ist das Filmgenre, das den Ruf des Kinos als kollektiv erlebbares Spektakel gefestigt hat wie kein zweites: Der Western. Von Buffalo Bill über Jesse James bis zu Billy the Kid - sie waren die realen Protagonisten einer Epoche der amerikanischen Geschichte, die das Klischee vom Wilden Westen prägten. Das Kino unternahm schon in seiner Frühzeit die Verklärung dieser Zeit.

Fotos: Archiv; zvg

DOSSIER

Buffalo Bill war Vorreiter in der Vermarktung des Wilden Westens und tourte mit seiner Show vor mehr als 100 Jahren sogar durch Deutschland.

Im Wilden

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igentlich verdanken wir den Mythos vom Wilden Westen, von den rauchenden Colts, den schmierigen Saloons, den Schießereien und den Indianer-Schlachten oder den Banküberfällen zu Pferd einem Bisonjäger, der aus all dem die größte Show seines Lebens gemacht hat. Buffalo Bill, bürgerlich William Frederick Cody (18461917), folgte schon als junger Mann dem Goldrausch nach Colorado, war später aber so etwas wie der Begründer des modernen Showbusiness. Buffalo Bill war zu seinen Lebzeiten eine Regelrechte Berühmtheit. Nicht nur, weil er im US-Bürgerkrieg mit der Medal of Honor, dem höchsten Tapferkeitsorden der USA, ausgezeichnet wurde, sondern vor allem, weil die damaligen Zeitungen ihn zu einem Superstar schrieben. Bald gab es Groschenhefte über Buffalo Bill, Theaterstücke und eine eigene Show, mit der Buffalo Bill auf Tour ging: Die „Buffalo Bill’s Wild West Show“ vermanschte die Klischees des Wilden Westens zu einem bunten Potpourri, und bis heute zehrt der Mythos von dieser Zeit. Wie ein Zirkus versammelte die Show unzählige Menschen und Tiere, ja sogar Indianerhäuptlinge konnten zur Mitwirkung animiert werden. Die Show führte Cody auch nach Europa, es gab auch Auftritte in Deutschland, wo zehntausende Zuschauer verzeichnet wurden. Basiert hat all das auf der Phantasie des New Yorker Journalisten Ned Buntline, der nach der Begegnung mit Cody begann, eben jene Groschenhefte zu schreiben, die das Bild vom Wilden Westen bis heute prägen.

auch der deutsche Karl May das Potenzial vom Westernhelden und begann, seine Geschichten von Winnetou und Old Shatterhand zu verfassen, obwohl er erst spät in seinem Leben amerikanischen Boden betrat und viele seiner Geschichten im ostdeutschen Radebeul niederschrieb. Auch May war durch seine Geschichten zu Ruhm gekommen, denn die Gier nach Abenteuern aus Amerika war schier unendlich. WESTERN-ROMANTIK Aber wie gestaltete sich die Wirklichkeit im Wilden Westen? Waren die Cowboys wirklich diese lässigen Typen, Zigarren im Mundwinkel, immer auf dem Rücken eines Pferdes, den ganzen Tag romantisch durch die Prärie reitend, in jeder Bar einen Whiskey tankend, abends am Lagerfeuer sitzend? Mitnichten. Cowboys waren die Männer fürs Grobe, es gab kaum Straßen, sie ritten querfeldein, mussten durch Schlamm und Morast ebenso wie durch elendslange trockene Landstriche reiten. Sie schliefen in Massenunterkünften oder im Stall bei den Pferden und schossen auch nicht gut und gerne - im Gegenteil: Schüsse hätten nur die Rinder verschreckt, und als klassische Viehtreiber war das eher nicht ihre Absicht. Es war das Kino, das die Cowboys zum Mythos machte, weil es ihnen nicht nur Freiheit und Abenteuerlust unterstellte, sondern Billy the Kid war einer der ersten Gesetzlosen, der populär wurde.

GOLDFISCHEN AM YUKON Der Wilde Westen ist längst in die Alltagskultur eingetreten, das zeigen die kindlichen Spiele vom Cowboy und Indianer, die es bei jedem Kostümfest gibt. Der Reiz des Unbekannten, der amerikanische Traum von den Goldnuggets, die man sich aus dem Yukon fischen konnte, all das wirkte wie ein Magnet auf viele Auswanderer, die in Amerika das große Glück erhofften. Vieles aus dieser Zeit sind Hirngespinste, keine realen Erlebnisse, aber diese Phantasien beflügelten die Menschen. Um die gleiche Zeit wie Buffalo Bill erkannte

sie auch zu Ordnungshütern oder - im Gegenteil - zu Gesetzlosen machte. Und daraus entstand schließlich die Mär vom kraftstrotzenden Symbol für ein Selbstverständnis der Amerikaner, das bis heute bemüht wird - nicht umsonst bedienen sich viele Politiker des Cowboymythos, und sprechen dabei von einem einfachen, ehrlichen, aufrechten Mann, der die Gesetze wahrt und die Freiheit liebt. Aber ein Mythos entsteht nicht allein durch rechtschaffene Landwirtschaftsarbeiter. Und so gab es zahllose Figuren, die selbst zur Legende geworden sind. Zum Beispiel der Revolverheld Billy the Kid, von dem man nicht sicher belegen kann, wie er tatsächlich hieß oder wann er geboren wurde, aber es muss um 1860 gewesen sein. Er soll seinen ersten Mord bereits im Alter von 12 Jahren begangen haben, an einem Mann, der seine Mutter beleidigte. Insgesamt 21 Morde werden Billy the Kid zur Last gelegt, doch die meisten davon dürften nicht auf seine Kappe gehen. Belegt ist hingegen, dass er um 1878 in Lincoln County, New Mexico, bei einem großen Weidekrieg mitmischte und dort den damaligen Sheriff in Notwehr erschoss. Billy the Kid galt spätestens dann als Mörder und wurde steckbrieflich gesucht. Der neue Sheriff Pat Garrett machte es sich zum Ziel, Billy the Kid zu fassen, und streckte ihn schließlich am 14. Juli 1881 mit zwei Schüssen nieder. Da soll der junge Mann lediglich ein Messer bei sich getragen haben, und keinen Revolver. Doch Garrett schmückte seine vermeintliche Heldentat mächtig aus, verklärte die Tat, und gab an, dass Billy the Kid bewaffnet gewesen war. Sonst hätte er sich selbst wegen Mordes verantworten müssen, an einem jungen Mann, der vielleicht zum Zeitpunkt seines Todes noch nicht einmal volljährig, also 21 gewesen ist. MYTHEN UM BILLY THE KID Gerade weil Garrett so viele Mühen unternahm, seine Tat zu verschleiern, indem er den Getöteten dämonisierte, entstanden die Mythen und Legenden um Billy the Kid und machten ihn auch für die Literatur und den Film zu einer zentralen Figur des Wilden Westens. Sam Peckinpah setzte ihm 1973 mit seinem Film „Pat Garrett jagt Billy the Kid“ ein Denkmal. Billy the Kid war nicht der einzige Gesetzlose, der berühmt wurde. Butch

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Brad Pitt spielte Jesse James in „The Assassination of Jesse James by the Coward Robert Ford“ (2007, Regie: Andrew Dominik)

Foto: Warner Bros.

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Cassidy und Harry Alonzo Longabaugh, genannt The Sundance Kid, führten ab 1896 eine Bande an, die sich „The Wild Bunch“ nannte, der wilde Haufen. Bei deren verbrecherischen Unternehmungen war Pferdediebstahl noch das geringste Vergehen. Über ein Dutzend Raubüberfälle, unter anderem auf Banken, gehen auf das Konto der Bande, wobei man Butch Cassidy anfangs als einen von Gerechtigkeit getriebenen Mann sah, der versuchte, große Farmen zu bestehlen, die kleinere verdrängen wollten. Eine Art „Robin Hood“ des Wilden Westens also. In George Roy Hills „Zwei Banditen“ (1969) spielten Robert Redford und Paul Newman das Verbrecherduo, und Redford benannte 1981 sein Sundance Film Festival nach seiner Rolle in dem Film. Ebenso legendär waren die vier Dalton-Brüder, die eigentlich zehn waren, aber eben nur vier von ihnen wurden kriminell und raubten Banken und Eisenbahnen aus. Beim Versuch, 1892 gleich zwei Banken auf einmal auszurauben, wurden sie gestellt, und einer der vier, Emmett, machte danach Karriere beim Film als historischer Berater. Sein Buch „When the Daltons Rode“, das 1931 erschien, wurde 1940 von George Marshall verfilmt. Ein Beleg dafür, wie sehr die Geschichten aus dem Wilden Westen schon immer auch Hollywood fasziniert haben - so 14

sehr, dass man sich die realen Protagonisten holte, um authentisch zu sein. In der Comicheft sind die Daltons zudem in zahlreichen Abenteuern von Lucky Luke verewigt. Vom Gesetzeshüter zum Revolverhelden wurde dereinst Wyatt Earp, den man schon in seiner Zeit als Marshall der Veruntreuung von Geldern und des Pferdediebstahls beschuldigte. Earp wurde vor allem deshalb bekannt, weil seine Taten in unzähligen Filmen und der 227 Episoden umfassenden Serie „Wyatt Earp greift ein“ (1955 bis 1961) erzählt wurden. Zu den bekanntesten Spielfilmen zählen „Wichita“ (1955, Jacques Tourneur), „Cheyenne“ (1964, John Ford) und „Wyatt Earp“ (1994, Lawrence Kasten, mit Kevin Costner). FILMHELD JESSE JAMES Auch von Bankund Zugüberfällen lebte der legendäre Jesse James, der mit seiner Bande zu landesweiter Berühmtheit gelangte, als er 1873 den Rock-Island-Zug zum Entgleisen brachte. Jesse James wollte damals nur an den Safe im Gepäckwagen, die Passagiere ließ er zufrieden - was ihm postwendend ebenfalls ein Robin-Hood-Image einbrachte. Tyrone Power verkörperte ihn in „Jesse James, Mann ohne Gesetz“ (1939), aber er wurde auch schon von Robert Wagner, Robert Duvall, Johnny Cash oder Brad Pitt gespielt. In den USA hat CELLULOID FILMMAGAZIN

Jesse James den größten Mythenstatus überhaupt - unzählige kleinere und größere Museen widmen sich ihm und seinen Taten. Es ist kein Zufall, dass das Kino als Unterhaltungsmedium schon ganz früh den Western als Genre gebar; die verbrecherischen Taten der WesternHelden faszinierten das Publikum von Anbeginn. So gilt Edwin S. Porters „Der große Eisenbahnraub“ (1903) als der erste Western der Filmgeschichte, in dem in 12 Minuten und 14 Szenen vom Überfall auf einen Zug und der anschließenden Verfolgung der Räuber durch den Sheriff erzählt wird. Es ist eine Pionierarbeit des Kinos, vor allem in Hinblick auf den Filmschnitt, der hier mit Parallelmontagen und Jump Cuts arbeitete. Das Spannungskino war geboren. „Der große Eisenbahnraub“ ist bis heute die Blaupause für jeden weiteren Western und auch Actionfilm geblieben: Auf einen Überfall folgt eine Hetzjagd, am Ende gibt es einen Showdown und auf dem Weg dorthin jede Menge Action und Tempo. Dem Film zugrunde lag ein ebenfalls realer Vorfall aus dem Jahr 1900, als Butch Cassidy einen ganz ähnlichen Eisenbahnraub vollführte. Das Kino hat sich eben - anders als die blumig verklärte Western-Welt des Buffalo Bill - schon immer lieber bei den ganz üblen Burschen bedient. PAUL HEGER


die größten westernhelden aller zeiten Sie prägten die Filmgeschichte und das Western-Genre nachhaltig: Neun Schauspieler und Regisseure, die zu den Gesichtern des Wilden Westens wurden. JOHN WAYNE (1907-1979)

Foto: Republic Productions Inc.

Weil sein erster großer Film, "The Big Trail" 1930 ein Flop wurde, verdingte sich John Wayne ein Jahrzehnt in B-Movies, ehe ihn der große John Ford in "Ringo" (1939) besetzte. Von da an dominierte John Wayne das gesamte Westerngenre – mit Filmen wie "Der schwarze Falke", "Red River" oder "Rio Bravo". Für "Der Marshall" (1969) gewann Wayne einen Oscar als bester Hauptdarsteller. Seine rechte Gesinnung tat er unumwunden in Interviews kund, Schwarze waren für ihn nicht gleichwertig: "Ich glaube so lange an die weiße Überlegenheit, bis die Schwarzen gebildet genug sind, Verantwortung zu übernehmen." Die eigene Überlegenheit stellte er gern so zur Schau: "Ich bin zwar nicht so hübsch wie Gary Cooper, aber verdammt noch mal, ich bin das Zeug, aus dem echte Männer gemacht sind."

Mit 90 ist Clint Eastwood der letzte große, noch lebende Westernstar dieser Liste. Er ist heute mehr als Regisseur aktiv als vor der Kamera. Begonnen hat seine Weltkarriere aber als ruhiger "Mann ohne Namen" in Sergio Leones "Dollar"-Trilogie", die dem Spaghetti-Western der 60er Jahre zum Durchbruch verhalf. Als Ikone des Genres schickte sich Eastwood 1992 an, mit "Erbarmungslos" als Regisseur und als Hauptdarsteller das Westerngenre neu zu erfinden; sein Spätwestern ist wie ein Neubeginn für das Genre gewesen. Eastwood zeichnete einen härteren, weniger mit Klischees durchsetzten Wilden Westen. Aber schauspielerisch galt ihm der Rat seines Schauspiellehrers: "Der sagte immer: Mach nicht irgendwas, sondern stehe einfach hier und tue nichts. Gary Cooper hatte zum Beispiel nie Angst, nichts zu tun." CINEMA FOREVER!

Foto: StudioCanal

CLINT EASTWOOD (GEBOREN 1930)

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DOSSIER

MICHAEL CIMINO (1939-2016)

Katharina Sartena

Der Regisseur galt nach seinem Film "Die durch die Hölle gehen" (1978) als neues Wunderkind in Hollywood, doch schon sein darauffolgendes Projekt schien das Western-Genre endgültig zu Grabe zu tragen: Der Misserfolg des Spätwesterns "Heaven’s Gate" (1980) war derartig gigantisch, dass sich das Studio United Artists davon finanziell nicht mehr erholte. Der Film wurde zum bis dahin größten Flop der Filmgeschichte. Schon im Vorfeld wurde er wegen immenser Produktionskosten auch von der Presse heruntergeschrieben, eine heutige Bewertung zeigt aber, wie unrecht man dem ursprünglich fünfstündigen Epos tat. Hinter seinem Werk stand Cimino jedoch zeitlebens, wie er der "Wiener Zeitung" 2015 verriet: "Ich habe nie versucht, jemanden zu kopieren. Es gibt viele Regisseure, die das tun. Sie klauen sich berühmte Filmszenen zusammen und möchten daraus patchworkartig einen neuen Film konstruieren. Solche Filme altern am schnellsten."

