Le Guillon Nr.57 - DE

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ZEITSCHRIFT DES WAADTLÄNDER WEINS

Nr. 57 2020/2


Nous sommes heureux

de vous accueillir dans notre cave pour une visite ou une dégustation.

Les vins du Vieux Coteau

sont maintenant aussi disponibles à la Cave de la Crausaz !

H orair e s d’ o u v e rtur e

Lundi à vendredi : 7h à 12h - 13h à 18h Samedi : 8h à 12h - 14h à 17h

CAVE DE LA CRAUSAZ – BETTEMS FRÈRES SA Chemin de la Crausaz 3 – 1173 Féchy

Tél. 021 808 53 54 – www.cavedelacrausaz.ch


Editorial

Vor dem Hintergrund der Pandemie… -messen wurden abgesagt und sind von der Agenda der Weinbranche verschwunden. Hotels, Restaurants und Bars müssen den Zutritt begrenzen. Oder haben sogar schlicht und einfach ihre Tore geschlossen. Winzer, Kooperativen und Weinhändler mussten hilflos mit ansehen, wie ihre Absatzkanäle gefährlich schrumpften. Indem sie ihre Dimensionen reduzierten und auf das Publikum verzichteten, konnten trotzdem mehrere Concours ausgetragen werden. Und sie haben bemerkenswerte Champions hervorgebracht. Umso besser. Doch die Liebhaber von Waadtländer Wei-

nen müssen den während des Lockdowns beobachteten «patriotischen» Elan aufrechterhalten. Denn ein Wein muss konsumiert werden, damit Lorbeeren und Medaillen ihren Sinn bewahren. Die Confrérie du Guillon ihrerseits hat ein «année blanche» erlebt, gewissermassen ein «Leerjahr», eine Folge der strengen Hygienevorschriften. Doch sämtliche Akteure – Gouverneur, Conseillers, Gais Compa­ gnons, Fanchettes, Trompettes, Cavistes – stehen bereits «in den Startlöchern», um ihre Talente 2021 ausleben zu können…

REVUE LE GUILLON.CH © Hans-Peter Siffert

Niemand blieb vom Coronavirus verschont. Auch die Weinprofis haben die Seuche mit voller Wucht zu spüren bekommen. Manche sogar buchstäblich und tragisch am eigenen Leib. Alle ökonomisch. Viele haben ihre ganze Phantasie und ihren Einfallsreichtum eingesetzt, um ihren Kunden trotz allem ihre Weine anbieten zu können, inmitten dieser unglaublich schweren Krise. Die Erfahrungsberichte des einen oder anderen lohnen es, diese Revue aufmerksam zu lesen. Die Ungewissheit bleibt. Doch die Weinwelt hat nicht aufgehört, sich zu drehen. Gewiss: Zahlreiche Weinsalons und

Pascal Besnard Verantwortlicher Redakteur



Inhalt Titelbild: Das winterliche Féchy, von Régis Colombo

1 Editorial 4 Covid-19: Die Waadtländer Winzer und das Virus

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14 Rettungsaktion für den Soldaten Chasselas 24 Mondeuse und Altesse: die Rückkehr der Savoyerinnen 31 Reb- und Weinprofis: Querdenker und schräge Vögel 39 Die Heldensaga von Chabag: eine Welt, die verschwindet 43 Mondial du Chasselas 2020: La Braise d’Enfer gewinnt die Königsdisziplin 49 Selektion der Waadtländer Weine 51 Internationale Weinconcours 52 Das Schloss Aigle: Das Weinmuseum lebt 57 Fische in unseren Seen und Flüssen… und Tellern!

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Confrérie du Guillon 65 Botschaft des Gouverneurs 67 «Propos de clavende» 69 Die Guillon-Cotterds im Dienst des Waadtländer Weins 75 Porträt eines Conseillers: Matteo Huber 77 Nachruf auf Pierre Schulthess 78 Die Confrérie du Guillon in vorgezogener Zukunft 80 Die Kolumne von Michel Logoz

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Le Guillon 57_2020/2  3


Text: Alexandre Truffer

Die Waadtländer Winzer und das Virus

© Bertrand Rey

Noch im vergangenen Dezember hofften viele, dass der Jahrgang 2020, der auf Französisch so wunderbar bacchantisch klingt («VinVin»), Winzern und Weinliebhabern Glück bringen möge. Heute fürchten einige, dass 2020 bloss das Jahr 1 des Coronavirus sein wird. Bevor wir uns die Gegenmittel anschauen, welche Waadtländer Winzer gegen diese einzigartige Krise gefunden haben, treffen wir einen Überlebenden dieser Krankheit, die alles andere ist als «eine kleine Grippe».

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Pierre Gentizon in seinen Reben in Constantine, im Waadtländer Vully.


Covid-19

Yves Paquier, Herold des Waadtländer Weins

Pierre Gentizon und seine Frau beginnen anfangs März zu husten. Damals macht «das chinesische Virus» langsam in Italien von sich reden. In der Schweiz dominieren Skepsis oder Gleichgültigkeit. «Da Claudine Lehrerin ist, musste sie sich bei grippeähnlichen Symptomen in Quarantäne begeben», erinnert sich der 57-jährige Winzer. Das Paar beschliesst, den Instruktionen Folge zu leisten und sich zu Hause einzuschliessen. Pierre Gentizon fühlt sich nicht gut und ruft die Hotline an. Einmal, zweimal. «Sie gehören nicht zur Risikogruppe, bleiben Sie zu Hause!», sagt man ihm. Als der Husten einem angsteinflössenden Gefühl des Erstickens Platz macht, wird unser nicht zur Risikogruppe gehörende Freund endlich von einem Arzt empfangen. Danach geht alles ganz schnell: «Sie haben mir einen Clip zum Messen des Sauerstoffgehalts im Blut an den Finger gesteckt, die Resultate waren katastrophal. Die Röntgenbilder der Lungen

© Edouard Curchod

Zu Beginn der Epidemie von COVID-19 dahingerafft wurde Yves Paquier, der einen ganz besonderen Platz einnahm in der Westschweizer Weinwelt. Seine Talente als Degustator waren in seiner Heimat, wo er den Chapeau Noir gewonnen hatte (die höchste Auszeichnung des Jean-Louis), aber auch im Ausland unbestritten. Yves Paquier war einer der wenigen Jurymitglieder, die an 25 Austragungen des Concours Mondial de Bruxelles teilgenommen haben. Sein Engagement hat ihm den Orden «du Mérite agricole français» eingebracht sowie den Preis für Weintourismus im Jahr 2011. Er engagierte sich beim Schweizer Preis für Weintourismus sowie beim Mondial du Chasselas. Yves Paquier (rechts), Botschafter des Chasselas, zusammen mit Frédéric Borloz.

strahlten wie ein Weihnachtsbaum. Naiverweise habe ich gedacht, das sei eine gute Nachricht und Weiss besser als Schwarz. Eine ehemalige Schülerin meiner Frau, die im Spital arbeitet, hat mit später gestanden, der Radiologe habe meine Chancen fast bei null gesehen. Das war an einem Donnerstag. Den folgenden Tag verbrachte ich mit einer Maske auf dem Gesicht. Am Samstag habe ich gesagt: «Töten Sie mich! Ich kann nicht mehr atmen. Ich fühle mich wie ein Fisch auf dem Trockenen.» In diesem Moment sag-

Ich war enorm berührt von all den Nachrichten der Mitglieder der Confrérie. Ich wusste, dass der Guillon eine zweite Familie ist. Doch erst heute ist mir bewusst, wie sehr das stimmt.  Pierre Gentizon, Cave des Marnes - Gentizon vins, Constantine

