EL AVISO Mallorca Mai 2021

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EL AVISO | 05/2021

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Teil 2 unserer neuen Kurzgeschichte

Aus dem Tagebuch einer Klinke von Ralph D. Wienrich Ich diene in einem der angesagtesten Fünf-Sterne Hotels dieser Stadt. Hier regele ich in einer absoluten Vertrauensstellung den Verkehr zwischen der sehr vornehmen und äußerst luxuriös eingerichteten Bourbonen-Suite und dem Designer-Bad. Läge es in meiner Natur, ich würde die meiste Zeit meines Daseins rot angelaufen zubringen. Was ich da bisher so alles miterleben musste, Sie können sich davon keine Vorstellung machen. Bis zum heutigen Tage vermag ich nicht zu sagen, ob es nur eine ganz besondere Art von Pikanterie oder aber, ob es eine mich permanent quälende Tatsache ist, dass ich nahezu gleichzeitig auf beiden Seiten meiner Tür Zeuge menschlichen Treibens werde. Und wie sie was, oder was sie wie treiben. Aber Hallo! Besitzen Sie überhaupt eine ausreichende Phantasie sich vorstellen zu können, was die so alles veranstalten können? Favorit: Badewannen-Erotiker Einmal, erinnere ich mich, pflegte ein arabischer Staatsgast, seinen Namen lassen wir hier mal weg, seine Ehefrau stets mit einem Tritt in den Hintern in die Suite zu befördern. Die Beiden kamen gerade von einer Audienz bei seiner Majestät. Sie musste diese Art der Behandlung wohl gemocht haben. Denn fiel er anschließend sogar noch über sie her und verprügelte sie auch noch dabei,

dann geriet sie so richtig in Ekstase. Ganz gleich, ob sie nun diese Suite allein, zu zweit, oder – ja auch das habe ich^ schon miterleben müssen – wie sie zu Dritt hier eine bestimmte, lustvolle Art von Leben zelebrierten. Ich nenn das mal so. Und ich war immer mittendrin. Mir entging nichts, mir blieb nichts verborgen. Manche, die es besonders heftig trieben, krochen fast ineinander und wenn sie dann fix und fertig von einander abließen, stieg in mir das schiere Grauen hoch. Ob ich nun wollte oder nicht, ich hatte keine andere Wahl als meine Pflicht zu tun und so ertrug ich es mit Haltung wenn sie dann mit ihren schwitzigen Händen, mit denen sie sich zuvor – Männlein wie Weiblein – förmlich auseinander genommen hatten, hernach meine Dienste in Anspruch nahmen, um im Bad wieder zu anderen Menschen zu werden. Am liebsten allerdings sind mir immer noch die Badewannen-Erotiker. Haben die sich in der Wanne ausgetobt und das Bad dabei natürlich unter Wasser gesetzt, muss ich nie ihre schmutzigen Hände fürchten. Welke Haut an altem Hünen Meiner langjährigen Beobachtung nach glaube ich mittlerweile zu wissen, und einige von Ihnen werden mir sicher beipflichten, teils aus eigener Erfahrung, oder es eben als intelligente Menschen zu ihren Standarderkenntnissen zählen, dass sich ihre Verhaltensmuster im Verlaufe ihrer erotischen Bemühungen auffällig verändern. Eine unberechenbare, völlig aus dem Ruder laufende Wildheit gleitet meist nach echauffiertem Gejapse und animalischem Geschrei in ermattetes Stöhnen über. Einmal, ich erinnere es noch als sei es gestern gewesen, da schob so ein Hüne etwas sehr Zartes in die Suite. Er war mindestens dreimal so alt und viermal so schwer wie sie und verbreitete augenblicklich Bedeutsamkeit. Die Geschwindigkeit, mit der er sie entblätterte, hatte etwas Unappetitliches und sehr Erniedrigendes. Er war einer von diesen unangenehmen Entscheider Typen, deren Wille zu geschehen hatte. Bemerkenswert allerdings war, dass sie es vorzog nicht Hand an ihn zu legen. Vielmehr schaute sie gelangweilt zu, wie er sich mühsam aus seinen teuren Klamotten schälte und so seinem eingezwängten Fett freie Entfaltung gewährte. Es hatte schon etwas Skurriles, ja etwas Lächerliches, als plötzlich sein Handy zu lärmen begann. „Wichtig“ brummte er knapp, nahm das Gespräch entgegen und überließ dabei seine Hose dem freien Fall. Da stand nun der Mann, der sich für mehr als bedeutsam hielt mit abgestürzter Hose und welkem, nacktem Hinterteil, denn Unterhosen trug

er keine und schwadronierte laut dröhnend was von Wahlkampf und Kongress, in den einzuziehen er sehr gute Chance habe und im übrigen aber habe er momentan keine Zeit zum Quatschen. Er sei in einem äußerst wichtigen Meeting und der König warte auch noch auf ihn,beschied er dem Mann am anderen Ende des Atlantiks und er wolle jetzt auch nicht mehr gestört werden.“ Ende!” “Nur” zwei Sätze... Irritiert merkte der Politiker auf, als er das attraktive nackte Wesen sagen hörte: Was machst du erst als Senator, wenn du schon jetzt, bei einem banalen Telefongespräch die Hosen runter lässt? Als er sie schließlich dem eigentlichen Zweck ihres Zusammenseins zuführen und sie nehmen wollte, stichelte sie gelassen: so sehen also deine Meetings aus. Gezielt törnte sie den Mann ab, der vor hatte ein mächtiger Politiker zu werden. Und sie staunte mit was für banalen Waffen sie ihn klein bekam. Auf einmal stand seine animalische Lust in keinem adäquaten Verhältnis mehr zur massiv schwächelnden Kraft seiner Lenden. Ich muss gestehen, dass ich so etwas noch nie erlebt habe. Ein so zierliches Ding bringt mit zwei belanglosen Sätzen einen geilen Bock außer Form. Selten zuvor habe ich so viel männliche Jämmerlichkeit erblicken müssen wie an diesem Abend! Was auch immer er an Notmaßnahmen ergriff, diesen begehrenswerten jungen Körper seiner Männlichkeit zu opfern, es gelang ihm nicht, seine Manneskraft ins Feld zu führen. Sein welkes, müdes Fleisch vermochte sich nicht mehr zu straffen um wieder Haltung an zu nehmen, sondern es verharrte in einer lächerlichen, arbeitsverweigernden Habachtstellung. Und so begann er mit seinen unförmigen Fingern die zarte erotische Mitte dieses schönen Wesens manipulierend heimzusuchen. Bemerkenswert fand ich, wie klug sie sich als Stimulativ immer weiter zurückzog, ohne ihn dabei zum Ausrasten zu bringen. Natürlich wollte er sie haben, aber wie, wenn ihm das Können abhanden gekommen war. Und dann hörte ich, wie sie in diese seine Tristesse diesen brutalen Satz krachen ließ: Das ist wie in der Politik mein Verehrter. Wollen und können! Ihr anmutiges Grinsen hatte dabei etwas charmant Unverschämtes. Und wie ich so ihren abschätzigen, ihn von Kopf bis Fuß taxierenden Blick bemerkte, schwante mir nichts Gutes: „Du solltest“, sagte sie sanft, „mit ihm jetzt lieber Pinkeln gehen“! Ende


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