ENNIO MORRICONE (1928-2020)

G/zVG

Er stand zwar nie vor der Kamera, aber seine Musik schuf unendlich viele Western-Charaktere mit: Ennio Morricone, Anfang Juli im Alter von 91 Jahren in Rom verstorben, zählt mit über 500 Scores zu den produktivsten Filmkomponisten aller Zeiten. Legendär ist seine für Sergio Leone geschaffene Musik zu "Spiel mir das Lied vom Tod" (1968), die das Wehklagen einer Mundharmonika auf die Spitze trieb und Charles Bronson damit zu einer Kultfigur des Genres werden ließ. Morricones Werk wird lange Zeit von der OscarAcademy ignoriert, ehe er nach seinem LebenswerkOscar von 2007 im Jahr 2016 sogar noch einen "echten" Oscar für die beste Filmmusik erhielt – und auch da für einen Western, nämlich für Quentin Tarantinos "The Hateful Eight". Morricone sah sich immer als Diener der Regisseure, für die er arbeitete: "Meine Musik soll sich dem Film unterordnen, darf niemals dominieren. Aber man könnte einen schlechten Film ohnehin nicht mit einem guten Score retten."

Paramount

HENRY FONDA (1905-1982)

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"Ich hoffe, Sie werden nicht enttäuscht sein. Ich bin keine sehr interessante Person. Ich habe nie etwas anderes getan, als andere Menschen zu sein. Ich bin nicht wirklich Henry Fonda!", sagte Henry Fonda über sich selbst. Und doch nützt dieses Tiefstapeln nichts: Henry Fonda gehört zu den größten Filmlegenden aller Zeiten. Für das Western-Genre war er in mehrfacher Hinsicht bedeutend: Er war Wyatt Earp in John Fords "Faustrecht der Prärie" (1946), spielte in "Jesse James" (1939) und "The Return of Frank James" (1940) sympathische Gesetzlose und wurde zum kaltblütigen Mörder in Leones "Spiel mir das Lied vom Tod" (1968). Leone liebte Fonda vor allem in Totalen und in extremen Nahaufnahmen und schuf so für diesen Film eine ganz eigene, kontrastreiche Bildsprache.

CELLULOID FILMMAGAZIN


JAMES STEWART (1908-1997)

Archiv/zVg

James Stewart war so etwas wie die perfekte Ergänzung zu Gary Cooper: Ein großer, aufrechter und männlicher Typus, der seine Karriere eigentlich in anderen Genres gemacht hat, etwa in der Romanze "Die Nacht vor der Hochzeit" (1940), für die er seinen einzigen Oscar bekam. Er war einer der Lieblingsschauspieler von Alfred Hitchcock, der unter anderem "Vertigo" und "Das Fenster zum Hof " mit ihm drehte. Aber auch im Western-Genre hinterließ er seine Spuren. Sein erster Western war die Westernmödie "Der große Bluff " (1939) mit Marlene Dietrich, berühmt wurde hingegen seine Kollaboration mit Anthony Mann bei "Winchester 73" (1950). Vier weitere Western später besetzte Mann Gary Cooper in "Der Mann aus dem Westen" (1958), was Stewart so erzürnt haben soll, dass er nie mehr ein Wort mit dem Regisseur wechselte.

Gary Cooper ist sozusagen der Ur-Vater der amerikanischen Westernstars, weil er schon mit dem ersten Western-Tonfilm "The Virginian" (1929) berühmt wurde. 30 Jahre lang prägte er das Genre mit seiner lakonischen, zugleich energischen physischen Präsenz. Ein Höhepunkt in seinem WesternSchaffen war "High Noon – Zwölf Uhr Mittags" (1952) von Fred Zinnemann, der vier Oscars gewann und als Subtext eine bittere Abrechnung mit der McCarthy-Ära parat hielt, weshalb Cooper-Kollege John Wayne den Film als "unamerikanisch" zutiefst ablehnte. Zu seinen weiteren legendären Western zählten "Vera Cruz" (1954) und "Der Mann aus dem Westen" (1958). "Ich begann mit dem Filmemachen in der Stummfilmzeit, nahm jeden Job an, den ich kriegen konnte", sagte Cooper, der für seinen Western "The Drug Store Cowboy" (1925) gerade einmal 20 Dollar Gage bekam. Für "Vera Cruz" waren es dann 500.000 Dollar plus zehn Prozent der Einnahmen.

Archiv/zVg

GARY COOPER (1901-1961)

SERGIO LEONE (1929-1989)

Einmal hat man den in Maine geborenen John Ford gefragt, wie er nach Hollywood kam. "Mit dem Zug", gab er nüchtern zu Protokoll, ebenso nüchtern, wie er über seine Filme sprach, darunter viele Meilensteine des Westerngenres – etwa "Höllenfahrt nach Santa Fé" (1939), "Faustrecht der Prärie" (1946), "Rio Grande" (1950), "Der schwarze Falke" (1956) oder "Der Mann, der Liberty Valance erschoss" (1962). Ford zählt bis heute zu den einflussreichsten Regisseuren des US-Kinos. Als Orson Welles seinen ersten Film "Citizen Kane" (1941) vorbereitete, wurde er gefragt, wer seine drei liebsten Regisseure seien. Welles antwortete: "John Ford, John Ford und John Ford." Zählt man seine beiden Oscars für seine Kriegsdokus mit, hält Ford bei rekordverdächtigen sechs Trophäen.

Der Italiener gilt als Begründer des Italo-Western. Seine "Dollar"-Trilogie etablierte eine neue Sichtweise auf den amerikanischen Mythos vom Wilden Westen und entfernte sich vom originär historischen Bezug der Western hin zu einem Unterhaltungsgenre, das bald auch von fantastischen und ironischen Zügen geprägt war. Leones Filme in den 1960er Jahren gehören zu den erfolgreichsten Western überhaupt. Erste Filmerfahrungen machte Leone 1951 am Set des Monumentalfilms "Quo Vadis", der in Cinecitta gedreht wurde. Das Drehbuch zur "Dollar"-Trilogie nahm Anleihen bei Akira Kurosawas "Yojimbo" (1961): Leone kopierte dessen Hauptfigur und machte aus dem Samurai einen Westernhelden. Dann engagierte er den bis dahin eher unbekannten TV-Darsteller Clint Eastwood, über den er sagte: "Als Schauspieler hat Clint zwei Gesichtsausdrücke. Den einen mit Hut, den anderen ohne". Der Rest ist Geschichte.

Archiv/zVg

Imdb

JOHN FORD (1894-1973)

CINEMA FOREVER!

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VENEDIG

AUS VENEDIG BERICHTEN MATTHIAS GREULING (TEXT) UND KATHARINA SARTENA (FOTOS)

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CELLULOID FILMMAGAZIN


FILMFESTSPIELE VENEDIG

NEUE REALITÄTEN Ein Filmfestival im Ausnahmezustand, mit Maskenpflicht und ohne Publikum. Aber: Venedig hat sein Konzept durchgezogen. Der Goldene Löwe für „Nomadland“ folgt indes einer Dramaturgie, die sich in Venedig leider durchgesetzt hat: Steigbügelhalter für US-Filme zu sein, die später den Oscar holen sollen.

CINEMA FOREVER!

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VENEDIG

„Nomadland“ mit Frances McDormand brachte Regisseurin Chloé Zhao den Goldenen Löwen der 77. Filmfestspiele von Venedig.

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ass am Ende dieses außergewöhnlichen Filmfestivals wieder eine US-Produktion den Goldenen Löwen bekam, ist eine Kontinuität, die man sich eigentlich so nicht wünscht: Mit „Nomadland“ gewann hier nämlich zwar ein Film, der im Prinzip vieles richtig gemacht hat, und obendrein einer, der sich sozial engagiert und noch dazu von einer Frau inszeniert wurde, aber es ist nicht der Film, der in den Kanon der Goldenen Löwen passt, so wie man ihn über die 77 bisherigen Festivalausgaben kennen gelernt hat. „Nomadland“ ist ein mit viel Poesie erzähltes Drama um eine Frau, die versucht, ihre Perspektiven zu wahren, obwohl sie längst jede verloren hat: Frances McDormands 20

Performance dürfte zu einer Oscarnominierung führen, „Nomadland“ dürfte auch in weiteren Kategorien berücksichtigt werden, das hat bei Filmen, die hier gewinnen, schon Tradition. AUF OSCAR-KURS Aber es hat alles ein bisschen zu augenfällig auch System: Inzwischen ist Venedig die sicherste Startrampe für prestigeträchtige USProduktionen, die zu Oscar-Ehren gelangen wollen, das haben Filme wie „Birdman“, „La La Land“, „Fist Man“, „Roma“ oder, letztes Jahr, „Joker“ gezeigt, und eine ähnliche Karriere wie diese Filme wird wohl auch „Nomadland“ erleben, diesmal coronabedingt der einzige US-Film mit diesem Karriereziel. Der Rest der insgesamt 18 Wettbewerbsbeiträge wählte durchaus CELLULOID FILMMAGAZIN

andere Zugänge zu seiner potenziellen Rezeption. Wenn man „Nomadland“ etwas vorwerfen kann, dann ist das schon die Spekulation mit einer Karriere im Awards-Reigen, die stets in Venedig beginnt. Langsam ist das Rezept ein wenig ausgelutscht. Und auch: „Nomadland“ ist von Regisseurin Chloé Zhao mit viel Atmosphäre aufgeladen worden, er erzählt eher wenig, doch was er erzählt, ist das (schön anzusehende) Klischee von einem Amerika zwischen Absturz und - Hoffnung. So schlimm sind wir nicht, so nahe stehen wir in Wahrheit zusammen, und gerade die Corona-Krise will ja das propagieren: Der Zusammenhalt, der dem Lockdown, Absturz, Wirtschaftschaos trotzt, und „Nomadland“ liefert den Filme dazu.


Fotos: La Biennale di Venezia

„New Order“ des Mexikaners Michel Franco ist an Eskalation kaum zu überbieten. Der Film gewann völlig verdient den Großen Preis der Jury.

Der Film ist vieles, er kann als leise Abrechnung mit diesem Leistungsamerika gelesen werden, als hoffnungsvolles Drama oder als gut gespieltes Schauspielerkino; ein Goldener Löwe ist er aber nicht. Corona hatte die 77. Filmfestspiele am Lido von vorne herein auf den Kopf gestellt. Maskenpflicht, auch im Kino während des Films, strenge Sicherheitsvorkehrungen: Festivalchef Alberto Barbera hat die Filmschau vielen Widerständen zum Trotz durchgesetzt, und zur Überraschung aller war das Event hervorragend organisiert. Eine Online-Plattform für die Ticketreservierung, Desinfektionsmittel an jeder Ecke, das Rote Kreuz stets präsent. Und ein roter Teppich ohne Zuschauer, der hinter einer unüberblickbaren Pappwand mit viel Sicherheitsabstand zwi-

schen den Fotografen stattfand. Inhaltlich hat Barbera hier keine Star-Vehikel ins Programm gehoben, das wäre auch sinnlos, wo die meisten Stars coronabedingt gar nicht anreisen hätten können. Stattdessen gab es Kunstkino und Arthaus-Mainstream in vielerlei Form: Der Mexikaner Michel Franco, dessen brutale Dystopie „New Order“ über einen Aufstand der Armen gegen die reiche Oberschicht in Mexiko den großen Preis der Jury gewann, stellte in seiner Dankesrede die Frage, ob sein Film nicht von der Realität schon überholt worden sei. HYPERVENTILIEREN „Haben wir wirklich etwas gelernt aus der Black-Lives-Matter-Bewegung und der Pandemie, oder wird danach alles so weitergehen wie gewohnt“, fragte Franco. Tatsächlich ist „New Order“ in Sachen Eskalation schwer zu übertreffen, aber der Film spiegelt sehr gut unsere hyperventilierende Gesellschaft, mit Überwachung und „Contact Tracing“ - ganz ähnliche Zustände gab es ja auch am Lido während des Festivals. Als beste Schauspielerin wurde Vanessa Kirby prämiert, die hier gleich mit zwei Filmen präsent war: In „The CINEMA FOREVER!

World to Come“ lebt sie, zaghaft, aber selbstbewusst, eine lesbische Liebe im Amerika der 1850er Jahre, den Coppa Volpi-Award bekam sie aber für „Pieces of a Woman“ des ungarischen Regisseurs Kornél Mondruczó, in dem sie eine Mutter spielt, die während einer Hausgeburt ihr Kind verliert. Die hochemotionale Szene, die über 30 Minuten dauert und ohne Schnitt auskommt, hatte die Jury um Cate Blanchett offenbar vollauf begeistert. Bei den Herren war der Italiener Pierfrancesco Favino siegreich: Er spielte die Hauptrolle in „Padrenostro“. Andrej Konchalovskys favorisiertes UdSSR-Drama „Dear Comrades!“ - ein schwarzweißes Meisterwerk - bekam am Ende den Spezialpreis der Jury, bester Regisseur wurde Kurosawa Kiyoshi für „Wife of a Spy“. Auch einige der nicht prämierten Filme wären preiswürdig gewesen, darunter die österreichische Koproduktion „Quo Vadis, Aida?“ von Jasmila Zbanic, über das Massaker von Srebrenica 1995. Aber auch beim Filmfestival von Venedig ist Qualität, die Alberto Barbera heuer zweifellos geliefert hat, nicht immer ein Garant für den künstlerischen Erfolg. Viele Filmemacher können davon ein Lied singen. MATTHIAS GREULING 21


VENEDIG

Stacey Martin bei ihrem Besuch in Venedig: „Habe erst in letzter Sekunde beschlossen, hierher zu fliegen“

STACEY MARTIN: LANGSAM ÄNDERN SICH DIE DINGE Schauspielerin Stacey Martin über die Pandemie, Geschlechterrollen und nackte Haut.

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NACKTSZENEN „Ich habe mich unter der Regie von Nicole Garcia sehr wohl gefühlt“, sagt Martin. „Sie ist eine Frau, die genau weiß, was sie will, aber nicht weiß, wie sie es kriegt - und das führt dazu, dass man als Schauspielerin herrlich viel ausprobieren kann“. Stacey Martin liebt es, im Moment zu sein, wenn sie ihre Rollen spielt, und dazu gehört auch ein Loslassen. „In vielen meiner Filme gibt es Nacktszenen, aber die machen mir nichts aus, wenn sie zur Figur passen“, sagt sie. „Denn dann sieht man ja nicht mir zu, sondern einer Rolle, die ich spiele“. Die Corona-Pandemie ist für Stacey Martin „eine Prüfung, die wir meistern müssen. Ich finde es toll, dass man es geschafft hat, das Filmfestival von Venedig trotz allem zu veranstalten. Wir tragen Masken und halten uns an die Vorschriften, aber ich finde, es ist ein großartiges 22

Foto: Katharina Sartena

ch habe die Angewohnheit, Menschen sehr genau zu beobachten, das ist das Britische an mir“, sagt Stacey Martin im Gespräch mit celluloid in Venedig. „Der französische Einfluss bei mir ist dann eher diese Pariser Nonchalance, die ich manchmal an den Tag lege“. Martin, einzige Tochter eines Franzosen und einer Britin, ist 2013 mit viel nackter Haut in Lars von Triers „Nymphomaniac“ berühmt geworden, seither hat sich viel getan. Jetzt spielt sie in Nicole Garcias Dreiecksgeschichte „Amants“ (dt. „Liebende“) eine Frau zwischen Pierre Niney und Benoît Magimel, eingepackt ist das Ganze in einen spannenden Film Noir und war zu sehen im Wettbewerb der 77. Filmfestspiele von Venedig.