Vaud Winegrowers dealing with the Coronavirus It was early March when Pierre Gentizon and his wife developed a cough. At the time, people were just beginning to talk about a Chinese virus in Italy. In Switzerland, scepticism and indifference were the order of the day. “As Claudine is a teacher, she had received guidelines to self-isolate in the case of flu symptoms”, recalls the 57-year-old winemaker. So, the couple decided to follow the instructions and isolate at home. When Pierre Gentizon started feeling unwell, he called the hotline. On

his third try, he was told he was not at risk and should stay at home. When his cough gave way to a terrifying feeling of suffocation, our ‘low-risk’ friend finally got to see a doctor. Things then started moving fast: “They clamped an oxygen measuring device on my finger and the reading was catastrophic. The X-rays lit up like a decorated Christmas tree. I had naively thought that was good news, that white was better than black. A former student of my wife working at the hospital at the time later told me that the

radiologist had estimated my chances of survival at almost zero. That was on the Thursday. The next day I had a mask put over my face. On the Saturday, I think I said “Kill me! I can’t breathe. I feel like I’m suffocating.” At that point the doctors came to say they were going to put me to sleep for treatment purposes. Then the lights went out. I don’t remember anything until they came on again.” Although Pierre Gentizon admits that for him the following 13 days were not stressful, one can imagine how anxious 5


ten mir die Ärzte, dass sie mich ins Koma versetzen würden. Danach erlosch das Licht. Ich erinnere mich an gar nichts – bis sie es wieder anzündeten.» Pierrot Gentizon bestätigt, dass diese dreizehn Tage für ihn nicht schlimm waren, doch man kann sich die Angst seiner Familie vorstellen. Diese bekam eines Abends sogar einen Anruf mit der Mitteilung, die Situation verschlechtere sich zusehends und man müsse in den kommenden 24 Stunden mit dem Schlimmsten rechnen. Das künstliche Koma hat unseren Überlebenden nicht traumatisiert, doch die Rückkehr in die Welt der Lebenden erweist sich als Herausforderung. Die Extubation scheint endlos. Der Aufenthalt im Aufwachraum gleicht einem bösen Fiebertraum: «Ich sah Leute, die gar nicht da waren, schnappte vollkommen über.» Danach kommt die Phase der Rehabilitation, denn die Patienten haben nach zwei Wochen künstlichem Koma einen grossen Teil ihrer Muskelmasse verloren. Doch die schwierigsten Nachwehen sind nicht körperlicher Art. «Ich bin ins Koma gefallen, als es erst wenige Fälle gab, und beim Erwachen befand ich mich mitten in einer Kriegssituation. Am Fernsehen wurde von nichts anderem gesprochen. Man sah Bilder von überfüllten Spitälern und vollen Leichenhallen aus Italien und Spanien.» In diesem Moment wurde die Depression durch ein schreckliches Schuldgefühl verstärkt: «Junge Familienväter von dreissig Jahren hatten nicht überlebt und ich, der ich in gewisser Weise mein Leben gelebt habe, war immer noch hier. Das war ungerecht, gegen die Ordnung der Dinge», fährt Pierrot fort und betrachtet das kleine Gespenst, das sein Enkel ihm gezeichnet hat, um ihn «vor

der Krankheit zu beschützen». Heute geht der Vully-Winzer wieder ganz normal seinem Beruf nach. Sein Geschmackssinn ist zurückgekehrt, «ich hatte ihn nicht verloren, aber alles erschien mir widerlich», und er hat auch wieder zugenommen. Selbst die Moral dieses jovialen Conseiller du Guillon ist wieder intakt: «Ich war enorm berührt von all

den Nachrichten der Mitglieder der Confrérie. Ich wusste, dass der Guillon eine zweite Familie ist. Doch erst heute ist mir bewusst, wie sehr das stimmt.»

his family must have been. One evening they had even had a call to say that his condition was deteriorating and that they should prepare for the worst within the next 24 hours. The artificial coma was not a traumatic experience, but his return to the land of the living was quite another story. The tube-removing procedure seemed endless. His stay in the recovery ward was like a horrific hallucination. “I was seeing people who weren’t there, I was completely off my rocker”. Next came the rehabilitation phase because a two-week coma brings about a

rapid loss of muscle mass. But the worst after-effects are not physical. “When I was put to sleep, there were only a few cases, but I woke up to a state of war. On TV that’s all they talked about. They showed images of overcrowded hospitals and morgues in Italy and Spain.” That was when on top of feeling depressed, he began to feel guilty: “Young, thirty-year old fathers didn’t survive, while I’ve sort of had my life and was still here. That was unfair, it goes against the natural order of things”, continued Pierre, casting a glance at the little ghost his grandson had drawn “to protect him from

illness.” The winegrower from Vully is back in shape and has now returned to his normal everyday activities. He has recovered his sense of taste – “I hadn’t really lost it, everything just tasted disgusting” – as well as a few of those extra kilos. Our cheerful Guillon councillor has also recovered his usual good spirits: “I was greatly touched by the messages from Guillon fellow members. I always knew that the Confrérie du Guillon was like a second family. I now realise how true that is.”

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Covid-19

Hoffnungsschimmer inmitten des ökonomischen Sturm

Der Lockdown im Zusammenhang mit der Pandemie hat die ökonomische Landschaft auf den Kopf gestellt. Wie jede Krise hat auch diese ausserordentliche Situation die Waadtländer Winzer dazu gezwungen, sich anzupassen. Wir ziehen Bilanz, zusammen mit einigen Akteuren, die sich gut aus der Affäre gezogen haben.

© Bertrand Rey

Die Gruppe Schenk, grösster Akteur auf dem Waadtländer Weinmarkt, gehört zu jenen Unternehmen, die beim kleinsten Schnupfen das ganze Weinbaugebiet zum Niesen bringen. Wie hat das «grosse Haus» in Rolle diese Periode der Pandemie erlebt? Diese Frage stellen wir André Fuchs. «Die Verkäufer im Bereich Horeca (Hotels, Restaurants und Cafés) mussten ihre Aktivitäten natürlich komplett einstellen während dem Lockdown», erklärt der Generaldirektor von Schenk. «Stark gebremst wurden auch Kellermeister und Wiederverkäufer, die in der Regel eng mit der Gastronomie zusammenarbeiten. Dagegen haben die Grossverteiler normal funktioniert, sogar ein bisschen besser als gewöhnlich. Die Gruppe

hat viel getan, um unsere Filialen zu unterstützen, die direkt an die Privatkundschaft verkaufen. Der Akzent wurde mittels elektronischer oder konventioneller Post auf Promotionsangebote rund um Schweizer Weine gelegt, um vom ‹patriotischen› Effekt zu profitieren. So konnten wir einen Teil der Ausfälle im Horeca-Segment kompensieren, aber nicht alles.» André Fuchs bestätigt, die Absage von zahlreichen Weinsalons und -messen gehöre zu den schädlichsten Konsequenzen für die Weinhandlungen. «Wir haben unsere Kunden kontaktiert und ihnen Degustationskartons à sechs oder zwölf Flaschen angeboten, damit sie die Weine zu Hause vergleichen können, bevor sie bestellen. Im Allgemeinen hat alles, was wir

Wir haben unsere Kunden kontaktiert und ihnen Degustationskartons à sechs oder zwölf Flaschen angeboten, damit sie die Weine zu Hause vergleichen können, bevor sie bestellen.  André Fuchs, Generaldirektor von Schenk

Rays of hope amid the economic storm The semi-lockdown measures that have been imposed to tackle the pandemic have put a considerable damper on economic activity. Vaud winemakers have had to adapt. A review of some of those who have managed to effectively address the crisis. A leading actor on the Vaud wine scene, the Schenk group is one of those companies that when they sneeze the whole wine industry catches a bad cold. How has this major Rolle firm lived through the pandemic? The CEO, André Fuchs, answered the question: “The salespersons working with hotels and

restaurants experienced a total cessation of their activities during the months of semi-lockdown. This slowdown also badly affected wine merchants and retailers who tend to work a lot with the restaurant sector. On the other hand, big supermarket chains functioned normally, even a bit better than usual. We

made a great effort to support our subsidiaries that sell direct to private clients. By focusing on Swiss wines, we took advantage of the ‘patriotic’ effect. That made it possible to partially, not fully, compensate losses in the hotel and restaurant sector.” André Fuchs closed by pointing out the cancellation of trade 7


© Bertrand Rey

für die Privatkunden unternommen haben, gut funktioniert. Doch wenn ein Anlass wie Divinum abgesagt wird, ist der Verlust, den es wettzumachen gilt, riesig.» Unser Gesprächspartner bestätigt, die Solidarität habe eine wichtige Rolle gespielt: «Viele Kunden, welche die nötigen Mittel hatten, haben eine grosse Bestellung aufgegeben. Natürlich muss dieser Wein auch getrunken werden, und es ist möglich, dass sich mittel- oder langfristig der Effekt voller Keller bemerkbar macht.»

