Menschen
„Die Zukunft ist weiblich“ Nach einem Weg, der schwierig startete, aber in Triumphen gipfelte, übergibt Slow Baker Erich Kasses die Waldviertler Traditionsbäckerei an die Töchter Lena und Laura. Ein unvergesslicher Betriebsbesuch. Text: Viktória Kery-Erdeélyi
Fotos: Bäckerei Kasses, Petra Schmidt/diefotografin.at
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igentlich sollte Erich Kasses nur Ciabatta für das Urlaubsfrühstück holen. Doch die kleine Bäckerei in Grado faszinierte den damals jungen Familienvater. Sozusagen einen Ristretto con Grappa später stand er selbst in der Backstube. Mit Händen und Füßen unterhielt er sich mit dem Bäcker, „ich war so begeistert von seinem Brot, da habe ich eine Woche mitgearbeitet“, lacht Erich Kasses. Dass er das Ciabatta inklusive „Ferienjob“ ins Urlaubsappartement heimbrachte, vermag seine Familie vielleicht nicht entzückt, aber auch nicht sehr überrascht haben. Es war weder die erste außergewöhnliche Mission des Bäckers aus Thaya, noch sollte es die letzte bleiben. 65 Jahre alt ist er heute; bis Ende 2020 leitete er das Familienunternehmen in dritter Generation. Er war Großvater Leopold und Vater Erich nachgefolgt. Kürzlich läutete er mit seiner Frau Ingrid eine neue Ära ein; sie übergaben an die Töchter Lena und Laura. „Die Zukunft ist weiblich“, strahlt er. 23 bzw. 21 Jahre sind die beiden erst, allerdings ist das jeweils auch genau die Anzahl an Jahre, die sie an Erfahrung in der Bäckerei sammeln konnten. Das spürt man bei jedem Schritt, bei jedem Handgriff der jungen Geschäftsführerinnen, den sie auf der rund 1.500 Quadratmeter großen Betriebsfläche tun.
DEMUT VOR DEM PRODUKT. Die Liebe zum Handwerk, viel Arbeit und Neugier brachten Erich Kasses Preise, namhafte Kunden und Spitznamen wie „Sauerteig-Guru“.
Wie alles begann. Erich Kasses‘ Mutter wünschte sich einen Musiker, „ich musste Geige üben, während die anderen baden gegangen sind“, erinnert er sich schmunzelnd zurück. Sein Vater sah in ihm den Nachfolger, „dabei war mir das frühe Aufstehen gar nicht sympathisch“. Letztlich absolvierte er vier Meisterprüfungen: als Bäcker, Konditor, Koch und Kellner, Konzession inklusive. Selbst Frau Mamas geliebte klassische Musik hielt schließlich Einzug in sein Leben – auf einem Gebiet, wo man sie nicht vermuten würde, doch dazu später. 16