Zeichen, dass wir wieder ein Stück unserer Normalität zurückbekommen“. Dennoch: „Dieses Festival ist anders als sonst: Ich habe erst sehr kurzfristig beschlossen, hierher zu fliegen, denn das Festival hätte ja auch in letzter Sekunde abgesagt werden können“. Besonders erfreut zeigt sich Martin angesichts der gestiegenen Zahl von Filmen bei der „Mostra del cinema“, die von Frauen gedreht worden sind - immerhin CELLULOID FILMMAGAZIN

sind das knapp 40 Prozent der Wettbewerbsbeiträge, darunter auch Nicole Garcias Film „Amants“. „Das ist wunderbar, und es ist ein Zeichen, dass sich die Dinge langsam, aber sicher verändern“, findet Stacey Martin. „Aber eines muss ich dazu auch ganz klar sagen: Für mich als Künstlerin ist es gänzlich irrelevant, ob Männer, Frauen oder Transgender hinter der Kamera stehen. Für mich zählt hier nur die Qualität des Projekts“.


Luca Guadagnino stellte in Venedig seine Doku „Salvatore Ferragamo: The Shoemaker of Dreams“ vor - und findet keineswegs, dass die Zukunft des Kinos im Streaming liegt.

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ür den Italiener Luca Guadagnino („Call Me By Your Name“) ist das Filmfestival von Venedig ein guter Boden, quasi ein Heimspiel. Schon sein erster Spielfilm „The Protagonists“ wurde 1999 hier vorgestellt, auch seine Filme „I Am Love“ (2009), „A Bigger Splash“ (2015) oder „Suspiria“ (2018) hatten hier Premiere. Naheliegend, dass Guadagnino auch heuer seine neue Arbeit hierher mitgebracht hatte: Mit „Salvatore Ferragamo: The Shoemaker of Dreams“ legt der Regisseur einen Dokumentarfilm über den legendären Schuhdesigner vor, der sich von dem kleinen italienischen Dorf Bonito bis in die Schuhschränke der Hollywood-Stars vorgearbeitet hat. Marilyn Monroe etwa wäre ohne das Schuhwerk von Ferragamo gar nicht denkbar gewesen. Aber auch Marlene Dietrich, Cary Grant, Gloria Swanson oder Mary Pickford schwörten auf seine Schuhe. Für die Monroe fertigte er die

elf Zentimeter hohen Pumps, die sie in „Manche mögen’s heiß“ trug, Judy Garland hatte zur Premiere von „Der Zauberer von Oz“ seine Schuhe mit den regenbogenfarbenen Absätzen an, für Audrey Hepurn entwarf er in den 50er Jahren seine berühmten Ballerinas. Das Besondere an seinen Schuhen: Ferragamo wollte nicht nur bestes Design und Innovation in der Herstellung vereinen, sondern vor allem bequem zu tragendes Schuhwerk herstellen. Ein Anspruch, der ihm immer wieder gelungen ist und ihm viele Fans bescherte, wie auch Guadagninos Doku vorführt. Dort zeichnet der Filmemacher den Aufstieg Ferragamos detailgetreu nach - der Film ist darob ein Fest für alle Schuhfanatiker und Modebegeisterte. Als Vorfilm zeigte der Regisseur seinen 12-minütigen Kurzfilm „Fiori! Fiori“ Fiori!“, den er während des Lockdown gedreht hat und der dem Lebensgefühl in

Foto: Katharina Sartena

DIE SCHUHE, DIE MARILYN MONROE BERÜHMT MACHTEN Luca Guadagnino

der Pandemie nachspürt. Zugleich finalisiert Guadagnino seine Serie „We Are Who We Are“, die ab Herbst bei Sky zu sehen sein wird. Ein Rastloser? „Ich bin nicht unruhig, ich arbeite strategisch“, sagt Guadagnino. „Ich fühle mich sowjetisch: Ich habe mehr als einen Fünfjahresplan im Sinn“. SIGNALWIRKUNG Und dieser Fünfjahresplan beinhaltete auch, dass Guadagnino gleich nach Venedig als Jury-Präsident dem heurigen Festival von San Sebastian vorzustehen. „Das ist ein Job mit Signalwirkung“, meint der 49-Jährige. „Alle erzählen uns immer, dass die Zukunft des Films im Streaming liegt, aber sehen sie sich einmal an, was Venedigs Festivalchef Alberto Barbera hier trotz der Pandemie auf die Beine gestellt hat. Ich meine, Venedig ist doch das beste Zeichen dafür, dass diese Pandemie das Kino nicht umbringen wird“.

La Biennale di Venezia

Salvatore Ferragamo war ein leidenschaftlicher Schuh-Designer und stattete halb Hollywood aus.

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La Biennale di Venezia

VENEDIG

Die Proteste in Nowotscherkassk wurden 1962 blutig niedergeschlagen. Darum dreht sich Andrej Konchalovskys neuer Film.

KONCHALOVSKY UND DIE GIER DES KOMMUNISMUS „Dear Comrades!“ holte in Venedig den Spezialpreis der Jury. Andrej Konchalovsky hat darin die Systematik der UdSSR in Hinblick auf Vertuschung durchleuchtet.

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Andrej Konchalovsky mit Schauspielerin Julia Vysotskaya

Tarkowski, mit dem er mehrere Filme umsetzte, ist immer noch voller Tatendrang und sagt: „Die Arbeit ist mir ein Bedürfnis, ich kann gar nicht ohne“. 24

Foto: Katharina Sartena

r ist einer der großen Filmemacher Russlands, der sowohl daheim wie auch international gedreht hat und dabei vom Kunstkino bis zum Mainstream (etwa der Actionfilm „Tango & Cash“ mit Sylvester Stallone) kein Genre ausgelassen hat. Andrej Konchalovsky, inzwischen 83 Jahre alt und früher kongenialer Partner von Andrej

In Venedig zeigte Konchalovsky sein neuestes Werk, ein in Schwarzweiß und im 4:3-Format gedrehtes Drama um verschwiegene Verbrechen in der früheren Sowjetunion. In Nowotscherkassk wurden 1962 Unruhen von Demonstranten blutig niedergeschlagen, das Militär schoß auf die eigene Bevölkerung, jedoch: Nach dem Vorfall gelang es den Protagonisten, den Vorfall gänzlich zu vertuschen: Niemand sprach mehr über das Blutbad, das Chruschtschow höchstselbst angeordnet hatte, und inmitten dieser abscheulichen Konstellation stellt Konchalovsky mit Lyudmila (Julia Vysotskaya) eine linientreue Kommunistin auf die Probe. Deren 18-jährige Tochter verschwindet bei dem Massaker scheinbar spurlos, und Lyudmila beginnt, am absoluten Gehorsam und am Kampf für den Kommunismus zu zweifeln. BRÖCKELNDES WELTBILD „Es geht in dem Film gar nicht so sehr um den Vorfall an sich“, sagt Konchalovsky im GeCELLULOID FILMMAGAZIN

spräch mit celluloid in Venedig. „Ich wollte vielmehr zeigen, wie das Weltbild dieser Frau zu bröckeln beginnt, als sie mitbekommt, wie der Kommunismus, an den sie bedingungslos geglaubt hat, zu zerfallen beginnt“. Nichts anderes sei nämlich bereits damals passiert: „Die Menschen, die an der Spitze der UdSSR standen, aber auch die Parteimitglieder im Mittelbau, waren allesamt verleitet zur Korruption, viele wollten gar nicht die Ideale des Kommunismus leben, sondern hatten lieber die Taschen voller Geld und einen Mercedes vor der Tür. Daran ist dieser Staat gescheitert, weil er von innen heraus von seiner Gier zerfressen wurde“, sagt Konchalovsky. Einen konkreten Vorwurf an die ehemalige Sowjetunion will Konchalovsky in seinem Film allerdings nicht erkennen. „Es ist kein spezifisch russisches Verhalten. Wenn man ehrlich ist, hat sich jeder Staat auf dieser Erde schon wirklich miserabel benommen“.


Fotos: Katharina Sartena

DIE STARS, DIE SICH (TROTZ CORONA) NACH VENEDIG TRAUTEN

Im Uhrzeigersinn von oben links: Tilda Swinton kam mit speziellem Mund-Nasen-Schutz. Festival-Chef Alberto Barbera begrüßte heuer Cate Blanchett als Jury-Präsidentin. Oliver Stone schaute ebenso vorbei wie die Schauspielerin Ludivine Sagnier. Ein Debüt am Roten Teppich legte Maya Hawke, 22, die Tochter von Ethan Hawke und Uma Thurman hin. CINEMA FOREVER!

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Gaben ihr gemeinsames Debüt: Pedro Almodovar und Tilda Swinton stellten in Venedig den Kurzfilm „The Human Voice“ vor.

Foto: Katharina Sartena

VENEDIG

„DAS KINO IST DAS GEGENGIFT ZU CORONA“ Der spanische Regisseur Pedro Almodovar besuchte das Filmfestival von Venedig und brachte einen Kurzfilm mit, für den er erstmals mit Tilda Swinton zusammenarbeitete.

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enn Pedro Almodovar seinen Kommentar zur Pandemie und zum Lockdown abgibt, dann macht er das in der für ihn typisch künstlerisch überhöhten Form, und selten hat dazu eine Schauspielerin besser gepasst als Tilda Swinton, der Protagonistin aus dem 30-minütigen „The Human Voice“, eine Adaption des gleichnamigen Bühnenstücks von Jean Cocteau. Darin ist Swinton in der Wohnung, die sie einst mit ihrem Liebhaber teilte, isoliert und kann allerhand Gefühls- und Gemütszustände durchleiden, die perfekt zur Corona-Zeit passen - Almodovars intelligenter Zeitkommentar ist übrigens 26

die erste Zusammenarbeit mit Swinton, und das erstaunt schon fast ob der passgenauen Überlagerung der Talente dieser beiden Künstler. KONTAKT ZUM PUBLIKUM In Venedig kommentierte Almodovar dann auch den Lockdown. „Meine Filme allesamt zu den Streamingportalen zu geben, das wäre schlecht, denn dort würde ich den direkten Kontakt zum Publikum verlieren“, meinte Almodovar. „Ich kann nur in einem Kino, in dem unbekannte Menschen gemeinsam einen Film erleben, spüren, ob er funktioniert oder nicht und wie sich die Zuschauer dazu verhalten“, so AlmodoCELLULOID FILMMAGAZIN

var. „Das Kino ist das wahre Gegengift gegen die Pandemie“. Was für ein Satz. Und weiter: „Die Menschen sollten nicht in ihrem Zuhause sitzen müssen, als wäre es ein Gefängnis“. Dieses Gefängnis hat Almodovar inzwischen wieder verlassen, denn der 71-jährige ist sehr umtriebig und hat gleich mehrere neue Projekte am Start, von denen er sagt: „Das Kino ist ein Abenteuer, und ich bin bereit, es wieder zu wagen“. Unter anderem will Almodovar als nächstes einen Western drehen. „Aber seien Sie versichert: Es wird sicher kein normaler Western, wie Sie ihn gewohnt sind“. Das glauben wir ihm aufs Wort.


Im Uhrzeigersinn von oben links: Matt Dillon sprang für den ausgefallenen rumänischen Regisseur Cristi Puiu als Jurymitglied ein. Mads Mikkelsen schaute mit seiner Frau, der dänischen Choreografin Hanne Jacobsen vorbei, mit der er seit 1987 verheiratet ist. Vanessa Kirby gewann den Coppa Volpi als beste Schauspielerin in „Pieces of a Woman“. Italo-Prominenz zeigte sich unter anderem in Gestalt von Schauspieler Adriano Giannini und Sängerin Gaia Trussardi.

Fotos: Katharina Sartena

DIE STARS, DIE SICH (TROTZ CORONA) NACH VENEDIG TRAUTEN

CINEMA FOREVER!

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UMWELT-KINO

GLATT WIE EINE

TEFLONPFANNE

BEREITS GESTARTET

Todd Haynes neuer Film „Vergiftete Wahrheit“ ist ein spannender Umweltthriller, der auf einem wahren Chemieskandal basiert.

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n Milliarden von Haushalten werden darin tagtäglich die Mahlzeiten gebraten. Gefühlskalte Menschen, die stolz auf diese Eigenschaft sind, benutzen sie gerne als Synonym dafür, gegen jeden Anwurf immun zu sein: Seit den 1960er Jahren erleichtern Teflonpfannen unser Leben, weil an ihnen einfach nichts haften bleibt und man dank dieses wasser- und ölabweisenden Kunststoffes daher beinahe fettfrei braten kann, oder auch: Makeup imprägnieren, Teppiche versiegeln, Gefäßprothesen herstellen, mit Gore-tex Jacken im Winter trocken bleiben oder Rasierklingen und Gitarrensaiten beschichten. Teflon ist einfach überall, leider auch in uns: In den Blutproben von 99 Prozent aller Menschen sei der Stoff nachweisbar, das sagt Todd Haynes‘ neuer Film „Vergiftete Wahrheit“. Darin zieht ein Anwalt gegen den US-Chemiekonzern DuPont, dem Hersteller von Teflon, zu Felde, mit dem Ziel: Geschädigte von Chemieabfällen aus den DuPont-Werken zu entschädigen. Und davon gibt es viele. Das alles ist natürlich keine Fiktion, sondern beinharte Realität: 1998 verklagte ein Farmer aus West Virginia den Chemiekonzern, weil seine 190 Kühe nach und nach qualvoll verendeten, an Krebs, an aufgequollenen Organen, mit eingefallenen Augen und schwarzen Zähnen. Die Bilder davon waren grausam, und als DuPont über den Anwalt Robert Bilott (Mark Ruffalo) Wind von der Klage be28

kommt, da will man den Fall schnell herunterspielen, was auch gelingt, obwohl neben des Bauern Grund eine Giftmülldeponie von DuPont liegt, und die saure Suppe munter ins Grundwasser und in den lokalen Fluss läuft. Es dauert 20 Jahre, bis dem Klagen dieses Farmers ein Funken an Gerechtigkeit widerfährt, denn der Chemiekonzern ist nicht zur Kooperation bereit. Immerhin ist DuPont ein US-Vorzeigeunternehmen, der größte Arbeitgeber in vielen Regionen und auch: offiziell sauber, denn die Grenzwerte werden allerorts eingehalten. Allein: Für C-8, ein Kernbestandteil in der Teflonbeschichtung, gelten damals gar keine Obergrenzen, was die Vernichtung des Giftmülls natürlich einfach macht. MISSBILDUNGEN Aber dann kommen die Missbildungen bei den Neugeborenen: Sie haben nur ein Nasenloch und ein hängendes Auge. Viele Menschen in der Region bekommen Krebsgeschwüre, Leberschäden, Nierenprobleme, schwarze Flecken auf der Haut. Die Chemikalie ist auch im Trinkwasser, und endlich wird eine Sammelklage angestrengt. Doch auch da haben DuPont und seine Anwälte die Chuzpe, sich vor der Verantwortung zu drücken. Noch schlimmer: Man wusste bei DuPont nachweislich seit den 60er Jahren, durch interne Untersuchungen mit Ratten und Menschen (!), dass die Teflon-Chemie dem Menschen schweren Schaden zufügen kann. All das CELLULOID FILMMAGAZIN

erzählt der Film mit großem Engagement, Todd Haynes und sein Kameramann, der legendäre Ed Lachman, gießen diesen Umwelt- und Gesundheits-Gerichtsthriller in düstere, schwere, farbentleerte Bilder, die der Gefahr dieser Chemie visuell entsprechen. Anne Hathaway in der Rolle von Bilotts Ehefrau bleibt hier eher blass, gute Akzente setzt Tim Robbins als Kanzleichef des Anwalts. Alle in den Schatten stellt freilich Mark Ruffalo als engagierter, bis zur Selbstaufgabe arbeitender Anwalt, der erst am Ende seiner 20-jährigen Recherchen einen Hoffnungsschimmer sieht: DuPont beginnt, einzelne Kläger zu entschädigen, insgesamt fließen rund 670 Millionen US-Dollar an mehr als 3800 Geschädigte. Der Gewinn einer Jahresproduktion im Geschäftsfeld Teflon beträgt eine Milliarde. Jedes Jahr. Als Schuldeingeständnis, einen Chemieskandal verursacht zu haben, sieht DuPont die Zahlungen freilich nicht, die Anschuldigungen prallen an der Firma ab wie Wasser in ihren Pfannen. In einem zweiseitigen Statement entgegnete man den Anschuldigungen des Films: „Wir sind nicht die Firma, die hier porträtiert wird“, heißt es. Man wolle die künstlerische Freiheit ja nicht einschränken, aber der Film enthalte viel Fiktion und absichtliche Fehleinschätzungen der Faktenlage. Es ist vielleicht jetzt der Zeitpunkt, sein Repertoire an Teflon-Pfannen zu entsorgen und sich wieder simplen Stahl auf den Herd zu stellen. MATTHIAS GREULING


Foto: Tobis

Farmer Wilbur Tennant (Bill Camp) und Anwalt Rob Bilott (Mark Ruffalo) verstehen die Welt nicht mehr: Wieso verenden die Kühe des Bauern so qualvoll? Ist der Chemieabfall von DuPont dran schuld?