Karton «Stay home» und Cuvées Paléo Die Cave de La Côte, im Oktober 2019 zur Schweizer Kellerei des Jahres erkoren, konnte den Schock des Lockdowns dank ihrem vielfältigen Distributionsnetz abfedern, wie Marc Vicari erklärt. «Hotellerie und Gastronomie sind wichtige Partner, aber wir arbeiten auch eng mit Grossverteilern zusammen; Letztere haben auch während des Lockdowns funktioniert – und zwar sehr gut!» Wie alle Unternehmen, die ihr Ange-

bot angepasst haben – vor allem bezüglich Lieferkosten –, verkaufte die Kooperative in Tolochenaz deutlich mehr an ihre Privatkunden. «Der digitale Verkauf ist explodiert», bestätigt der Marketingdirektor. «Wir haben einen Karton namens Stay home angeboten, der sich bestens verkaufte.» Von all den Lehren, die aus dieser aussergewöhnlichen Periode zu ziehen sind, hebt Marc Vicari die Bedeutung des Einkaufstourismus hervor: «Wir beobachteten eine starke Zunahme, die deutlichste aller Sektoren, der Aktivitäten der Wiederverkäufer in der Region Genf. Die Grenzschliessung hat den Einkaufstourismus zum Erliegen gebracht; dieser entpuppte sich übrigens als viel bedeutender als vermutet.» Als weitere Konsequenz der Pandemie fühlten sich viele Leute den lokalen Produzenten verbunden. «Interessanterweise haben viele trotz gelockerter Restriktionen weiterhin das Bedürfnis, Schweizer Wein zu kaufen. Wir haben einen Quaiverkauf und einen lokalen Markt organisiert, die beide sehr erfolgreich waren. Als Weinpartner des Paléo-Festivals haben wir zwei Spezialcuvées kreiert – eine weisse und eine rote, angeboten in Subskription –, um unsere Solidarität auszudrücken: ein Teil des realisierten Gewinns geht ans Festival. Auch hier hatten wir Erfolg.» www.cavedelacote.ch

Hotellerie und Gastronomie sind wichtige Partner, aber wir arbeiten auch eng mit Grossverteilern zusammen; Letztere haben auch während des Lockdowns funktioniert – und zwar sehr gut!  Marc Vicari, Marketingdirektor, Cave de La Côte

fairs was having a very damaging effect on the business of wine. A Stay Home box The Cave de La Côte, Winery of the Year in 2019, was able to cushion the shock of lockdown thanks to its diversified distribution network. Marc Vicari, marketing director, went on to explain: “Hotels and restaurants are important partners for us, but we also work a lot with big supermarkets which performed well during lockdown.” Like many of the companies that reacted by adapting 8

their offer – in particular by doing away with shipping charges – the Tolochenaz Cooperative saw a sharp increase in sales to private clients. “Internet sales exploded. We created a Stay Home box that did very well”. He pointed out that the importance of cross-border shopping was an important lesson to be drawn from this extraordinary period. “We had been seeing exceptionally strong growth in retail sales in the Geneva region. With the closure of frontiers cross-border shopping stopped abruptly”. www.cavedelacote.ch

Réserve de la Quarantaine Vincent Graenicher of the Tartegnin winery explains that 60% of his turnover is made with intermediaries. “From the start of the year I was worried that COVID might create economic problems, but I never imagined that things would go this far. One day, I was drinking a Mouton-Rothschild 1945, with Year of Victory on the label. That made me realise that wine could also be a marker of extraordinary times. I’m not Rothschild and it’s not the Second World War, but this pandemic is an un-


Covid-19

Der Quarantänewein Vincent Graenicher bestätigt, dass er 60% seines Umsatzes via Zwischenhändler tätigt. «Seit Anfang Jahr hatte ich Angst, dass uns das Coronavirus wirtschaftliche Probleme bereiten könnte, auch wenn ich mir nie vorgestellt hätte, wie weit das schliesslich gehen würde. Eines Tages habe ich einen Mouton-Rothschild 1945 getrunken, auf dessen Etikette Jahr des Sieges stand. Da ist mir bewusst geworden, dass der Wein ein starker Zeitmarker sein kann. Ich bin nicht Rothschild und es ist nicht der Zweite Weltkrieg, aber diese Pandemie ist für unsere Generation ein beispielloses Ereignis. So habe ich diese Réserve de la Quarantaine als Zeitmarker konzipiert, als Wein, der uns an diese besonderen Momente erinnern wird.» Der Winzer aus Tartegnin hat dafür lagerfähige Weine verwendet, die er vorrätig, aber noch nicht verkauft hatte: einen Chasselas von alten Reben in Montsur-Rolle (7000 Flaschen) und einen in Barriques gereiften Gamay (500 Flaschen). «Ich habe einen Grafiker angefragt, ob er mir eine relativ spartanische Etikette kreieren könnte, die zur Stimmung des Moments passt. So ist das R der Réserve, das in der Mitte der Etikette prangt, in Jadegrün gehalten, als Symbol für Hoffnung.» Vincent Graenichers

Meisterstück bestand darin, dass er genügend antizipierte, um diese Weine genau dann lancieren zu können, als der Lockdown verkündet wurde. «Ich schickte das Pressedossier an einige Journalisten und an QoQa. Die Reaktionen – mit Artikeln in Le Temps und in 24 Heures – waren sehr positiv. Dank dieser Sichtbarkeit und dem Angebot auf Qwine waren wir extrem gefragt. Viel mehr, als ich mir das vorstellen konnte. Die Verluste wegen der Schliessung der Restaurants wurden kompensiert durch den Verkauf dieser zwei Weine an Private.» Ein weiterer Vorteil dieser Kommunikation: Die zahlreichen neuen Kunden, welche die Réserve de la Quarantaine bestellten, lernten so das Weingut kennen. «Ich bin sehr glücklich

über den werberischen und kommerziellen Erfolg, doch die Idee war eigentlich, lagerfähige Weine zu kreieren, die man in einigen Jahren verkosten kann – dann, wenn Lockdown und Pandemie nur noch eine unschöne Erinnerung sind.» www.graenicher-vins.ch «Chasselas Grippe» und «Les Rosés sociaux» «Wir sind in den Restaurants und Hotels der Region gut vertreten. Zum Glück sind März und April nicht die intensivsten Verkaufsmonate», gesteht François Grognuz von der Cave des Rois. Der Winzer aus Villeneuve präzisiert, dass die «Idee für den Chasselas

So habe ich diese Réserve de la Quarantaine als Zeitmarker konzipiert, als Wein, der uns an diese besonderen Momente erinnern wird.

© Bertrand Rey

Vincent Graenicher, Domaine de Penloup, Tartegnin

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“La meilleure façon de résister à la tentation, c’est d’y céder” O. Wilde


Covid-19

© Marina Forney

François Grognuz, Cave des Rois, Villeneuve

precedented event for our generation. So Réserve de la Quarantaine was designed as an event marker, a wine that will remind us of these extraordinary times.” Graenicher used wines with good ageing potential – a Chasselas from old vines in Mont-sur-Rolle (7,000 bottles) and a Gamay matured in barrels (500 bottles) – which he had in stock and had not yet been marketed. The losses incurred due to the closure of restaurants were widely compensated by the sale of these two wines to private clients. www.graenicher-vins.ch

© Philippe Dutoit

Die Idee für den Chasselas Grippe ist während einer Diskussion im Bistro entstanden. Als wir die Dimensionen sahen, die das annahm, was viele anfangs als kleine Grippe abtaten, haben wir diese Etikette kreiert und Werbung gemacht auf den sozialen Kanälen.  Marco und François Grognuz

Grippe während einer Diskussion im Bistro entstanden ist. Als wir die Dimensionen sahen, die das annahm, was viele anfangs als kleine Grippe abtaten, haben wir diese Etikette kreiert und Werbung gemacht auf den sozialen Kanälen. Die Leute auf Facebook und Instagram waren hin und weg – und wir überrascht vom kommerziellen Erfolg.» Da die Kunden auch einen Lockdown-Rosé und -Roten forderten, kreierte die Familie Grognuz eine Assemblage auf der Basis von Syrah namens «Syrah mieux demain On sortira tous du rouge» und einen Œil-de-Perdrix namens «Les Rosés sociaux», als Referenz an die skypéros (Skyper). «Unsere Druckerei, Eticolle, hat sehr schnell reagiert, so konnten wir diese Weine rasch auf den Markt bringen. Wir haben darauf geachtet, die Kunden, die bestellten, sofort zu beliefern, damit diese auf den sozialen Medien Bilder unserer Weine posten konnten», präzisiert François Grognuz, der im Lockdown rund 3000 Flaschen absetzte.

