EL AVISO | 04/2022
Multifokale Linsen gibt es seit vielen Jahren. Das Ziel ist klar definiert: Ein Leben ohne Brille. Damit ist praktisch immer die Unabhängigkeit von der Fernund Lesebrille gemeint. Die Altersleseschwäche stellt sich ab dem 40. Lebensjahr ein und entwickelt sich progressiv über circa 15 Jahre. Normalsichtige (Emmetropie) bemerken, wie der Arm sozusagen „zu kurz“ wird, Weitsichtige (Hypermetropie) leiden Der zunehmend in der Nähe und in der Ferne, Kurzsichtige (Myopie) müssen die Fernbrille ablegen, um weiterhin lesen zu können. Grund ist in allen Fällen der Verlust der Akkomodationsfähigkeit. Die dafür verantwortliche Augenlinse bewegt sich nicht mehr. Die Lösung ist der Austausch der defekten Linse gegen eine neue multifokale Linse. Seitdem Linsen operiert werden existiert die Suche nach der ultimativen Lösung für das Problem der verlorenen Akkomodation. Verschiedene Wege wurden ausprobiert. Die Interessantesten bis heute wurden mehrfach modifiziert. Weiterentwicklung der bifokalen Linsen Bifokal / refraktiv bedeutet, dass zwei scharfe Brennpunkte auf die Netzhaut projiziert werden. Einer für die Nähe und einer für die Ferne. Die Linsen sind aus konzentrischen Ringen verschiedener Höhen aufgebaut. Das Problem besteht in dem Verlust der Sicht in der mittleren Distanz (45-100cm), dem Verlust von relativ viel Lichtenergie, Kontrastverlust und den Nebenwirkungen.
GESUNDHEIT GESUNDHEIT
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Trifokale Linsen letzte Schrei oder schon ein Klassiker? Aufgrund dieser Nachteile kamen vor über 15 Jahren die weiterentwickelten trifokalen Linsen auf dem Markt. Das verwendete Konzept nennt sich Diffraktion (Beugung). Anstatt zwei scharfe Brennpunkte (refraktiv) zu erzeugen, wird die Lichtenergie aufgeteilt. Dabei erreicht man ein Plateau, sozusagen eine „Hochebene“ des aufgeteilten Lichts. Das Bild bleibt auf mehreren Entfernungen ausreichend scharf, verliert wenig Lichtenergie und der Kontrast bleibt erhalten. Auch die Nebenwirkungen sind aufgrund weniger Streulicht im Vergleich zu den bifokalen Linsen geringer. Das Wort trifokal veranschaulicht die Weiterentwicklung der bifokalen Variante und beschreibt die drei „Sehgipfel“ die aus der „Hochebene“ herausragen. Einer für die Nahsicht (35/40cm), einer für die mittlere Sicht (50/60cm) und einer für die Ferne (> 100 cm). Viele Vorteile des trifokalen Linsentyps Die Euphorie in der augenärztlichen Gemeinschaft war groß. Die Vorteile des neuen Linsentyps lagen klar auf der Hand und die Möglichkeiten dem Patienten zu helfen waren besser als je zuvor. Trotzdem brauchten trifokale Linsen relativ viel Zeit, um auf breiter Ebene bekannt zu werden. In den letzten Jahren gab es nun den schon längst überfälligen Boom und viele Kliniken, die lange Zeit ihr Geschäft im LaserBusiness sahen, stellten um auf multifokale Linsen. Und dies nicht ohne Verluste, denn es handelt sich um grundlegend verschiedene Techniken.
Es gibt auch Probleme... Mit den Jahren und bei steigenden Patientenzahlen nahm auch der Anspruch an die neue Lösung zu. Die drei großen Probleme der trifokalen Linsen kamen zunehmend ins Rampenlicht. • Der hohe Anspruch an die Optik des Auges und an die Operationstechnik • Die Nebenwirkungen: insbesondere nächtliche Lichtphänomene (Halos / Glare / Starburst) • Die Abhängigkeit von Licht
Diffraktive Linsen funktionieren nicht bei jedem Auge und können die Sehqualität beinflussen. Ungenaue Indikationsstellungen, unzureichende Aufklärung und wenig Erfahrung führen zu unzufriedenen Patienten. Daher suchte die Forschung nach Lösungen für die angesprochenen Probleme und neue Alternativen kamen auf den Markt wie die EDOF Linsen (siehe EL AVISO März-Ausgabe). Sind deswegen trifokale Linsen „out“? Ganz sicher nicht. Weiterhin ist bei dem entsprechenden Patienten diese Lösung genau richtig und eine sehr gute Möglichkeit die gewünschte Brillenunabhängigkeit zu erreichen. Absolut notwendig ist bei der Indikationsstellung die Messung vieler, teils sehr abstrakter Werte und das ausführliche, ehrliche Aufklärungsgespräch. Trifokale Linsen sollten nie „verkauft“, sondern besser „vorgestellt“ werden. Ist das Auge geeignet und besteht Konsens, was die Nebenwirkungen angeht, darf man zu dem Klassiker greifen. Besonders notwendig wird diese Variante bei all denjenigen Patienten, die einen hohen Anspruch an eine recht nahe Lesedistanz haben (ca. 35 cm) wie z.B. die Mehrzahl der kurzsichtigen Patienten. Das meint der Augenarzt Ich bin der Meinung, dass trifokale Linsen sicher nicht mehr „der letzte Schrei“ sind. Das ist gut so. Mit zunehmender Erfahrung wird die Indikationsstellung präziser und sicherer. Multifokale Linsen erleichtern aber das Leben. Doch das bedeutet nicht, das die Entfernung des Sehfehlers und die Korrektion der verlorenen Akkomodationsfähigkeit nicht auch Kompromisse verlangt. Eine perfekte Lösung gibt es nur dann, wenn der Patient sich dessen bewusst ist und Lust hat, sich auf das „neue Sehen“ einzustellen. Die große Anzahl sehr glücklicher Patienten motiviert uns die Klassiker weiter zu nutzen, aber auch immer auf dem neuesten Stand zu bleiben und moderne Lösungen anzuwenden.
Dr. Sebastian Beckers Deutsche Augenklinik Mallorca Avda. Rei Jaume I, Santa Ponsa, Tel.:871 570 606 Camí dels Reis, 308 Palma, Tel.: 971 905 202 www.deutsche-augen-klinik.de