CINEMA FOREVER!

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INTERVIEW

Sebastian Brauneis mag es lieber unangepasst: Sein Film „3 Freunde, 2 Feinde“ kam ohne staatliche Fördermittel aus.

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CELLULOID FILMMAGAZIN

Foto: Katharina Sartena

BEREITS GESTARTET


PURES KINO UM

NUR 3000 EURO Der Wiener Regisseur Sebastian Brauneis über seine radikale Low-Budget-Produktion „3 Freunde, 2 Feinde“.

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ann man für 3.000 Euro einen Kinofilm drehen? Man kann, wie der Wiener Regisseur Sebastian Brauneis mit seinem irren WienFilm „3 Freunde, 2 Feinde“ bewiesen hat, der derzeit im Wiener Metro Kino zu sehen ist. Darin gehen die Mitarbeiter einer Wiener Chemiefirma auf die Barrikaden, weil die Chefs, Entschuldigung, die „vollen Oaschlöcher“ sind. Die Chefs setzen selbiges Wort übrigens auch munter gegen die Belegschaft ein, es wird also viel geschimpft: In schöner Intensität ballert das Drehbuch Wiener Traditionsschimpfwörter wie ein Maschinengewehr in die Handlung, die ebenso schräg wie systemkritisch ist: Johanna, Franzi und Emil, die in besagter ausbeuterischen Firma arbeiten, planen eine Abrechnung mit den Firmenchefs, es soll ein Klassenkampf werden, und irgendwie sollen dabei nicht nur die Wien-Klischees sanft gebrochen, sondern auch noch radikal neu aufgeladen werden, das beginnt beim Wiener Idiom und endet bei den Prä-Corona-Partynächten. Die drei Freunde sind nämlich eifrige Nutzer der Partyszene, was auch Alkohol und Drogen mit einschließt und darob gröbere Schwierigkeiten mit sich bringt. SCHEISSDRAUF Hinzu kommt: Die großkotzigen Firmenchefs, die „2 Feinde“ eben, sind in Schleimigkeit und Präpotenz nur schwer zu toppen, was zusätzliches Konfliktpotenzial birgt. So ungestüm und frei, so radikal und „scheißdrauf “ wie Brauneis sich seiner Geschichte annimmt, könnte österreichisches Kino gerne öfter sein, anstatt oft brave, vom Fördertopf abgenickte Arthaus-Ware zu offerieren. Brauneis hat sich mit seinem KinoErstling „Zauberer“ einen Namen auf Festivals gemacht, davor werkte er für ORF-Sendungen wie „Willkommen Österreich“, „Sendung ohne Namen“ oder „Bösterreich“. „Ein Dreh fast ohne Budget birgt natürlich viele Hindernis-

se und bringt viele Einschränkungen“, sagt Brauneis im Gespräch mit celluloid. „Aber es gibt dadurch auch eine große Freiheit, weil man in keiner Weise limitiert ist, was inhaltliche Darstellung, flexible Dreharbeiten oder Experimentierfreudigkeit angeht.“ Die Arbeitsweise, mit der „3 Freunde, 2 Feinde“ entstand, widerspricht so fundamental der typisch österreichischen Kinofilmproduktion, dass man allein darüber ein Buch füllen müsste. Die akademisierte Filmszene reicht üblicherweise zur Förderung ein, wartet viele Monate auf Zusagen, adaptiert, bereitet vor. Spontan geht hier kaum etwas. Das Resultat: Das Kino hinkt oft dem hinterher, wozu es Stellung beziehen will, oder es erzählt Geschichten förderungskonform. „3 Freunde, 2 Feinde“ ist das alles nicht. „Raus auf die Straße“, findet Brauneis. „Es ist Zeit für eine neue Art des österreichischen Films.“ Ein Wunsch, den er sich selbstausbeuterisch mit „3 Freunde, 2 Feinde“ erfüllt hat. LEBENSZWECK FILM „Filmemachen ist unser Leben, zumindest meins. Es ist immer am schönsten, am Set zu sein. Und da müssen nicht immer fünf Lkw stehen für die Beleuchtung. Zwei Menschen, die miteinander reden, das ist auch schon ein Set, das ist auch schon ein Film“, so Brauneis. „Das Fördersystem in Österreich ist zwar gut, aber völlig unterdotiert“, findet der 42-Jährige. Besonders bei kleineren Produktionen gäbe es Nachholbedarf und auch in der Verwertung der Filme, wenn sie ins Kino kommen. „Denn die Nachfrage nach Geschichten und Content ist enorm, jeder hat ja mit seinem Handy einen Screen in der Tasche.“ Die Frage sei nur, inwieweit man sich dem System unterwerfen müsse, denn: „Wer zahlt, schafft an, und das ist völlig in Ordnung, wenn man sich mit Redakteuren oder Förderstellen zusamCINEMA FOREVER!

menraufen muss. Aber hilft das wirklich der Qualität der Filme?“, stellt Brauneis eine für das heimische Filmschaffen nicht unwesentliche Frage. Schließlich warten viele Jungfilmer nach ihrem ersten Kinofilm oft jahrelang auf einen zweiten, hängen in der Stoffentwicklung fest oder müssen ihre Filmideen auf förderbares Niveau umschreiben. „Man verbringt mehr Lebenszeit damit, zu organisieren, dass du deine Arbeit machen darfst, als dass du deine Arbeit machst“, bringt es Brauneis auf den Punkt. Hingegen: „Jede kulturelle Betätigung lebt auch von der Selbstermächtigung, und es wäre traurig, wenn eines Tages nur mehr das Geld entscheidet, welche Kunst gemacht wird und welche nicht.“ Mehr Motivation für einen 3.000-Euro-Spielfilm braucht jemand wie Brauneis nicht. Er hat ihn einfach gedreht. Das fulminante Ergebnis hat Brauneis im Eigenverleih im Wiener Metrokino herausgebracht, dessen Kuratoren dem Film ob seiner Qualität eine große Leinwand bieten wollten. „Unser Ansatz war ganz klar, ein anderes Kino zu probieren. Es wäre toll, wenn mehr junge Filmemacher die Chance bekämen, mit kleinen Budgets Filme zu drehen, denn das wäre auch für die Professionalisierung gut, wenn sie öfter arbeiten könnten.“ Experimente wie „3 Freunde, 2 Feinde“ seien dabei geradezu erwünscht. „Stoffe, die nicht wirklich ‚fertig‘ sind, die sich etwas trauen und experimentieren - da entstehen oft Sichtweisen auf uns selbst, die viel näher dran sind an unserer Realität. Der Österreicher ist auch nicht ganz ‚fertig‘ - also verstehen Sie mich richtig: Er ist sogar ziemlich fertig, fix und fertig eigentlich. Aber er ist unfertig wie die Geschichte, die wir erzählen, und das macht es pur und nah. Mir geht es um den durchaus etwas roheren Zugang zu Geschichten, zu Film und zu unserer Mentalität“, sagt Brauneis. „Denn da findet man die besten Geschichten.“ MATTHIAS GREULING 31


AM SET

DIE GROSSE LEINWAND

FÜR MANFRED DEIX

Fotos: Aichholzer Film

„Rotzbub“ ist der erste komplett animierte Kinofilm Österreichs – und basiert auf den Figuren und dem Leben von Manfred Deix. Mit der Hilfe einer Crowdfunding-Kampagne soll er jetzt fertiggestellt werden.

Die Idee zu „Rotzbub“ besprach Josef Aichholzer mit Manfred Deix noch 2016, ehe er im selben Jahr starb.

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CELLULOID FILMMAGAZIN


„Manfred Deix hatte einen klaren, scharfen, zugleich aber auch sehr liebevollen Blick auf die Menschen“. JOSEF AICHHOLZER, PRODUZENT

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r ist eine Ikone der österreichischen Medien- und Kunstszene: Kaum jemand hat die österreichische Seele besser eingefangen als Manfred Deix, der 2016 verstorbene Karikaturist. Mit ein Grund, weshalb Produzent Josef Aichholzer („Die Fälscher“) gemeinsam mit seinem Co-Produzenten Ernst Geyer die Idee hatte, einen Animationsfilm mit und über Manfred Deix zu machen und ihm so ein filmisches Denkmal zu setzen. Noch zu dessen Lebzeiten besuchte man den Künstler, entwickelte gemeinsam Ideen und spann Konzepte zu „Rotzbub – Der Deix Film“ (Regie: Marcus H. Rosenmüller und Santiago López Jover, Drehbuch: Martin Ambrosch), bei dem der Namensgeber als Art Director fungierte. „Ich habe Manfred Deix gesagt, dass wir nicht darüber diskutieren müssen, wie faszinierend er ist und wie faszinierend seine Figuren sind”, sagt Aichholzer. „Was es bis dahin aber nicht gegeben hatte: dass die Figuren belebt und bewegt werden.“ UNTERSTÜTZUNG DER GEMEINSCHAFT

Eigentlich hätte der erste österreichische Animationsfilm dieser Art noch 2020 die Kinoleinwände erobern sollen. Doch dann kam die Corona-Pandemie und mit ihr der Lockdown, der auch die Filmwirtschaft schwer traf: Auch bei der Postproduktion von „Rotzbub“ kam es zu zeitlichen Verzögerungen und zusätzlichen – nicht budgetierten – Kosten, wie Produzent Aichholzer sagt. „Nicht nur bei Dreharbeiten, auch

bei Postproduktionen dieser Art ist die Situation durch Corona erschwerend hinzugekommen. Wir hatten viele Experten in den Studios sitzen, die an Computern arbeiten mussten. Als dann im März, wo wir voll in Betrieb waren, der Stecker gezogen wurde, wurde die Arbeit auf Homeoffice beschränkt und so deutlich verlangsamt, was wiederum die Kosten erhöht hat.“ Deshalb wurde auf Startnext eine Crowdfunding-Kampagne gestartet, die dem Film jetzt einen Push verleihen soll: Noch bis 28. Oktober kann gespendet werden, um das Fundingziel von 30.000 Euro zu erreichen – damit „Rotzbub“ (Verleih Filmladen) fertiggestellt und in eine größere Anzahl an Kinos gebracht werden kann. Die Goodies: unter anderem Premierentickets, den Namen im Abspann oder einen vergoldeten, 3-D-gedruckten Rotzbub. EIN BLICK AUF ÖSTERREICHS SEELE

Die Geschichte des Films ist stark am Leben von Manfred Deix angelehnt, wie Josef Aichholzer erzählt: In Siegheilkirchen, einem Ort im erzkatholisch geprägten Hinterland, hat in den biederen 1960er Jahren der „Rotzbub“ genannte Sohn bodenständiger Wirtsleute mit der Enge seiner Heimat zu kämpfen. In seinen Zeichnungen kann er seinem Frust nicht nur Ausdruck verleihen – er unterhält damit auch seine Mitschüler und gibt die von ihm als lächerlich angesehenen Obrigkeiten dem Gelächter preis. Schlussendlich rettet der Rotzbub seine Angebetete, die schöne Mariolina, vor der Bösartigkeit einiger Ewiggestriger. CINEMA FOREVER!

Die Stills des Films lassen die Nähe zum großen Vorbild deutlich erkennen und sind allesamt von bekannten österreichischen Darstellern gesprochen. Thomas Stipisits lieh einem der Charaktere ebenso seine Stimme wie Roland Düringer, Gerti Drassl, Katharina Straßer, Erwin Steinhauer, Wolfgang Böck und Jürgen Maurer. Josef Aichholzer: „Manfred Deix hat einen klaren, scharfen, zugleich aber auch sehr liebevollen Blick gehabt. Er hat uns mit seinen Figuren gezeigt, wer wir eigentlich sind – und dafür lieben ihn viele Menschen in Österreich bis heute.“ FILMSTART 2021

Für die Produktion fanden sich Animatoren aus ganz Europa zusammen und hauchten in aufwändiger Arbeit den Figuren Leben ein. Dabei gab es zuerst die Stimmen der Schauspieler, aus denen die Künstler dann die Emotionen der Figuren entwickelten. Alles in allem war es ein Prozess von über drei Jahren bis der Film seine heutige, fast fertige, Form erreichte. Ursprünglich hätte „Rotzbub“ kurz vor Weihnachten 2020 in die Kinos kommen sollen – ein Filmstart, der aufgrund der Corona bedingten Verzögerungen nicht mehr gehalten werden kann. Derzeit angedachter Filmstart ist Herbst 2021, wie Aichholzer sagt: „Ein Film wie dieser, der Kraft hat, hat kein Ablaufdatum und altert nicht. Hinzu kommt: Auch die Kraft von Manfred Deix und seinen Figuren ist nicht vergessen.“ SANDRA WOBRAZEK 33


Michael Ostrowski war während des Lockdown nicht untätig, sondern drehte.

Fotos: Lotus-Film

INTERVIEW

„FILME MACHEN, DAS HEISST: FÜR SEINE IDEALE ZU KÄMPFEN“ In seinem neuen, während des Lockdown gedrehten Film „Der Onkel“ agierte Michael Ostrowski als Drehbuchautor, Regisseur und Hauptdarsteller in Personalunion. Ein Gespräch über die Dreifachbelastung am Set, die Arbeit als Werbefilm-Regisseur und Kritik an der Filmförderung.