Parallel dazu hatte die Cave des Rois das Projekt Chassel’ice in der Schublade. «Diese Idee hatte ich zusammen mit meinen Partnern vom Weihnachtsmarkt in Mon­ treux. 2019 habe ich einen Wein produziert (4000 Liter), der schon beim Pressen wie ein Schaumwein behandelt wurde: die ersten und letzten Posten Presswein haben wir eliminiert und den biologischen Säureabbau blockiert, um die Säure zu bewahren. Dann haben wir Œnologie à façon gebeten, dem Wein Kohlensäure zuzusetzen. Die Idee war, einen erfrischenden Brut zu erhalten, mit dem man Cocktails mixen kann.» Unser Gesprächspartner zeigt sich besorgt darüber, dass all die «Spritz», die man an der Waadtländer Riviera süffelt, systematisch mit Prosecco gemischt werden. «Es gibt keinen Grund, wieso wir nicht fähig sein sollten, eine lokale Alternative auf der Basis von Chasselas anzubieten und dem Spritz ein bisschen Swissness zu vermitteln.» www.cavedesrois.ch

Chasselas grippe and Rosés sociaux “Our products are well distributed in regional restaurants and hotels. Luckily, March and April are not the busiest months for sales”, explains François Grognuz of the Cave des Rois in Villeneuve. The winemaker tells us that “the idea of Chasselas Grippe (Chases Flu Away) came up during a bistro chat. When we saw that what many considered a simple 24-hour flu was taking on huge proportions, we created the label and promoted it on social media. On Facebook and Instagram there was a lot

of excitement about it.” So, the Grognuz family launched a Syrah-based blend, Syrah mieux demain On sortira tous du rouge (wordplay: It’ll be better tomorrow We’ll all come out of the red/bring out a bottle of red), and an Œil-de-Perdrix, Les rosés sociaux (Social Rosés), a nod to skypéros (Skypeaperitifs). “We made sure we delivered customers’ orders immediately so that they would post pictures of our wines on social media.” Three thousand bottles were delivered during lockdown. www.cavedesrois.ch 11


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Cha R’donne Le Moral! Am 6. März fragt sich die Tageszeitung 24 Heures, ob der Chasselas das Wundermittel gegen COVID-19 sein könnte. Die Waadtländer Zeitung übernimmt eine «wissenschaftliche Publikation» des Magazins Santé, das bestätigt, «eine Flasche Chasselas pro Tag zu trinken, reduziert die Gefahr, vom Virus befallen zu werden, um 99%», vor allem dank dem Alkohol, «dem besten Desinfektionsmittel für den menschlichen Körper». Dieser Artikel, der für viel Gesprächsstoff sorgt, ist in der Tat ein PR-Coup, geschickt orchestriert von Sébastien Chappuis und Bryan Tettoni von der Cave Arc-en-Vins. Ersterer ist der Sohn von Raymond Chappuis, dem Gründer dieses Unternehmens in Puidoux, der zweite dessen Neffe, der vor zwei Jahren Nestlé verlassen hat, um die Kommunikation des Familienunternehmens zu unterstützen. «Später hätten wir niemals gewagt, diesen Artikel zu lancieren, denn es gab schreckliche Dramen», gibt Bryan Tettoni zu. «Unsere Kommunikation auf den sozialen Netzwerken ist inspiriert von der Aktualität, und das war das aufstrebende Thema des Augenblicks, auch wenn niemand ahnte, welche Bedeutung die Pandemie erlangen würde. Die Pub-

© Philippe Dutoit

Covid-19

likation wurde zum Hype und viele riefen an, um die «Covid-Flasche» zu kaufen, obwohl unsere Etikette noch nicht einmal gedruckt war. Wir entschieden uns, diesen Chasselas namens Cha R’donne Le Moral mit einer strahlenden Sonne zu versehen, dem Emblem von Chardonne. Vor allem aber sollte dieser Wein eine positive Nachricht vermitteln: Wir werden das Coronavirus besiegen und, sobald das Gewitter vorbeigezogen ist, wird die Sonne wieder für alle strahlen.» www.arc-en-vins.ch

Von links: Sébastien und Raymond Chappuis mit Bryan Tettoni von Arc-en-Vins.

Wir entschieden uns, diesen Chasselas namens Cha R’donne Le Moral mit einer strahlenden Sonne zu versehen, dem Emblem von Chardonne. Vor allem aber sollte dieser Wein eine positive Nachricht vermitteln: Wir werden das Coronavirus besiegen und, sobald das Gewitter vorbeigezogen ist, wird die Sonne wieder für alle strahlen.  Bryan Tettoni

Cha R’donne Le Moral! (It Lifts Your Spirits!) On March 6th, the Vaud daily, 24 Heures, was wondering whether Chasselas could be a miracle remedy against COVID-19. The newspaper reprinted an article from Santé magazine that stipulated that “drinking a bottle of Chasselas a day could reduce the chances of getting the virus by 99%”, thanks in particular to the alcohol, “the best disinfectant for the human body”. This article, which got a lot of attention on social media, was

in fact a communication coup orchestrated by Sébastien Chappuis and Bryan Tettoni, from the Arc-en-Vins winery. “With hindsight, we wouldn’t have dreamed of publishing the article any later, for there have been tragic circumstances”, confided Bryan Tettoni. “Our social media communications are inspired by current events and at the time that was the leading topic even though no-one was aware of how important the pandemic would become. Many people called wanting to buy our ‘COVID bottle’, even before the

label was printed. Our Chasselas from Chardonne was named: Cha R’donne Le Moral”. www.arc-en-vins.ch

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Text: Pierre Thomas Fotos: Philippe Dutoit

Louis-Philippe Bovard mit seinen zwei «neuen Chasselas» im Conservatoire von Rivaz.

Rettungsaktion für den Soldaten Chasselas

Didaktische Tafeln erklären den Besuchern Sinn und Zweck der Conservatoires.

Er ist mit Abstand die Hauptsorte des Waadtlands. Und bleibt flächenmässig die wichtigste Weissweinsorte der Schweiz. Der als neutral geltende Chasselas setzt auf seine Biodiversität. Ein Versprechen für die Zukunft!

© Pascal Besnard

Das Conservatoire von Mont-sur-Rolle, Teilansicht.

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2008, als Louis-Philippe Bovard mit seinem Projekt des Conservatoire Mondial du Chasselas in Rivaz den mit 30 000 Franken dotierten Preis der Waadtländer Pensionskasse gewann, haben einige milde gelächelt. Ein hübsches Schaufenster für diesen Winzer, der immer eine Idee voraus ist! Zehn Jahre später kommt eine Neuheit auf den Markt: der Villette Bois rouge 2018, im Keller von Cully in kleinen Fudern ausgebaut. Nun, ehrlich gesagt, er stammt nicht nur vom «Bois rouge», sondern zur Hälfte vom «Giclet». Also von zwei alten ChasselasTypen, die als «Fendant» oder «Giclet» bezeichnet werden, je nachdem, ob sich die Haut der Traubenbeeren unter dem Druck der Finger spaltet und ein festes Fruchtfleisch freigibt (Fendant) oder ob die Beeren sehr saftig sind und sich spritzend öffnen (Giclet). Der Giclet, neu angepflanzt und reinsortig abgefüllt, besitzt mehr Säure und hat Bovards Zürcher Agenten Zweifel ver-

führt, der ihn diesen Herbst als «Vase 6» in den Verkauf bringt. Im Alter von 85 Jahren proklamiert der «Baron des Dézaley»: «Ich glaube daran! Wir müssen uns in diese Richtung bewegen. Hin zu einem Weisswein, der den biologischen Säureabbau gemacht hat, aber eine schöne Frische bewahrt.» Und stellt fest: «Wegen der Klimaerwärmung trägt der Chasselas zu viele Trauben, wenn er auf Drahtrahmen erzogen wird. Die Ziele haben geändert, so wie der Geschmack der Konsumenten.» Pully, das Mekka des Chasselas Lösungsansätze, um das Problem zu lösen, hat er im Conservatoire Mondial du Chasselas von Rivaz gefunden, unter Leitung von Agroscope, seinem wissenschaftlichen Partner. Auf der Versuchsdomäne von Caudoz, in Pully, ist es den Forschern im Lauf der Jahre gelungen, 381 Klone der Sorte Chasselas zusammenzutragen, die mit


