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GESELLSCHAFT & MENSCHEN

PROF. PAUL WINKLER IST TOT

Nachruf auf einen echten Brunecker Vor dem Gebäude der Ursulinen hielten Eltern mit dem Auto an, um die Töchter abzuholen. Sommerferien. Professor Paul Winkler stand vor dem Gebäude, beobachtete das Treiben aus dem Augenwinkel und kam aus dem Grüßen nicht heraus. Winkler, Sakko, Krawatte, Gehstock und Panama-Hut, war ein Stadterklärer. Es ist nicht zu viel, Bruneck auch als seine Stadt zu bezeichnen. Über 50 Jahre führte er Interessierte zu besonderen Plätzen, erzählte Geschichten und machte auf Details aufmerksam. Gerade erst war er dafür ausgezeichnet worden, eine von vielen Ehrungen, die er im Laufe der Jahre bekommen hat. Das freute den Musikprofessor, der ganz zufällig zum Stadtführer geworden war. An diesem Tag im Juni 2019 nahm er sich Zeit für ein Flanier-Gespräch mit der PZ, spazierte durch sein Bruneck, blieb stehen, dachte nach, erzählte Anekdoten und ging weiter. Nun ist er im Alter von 93 Jahren verstorben. Aus Anlass seines Todes veröffentlichen wir diesen Text erneut und machen mit ihm eine virtuelle Zeitreise durch Bruneck.

von Verena Duregger

E

Fotos: rewe, Verena Duregger, Familie Winkler

igentlich fängt Paul Winkler eine Stadtführung immer am Rathausplatz an. Es ist das touristische Zentrum der Stadt, sagt er, und darüber hinaus ein guter Winkel, um gleich in die Kultur einzusteigen. Dort begegnet man einem sitzenden Norbert C. Kaser und kann erzählerisch gleich einsteigen in jene Brunecker Jahre, in der alle Andersdenkenden von den Eliten bestenfalls mit Nichtbeachtung bestraft wurden. Natürlich hat Winkler einen wie Kaser gekannt, sogleich kommt er ins Schwärmen beim Gedanken an dessen zu Lebzeiten unterschätztes Können, wenn da nicht der “rote Saft” gewesen wäre…

AM FLORIANTOR

Aber heute steht Winkler am Florianitor und wirkt dabei so frisch, als würde er eine Führung mit seinen 92 Jahren - „vollendet!“ wie er nicht ohne Schmunzeln sagt - zum ersten Mal machen. Was könnte er hier schon

Prof. Paul Winkler vor dem Florianitor - der Ausgangsposition für viele Stadtführungen.

alles erzählen, kennt er doch jeden Winkel seiner Stadt, jedes noch so kleine Detail,

ein größeres Fenster hier, ein verstecktes Fresko da, aber zuallererst beantwortet er die Frage, wie er vor 50 Jahren zum Stadterklärer geworden ist.

SEINE UNTERRICHTSKARRIERE

Seit seiner Tägigkeit als Musikprofessor in der Mittelschule wurde er andächtig „Professor“ genannt. 22

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Winkler unterrichtete an der Mittelschule Musik (seither nennt man ihn Professor), er hatte am Konservatorium die Abschlüsse in Gesang und Musik gemacht, irgendwann die Liebe zur Querflöte entdeckt, den Rainchor gegründet, den Kirchenchor von Percha geleitet und eine lange Zeit mit seiner Frau ein kleines Geschäft in der Nähe des Krankenhauses betrieben. Stadtführer zu werden, das war nicht der Plan, es passierte durch Zufall. „Ich vertrat einen Bekannten, der wegen einer Krankheit ausgefallen war, und bin dann dabei geblieben“, sagt er. Das Leben führt einen eben an die unglaublichsten Orte. Es ist der letzte Schultag vor den Sommerferien. Während Winkler den Gra-


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