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elluloid: Worum geht es in der „Der Onkel“ ? Michael Ostrowski: Meine Figur, der Onkel, kehrt nach 17 Jahren zurück in das Haus seines Bruders, der im Koma liegt. Es ist ein bissl’ mysteriös, er lebt in seinem Auto, ist ein Spieler und Herumtreiber. Es kommt heraus, dass er, sein Bruder und seine Schwägerin ein Dreiecksverhältnis gehabt haben. Die Schwägerin, gespielt von Anke Engelke, hat sich aber für den Bruder, einen An34

walt, und den Wohlstand entschieden – für zwei Kinder, ein tolles Haus, mehrere Autos. Es gibt dann noch die beiden Nachbarn, gespielt von Simon Schwarz und Hilde Dalik, die eine enge Beziehung zu der Familie haben. Klingt nach einem dramatischen Inhalt. Ja, es ist eine dramatische Geschichte. Aber wir erzählen sie als schwarze Komödie – etwas, was ich in dieser Form noch nie gemacht habe. Es ist ein EnsemCELLULOID FILMMAGAZIN

blefilm, aber die Figur von Anke Engelke macht die größte Wandlung durch. Sie kommt im Laufe des Films drauf, dass ihr Mann illegale Geschäfte gemacht hat. Denn in zweiter Linie ist der Film eine Geschichte der österreichischen Korruption als Kavaliersdelikt. Drehbuch, Regie und Hauptrolle – drei Seelen in der Künstlerbrust, oder? Deshalb ist es auch besonders wichtig, Verbündete an seiner Seite zu haben.


In „Der Onkel“ ist auch Anke Engelke zu sehen. Geld vom ÖFI gab es keines.

Mein Drehbuch- und Regiepartner Helmut Köpping, mit dem ich schon „Hotel Rock’n’Roll“ gemacht habe, schaut zu, wenn ich spiele, seine Ideen und Inputs sind super. Auch Kameramann Wolfgang Thaler, den ich seit „Nacktschnecken“ kenne, ist ein wichtiger Partner, mit dem ich inhaltlich reden kann. „Der Onkel“ war einer der wenigen österreichischen Filme, die während des Lockdowns gedreht wurden. War es je ein Thema, den Film zu verschieben? Es war bei diesem Film schon im Vorfeld alles verrückt, denn das ÖFI hat uns dreimal abgelehnt. Aber sowohl die Lotus Film als auch Helmut Köpping und ich haben beschlossen, dass wir dennoch drehen, weil wir diesen Film machen wollten. Durch viel Glück und mit viel Kampf haben wir Co-Produzenten aufgestellt, die uns über 400.000 Euro gegeben haben. Dabei würde man denken, dass ein Film von Michael Ostrowski und mit diese Besetzung problemlos eine Förderung bekommen würde … Ich hab mir ehrlich gesagt auch gedacht „Ok, dann halt nicht. Wenn nicht mal das funktioniert, was soll dann noch funktionieren?“. Ich weiß, dass das ÖFI immer notorischen Geldmangel hat, aber ich wundere mich schon über die Jury-Zusammensetzung. Denn, wenn da Leute sitzen, die wenig Ahnung von der österreichischen Filmszene haben, frage ich mich, wie sinnvoll das ist. Wie gingen Sie mit der Ablehnung um? Ich bin niemand, der jammert – und schlussendlich sind statt dem ÖFI andere Geldgeber mit aufgesprungen. Zusätzlich zur Lotus, die unser Hauptproduzent ist, ist noch Florian Gebhardt gekommen, der uns Referenzmittel gegeben hat. Dann habe ich über Daniel Jelitzka, der uns auf allen Ebenen unterstützt hat, den Klemens Hallmann kennengelernt, der eine Berliner Produktionsfirma hat. Außerdem hat uns noch die Filmförderung in Niederösterreich und der Steiermark gefördert. Werden Sie durch Rückschläge stärker? Ja. Weil ich mir denke: „Ihr habts’ keine Ahnung“. Und das muss ich mir auch denken. Wenn ich das nicht täte, bräuchte ich meinen Beruf nicht machen. Filme zu machen, heißt, für seine Ideale zu

kämpfen. Aber es gehören generell viele Leute dazu, die daran glauben, weil man es alleine nicht stemmen kann. Brennt man mehr für einen Film, wenn man auch das Script geschrieben hat? Sicher. Das war schon bei meinem ersten Drehbuch für „Nacktschnecken“ und bei dem für „Die unabsichtliche Entführung der Frau Elfriede Ott“ so. Es sind große Geschenke und Privilegien, wenn man das, was man selber schreibt, auch noch spielen kann und es auch umgesetzt wird. Ich empfinde da eine Dankbarkeit, denn Film kostet Geld – und es braucht Geldgeber, die daran glauben. Und, wenn eine Kommission nicht daran glaubt, muss man eben versuchen, das Ganze anders zu finanzieren. Sind Schauspieler die besseren Regisseure? Das kann man nicht verallgemeinern. Ich glaube, dass ich gewisse Dinge vielleicht anders verstehe, weil ich vom Spielen und vom Schreiben komme. Aber es gibt auch Regisseure, die keine Schauspieler und super sind. Letztendlich ist es immer Learning by Doing. Ich bin dankbar, dass ich in den letzten Jahren viel Regie bei Werbungen gemacht habe. Dadurch habe ich das Handwerk gelernt. Ich engagiere mich stark für das, was ich mache – von der Motivsuche bis zur Besetzung. Und: Wenn man sich für etwas sehr stark einsetzt, ist es auch spürbar. Sie haben auch bei den jüngsten HoferWerbespots Regie geführt. Warum sprechen einige Ihrer Kollegen nicht gerne darüber, dass sie Werbung machen? Weil man sich als Regisseur dadurch angreifbar macht. Die einen finden die Werbung nicht gut, die anderen sind neidisch, weil man relativ viel Geld verdient. Man macht sich wenig Freunde, wenn man das macht. Aber ich pfeif ’ drauf, ich bin ehrlich – und ich habe so die Chance bekommen, wahnsinnig viel auszuproCINEMA FOREVER!

bieren und genau zu sein. In einer Werbung muss man meistens innerhalb von 25 Sekunden eine Geschichte erzählen und Dialoge so schneiden und drehen, dass sie funktionieren. Außerdem habe ich so viele Leute gefunden, die meine Filme unterstützt haben. Ich habe auch viele Werbespots für Mediamarkt gedreht. Und das Unternehmen hat dann „Hotel Rock’n’Roll“ mit Productplacement unterstützt. Auch die Werbefirma PPM hat in „Hotel Rock’n’Roll“ investiert, weil sie Michael Glawogger und mich geschätzt haben und das mit Geld unterstützen wollten. Ohne solche Leute kann man Filme nicht gscheit’ machen, denn deren Unterstützung sind gleich zwei, drei oder vier Drehtage mehr oder weniger – was einen großen Unterschied für einen Film machen kann. Sollte die Arthaus-Branche ihre Berührungsängste vor Sponsoring oder Productplacement also verlieren? Ich empfinde diese Trennung als sinnlos. Ich habe für „Der Onkel“ fünf oder sechs Sponsoren aufgestellt, ohne die wir ein, zwei Drehtage weniger gehabt hätten. Und ich bin absolut dafür, dass man das macht, denn unsere Co-Produzenten und Sponsoren haben uns das Geld gegeben, das uns das ÖFI verwehrt hat. Was ist Ihnen wichtig, wenn Sie Regie führen und Drehbuch schreiben? Bei der Regie ist mein Werk wohl noch zu schmal. Beim Schreiben finde ich es spannend, wenn etwas nicht vorhersehbar ist. Ich möchte gerne innerhalb einer Geschichte, aber auch innerhalb einer Szene in irgendeiner Form überrascht werden. Ich hoffe, dass ich ein gewisses Talent habe, Dialoge zu schreiben. Ich glaube schon, dass das auch mit meiner Schauspielerei zu tun hat – weil man dann einfach weiß, wie sich Dialoge spielen lassen und wie sich etwas spricht.

INTERVIEW: SANDRA WOBRAZEK 35


INTERVIEW

DAS KIND IN MIR

BEREITS GESTARTET

„Ein bisschen bleiben wir noch“: Regisseur Arash T. Riahi über seinen neuen Kinofilm.

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wei Kinder vor der Abschiebung: Die tschetschenischen Flüchtlingskinder Oskar (Leopold Pallua) und Lilli (Rosa Zant) können nur deshalb in Österreich bleiben, weil ihre Mutter (Ines Miro) einen Selbstmordversuch begangen hat und in diesem Fall eine Abschiebung unmöglich ist. Stattdessen werden die Kinder getrennt zu Pflegefamilien gegeben. Eine Realität, wie sie in Österreich immer wieder vorkommt und wie sie Arash T. Riahi, österreichischer Filmemacher mit iranischen Wurzeln, in seinem neuen, fesselnden und emotionalen Drama „Ein bisschen bleiben wir noch“ (derzeit im Kino) schildert. Für Riahi, der im Alter von acht Jahren mit seinen Eltern nach Österreich floh, ist Integration ein Lebensthema, das er bereits in einigen seiner Filme, darunter „Ein Augenblick Freiheit“, verarbeitet hat. „Dieses Thema ist wie eine Pflanze durch mein Werk gewachsen“, sagt Riahi im Gespräch. „Ich will mit meinen Filmen immer Einblick geben in eine Welt, die man so nicht kennt, und dieser Einblick soll die Klischees, die darüber bestehen, und die Erwartungshaltungen so ehrlich wie möglich brechen.“ Im Fall von „Ein bisschen bleiben wir noch“, der auf dem Buch „Oskar und Lilli“ von Monika Helfer basiert, gelingt Riahi das durch die Wahl der Draufsicht auf das Thema: Der Film ist stets auf Augenhöhe mit den Kindern, schildert ihre Sicht der Situation und nimmt ihre Perspektive ein. „Es sollte eine kindliche Sicht werden, aber ohne Naivität, und es sollte auch kein Betroffenheitskino oder ein Film über Opfer sein. Die Sicht der 36

Kinder ist auch ein bisschen meine Sicht, denn ich habe für mich schon vor langer Zeit beschlossen, das Kind in mir so lange ich lebe, am Leben zu erhalten“, sagt der 48-jährige Regisseur. Es geht Arash T. Riahi dabei aber nicht nur um kindliche Unbeschwertheit, sondern auch um jenes Kind, das er einmal war, als er nach Österreich kam. „Als Kind von politischen Flüchtlingen und als Kind eines Vaters, der fünf Jahre im Gefängnis saß, sind meine ersten Erinnerungen an ihn Gefängnisbesuche. Er hat nichts verbrochen, er war Lehrer und behandelte ungewünschte Bücher im Unterricht. Einige meiner Verwandten wurden hingerichtet, nur weil sie anderer Meinung waren“, sagt Riahi. PRÄGENDE KINDHEIT Diese frühkindlichen Erlebnisse haben in dem Filmemacher den Wunsch gestärkt, für eine offene, demokratische Gesellschaft zu kämpfen, in der Selbstbestimmtheit und Freiheit dominieren. „Ich habe oft das Gefühl, dass ich manche Themen deshalb finde, weil ich sie unbedingt verfilmen muss, mit meiner speziellen Perspektive. Ich habe die Angst, dass es sonst keiner tun würde.“ Von der Buchvorlage „Oskar und Lilli“, die prinzipiell nichts mit Flüchtlingen zu tun hatte, musste sich Arash T. Riahi erst emanzipieren. „Der Schreibprozess dauerte sehr lange, überhaupt arbeite ich seit zwölf Jahren an dem Film. Autorin Monika Helfer gab mir eine große Freiheit, ihren Stoff politisch zu machen“, so Riahi. Nach der Premiere des Films hat sie ihm zu der Adaption gratuliert. „Da ist mir ein Stein vom Herzen gefallen“. CELLULOID FILMMAGAZIN

Foto: Filmladen

SOLL LEBEN! Dass der Film politisch ist, liegt am brisanten Thema. „Wir streiten in Österreich darum, ob wir 100 Kinder aus Moria aufnehmen sollen oder nicht, das ist eine Katastrophe“, sagt Riahi, der sich für eine humanitäre Hilfsaktion starkmacht. Wichtig wäre, dass die schweigende Masse nicht so viel schweigt. „Die Mehrheit der Menschen will das Gute, davon bin ich überzeugt, oft ist es aber gemütlicher, nichts zu sagen. Und da springen die Lautstarken ein, das sind die, die allen Angst machen.“ MENSCHLICHKEIT SIEGT Auch dafür ist „Ein bisschen bleiben wir noch“ ein Porträt: Für ein Europa, in dem die Menschlichkeit siegt. „Europa ist der schönste Platz der Welt, wenn es um Menschenrechte geht. Deshalb will ja jeder hierher kommen. Wenn sie dann herkommen und in Zeltlagern in Griechenland liegen, ist das menschenunwürdig“, so Riahi, der statt Einwanderungsgesetzen lieber die Menschenrechte gestärkt sehen will. „Wir in Europa behaupten, eine Wertegemeinschaft zu sein, auf Basis der Menschenrechte. Wenn das so ist, kann man damit jegliche Probleme lösen, dazu braucht man keine Gesetze. Nur die Menschenrechte. Die, die sich nicht daran halten, sind dann eben nicht Teil dieser Wertegemeinschaft“. Das Thema jedoch ist: „Komplex. Es gibt keine einfache Antwort in der Flüchtlingsproblematik“, sagt Riahi. „Man muss den Menschen Zeit geben, die Zusammenhänge zu verstehen“. Arash T. Riahis Filme leisten dazu einen wertvollen Beitrag. MATTHIAS GREULING


CINEMA FOREVER!