Rebsorten

Wegen der Klimaerwärmung trägt der Chasselas zu viele Trauben, wenn er auf Drahtrahmen erzogen wird. Die Ziele haben geändert, so wie der Geschmack der Konsumenten.  Louis-Philippe Bovard

ihrer frühen Reife den Weinbaukalender kalibriert. Das ist weltweit die grösste Chasselas-Kollektion, darunter auch Klone, die aus Frankreich repatriiert wurden. Es fehlen lediglich sieben oder acht deutsche Varietäten aus der Region von Baden, unweit von Basel, auf dem rechten Rheinufer, zur absoluten Vollständigkeit. Das Waadtland ist die grösste Region der Erde, in der sich der Chasselas als Weinund nicht als Tafeltraube entfaltet, auf mehr als einem Drittel der weltweit für die Weinproduktion angebauten 6000 ha Chasselas (Elsass, Pouilly-sur-Loire, Savoyen, Baden, ganz wenig in den USA, in Mexiko und in Kanada, im Süden von Chile und in Ost-

europa). 2005 wurde der Chasselas als wichtigste Sorte vom Pinot Noir entthront, doch er bleibt die weisse Hauptsorte der Schweiz, vor allem in der Romandie, auch wenn er von 5577 ha im Jahr 1994 (fast 80% der weissen Sorten und 37,5% der Schweizer Rebfläche) auf 3672 ha im Jahr 2018 (weniger als 60% der weissen Rebsorten und 25% der Schweizer Rebfläche) geschrumpft ist. Das Wallis hat fast 1000 ha Chasselas verloren (und pflegt noch 822 ha), während er in der Waadt um 437 ha auf heute 2264 ha abnahm und rund 19 Mio. Liter Wein ergibt, alle Qualitäten zusammengerechnet, also 68% der insgesamt 28 Mio. Liter Wein der Ernte 2019. Eine omnipräsente Selektion Wenn sich also niemand darum kümmert, jetzt und hier, dann ist die Zukunft des Chasselas so unklar wie seine Herkunft… Trotz DNA-Tests konnten seine Eltern nicht aufgespürt werden, der Chasselas ist also ein Waisenkind, aber «einer der unsrigen», das beweisen schon die ersten Texte, die ihn erwähnen, im 16. Jh., wie es der Genetiker José Vouillamoz nachgewiesen hat. Und es

ist seine grosse Vielfalt in den Waadtländer Rebbergen im 19. Jh., die zur Annahme führte, die Sorte habe sich an den Ufern des Lac Léman multipliziert, also da, wo sie geboren wurde und prosperierte. Nach der Phylloxera und den Krisen der 1930er-Jahre ermutigte seine Wankelmütigkeit bei der entscheidenden Rebblüte die Forscher dazu, regelmässigere Klonen zu selektionieren. Daran arbeiteten sie seit 1923. Zu Ende der 1940er-Jahre wurde der Klon 14/33-4, genannt «haute sélection», geboren, und zwar auf der Domaine du Caudoz. Der Frost des Jahres 1956 zerstörte die Rebberge fast vollständig, sodass diese «haute sélection», die hohen Ertrag garantierte, die Rebberge kolonisierte – und das zu einem Moment, als die Schweiz auch den einfachsten Weisswein mittels Protektion schützte. Heute ist dieser produktive Klon zwischen Founex und Bex mit Abstand der am häufigsten angepflanzte. In den 1990er-Jahren, unter der Ägide von Jean-Louis Simon, entnimmt Changins Rebstöcke in Rivaz und leitet eine erste Diversifizierung der Klone ein. Blaise Duboux

Chasselas Must Be Saved It is by far the leading grape variety in the Vaud vineyards and is Switzerland’s champion white in terms of acreage. With its reputation for producing neutral wines, the challenge for the future is to focus on biodiversity. When in 2008 Louis-Philippe Bovard won first prize and was awarded 30,000 francs in the Retraites Populaires vaudoises competition for his project to create a Conservatoire Mondial du Chasselas in Rivaz, he was not taken

seriously. Ten years later in his winery in Cully, he produced a novelty, matured in small oak barrels: Villette Bois rouge 2018. In fact, not entirely Bois Rouge but half Giclet. It is made from two very old types of Chasselas, namely Fendant and Giclet depending on whether when pressed between the fingers the wine grape is fleshy and splits (fendre to split), or the juice squirts (gicler to squirt). The newly planted and more acidic Giclet impressed his Zurich agent, Zweifel, who will be marketing it

this autumn under the label Vase 6. The 85-year-old Bovard, known as the Baron of Dézaley, firmly believes that the direction we should be taking is to produce a white wine that goes through a secondary malolactic fermentation yet retains its freshness. He points out that “With global warming, Chasselas grapevines grown on a trellis have become too fruitful. Our objectives have changed and so have consumer tastes”.

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e c n e ll e c x e ’ L s n a s e d l i f au

2015

Meilleur Chasselas du Monde

2016

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2019

Médaille d’Or

Médaille d’Or

Médaille d’Or

Médaille d’Or & nominé

Mondial du Chasselas 2017

Mondial du Chasselas 2018

Mondial du Chasselas 2019

Mondial du Chasselas 2020

Mondial du Chasselas 2016 CAVE DE LA CÔTE | Chemin du Saux 5 | CH-1131 Tolochenaz (VD)T | T. +41 21 804 54 54 | www.cavedelacote.ch


Rebsorten

aus Epesses, Präsident von Arte Vitis, erinnert sich daran. Und nicht ohne Grund: Er hat seine Diplomarbeit als Önologe über diese Versuche geschrieben! «Die Unterschiede waren statistisch sehr schwer nachzuweisen.» Zwanzig Jahre später gelang es Jean-Laurent Spring, Chef der Gruppe Weinbau bei Agroscope, neue Klone zu selektionieren, aufgrund der Beobachtung von 180 Klonen der Kollektion. Diese neuen Selektionen mit den Nummern RAC 72 bis 75 sollten den Winzern via Rebschulisten ab jetzt zur Verfügung stehen. Sie gesellen sich zu den RAC 4 bis 8 aus den 2000er-Jahren und erhöhen die Zahl der verfügbaren Chasselasklone damit auf zehn. Stoff also, um nuanciert arbeiten zu können, wenn das die Winzer denn wollen… Besser noch: Die Forschung hat polyklonale Selektionen herausgearbeitet, die dieses Jahr in Rivaz gepflanzt wurden; bei ihnen kann die Produktivität gewählt werden (schwach, mittel oder gross), ihre Säure ist lebhafter und sie können mehr Stickstoff enthalten. Der letzte Punkt ist interessant. Denn wenn es dem Most an Stickstoff fehlt, dann verleiht ein durch dieses Defizit erzeugtes Molekül dem Wein gefährliche Aromen, wie der Önologe Richard Pfister erklärt: «Dieses Molekül sorgt für Bitterkeit und Adstringenz, kombiniert mit komplexen Noten, die teilweise positiv wirken, trotz der Tatsache, dass der Wein vorzeitig altern wird: Akazienblüten, Möbelpolitur, Lindenblüten, Weissdorn, Heu, frisch geschnittenes Gras, feuchte Wäsche. Es hat auch einen verhüllenden Effekt auf die anderen aromatischen Moleküle und reduziert folglich Intensität und Komplexität des Buketts. Zudem führt

An important centre for Chasselas in Pully Together with Agroscope research station, he found a way for approaching the problem thanks to the Conservatoire Mondial du Chasselas in Rivaz. At the Caudoz experimental estate in Pully, researchers have assembled 381 clones of this variety whose early ripening serves to calibrate the winegrowing calendar. It is the largest collection of different Chasselas wine grapes in the world and includes clones brought back from France. To complete the collection, only seven or eight German varieties from the

es zu einem Stress der Hefen während der Gärung, wenn der assimilierbare Stickstoff im Most nicht korrigiert wird. Sprich: zu reduktiven Noten.» Und Reduktion ist einer der klassischen Fehler, die man in Chasselasweinen entdecken kann.

