RETROWELT #23

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GANZ PERSÖNLICH

RETTET DAS AUTO Macht’s gut und danke für den Lambo!

Fernseher, Handy und klar: Auto. Wenn es eine Sache gibt, die bleibt, dann das Auto. Sagt unser Autor Christian Werner – und er weiß auch, warum.

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as Ende des Autos? Die Vorstellung tut weh.. Puh! Klar, dass ich bei dem Gedanken daran Albträume bekomme – nichts Außergewöhnliches in meinem Alter. In Träumen kämpfe ich meist mit maskierten Banditen. Erst verfolgen sie mich, dann ich sie, dann sie wieder mich. Ich rufe nach Hilfe, die Hilfe kommt nicht, die Banditen (oder sind es Amazonen?) eilen dafür immer näher heran. Dann wache ich meistens auf. Aber wir können unser Leben ja nicht anhalten: Wir bewegen uns, wir drehen uns ständig, auch beim Essen und im Schlaf. Auch wenn wir uns anstrengen ganz still zu bleiben, bewegen wir uns trotzdem. Das kommt daher, dass wir auf sich ständig drehenden Objekten leben. Wir drehen uns mit unserem Planeten mit, der Planet dreht sich um seine Achse und um die Sonne, die sich ebenfalls dreht, und sicher dreht sich auch das Universum um irgendetwas noch Größeres herum. Selbst einem erfahrenen Rennfahrer kann bei dieser Vorstellung schwindlig werden. Das Positive an diesem unaufhörlichen Drehen ist aber meiner Meinung nach, dass es nie langweilig wird, obwohl wir uns doch immer wieder auf der gleichen Bahn bewegen. Dennoch: Mit jedem Dreh um die Sonne verändert sich unser Leben. Ideen, Personen und Geräte, die uns prägten und im Alltag begleit haben, bleiben auf der Strecke. Neue Ideen, Personen und Geräte nehmen ihren Platz ein. Regierungen werden gebildet und ausgewechselt, Kinder werden erwachsen und bekommen selbst welche, Revolu-

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RETROWELT

Text: Christian Werner

Das Auto ist für uns mehr als ein Fortbewegungsmittel. Es ist auch Symbol für Freiheit, Wohlstand und Unabhängigkeit.

tionen und Frauen begeistern oder enttäuschen, aber alles geht vorbei. Nur drei Dinge bleiben: Fernseher, Handy und Auto. Vielleicht noch der Kühlschrank. Den hatte ich vergessen. Alles andere, was uns umgibt, sind bloß moderne Mythen. Legenden, die immer dort entstehen, wo die Realität scheitert. Es entsteht ein Panoptikum „der Letzten“: Der letzte Kaiser, der letzte Samurai, der letzte Diktator Europas, der letzte Visionär. Nicht anders ist es in der Welt der Technik: der letzte Videorecorder, der letzte Plattenspieler, das letzte Mobiltelefon ohne Kamera, die letzte Aufnahme von der letzten Polaroid. Vielleicht wird es bald sogar die letzte Glühbirne geben. Aber jeder Tag bringt auch wieder Neues: Personalausweise mit elektronischen Fingerabdrücken, sprechende Uhren, aus denen erotische Frauenstimmen die Zeit ansagen, Turnschuhe, die fast von allein laufen und beim Joggen die Geschwindigkeit anzeigen, Autos, die ihre eigene Energie produzieren und sogar fliegen können. Die Faszination des Neuen hält jedoch nie lange an, daher lässt sich heute bereits sagen: Alle diese Dinge werden bald Schrott sein und keine Krähe weint ihnen eine Träne nach. Niemals wird es aber einen letzten Fernseher, letzten Kühlschrank oder ein letztes Auto geben. Es sind Geräte, die unsere Realität zusammenhalten, die uns vor dem Blick in die Tiefen der Unendlichkeit schützen, die Grundpfeiler jeder Existenz. Man müsste eigentlich diesen Geräten in jeder Großstadt ein Denkmal setzen. Eine mit Autos verstopfte Theodor-Heuss-Straße ist kein Denkmal!


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