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Aufgrund der Corona-Krise ist diese Rubrik kleiner als gewöhnlich, da viele Filmstarts zu Redaktionsschluss terminlich noch nicht feststanden.

filmkritik I AM GRETA

uvwmn

noch ganz alleine als Demonstrantin unterwegs, hat eine Bewegung losgetreten, der inzwischen weltweit Millionen Menschen angehören, um gegen den Klimawandel zu kämpfen. Das ist die offizielle Geschichte, und es ist auch eine Erfolgsgeschichte, zu der man gratulieren muss. Denn ganz abgesehen davon, dass Thunberg gelungen ist, für die Umweltprobleme zu sensibilisieren (und in ihrer Vehemenz auch: im Ausdruck darüber zu radikalisieren), ist es zweifellos auch ihr Verdienst, dass das Thema - sogar trotz Corona - nicht mehr aus den täglichen Schlagzeilen wegzudenken ist. Greta Thunberg stand aber bald auch in der Kritik, weil man sie als die Ma38

rionette ihrer Eltern bezeichnet hat, die durch ihren Autismus besonders unter der Problematik leide und zugleich die Weltöffentlichkeit genau dadurch nachhaltig beeinflussen könne. Gerüchte, die Thunberg mehrfach dementiert hat: Sie sei kein Produkt ihrer Eltern (oder: eben nur das biologische), und die Reden, die sie vor den Großkongressen dieser Welt gehalten hat, vor den Vereinten Nationen, vor Parlamenten oder auf Demos, sie entstammten auch allesamt ihrer Feder, wie sie nicht müde wird, zu versichern. „I Am Greta“ von Regisseur Nathan Grossman unternimmt nun den Versuch, das Phänomen Greta gewissermaßen auf den Punkt zu bringen. Grossman ist der schwedischen Schülerin schon bei ihren ersten Protesten gefolgt, zeichnet ihren Weg zur globalen Identifikationsfigur Schritt für Schritt nach und gibt auch Einblick in die Denkweise der Aktivistin und wie sie sich mit ihrer eigenen Befindlichkeit zunehmend arrangieren muss, weil die Last einer weltweiten Berühmtheit und auch all die Anfeindungen schwer auf ihrer Psyche sitzen. Bei der berühmt gewordenen Atlantik-Überquerung zum UN-Hauptquartier auf einem Segelboot bricht es für Grossmans Kamera aus Thunberg heraus: Unter Tränen spricht sie vom Druck, der immer stärker wird und kaum mehr zu schultern ist. Ein Film also, der sich bemüht, dem Phänomen gerecht zu werden, oder: es zu erläutern. Aber ist er das wirklich? Steckt dahinter vielleicht eine am Reißbrett entworfene Kampagne, die wohl CELLULOID FILMMAGAZIN

kaum von einer 15-jährigen Schülerin ersonnen worden sein kann? PROTEST AM REISSBRETT Denn wieso ist Grossman schon mit seiner Profikamera dabei, wenn Greta Thunberg das allererste Mal in den Schulstreik geht und ganz alleine demonstriert? Es gab zu dieser „Doku“ also ganz offenbar ein ziemlich genaues Drehbuch, was wiederum an der zufälligen Dynamik, die die weltbekannt gewordene, jugendlich ungestüme Schülerin ausgelöst hat, Zweifel erweckt. Alles sieht eher nach einer Kampagne aus, die reißbrettartig geplant ist, mit Greta Thunberg als Gesicht und einer ausgefeilten Dramaturgie. Das ändert nichts an der Sache, für die Thunberg kämpft, denn das Thema ist dringlich; hinterfragt werden darf aber das „Wie“, wenn das „Movement“ am Ende doch nicht nur eine einzige Schülerin losgetreten hat, sondern eine Art Company, die für ihr Vorhaben eine Detail-Planung wie in einem Businessplan angefertigt hat. Aber Revolutionen lassen sich in der Regel nicht planen, das widerspricht ihrem Charakter. Dass der Film darauf keinen Bezug nimmt, ist klar: Er will die unglaublich engagierte Greta Thunberg feiern, und das gelingt ihm auch - er verrät durch seine Machart allerdings auch, dass dieses Mädchen mit all ihrer Vehemenz nicht die alleinige Urheberin ihrer Aktionen ist. KIKI ADLER I AM GRETA S/D/USA/GB 2020 Regie: Nathan Grossman. Mit Greta Thunberg BEREITS GESTARTET

Stadtkino

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as 15-jährige Mädchen, dass sich 2018 einfach so auf die Straße setzte, um auf den Klimawandel aufmerksam zu machen, ist von vielen belächelt worden, ehe es einen globalen Siegeszug über die Medien antrat, der es weltberühmt machte: Greta Thunberg, damals (vermeintlich)

Netflix

Ein Businessplan für eine Revolution: Eine Doku stellt die Klimaaktivistin Greta Thunberg vor.


FALLING

uvwmn

Filmladen

In seinem Regiedebüt schildert Viggo Mortensen das schmerzhafte Ringen zwischen einem schwulen Sohn und seinem reaktionären Vater.

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ls Schauspieler hat Viggo Mortensen seine Vielseitigkeit bereits eindrucksvoll unter Beweis gestellt. Internationale Bekanntheit erlangte der inzwischen 62-Jährige durch seine kernige Verkörperung des Waldläufers Aragon in Peter Jacksons „Der Herr der Ringe“-Trilogie. Statt sich im Anschluss dem BlockbusterKino zu verschreiben, hielt der Darsteller mit der markanten Kinnpartie Ausschau nach Rollen in kleineren, manchmal wenig massentauglichen Filmen. Lohn seiner bisherigen Arbeit sind unter anderem drei Oscar-Nominierungen für seine Auftritte in so unterschiedlichen Werke wie „Tödliche Versprechen – Eastern Promises“, „Captain Fantastic – Einmal Wildnis und zurück“ und „Green Book – Eine besondere Freundschaft“. Mit dem Familiendrama „Falling“ versucht sich Mortensen nun auch als Regisseur und Drehbuchautor. Im Zentrum seines Debüts stehen die Auseinandersetzungen zwischen dem homosexuellen John Peterson (gespielt von Mortensen selbst) und seinem reaktionären Vater Willis (Lance Henriksen), der den Lebensstil seines Sohnes stets

verachtet hat. Als sich bei dem verbitterten Farmer eine beginnende Demenzerkrankung zeigt, erklärt sich John bereit, ihn in seinem Haus in Kalifornien aufzunehmen und ihm bei der Suche nach einer neuen Bleibe behilflich zu sein. Bereits kurz nach Willis‘ Ankunft kommen allerdings die alten Streitthemen auf den Tisch. John muss sich Beleidigungen und Erniedrigungen gefallen lassen, bemüht sich aber trotzdem, die Geduld nicht zu verlieren. REISSBRETTHAFT Hier der weltoffene, mit Ehemann und Tochter glücklich lebende Sohn, dort der fluchende, erzkonservative, homophobe Vater aus der Provinz – die Figurenkonstellation ist sicherlich etwas reißbretthaft. Dem Film kommt jedoch zugute, dass ein versierter Mime auf dem Regiestuhl saß. Wenig verwunderlich überzeugt die Interaktion der beiden Hauptdarsteller, die eine schmerzhafte Direktheit und Ehrlichkeit verströmt. Darstellerisch in die Vollen geht vor allem Altstar Lance Henriksen, dessen zerfurchtes Gesicht eine raue Geschichte zu erzählen scheint. Der mit schwulenfeindlichen und misogynen Schimpfworten um sich werCINEMA FOREVER!

fende Willis ist ein echter Kotzbrocken. Zwischen all den Tiraden blitzt hin und wieder aber auch seine verletzliche Seite auf. Die voranschreitende Krankheit höhlt seine Identität aus und macht aus ihm einen immer hilfloseren Mann. Während John und sein Vater im Hier und Jetzt aufeinanderprallen, webt Mortensen in den Handlungsverlauf permanent Erinnerungen aus Sicht seiner beiden Protagonisten ein. Manchmal auf elegante, manchmal auf weniger raffinierte Weise. „Falling“ ist ein ständiges Wechselspiel zwischen Gegenwart und Vergangenheit, das mit seinen sich wiederholenden Konflikten anstrengend sein kann, familiäre Dynamiken aber zuweilen pointiert beschreibt. Nach einer durch Mark und Bein gehenden Konfrontation am Ende wird man dennoch das Gefühl nicht los, dass Mortensen als Erzähler zu häufig an der Oberfläche bleibt und zu wenig aus seinem Vater-Sohn-Drama herausholt. CHRISTOPHER DIEKHAUS FALLING USA 2020. Regie: Viggo Mortensen. Mit Viggo Mortensen, Lance Henriksen, Sverrir Gudnason, Laura Linney. AB 04.12.2020 IM KINO 39


UND MORGEN DIE GANZE WELT

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Seven Elephants/Oliver Wolff

Brisantes Thriller-Drama um eine Jurastudentin, die sich einer Antifa-Gruppe anschließt und mit deren radikalem Flügel flirtet.

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ie Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat. Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand.“ Mit diesem Auszug aus dem 20. Artikel des deutschen Grundgesetzes beginnt das Thriller-Drama „Und morgen die ganze Welt“. Das Zitat steht auch am Anfang der vorliegenden Kritik, weil sich daraus eine der leitmotivischen Fragen des Films ergibt: Wie soll der oben erwähnte Widerstand im Kampf gegen den allerorten erstarkenden Rechtsextremismus konkret aussehen? Friedlich oder doch gewaltsam? Julia von Heinz („Ich bin dann mal weg“) arbeitet in ihre neue Regiearbeit eigene Erfahrungen als linksautonome Aktivistin ein und konfrontiert den Zuschauer mit einem Szenario, das explosiver und dringlicher nicht sein könnte. Gemeinsam mit ihrer Hauptfigur, der 20-jährigen, aus wohlhabendem Hause stammenden Jurastudentin Luisa (Mala Emde), erkunden wir eine quirlige Antifa-Gemeinschaft in Mannheim. Vom Start weg zieht einen die agile, selten Ruhe findende Handkamera in das 40

Kommunenleben hinein und legt gleich ein Prinzip des Films offen: Distanz wird es hier nicht geben. Das konkrete Erleben der Protagonistin, die von den Antifa-Mitgliedern zunächst skeptisch beäugt wird, steht im Mittelpunkt. Für den Blick auf das große Ganze ist da kein Platz. NEONAZIS AUFMISCHEN Anders als ihre Freundin Batte (Luisa-Céline Gaffron), durch die sie überhaupt erst zu der Gruppierung gestoßen ist, findet Luisa nach und nach Gefallen an den radikalen Ansichten eines charismatischen jungen Mannes, der den wenig subtilen Namen Alfa (Noah Saavedra) trägt. Zusammen mit einigen anderen wild entschlossenen Revoluzzern will er das Neonazimilieu richtig aufmischen, anstatt bei Demonstrationen bloß für kleine Störfeuer zu sorgen. Schon bald muss Luisa für sich beantworten, wie weit sie gehen möchte, um den rechten Kräften die Stirn zu bieten. Angetrieben von den energischen Darbietungen der jungen Darsteller, entwickelt „Und morgen die ganze Welt“ eine Intensität, die für die leicht schematische Anlage der zentralen KonflikCELLULOID FILMMAGAZIN

te entschädigt. Wird Luisa zu extremen Mitteln greifen? Oder schwenkt sie vielleicht doch noch einmal auf Battes gemäßigten Ansatz um? Die in der ersten Hälfte kompetent aufgebaute Spannung kann der Film allerdings nicht durchgehend halten. Im zweiten Teil wird das Drehbuch etwas unsauber und schafft es nicht mehr, alle Figurenentscheidungen nachvollziehbar darzustellen. Gerade Luisas Entwicklung fühlt sich ein wenig behauptet an. Einzelne Szenen arbeiten die Widersprüche innerhalb der Antifa-Gruppe anschaulich heraus. Schön wäre es jedoch gewesen, wenn die mit der Bewegung vertraute Regisseurin die Motivationen und Sichtweisen der unterschiedlichen Rebellen noch differenzierter ausgeleuchtet hätte. Die Auftritte des desillusionierten Altkämpfers Dietmar (Andreas Lust) haben zum Beispiel ihren Reiz, können ihren Stichwortcharakter manchmal aber nicht verbergen.

CHRISTOPHER DIEKHAUS

UND MORGEN DIE GANZE WELT D 2019. Regie: Julia von Heinz. Mit: Mala Emde, Luisa-Céline Gaffron, Andreas Lust. AB 30.10.2020 IM KINO


Foto: Österreichisches Filmmuseum

NEWS & EVENTS

Ella Raidels „Double Happiness“ (2014) steht auf dem Programm der dok.at-Jubiläumsschau

20 JAHRE DOK.AT:

LEBEN IN BILDERN

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it einer Auswahl von sechs außergewöhnlichen österreichischen Dokumentarfilmen aus den Jahren 1983 bis 2017 feiert das Österreichische Filmmuseum zusammen mit dok.at, der Interessengemeinschaft Österreichischer Dokumentarfilm, deren 20-jähriges Bestehen – und ein Filmschaffen, dessen Reichtum die Konventionen des orthodoxen Dokumentarfilms immer wieder sprengt. Für die Auswahl wurden sechs Kritiker, Kuratoren und Journalisten eingeladen, einen Film zu nominieren, der für sie etwas Besonderes repräsentiert. Im Anschluss an die jeweiligen Vorführungen werden sie im Gespräch mit den Filmemachern diese Besonderheit erforschen. Zudem wurden alle Regisseure eingeladen, einen Kurzfilm als

Zum runden Geburtstag: Filmschau von 19. bis 21. November im Österreichischen Filmmuseum. Partnerwerk zum Auftakt auszuwählen. Jede Vorführung wird so zum speziellen Double feature mit überraschenden Kombinationen: Die Palette reicht über das Dokumentarische hinaus bis zur Animation und einer klassischen Buster-Keaton-Stummfilmkomödie. AUTORENKINO „Die Zusammenstellung mag bewusst nicht repräsentativ im erwartbaren Sinne sein, dennoch lassen sich an ihr die Qualitäten des österreichischen Dokumentarfilmschaffens ablesen, das im Wesentlichen ein Autorenkino ist“, heißt es vonseiten des Filmmuseums. „Der Schwerpunkt der Auswahl liegt auf der Vielfalt der jüngeren Generation, doch sie reicht zurück zu den Filmemacher, die einen modernen Zugang zum Dokumentarischen in CINEMA FOREVER!

den 1980ern etablierten“. Sie demonstriere den weltoffenen Blick eines Kinos, das seine Stoffe ebenso vor der Haustür wie in der Ferne (etwa China und Georgien) entdeckt. „Und sie zeigt, wie man oft gerade im vermeintlich „Kleinen“ und Privaten die großen Entwicklungen beschreiben kann, die unsere Welt prägen: das Leben in Bildern (und Tönen)“, so Christoph Huber vom Filmmuseum. Auf dem Programm stehen unter anderem „Double Happiness“ (2014) von Ella Raidel, „Wien Retour“ (1983) von Ruth Beckermann und Josef Aichholzer,, „Oceanul Mare“ (2009) von Katharina Copony, „Am Rande der Welt“ (1992) von Goran Rebic oder „Was uns bindet“ (2017) von Ivette Löcker.

INFOS: WWW.FILMMUSEUM.AT 41


NEWS & EVENTS

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s ist ein Wagnis, während der Corona-Pandemie ein Filmfestival zu veranstalten, das hat das vergangene Festival von Venedig gezeigt, das wird ab 22. Oktober die Viennale zeigen und das zeigte bis 21. Oktober das Jüdische Filmfestival Wien (www. jfw.at), das seit 1991 stattfindet und für die Wiener Kulturszene inzwischen unverzichtbar geworden ist. Gründer und Festivaldirektor Frédéric-Gérard Kaczek, der inzwischen 28 Festivalausgaben geleitet hat, war ob der Pandemie angespannt: „Ich musste die Leute fragen, ob sie im gleichen Haushalt leben, wenn sie zwei Karten nebeneinander haben wollten“, berichtet Kaczek aus dem neuen Festivalalltag. „Wir wollten das sehr genau handhaben, denn als Veranstalter sind wir für die Sicherheit verantwortlich“. Rita Jelinek, Kaczeks „rechte Hand“ beim Festival, die in der Organisation des Events arbeitet, ist besonders gefordert - und weiß auch um die Probleme: „Wir durften die Kinos zu maximal zwei Drittel füllen, meistens aber waren sie nur zu 50 Prozent voll. Die Leute sind vorsichtiger geworden“, sagt Jelinek. Dass das Motto des diesjährigen Festivals „Tear Down the Walls!“ (Reißt die Mauern nieder!) lautet, sei „als Plädoyer für eine von geistigen Mauern befreite, humanistische Gesellschaft sowie als Mahnung gegen Ausgrenzung und menschenverachtende Diskriminierung“ gedacht, „nicht als Aufforderung,

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Foto: Jüdisches Filmfestival

Festival-Direktor Kaczek und „rechte Hand“ Jelinek.