Laura Paccot kultiviert in Mont-sur-Rolle ihre verschiedenen Chasselasklone gemäss biodynamischen Regeln.

Ein zweites Konservatorium in der Waadtländer Côte Das als Stiftung organisierte Conservatoire Mondial du Chasselas in Rivaz, das einen halben Hektar umfasst, besitzt seit vier Jahren eine Replik in Mont-sur-Rolle, bei Laura Paccot, in der Lage Petit-Clos, welche die junge Winzerin von ihrer Grossmutter mütterlicherseits geerbt hat. Die ersten Vinifikationsversuche mit den vielversprechends-

Baden region, downstream from Basel, on the right bank of the Rhine, are missing. The Vaud vineyards are also the largest region in the world planted to the Chasselas wine grape, accounting for more than a third of the 6,000 ha considered suitable for wine growing (alongside Alsace, Pouilly-sur-Loire, Savoie, Baden, some areas in the USA and Canada, in southern Chile and Eastern Europe). Although it lost its place as the leading Swiss variety to Pinot Noir in 2005, Chasselas is still the leading white variety in Switzerland, especially in the

French-speaking part, even though its cultivated area dropped from 5,577 ha in 1994 (almost 80% of white varieties and 37.5% of Swiss vineyard acreage) to 3,672 ha in 2018 (less than 60% of white varieties and 25% of Swiss vineyard acreage). The Valais region has dropped by 1,000 ha to 822 ha while in the Vaud area, after declining by 437 ha, there are still 2,265 ha planted to Chasselas, which in 2019 produced 19m litres of wine, that is 68% of the national total of 28m litres.

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Die beiden Wissenschaftler Olivier Viret (links) und Jean-Laurent Spring engagieren sich in der Evolution der wichtigsten Schweizer Weissweinsorte.

The ever-present, high selection clone Chasselas is an orphan grape variety of unidentified parents, despite DNA testing. However, it is an indigenous variety, first referred to as such in sixteenth-century texts and later confirmed by the geneticist José Vouillamoz. In the nineteenth century, the great diversity of grape types in the Vaud vineyards led to the belief that the wine grape had multiplied around the Lake of Geneva, in the region where it had originated and prospered. After the phylloxera epidemic and following the crises in the 1930s, researchers had observed its versatility, especially 18

ten Klonen starten dieses Jahr, nächstes Jahr sollen die polyklonalen Selektionen gepflanzt werden, in einer Versuchsparzelle von fast einem Hektar. Die beiden Standorte Rivaz und Mont-sur-Rolle können besichtigt werden: Informationstafeln und die Namen der betreffenden Klone am Anfang jeder Rebzeile erklären, worum es geht. So wird man die Entwicklung der Pflanzen unter unterschiedlichen Boden-, Klima und Weinbaubedingungen vergleichen können, gemäss Integrierter Produktion kultiviert im Lavaux, biodynamisch in der Côte. Dieses Jahr publiziert Jean-Laurent Spring einen Vergleich der wichtigsten Chasselasklone unter besonderer Berücksichtigung der

beiden Konservatorien. «Wir schreiben die Geschichte des Chasselas neu», fasst Olivier Viret zusammen, der Weinbauspezialist, der von Changins nach Marcelin gewechselt hat, vom Bund zum Kanton also. In Erwartung weiterer Kreuzungen zwischen Chasselas und einer resistenten Sorte, um in direkter Linie zu Divico und Divona eine neue weisse Rebsorte zu schaffen, die wenig oder gar keine Behandlungen im Rebberg verlangt, eine Art «Superchasselas», mit dem Zeithorizont von 2035. Doch er wird – wissenschaftlicher Ethik geschuldet – nicht den Namen Chasselas tragen, auch wenn mehr als 50% seines Genoms auf den Chasselas zurückgehen…

in the key flowering period in the spring, and were focusing on selecting more regular grape-vine clones. By the end of the 1940s the 14/33-4 high-selection clone was created at the Caudaz experimental estate. When in 1956 frost destroyed the vineyards, this high yielding and production enhancing clone was widely planted, at a time when Switzerland was restricting imports of white table wine. Still today, from Founex to Bex, this clone is by far the majority wine grape. In the 1990s, under the auspices of Jean-Louis Simon, Changins, researchers took cuttings from vine stock in

Rivaz and started clonal diversification. Blaise Duboux, from Epesses, the president of Arte Vitis, remembers this for the good reason that he based his oenology diploma work on those trials! “It was very difficult to demonstrate the differences statistically”, he explains. Twenty years later, Jean-Laurent Spring, head of the Agroscope viticulture group, selected new clones, based on the observation of 180 clones in the collection. These new numbered selections should now be available to wine growers at nurseries, thus bringing the number of available Chasselas clones to ten.


Rebsorten

Christian Dupuis, Winzer und Rebschulist in Féchy.

© Pascal Besnard

Das Terroir ist wichtiger als der Klon. Der Chasselas saugt sich voll mit dem Terroir, er ist wie ein Schwamm der Mineralität. Wenn der Boden nichts ausdrückt, ergibt er nur kleine Weine.  Blaise Duboux, Präsident von Arte Vitis

Biologischer und biodynamischer Anbau ändern die Ausgangslage! Die wichtigste Schnittstelle in der Umsetzung all dieser von den Wissenschaftlern bestätigten Versuche sind die Rebschulisten. Es gab eine Zeit, da vermehrte (fast) jeder Winzer seine besten Rebstöcke mittels eigener Selektion. Auf der Domaine de la Colombe, bei der Familie Paccot, hielt man das so bis in die 1970er-Jahre. Unterhalb von Féchy pflegt Christian Dupuis seine Rebschule, neben seinem Weingut, auf dem er vier verschiedene Chasselas von unterschiedlichen Parzellen anbietet. In Allaman verfügt er über eine kleine Kollektion von zehn Chasselas und pflegt seine massale Se-

lektion, die er Kollegen anbietet, vor allem als Ersatz von «fehlenden» Rebstöcken (Stöcken, die nichts mehr produzieren) oder wenn eine ganze Parzelle neu bestockt wird. Blaise Duboux macht in Villette dasselbe, mit alten Rebstöcken, die er beim Vater eines Kollegen sichergestellt hat. Beide, Dupuis und Duboux, sind sich einige: «Sowohl der 14/33-4 als auch der RAC 4, der davon abstammt, sollten nicht unterschätzt werden. Sie haben ihr letztes Wort noch nicht gesprochen!» Der Lavaux-Winzer, der seine Reben biodynamisch bewirtschaftet, erklärt, eine nach IP-Regeln als grosszügig bekannte Selektion könne durchaus einen geringeren Ertrag erbringen, wenn sie biologisch oder

Another conservatory in the La Côte region Four years ago, the Conservatoire Mondial du Chasselas in Rivaz, set up as a foundation, with a surface area of half a hectare, was replicated in Mont-surRolle, at Laura Paccot’s Petit Clos plot that she had inherited from her grandmother. The first winemaking tests using superior quality clones are due to begin this year, and next year polyclonal selections will be planted on an experimental plot of approximately one hectare. Both the Rivaz and the Mont-sur-Rolle sites can be visited. Information panels have

been set up and signs at the beginning of each line of grapevines indicate the relevant Chasselas clone. It will now be possible to compare the evolution of plants cultivated under different soil, climatic and cultural conditions, using integrated production methods in Lavaux and biodynamic methods in the La Côte region. In the meantime, there will be other crossings of Chasselas and disease resistant varieties in the search for a new white grape variety requiring little treatment or none at all - a kind of Super-Chasselas by say 2035!

