Alpe Adria Magazin Nr. 40 Mai 2021

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Am Fuße des Piz Buin Das Montafon im südlichsten Vorarlberg lockt Natur- und Outdoorfreunde mit spektakulären 3000ern, Gletschern und urigen Almen. Wanderer, Mountainbiker und Bergsteiger kommen hier voll auf ihre Kosten. TEXT Ulrike Eriksen & Eduard GoSSner FOTOS Ulrike Eriksen & Eduard GoSSner, shutterstock.com, Stefan Kothner, Andreas Haller, Montafon Tourismus GmbH

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Almwiesen im Gauertal mit Blick auf die Rätikongipfel

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alpe adria magazin | das montafon

enn ich hier hochkomme, vergess' ich alles“, sagt Edigna. „Das ist ein Ort der Ruhe, ein Kraftort.“ Sichtlich zufrieden sitzt sie in der guten Stube, und wir stoßen mit einem Schnaps an. „Hier oben bin ich ein anderer Mensch.“ Kein Wunder, mit ihrem Mann Josef hat sie sich weit oberhalb vom Talort Schruns ein urgemütliches Almhaus ausgebaut, in dem die beiden den Sommer verbringen. Der Blick reicht weit ins Verwallgebirge, das das Montafoner Tal nach Osten begrenzt. Im Süden wird es vom wilden, gletscherreichen Silvrettamassiv und im Westen von den markanten Kalkgipfeln des Rätikons umrahmt. „Es sind drei Gebirge mit unterschiedlichem Charakter“, erklärt Bikeguide Christoph Wald, der mit Edigna Kessler ein weiteres Schnäpschen kippt. „Für mich macht diese Vielfalt das Besondere am Montafon aus.“ Seit vier Jahren arbeitet der Schwabe hier, im Sommer als Bikeguide, im Winter in der Rettungszentrale. Gemeinsam sind wir von Schruns 1000 Höhenmeter auf den Berg hinaufgeradelt - dank kraftvoller EMountainbikes kein Problem. Das schöne Almhaus der Kesslers fiel uns im Vorbeifahren sofort auf, und Edigna lud uns spontan

in die gute Stube ein. Sie erzählt: „Das Haus ist eine Maisäßhütte von 1734. Wir haben sie etwas ausgebaut, aber außen ist sie noch original.“ Nebenan in der Küche köcheln Beeren auf dem Herd, um die Ecke gibt es ein gefliestes Bad. So luxuriös waren die ursprünglichen Maisäßen nicht. Jahrhunderte hindurch waren es einfache Hütten mit Almwiesen, auf denen im Früh- und Spätsommer die Montafoner Bauern ihr Vieh grasen ließen. Im Hochsommer kamen die Kühe auf die noch weiter oben gelegene Hochalm, im Herbst wurden die Tiere wieder ins Tal getrieben. „So funktioniert die Dreistufen-Wirtschaft“, ergänzt Bikeguide Christoph, der mit Gästen jede Woche Mittel- und Hochalmen rund um Schruns erkundet.

Auf Hemingways Spuren Ungern verlassen wir die gemütliche Almhütte, doch wir müssen weiter, wir wollen noch einen Abstecher ins Gauertal machen, in dem es ebenfalls schöne Almen und einen herrlichen Blick in die Rätikon-Berge gibt. Das Hochtal ist eines der zehn Seitentäler des 40 km langen Montafoner Haupttals. Darin verbindet eine gut ausgebaute Bundesstraße die Talorte St. Anton, Vandans, Schruns, St. Gallenkirch, Gortipohl, Gaschurn und Partenen. Am südlichen Talende windet sich die Silvretta-Hochalpenstraße mit 34 spektakulären Kehren hoch hinauf in die alpine Bergwelt. Früher war das ganz anders. Als der damals noch junge Schriftsteller und Abenteurer Ernest Hemingway Mitte der 1920er Jahre zwei Winter im Montafon verbrachte, stieg er mühsam mit den Ski aus dem Tal auf, bis auf den 2037 m hoch gelegenen Pass der Bieler Höhe. Vom dortigen Madlenerhaus eroberte er die Silvretta-Gletscher. Im Winter 1925/26 war er zusammen mit einer Moderedakteurin bei einer Skitour tagelang in diesem Madlenerhaus eingeschneit. Wenig später waren die beiden ein Paar.


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