RÜCKBLICK: JÜDISCHES FILMFESTIVAL WIEN

IDENTITÄTSSTIFTER Wie die Filmschau heuer zwischen Corona und Zuversicht changierte. die Masken abzunehmen“, lacht Kaczek. „Wir wollten bewusst aufzeigen, wo es Mauern gibt in unserer Gesellschaft.“ Dennoch ließ sich die Präsenz der Pandemie nicht aus dem Festivalalltag wegleugnen. „Corona ist unser ständiger Begleiter, und was sich besonders auswirkt, ist, dass wir heuer kaum Filmgäste begrüßen oder Publikumsgespräche nicht wie gewohnt führen konnten“, sagt Jelinek. „Es ist nicht dieselbe Atmosphäre, wenn Interviews und Ansprachen über die Videoleinwand eingespielt werden.“ VERFECHTER DER LEINWAND Ins rein Digitale wollte das Jüdische Filmfestival jedoch nicht abwandern, denn: „Ich bin ein überzeugter Mann des Kinos“, sagt Kaczek, von Beruf eigentlich Kameramann und als solcher ein Verfechter der großen Leinwand. „Deshalb wollte ich das Festival physisch durchführen und nicht virtuell. Die Filme, die wir zeigen, erhalten oft keinen regulären Kinostart. Sie sind also auch ein soziales Ereignis, das man hochhalten muss.“ Corona vereitelt dies jedoch zum Gutteil. „Durch die Pandemie geht das Soziale am Kino verloren, man steht halt nicht mehr rum und plaudert.“ Dafür ist es inhaltlich dick da: Im Fokus der Schau stand das Jubiläum 75 Jahre Kriegsende ebenso wie die Erinnerung an wichtige Protagonisten eines Kinos, das jüdische Lebenswelten thematisiert. Dazu gehören Filme wie „Determined: The Story of Holocaust Survivor Avraham Perlmutter“, die eine CELLULOID FILMMAGAZIN

aufregende Lebensgeschichte, ausgehend von Wien und mit einem Ende beim Technik-Oscar in den USA erzählt. „Liebe war es nie“ analysiert eine fragwürdige „Liebe“ im KZ. „Made in Auschwitz: The Untold Story of Block 10“ beschreibt brutale, menschenverachtende Medizinversuche an Frauen, deren Durchführer noch heute als Forscher Anerkennung findet. Filmische Erinnerungen gab es unter anderem an Hannelore Elsner, Kirk Douglas, Ennio Morricone oder Arthur Brauner. „Unser Festival ist wichtig, weil es identitätsstiftend und stärkend wirkt, aber es wächst auch der Antisemitismus in der Gesellschaft und in den Medien“, sagt Kaczek. „Und deshalb reagieren wir auch in unserem Programm auf die Zunahme von Ausgrenzung und Hassbotschaften, das ist durchaus politisch motiviert“, ergänzt Jelinek. Dieser Hass finde heute vorwiegend im Internet statt, die sozialen Medien seien voll davon. „Ich bin kein Freund sozialer Medien“, sagt Kaczek, „vor allem, weil die Leute zusehends in ihren eigenen Blasen leben.“ Das radikalisiere besonders. „Wir wollen die Leute hingegen zum Gespräch bewegen, zum Miteinander.“ Man könnte das angesichts der Beliebtheit von Facebook und Co. auch als altmodisch bezeichnen, es ist aber vor allem eines: Ein Festival, dass der Kraft der Bilder vertraut und dem einenden Aspekt des Kinos. Nach Corona wird das wieder deutlicher zu sehen sein. MATTHIAS GREULING


Foto: Ruth Mader

VOM LEBEN IM GEMEINDEBAU Die Filmregisseurin Ruth Mader blickt in ihrer Ausstellung „Fotoserie Siemensstraße“ in die Wohnzimmer eines Wiener Gemeindebaus.

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er Vielgestalt des Lebens auf die Finger zu schauen, hat die Wiener Regisseurin Ruth Mader von Anbeginn ihrer Karriere interessiert. Zu ihren bekanntesten Filmen zählen „Struggle“ (2003), „What is Love“ (2012) und zuletzt „Life Guidance“ (2018), die allesamt bei internationalen Festivals reüssierten. Doch Mader nutzt drehfreie Zeiten gerne auch für ihre zweite Leidenschaft: das Fotografieren. Genau damit befasst sich eine Ausstellung mit ihren aktuellen Arbeiten: Für die „Fotoserie Siemensstraße“ pilgerte die 46-Jährige mit ihrer Kamera von Haustür zu Haustür, in der Hoffnung, Zutritt in ganz unterschiedliche Lebenswelten zu erhalten, in die Vielgestalt des Lebens eben. Herausgekommen sind Porträts von Menschen im Gemeindebau Wien Siemensstraße 2155. Und damit Einblicke in den zeitgenössischen Wiener Alltag - Menschenund Stadtporträt gleichermaßen. „In einer Gemeindebauanlage haben viele Wohnungen die gleichen Grundrisse. Mich hat interessiert, die Menschen, die hier leben, zu porträtieren“, sagt Mader. „Die Frage, die ich mir stellte, war: Wie werden gleiche Wohnungsgrößen

und Grundrisse unterschiedlich belebt? Aber auch: Welche anderen Wohnformen wie individuelle Gartengestaltungen und Gartenwohnungen gibt es in der Anlage Siemensstraße?“ MOMENTAUFNAHMEN Ihre Fotos fangen die Architektur des Baus ein und konzentrieren sich auf die Gesichter und das Leben der Bewohner, wie sie mit ähnlichen Wohnverhältnissen unterschiedlich umgehen. Mit ihren Momentaufnahmen legt sie auch die sozialen und persönlichen Verhältnisse der Porträtierten offen: Viele von ihnen blicken direkt in die Kamera, befinden sich dabei im Zentrum ihres Lebensmittelpunkts, der viel über sie als Menschen aussagt. Mal ist Mader in einem penibel sauber gehaltenen Haushalt zu Gast, in dem ältere Damen einen gepflegten, konservativen, aber auch herzlichen Eindruck machen; mal sind es Gemeindewohnungen, in denen schon lange keine Putzlappen mehr den Boden gewienert haben. Dem gegenüber glänzt der adrette türkische Haushalt nebenan regelrecht, und seine beiden Eheleute strahlen eine herzliche Zufriedenheit aus. Mal sind CINEMA FOREVER!

es Porträts im Zwie- oder Gegenlicht, so mancher Protagonist wirkt darin verloren in einer Einsamkeit, wie sie in vielen Wohnungen herrscht, vor allem dort, wo man alleine lebt oder wo man einmal gemeinsam gelebt hat. Wieder andere Bilder zeigen alleinstehende Rentner zwischen Hab und Gut, alten CDs und DVDs, die das Bett säumen und wo der dazugehörige Bewohner die Lebenslust schon lange nicht mehr gesehen hat. Maders Fotos erzählen Geschichten, aber sie erzählen sie nicht aus; der Betrachter selbst ist gefordert, die Perspektiven, mit denen Mader die Lebensräume ihrer Fotomotive versieht, zu entschlüsseln oder sie zu einem Ganzen zusammenzufügen. Darin liegt ihre Qualität: Den Menschen so in die Seele blicken zu können, ohne sie nackt zu machen. MATTHIAS GREULING AUSSTELLUNG

„Fotoserie Siemensstraße - Menschen im Gemeindebau“. Fotos von Ruth Mader. BewohnerInnenzentrum Ruthnergasse 56-60, 1210 Wien. Bis 30. Juni 2021. Anmeldung erforderlich unter 01/24503-21080 43


GAST KOMMENTAR

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it dem Coronavirus hat der Sager vom „Tod des Kinos“ erneut Konjunktur. Tatsächlich sind die Auswirkungen der Pandemie für die Filmindustrie und die Filmkultur – von Drehstopps über Startverschiebungen bis zum Kinokonkurs – enorm, wie auch in Celluloid bereits berichtet. Es ist klar, dass die Krise Tendenzen und Trends, die sich seit Jahren abzeichnen, nun entscheidend beschleunigt hat: der Trend zum Streaming; zunehmende Marktkonzentration im Bereich von Rechten und Vertrieb; der Niedergang des Zelluloidfilm als Vertriebs- und Herstellungsmedium; die immer stärkere Segmentierung des Kinopublikums sowie die “Eventisierung” des Kinobesuchs. Das mediale Getöse und das Ausrufen einer „Revolution“, von „Umbruch“ oder „Zeitenwende“ verdeckt dabei allerdings, dass die Katastrophe (oder zumindest Krise), von der die Rede ist, sich bereits lange anbahnte. Das Schlagwort von der „Disruption“, also der mutwilligen (kreativen) Störung oder Unterbrechung des Status quo, gehört seit fast einem Jahrzehnt zum Jargon der digitalen Ökonomie und ihren Superstars wie Google, Facebook oder Amazon. Denn Krisen kommen immer denjenigen zugute, zu deren Arsenal sowieso Überrumpelung und Überwältigung gehört. Speed kills! Problematisch ist bei all dem Gerede vom „Neuen“, dass es als Totschlagar44

Michael Loebenstein, der Direktor des Österreichischen Filmmuseums, schreibt exklusiv in celluloid über die Ist-Situation und die Herausforderungen für das Kino.

A SCHENE LEICH! gument dient. „Neu“ heißt automatisch „besser“, und es sei praktisch Naturgesetz, dass das Alte dem Neuen Platz zu machen habe. Wenn kleine Kinos in die roten Zahlen schlittern, weil sie keine “neue Ware” bekommen, sich zugleich aber die exorbitanten Lizenzen für restaurierte Klassiker nicht leisten können: Pech gehabt! Wenn Festivals, Kinematheken und Filmclubs weltweit der Zugang zu Hunderten Archivfilmen verwehrt wird, weil die Studios und Weltvertriebe zugunsten des Streamings den Hahn zudrehen: dann müsst Ihr halt mit der Zeit gehen! Wenn FilmliebhaberInnen auf ihr Recht bestehen sich auszusuchen, ob Sie einen Film gemeinsam mit anderen oder einsam daheim ansehen wollen: wie altmodisch! VOLLENDETE TATSACHEN Fazit ist dennoch: 2020 stellt uns in mancherlei Hinsicht vor vollendete Tatsachen. Die Hoffnung, dass sich der 35mm-Kinofilm durch den Einsatz von HollywoodSchwergewichten wie P.T. Anderson oder Christopher Nolan langfristig retten ließe, hat sich mit dem jüngsten Skandal um windige Finanzgeschäfte bei Kodak (dem Wandel des einstigen Filmherstellers zum Pharmakonzern) wohl erledigt. Und die Illusion, dass durch VOD und Streaming Schätze der Filmgeschichte gehoben und massenhaft zugänglich werden wurde heuer bitter enttäuscht. Mit dem Kauf von 20th Century Fox durch Disney verschwand nicht nur die legendäre Marke, sondern auch ein Jahrhundert CELLULOID FILMMAGAZIN

Filmgeschichte (hoffentlich nur vorübergehend!) aus den Verleihkatalogen. Und nahezu alle Hollywoodstudios entließen im Laufe der letzten Monate ihre FilmrestauratorInnen: im digitalen Kurzzeitgedächtnis, wo Filmgeschichte mit „Pulp Fiction“ beginnt, bedarf es keiner ArchivarInnen. LERNEN AUS DER KRISE Aber was können wir – das Filmmuseum und alle, die sich mit der Filmgeschichte und ihrer Vermittlung befassen – aus der Krise lernen? Denn die Erfahrungen der letzten Monate waren bei allen Schwierigkeiten auch positiv: unser Sommerkino, welches wir zur Gänze aus unserer eigenen Filmsammlung bestritten, kam hervorragend an und verzeichnete – obwohl „indoor“ und mit Maskenpflicht – eine hohe Auslastung. Hier ein paar Gedanken, ohne Anspruch auf Vollständigkeit und in loser Reihenfolge: Es gibt nicht nur ein „Entweder / oder“, analog oder digital, physisch oder virtuell. Die letzten Monate haben gezeigt, dass Online keine Alternative zum physischen Zusammenkommen im Kino oder auf Festivals, sondern eine zusätzliche Option ist, um Filme und ihr Publikum zueinander in Beziehung zu setzen. Wenn wir „Kino“ langfristig denken, sollten wir anerkennen, dass die soziale Dimension des Kinogehens wichtiger ist als die Exklusivität des Contents. Es ist unserem Publikum offenbar gleich, ob ein Film, den wir spielen, auf Youtube steht oder nicht. Es ist eine bewusste


Österreichisches Filmmuseum

Michael Loebenstein leitet seit 2017 das Österreichische Filmmuseum in der Wiener Albertina.

Entscheidung, ihn in diesem Ambiente, im Kino und auf Film zu sehen. Das hat auch mit dem Vertrauen in unsere Programmierung zu tun. Denn Computer sind keine KuratorInnen. Die Algorithmen der Streamingplattformen und der sozialen Mediendienste interessieren sich für unsere digitalen Bewegungsdaten und nicht für das Kino. Deshalb braucht es Kinematheken, Programmkinos, Festivals: um Dialog, Begegnung, Entdeckungen zu ermöglichen. ALLEIN UNTER VIELEN Sharing is caring. Das schönste am ins Kino gehen ist, dass man allein unter vielen sein kann, den Film für sich hat, aber diese Erfahrung mit anderen teilt. Die letzten Monate lehren uns, dass das kostbar und nicht selbstverständlich ist. Wir müssen unseren ständigen Hunger auf Neues kritisch hinterfragen. Wir sind in einem Teufelskreis aus immer kürzeren Verwertungszyklen, mehr Filmen / Serien / Events, und immer weniger Zeit und Aufmerksamkeit ge-

fangen. Wie bei anderen Konsumgütern wie etwa Mode („fast fashion“), Unterhaltungselektronik oder Kommunikationsmedien produziert dies Müll und erschöpft Ressourcen. Wie wäre es also, im übertragenen Sinne, mit Recycling statt mit Wegwerfen, mit Reparatur statt Neukauf? Wieviel Filmgeschichte können wir entdecken, wenn wir weiter als bis zum dritten Suchresultat scrollen oder sogar von der Couch aufstehen? Das beinhaltet auch die bessere Erschließung der Filmarchive. Corona sollte zumindest ein deutlicher Anstoß dazu sein, chronische Missstände endlich zu beheben. Es gibt in Österreich immer noch keinen Plan und keine ausreichenden Fördermittel zur systematischen Erschließung und Katalogisierung des hierzulande aufbewahrten Filmerbes. Das ist eine öffentliche Aufgabe. Wir können uns glücklich schätzen, dass es in Österreich öffentlich geförderte Filmsammlungen und Mittel für Herstellung, Verleih und Ausstellung künstlerisch wertvoller, internationaler CINEMA FOREVER!

und österreichischer Filmwerke gibt. Der Markt regelt eben nicht alles. Doch es braucht zusätzliche Anreize und Weichenstellungen in Sachen Nachhaltigkeit, und zwar jetzt. LEBENSZEICHEN Die Liste lässt sich sicher fortsetzen. In jedem Fall gibt es aber genug Lebenszeichen, um das Kino einstweilen doch nicht zu Grabe zu tragen. „Der Jazz ist nicht tot. Er riecht nur seltsam“, meinte einst Miles Davis. Und so ist es wohl auch mit dem Kino. Es ist also durchaus programmatisch zu verstehen, dass unsere gemeinsame Retrospektive mit der Viennale heuer in Zusammenarbeit mit sixpackfilm konzipiert wurde und “Recycled Cinema” heißt. Sie zeigt Filme, die aus der Not erfinderisch sind, und neue Geschichten aus den Trümmern alter erzählen. Kino wider die Wegwerfgesellschaft? Kino als zweiter, kritischer Blick auf Geschichte, Genre, Sehkonventionen? Oder Kino als Leichenfledderei? Urteilen Sie selbst ab 23. Oktober im Filmmuseum. MICHAEL LOEBENSTEIN 45


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A

merika wählt und in diesen besonderen Zeiten widmet sich der KINO VOD CLUB einer Bestandsaufnahme der amerikanischen Gesellschaft durch die Linse österreichischer Filmemacher*innen. Aktuell empfehlen wir folgende Filme zum Erst – bzw. Wiedersehen: THIS LAND IS MY LAND

„Was zum Teufel passiert mit meinem Land?“ Nach Donald Trumps Wahl sucht Susanne Brandstätter – amerikanisch-österreichische Dokumentarfilmerin – nach Erklärungen für die wachsende Kluft in den USA. Sie entdeckt in Ohio verblüffende Parallelen zwischen Amerika und Europa. Ein filmischer Seismograph nicht nur für die Novemberwahlen in den USA, sondern auch für die politische Entwicklung in Europa und der Umgang der Regierungen mit ihren Bürgerinnen und Bürgern. Ein spannender Film und beherztes Plädoyer für das Verbindende. LILLIAN

Lillian, als Emigrantin in New York gestrandet, will zu Fuß in ihre Heimat Russland zurückgehen. Entschlossen macht sie sich auf den langen Weg. Ein entschleunigtes Road 46

„Lillian“

Movie, quer durch die USA, hinein in die Kälte Alaskas. Die Chronik eines langsamen Verschwindens. Andreas Horvath folgt seiner Protagonistin und bildet dadurch ein buntes Kaleidoskop Nordamerikas ab ... ein faszinierendes Amerika-Bild ... ein außergewöhnlicher Beitrag und auch einer, der denen in Erinnerung bleibt, die sich auf diese ungewöhnlich packende Erfahrung einlassen.