Respect for the grape now takes precedence over oenological manipulations, particularly with the growth of organic and biodynamic farming and winemaking specifications that limit inputs. The terroir comes before the grape variety In Vaud, just as in Bourgogne but not in Alsace, the history of winemaking shows that the place of production overshadows the grape variety. That is why the term Chasselas is very rarely seen on labels! “The terroir is more important than the clone. Chasselas soaks it up, it’s 19


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Rebsorten

Gilles Cornut, technischer Direktor der Cave de la Côte, welche sich mit ihren Chasselas profiliert hat.

biodynamisch kultiviert werde. «Derselbe Klon ergibt auf verschiedenen Bodentypen andere Trauben», vervollständigt Christian Dupuis. Zudem besteht weiterhin das Misstrauen der Winzer gegenüber einer «Klonselektion», für die ein einziges Individuum identisch vervielfacht wird, im Gegensatz zur zufälligeren «massalen Selektion» mit mehreren Individuen, auf die sich die Risiken verteilen: «2016 haben unsere massalen Selektionen dem Falschen Mehltau besser widerstanden als die klonalen», bestätigt Blaise Duboux. Die neuen «polyklonalen (oder dirigierten massalen) Selektionen», die eine Familie von Individuen vereinigen, sollten dieses Risiko wettmachen. Nicht zu vernachlässigen ist auch die Wahl der Unterlagsrebe, je nach Fruchtbarkeit des Bodens. 53% der von den Genossenschaftern der Cave de la Côte kultivierten Fläche, also 225 Hektar, sind mit Chasselas bestockt. Der technische Direktor der Cave, Gilles Cornut, bestätigt die Vorherrschaft des RAC 4. Für den Rebschulisten Claude Lapalud aus Etoy vinifiziert die Cave einen Chasselas aus seiner eigenen Selektion, dem «Klon 72», mächtiger, mit mehr Schmelz, aber auch rustikaler als ein zweiter Wein aus massaler Selektion. Die «Schweizer Kellerei des Jahres 2019» hat, wir erinnern uns, ihren Titel

a sponge for minerals. If the soil has no qualities, it produces poor quality wine”, stresses Blaise Duboux, president of Arte Vitis. Gilles Cornut, president of the Interprofessional Community of Vaud Wine, confirms: “Chasselas is influenced more by the terroir than by clonal selection”. And the president of Swiss Nursery Gardeners, Christian Dutruy of Founex, drives the point home: “It’s not the clone that’ll save Chasselas!” He and his brother Julien are “great fans of Chasselas”, even though it represents only 15% of their production. They offer two wines, both labels carry a clear

beim Grand Prix du Vin Suisse dank zwei Chasselas gewonnen. Es gibt, nicht nur im Keller, verschiedene Arten, die Weinstile zu variieren, gleichgültig, aus welcher Rebsorte der Wein gekeltert wird. Auch wenn der Respekt vor den Trauben heute mehr Gewicht hat als önologische Manipulationen, dank der Entwicklung des biologischen und biodynamischen Weinbaus und der strengen Pflichtenhefte bezüglich der Hilfsmittel im Keller. Und im Namen des Respekts vor dem Terroir! Das Terroir dominiert die Rebsorte Im Waadtland tritt die Rebsorte hinter den Produktionsort zurück, ähnlich wie im Burgund und im Gegensatz zum Elsass. Deshalb wird der Chasselas kaum auf den Eti-

mention of the grape variety, one is tradition the other cuvée spéciale on lees, and sans orientation clonale (no clonal selection). And this nursery gardener who is also a winegrower confirms that: “When we switched to organic farming, Chasselas gave us the most problems. It’s a grape variety that has always been extremely sensitive to disease”. A survey of the Swiss-German consumer The economic challenge facing Chasselas lies elsewhere. “It needs to adapt to current tastes”, points out Sylvie

ketten erwähnt! «Das Terroir ist wichtiger als der Klon. Der Chasselas saugt sich voll mit dem Terroir, er ist wie ein Schwamm der Mineralität. Wenn der Boden nichts ausdrückt, ergibt er nur kleine Weine», unterstreicht Blaise Duboux. Was Gilles Cornut, Präsident des Waadtländer Branchenverbands, bestätigt: «Das Terroir beeinflusst den Chasselas viel mehr als die Klonselektion.» Christian Dutruy in Founex, Präsident der Schweizer Rebschulisten, sieht das genauso: «Es ist nicht der Klon, der den Chasselas retten wird!» Er und sein Bruder Julien sind «grosse Chasselas-Fans», auch wenn dieser nur 15% ihrer Produktion ausmacht. Sie bieten zwei Versionen an – der Sortennamen prangt gut sichtbar auf der Etikette – einmal als «Tradition», einmal als «Cuvée spéciale» auf

Camandona, marketing and export manager at Cave de La Côte, while Christian Dutruy adds, “so that consumers in Zurich and Basel can be proud of our Chasselas, and recognise it as a Swiss speciality!” Laura Paccot makes the point that “Consumers want indigenous grape varieties. That’s what our importer in New York is also asking for. It’s an elegant white wine, discreetly aromatic and with a good balance between acidity and alcohol. I have great faith in it. It’s rather like the French Jura wines: they stayed the course and are now enjoying worldwide success”. 21



Rebsorten

den Feinhefen, aber «ohne Augenmerk auf den Klonen». Der Winzer und Rebschulist erzählt: «Als wir auf Bioanbau umstellten, hat uns der Chasselas am meisten Kopfzerbrechen bereitet. Er bleibt eine Rebsorte, die extrem anfällig ist auf Krankheiten.» Deutschschweizer Konsumenten werden befragt Die ökonomischen Herausforderungen muss der Chasselas anderswo bestehen. «Man muss ihn dem heutigen Geschmack anpassen», fordert Sylvie Camandona, verantwortlich für Marketing und Export bei der Cave de La Côte, während Christian Dutruy ergänzt: «An dem Tag, wenn Zürcher und Basler stolz sind auf unseren Chasselas, dann wird er zu der Schweizer Spezialität!» Und Laura Paccot doppelt nach: «Die Konsumenten wollen autochthone Rebsorten. Unser Importeur in New York verlangt das von uns. Der Chasselas ist ein eleganter, wenig aromatischer Weisswein, ausgewogen und mit einer guten Balance zwischen Säure und Alkohol. Ich glaube an ihn: Was hat man nicht alles über die (französischen) Juraweine gesagt. Doch sie haben sich nicht vom Kurs abbringen lassen und feiern nun internationale Erfolge…»

Wie als Echo auf diese Herausforderung, die weit über die Rebsorte hinausgeht und das Image des Weins betrifft, hat die Vereinigung zur Promotion des Chasselas mit Sitz in Aigle, Organisatorin des Mondial du Chasselas (siehe Seite 43), beschlossen, ein nationales Projekt rund um die schweizweite Akzeptanz des Chasselas zu lancieren. Pascale Deneulin, Forscherin in Changins, erklärt: «Wir wollen wissen, warum die Deutschschweizer keinen Chasselas (mehr) trinken.» Zu diesem Zweck arbeiten zwei Deutschschweizer Institute, die Hochschule für Agrar-, Forst- und Lebensmittelwissenschaften in Zollikofen (BE) und die Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften in Wädenswil zusammen mit Changins. Ko-finanziert vom Bundesamt für Landwirtschaft – die Arbeiten zur Rebsorte wurden vom Bund auch im Rahmen des «Nationalen Aktionsplans zur Erhaltung und nachhaltigen Nutzung der pflanzengenetischen Ressourcen» unterstützt –, umfasst diese Studie mit einem Budget von 100 000 Franken zwei Teile. Im ersten Teil sollen diesen Herbst Gruppenbefragungen stattfinden, um neue oder regelmässige Weissweinkonsumenten zu befragen. Detaillierte Fragebogen sollen das Image des Chasselas in der Schweiz er-

forschen. Ein Soziologe aus Zollikofen wird seine Schlussfolgerungen daraus ziehen. In einer zweiten Etappe sollen nächstes Jahr Chasselas mit verschiedenen aromatischen Profilen Konsumentenjurys vorgesetzt werden, um deren Geschmack und deren Vorlieben zu ergründen. Pascale Deneulin versichert: «Wir wollen Resultate, die der Branche etwas nützen.» Das ist der Preis, den man bezahlen muss, wenn man den «Soldaten Chasselas», den ökonomischen Hauptdarsteller des Waadtländer Weinbaus, retten will.