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„American Dream Stories“ AMERICAN DREAM STORIES

Eine filmische Reise die mehr als 45.000 km mit der Eisenbahn quer durch die Vereinigten Staaten von Amerika auf der Suche nach den verbliebenen Fragmenten des amerikanischen Traums führt. Der Dokumentarfilm von Thomas Zeller & Christine Lechner wird dabei zur Beobachtung einer Nation, die vor 150 Jahren durch das Eisenbahnnetz aufgebaut wurde.

Weiters zu sehen: VIENNALE AUSTRIAN DAYS IM KINO VOD CLUB

Im Rahmen der Viennale Austrian Days präsentiert der KINO VOD CLUB von 22.10. bis 2.11. ergänzend zum Kinoprogramm “Kollektion Diagonale’20 – Die Unvollendete” ausgewählte Filme im Stream. JUGENDFILM IM KINO VOD CLUB

YOUKI 17.11. – 21.11. Das gesamte Filmprogramm wird während des Festivals als Tagesprogramm zu streamen sein. Der KINO VOD CLUB stiftet heuer erstmals einen Preis für österreichische Nachwuchs Filmemacher*innen. Die Siegerfilme werden im Anschluss für einen Monat gratis zu sehen sein. https://vodclub.online


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Fotos: Bildstoerung; Koch Media

DVD & BLU-RAY Elem Klimovs in jeglicher Hinsicht überbordendmeisterhaftes Plädoyer gegen Krieg und Gewalt erscheint endlich in herausragender Umsetzung. Gelungene DVD-Edition von „Komm und sieh!“

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er kleine Fjora ist vielleicht nur wenig älter als zehn Jahre und schließt sich zu Beginn mit großer Begeisterung und gegen den Willen seiner Mutter den Partisanenkämpfern an, die aus dem Wald heraus den Vormarsch deutscher Truppen behindern. Doch kaum im Lager angekommen folgt die erste Ernüchterung, als er als Neuling seine Schuhe mit den zerschlissenen eines alten Mannes tauschen muss. Als wäre das noch nicht genug, verirrt er sich zudem mit dem Partisanenmädchen Glascha im Wald und fällt beinahe einem Fallschirmspringer zum Opfer. Die beiden kehren in Fjoras Dorf zurück, das im wahrsten Sinne des Wortes ausgestorben ist: Die Einwohner liegen zuhauf erschossen hinter einer Scheune – und wie die Kamera in einer langen Fahrt fast schon beiläufig diesen monströsen Leichenberg in Szene setzt, ist einer der ersten, genialschockierenden Momente dieses Films. Sie geraten an weitere Partisanen und werden voneinander getrennt. Fjora fällt kurz darauf in die Hände der Deutschen, die eine Spur der Verwüstung hinter sich lassen: Sie sperren die Bewohner eines Dorfs in eine Scheune und zünden diese an – und nur durch einen Zufall überlebt 48

KOMM UND SIEH! der Junge. Er entkommt und findet seine Kameraden wieder, die eine Vergeltungsaktion starten … Über 600 weißrussische Dörfer werden in der Zeit der deutschen Besatzung auf derart menschenverachtende Weise dem Erdboden gleich gemacht. 40 Jahre später erscheint auch in Erinnerung an die Gräueltaten und die Leiden der Zivilbevölkerung – und um den großen Sieg über Nazideutschland zu feiern. Doch feierlich ist nichts an KOMM UND SIEH, außer vielleicht, dass er die Mittel, die das Medium Film ermöglicht, auf derart bedachte Weise einsetzt: Ja, er geht dabei an die Grenzen und vermag zu verstören. Aber diese Verstörung steht immer in einem Verhältnis zu dem Gezeigten auf der Leinwand, sie ist nie selbstzweckhaft oder gar plump, sodass man eigentlich sagen muss, dass der wahre Schrecken in den Köpfen der Zuschauer entsteht. GEDICHT Entgegen aller Grausamkeiten ist Elem Klimovs letzter Film (er habe damit alles gesagt, was er als Künstler zu sagen hatte) auch ein audiovisuelles Gedicht: In den langen Einstellungen legt die Kamera häufig weite Strecken zurück CELLULOID FILMMAGAZIN

und ist dabei unglaublich beweglich, sodass man sich stellenweise fragt, wo eigentlich die Filmcrew und das Set dahinter abgeblieben sind. So erzeugt KOMM UND SIEH nahezu dokumentarischen Charakter, während die Gestaltung selbst extrem ästhetisch und – ja – gefällig ausfällt. Es reicht ein kurzer Blick in diverse Filmbücher oder Internetforen: KOMM UND SIEH ist einer jener Filme, die seine Zuschauer mit ganz besonderer Wucht fordert, packt, überrollt, mitnimmt, wütend oder traurig stimmt oder schlicht sprachlos macht. Es ist ein Film, mit dem jeder seine eigene Erfahrung macht, dessen Kraft eigentlich nicht in Worte zu fassen ist. Seit seinem Erscheinen im Jahr 1985 nimmt er immer wieder aufs neue sein Publikum mit auf eine drastische Reise ins finstere Herz der Menschheit. Dass diese 2020 wieder besonders packend ausfällt, ist der überaus sorgfältigen, hervorragend restaurierten und editierten Edition von Bildstörung zu verdanken, die Klimovs Meisterwerk mehr als würdig aufs Neue erstrahlen lässt. Hier gilts ausnahmsweise wirklich: Ein echter Pflichtfilm, zumindest einmal im Leben! FLORIAN WIDEGGER


JOHNNY HANDSOME

Kult-Klassiker mit Mickey Rourke im edlen Mediabook als Blu-ray.

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eit seiner Geburt ist John Sedley (Mickey Rourke) im Gesicht deformiert. Auch wenn es der Film nicht zeigt: Man kann sich vorstellen wie es für ihn als Kind und Jugendlicher gewesen sein muss, gehänselt und verlacht von den anderen. Wenig verwunderlich, dass er auf die schiefe Bahn gerät und den Großteil seines Lebens in Gefängnissen absitzt. Als er wieder einmal draußen ist, schlagen ihm das Ganovenpärchen Sunny und Rafe (schön, gefährlich und unberechenbar: Ellen Barkin und Lance Henriksen) einen Coup bei einem Juwelier vor – der jedoch zu einem Hinterhalt wird und für seinen Kumpel Mikey tödlich endet. Wieder einmal wandert John hinter Gitter, doch diesmal entwickelt sich alles anders: Der Chirurg Dr. Resher (Forest Whitaker) will ihm im Rahmen eines Experiments ein neues Gesicht und eine neue Identität verpassen – so kann er auf gesteigerte soziale Akzeptanz hoffen und sein Leben in den Griff bekommen.

Aus dem scherzhaft JOHNNY HANDSOME genannten jungen Mann wird nun tatsächlich ein echter Schönling. Er heuert an einer Werft an, trifft auf die hübsche Buchhalterin Donna und beginnt eine Affäre mit ihr. Ein gutes Leben liegt vor ihm, doch die inneren Narben sind geblieben: Johnny nimmt – unerkannt – wieder Kontakt zu Sunny und Rafe auf, um ihnen einen ertragreichen Bruch vorzuschlagen – und den Tod seines Freundes zu rächen … Ein Polizist (Morgan Freeman), der nicht an Johnnys Wandlung glaubt, ist ihm dabei allerdings dicht auf den Fersen. Viel zu selten wird das Loblied der großen Filmhandwerker, wie es Walter Hill einer war und ist, angestimmt. Die 80er Jahre waren seine Dekade: Von 48 HRS über STREETS OF FIRE bis hin zum Schwarzenegger/Belushi Ost-West-Buddy-Vehikel RED HEAT und vieles andere mehr – der Mann wusste schlicht, wie man schnörkellose, auf den Punkt gebrachte und manchmal

sogar ziemlich witzige (oder nachdenkliche, je nachdem) Actionkost serviert. JOHNNY HANDSOME beschließt dieses produktive Jahrzehnt als Hommage an den Film-noir, die noch dazu im „The Big Easy“ New Orleans angesiedelt ist. Obwohl ganz klar ein Kind dieser Zeit, stellt der Film darüber hinaus zeitlose Fragen nach Identität, Freundschaft und den Gesichtern hinter den Masken. Der Soundtrack von Ry Cooder ist schon eine Klasse für sich, dazu kommt die Erkenntnis, dass Mickey Rourke scheinbar den genau entgegengesetzten Weg seiner Figur eingeschlagen hat, was sein Äußeres betrifft. Ein schlichter, schöner, rundum gelungener Film, der auch 30 Jahre später zu fesseln und zu faszinieren weiß, zumal er traumhaft restauriert und mit reichlich neuem Bonusmaterial bei Koch Media erscheint. FLORIAN WIDEGGER

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KINOIMPRESSUM CELLULOID FILMMAGAZIN Nummer 5/2020 November/Dezember 2020 erscheint zweimonatlich Herausgeber, Eigentümer und Verleger: Verein zur Förderung des österreichischen und des europäischen Films Chefredakteur: Matthias Greuling Freie AutorInnen: Gunther Baumann, Jürgen Belko, Christopher Diekhaus, Paul Heger, Sarah Riepl, Carolin Rosmann, Katharina Sartena, Constantin Schwab, Manuel Simbürger, Florian Widegger, Sandra Wobrazek Coverfoto: Universal Anzeigen: Katharina Sartena Layout/Repro: Matthias Greuling Werbeagentur Printed in Austria. Die Beiträge geben in jedem Fall die Meinung der AutorInnen und nicht unbedingt jene der Redaktion wieder.

LEGENDEN

Grundsätzliche Richtung der Zeitschrift gemäß §25 MedienG: celluloid begreift Film als Kunstform und will dem österreichischen und dem europäischen Film ein publizistisches Forum bieten. celluloid ist unabhängig und überparteilich.

© 2020 by Verein zur Förderung des österreichischen und des europäischen Films.

Diese Publikation wird unterstützt von

Land NÖ, Abteilung Kultur Stadtgemeinde Mödling, Abt. Kultur Stadtgemeinde Mödling, Abt. Kultur

Fotos: StudioCanal

Anschrift: celluloid Filmmagazin Carl-Zwilling-Gasse 32/19, 2340 Mödling Tel: +43/664/462 54 44 Fax: +43/2236/23 240 e-mail: celluloid@gmx.at Web: www.celluloid-filmmagazin.com Vertrieb: PGV Austria, Salzburg; erhältlich in 600 ausgewählten Trafiken in ganz Österreich im Bahnhofsbuchhandel, sowie bei Thalia, in ausgewählten Kinos oder direkt bei der Redaktion. Preise: Einzelheft: EUR 5,- (zuzüglich Porto und Verpackung: EUR 1,70); Abonnement für 6 Ausgaben: EUR 19,90 (inkl. Porto und Verpackung); Ermäßigte Abos für Studierende gegen Nachweis: EUR 14,90. Abonnements können bis zwei Wochen nach Erhalt der 6. Ausgabe (nach einem Jahr) schriftlich gekündigt werden. Andernfalls verlängern sie sich um ein weiteres Jahr zum jeweils gültigen Vorzugspreis für Abonnenten. Preise gelten innerhalb Österreichs. Nachdruck, auch auszugsweise, nur mit schriftlicher Genehmigung der Redaktion und Quellenangabe.

Jean-Luc Godard feiert am 3. Dezember seinen 90. Geburtstag. Zu Ehren des NouvelleVague-Mitbegründers erscheint deshalb bei Arthaus sein Filmdebüt „Außer Atem“ (1959) als aufwändig restaurierte 4K-Fassung in einer üppigen, mit viel Zusatzmaterial ausgestatteten Edition - lohnt sich! ERHÄLTLICH AB 5. NOVEMBER 2020 BEI ARTHAUS

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Articles inside

Events: 20 Jahre dok.at, Nachschau Jüdi sches Filmfestival, Ausstellung Ruth Mader

7min
pages 41-43

Zum 90er: Jean-Luc Godard

1min
pages 50-52

Gastkommentar: Michael Loebenstein, Chef

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pages 44-45

Falling

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page 39

ARASH T. RIAHI über seinen famosen Film „Ein bisschen bleiben wir noch“

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pages 36-37

MANFRED DEIX kommt ins Kino: Als Animationsfilm aus dem Hause Aichholzer

3min
pages 32-33

MICHAEL OSTROWSKI: im Interview zu seinem neuen Film „Der Onkel“, für den er vom ÖFI keine Förderung bekam

5min
pages 34-35

12 Immer noch, und im Herbst wieder verstärkt, plagt uns die Corona-Pande- mie - dennoch haben wir uns entschieden, unseren Cover-Film wie geplant auf Seite 1 zu hieven: Auch, wenn Bond wieder einmal verscho- ben ist, diesmal auf März 2021, wollen wir als Filmmagazin die Vor- freude zelebrieren, und bringen einen Setvisit des Bond-Experten Siegfried Tesche, der für uns hinter die Kulissen blickte.

4min
page 31

FILMFESTSPIELE VENEDIG Trotz Corona hat

13min
pages 18-27

WESTERN Was macht dieses Genre so beliebt, und wer sind die größten Western helden aller Zeiten - in unserem Dossier

14min
pages 12-17

Genau darum geht es nämlich in der Krise: Den Fokus auf das Kino nicht zu verlieren, das mehr denn je unter Druck geraten ist. Christian Langhammer von den Cineplexx-Kinos hat mit uns darüber gesprochen Seite Gemeinsam werden wir über den Corona-Winter kommen: Die Filmkul- tur soll dabei nicht zu kurz kommen, wie diese Ausgabe zeigt. Bleiben Sie gesund und uns gewogen!

2min
page 11

BOND, WIR BRAUCHEN SIE

9min
pages 6-10

Trivia: Wie die Viennale heuer aussieht

2min
pages 4-5
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