Als wir auf Bioanbau umstellten, hat uns der Chasselas am meisten Kopfzerbrechen bereitet. Er bleibt eine Rebsorte, die extrem anfällig ist auf Krankheiten.  Christian Dutruy aus Founex, Präsident der Schweizer Rebschulisten

In a move that reflects the marketing challenge concerning the wine’s image, the Association for the Promotion of Chasselas, which organises the Mondial du Chasselas, is launching the first national survey to assess people’s acceptance of Swiss wines. Pascale Deneulin, a researcher at Changins explains: “We want to find out why the German-speaking Swiss do not drink or have stopped drinking Chasselas”. Two Swiss German institutions, the School of Agricultural, Forest and Food Sciences in Zollikofen (BE) and the Zurich University of Applied

Sciences in Wädenswil, will be working on the project together with Changins. The study co-financed by the Federal Office of Agriculture – the work carried out on grape varieties also benefited from Federal aid in the framework of the National Action Plan for the Conservation and Sustainable Use of Phytogenetic Resources – has a budget of CHF 100,000 and is divided into two phases. The first, to be carried out this autumn, will consist of focus group interviews with both new and regular white wine drinkers, and detailed questionnaires aimed at understanding the

image of Chasselas among the swiss people. The results will be delivered by a sociologist from the Zollikofen school. In the second phase, to be held next year, consumer panels will be asked to assess Chasselas wines with different aroma profiles, in order to identify their tastes and preferences. Pascale Deneulin assures us that useful results for the wine sector will be obtained. And that is how our Chasselas wine, a major economic player in the wine industry of Vaud, will be saved.

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Text: Alexandre Truffer

Gut integrierte «ausländische» Rebsorten (3)

Mondeuse und Altesse: die Rückkehr der Savoyerinnen Die beiden Spezialitäten, die vom südlichen Ufer des Lac Léman stammen, sind mittlerweile auch an den Waadtländer Hängen heimisch geworden.

Mondeuse Im 19. Jahrhundert, und vorher zweifellos ein halbes Jahrtausend lang, war die Mondeuse Noire die am meisten verbreitete Rotweinsorte rund um den Lac Léman. Sehr präsent in Genf und in der Waadt, wurde die damals Savoyant oder Gros Rouge genannte Sorte in der Folge von Gamay und Pinot Noir verdrängt. Als rustikal, produktiv und vegetabil verrufen, wurde diese Varietät 1956 in der Schweiz sogar verboten. Gemäss Jacques Dubois, Autor des Buches «Les vignobles vaudois», «würde die Mondeuse, wenn sie die Gunst der Winzer aus dem Chablais und aus Begnins genösse, auf der Domaine de Caudoz in Pully nicht so gut gelingen, wo einer von fünf Versuchen eine durchschnittliche Ernte von 2,11 Kilo pro Stock und einen mittleren Zuckergehalt von 57° Oechsle (also weniger als 8%-vol. potentiellen Alkoholgehalt) ergeben hat.»

The Mondeuse and Altesse Grape Varieties In the 19th century - and most probably in the preceding 500 years – the Mondeuse Noire variety was the most widely grown red grape in the Lake of Geneva area. Abundant in the Geneva and Vaud cantons, and referred to as the ‘fat red’, it was later replaced by Gamay and Pinot Noir. Considered rustic, prolific and vegetal, this varietal was actually banned in Switzerland in 1956. 24  Le Guillon 57_2020/2

In 2019, according to the statistics of the Federal Agricultural Office, there were five hectares planted to Mondeuse in Switzerland: three in the Vaud and two in the Geneva cantons and the rest in the Valais. As warm vintages become more frequent, the grape’s late ripening and low sugar production, considered shortcomings in the past, may yet turn out to be advantages.


Rebsorten

Die Mondeuse, nach allen Regeln der Kunst kultiviert, bietet Noten von weissem Pfeffer, Lakritze und Veilchen, die an ihre Verwandtschaft mit der Syrah erinnern.

Der grosse Star in der Galaxie der Familie Cossy 2019 erfasste die Statistik des Bundesamts für Landwirtschaft fünf Hektar Mondeuse Noire in der Schweiz: drei im Kanton Waadt, zwei in Genf und einige Aren im Wallis. Ihre Produktion bleibt zwar anekdotisch, doch die Winzer, die sie hegen und pflegen, glauben an ihr Potential, unter anderem, weil ihre einstigen Fehler – späte Reife und geringe Zuckerproduktion – mit der Vervielfachung der heissen Jahrgänge zu Vorteilen werden könnten. «Ich wurde von einem Nachbarn beeinflusst, der mich gedrängt hat, Mondeuse zu probieren und anzupflanzen», erklärt Jean-François Cossy, zusammen mit Henri Chollet einer der Akteure in der Renaissance dieser Rebsorte. Besagter Nachbar war übrigens kein Geringerer als der oben erwähnte Jacques Dubois, unermüdlicher Verteidiger unseres rustikalen Roten. «Wir haben unsere ersten Mondeusestöcke 1990 gepflanzt. Die Rebschule Rosset in Rolle hatte eine interessante Se-

The star in the Cossy winery “I was influenced by a neighbour who got me to taste the Mondeuse and then to plant it”, explains Jean-François Cossy, one of the protagonists of the renaissance of this grape variety. “When cultivated correctly, the Mondeuse has aromas of white pepper, liquorice and violets which is a reminder that it’s related to Syrah.” Although the Cossy family confirm that some of their clients are not smitten with this elegant yet somewhat austere red, “Sommeliers tend to appreciate this speciality which pairs perfectly with game or good red

© Philippe Dutoit

Jean-François Cossy

Laurent und Jean-François Cossy

lektion mit limitierten Erträgen gefunden. Diese ersten Parzellen stellen uns heute vollkommen zufrieden, aber es wurde uns nichts geschenkt. Zu Beginn waren wir sehr in Sorge, und die ersten Vinifikationen ergaben qualitativ schwache Weine. Punkto Ertrag mussten wir kompromisslos sein, denn selbst, wenn die Trauben wundervoll sind und der Zuckergehalt akzeptabel, macht sich jede Nachlässigkeit in diesem Bereich mit intensiven grünen Peperoniaromen bemerkbar. Doch wird die Mondeuse nach allen Regeln der Kunst kultiviert, bietet sie Noten von weissem Pfeffer, Lakritze und Veilchen, die an ihre Verwandtschaft mit der Syrah erinnern.» Die Familie Cossy bestätigt, dass ein Teil ihrer Kunden keinen Draht zu diesem Rotwein von eher strenger Eleganz hat,

«doch die Sommeliers schätzen diese Spezialität, die perfekt zu Wild oder einem schönen roten Fleisch passt.» Heute kultiviert die Domaine des Rueyres 2500 m2 Mondeuse, «was eine gewisse Regelmässigkeit garantiert. Die Kunden wissen, dass sie das ganze Jahr über bestellen können», präzisiert Jean-François’ Sohn Laurent. Er erzählt, der Ausbau habe seinen Vater lange Zeit umgetrieben, doch die Barrique erlaube es, «diese etwas reduktive Rebsorte zu öffnen und die rustikalen Tannine der Mondeuse zu verfeinern. Mit zunehmender Erfahrung fanden wir ein Gleichgewicht von 20% neuem Holz und mehrheitlich gebrauchten Fässern, die dem Wein keinerlei Holzaromen mehr vermitteln.» www.domainedesrueyres.ch

meat”. Today, the Domaine des Rueyres cultivates 2500 m2 of Mondeuse which, Jean François’s son Laurent points out, “can ensure a certain regularity for clients who now know they can order it any time of the year.” www.domainedesrueyres.ch

At that time, the Commune grew only Chasselas and Pinot Noir and wanted to plant a new variety. “In the last 20 years, vine-growing and winemaking have changed a lot”, Frédéric Blanc points out. “Harvests have been staggered over time. We generally harvest our one thousand square metres of Mondeuse in November. Macerated for a week and kept in a vat for two weeks, the wine is then aged partly in a barrel and partly in a tank.” Alain Bassang, the commune representative in charge of the Yvorne vineyards, tells us that this powerful and expressive wine has found its fans. “This

Yvorne’s uncommon speciality Frédéric Blanc, the oenologist in charge of the wine of the Commune of Yvorne, recalls that in 1993 Dominique Favre, head of the cantonal Viticulture Department, updated the grape variety list to include, among others, Mondeuse.

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© Philippe Dutoit

Frédéric Blanc und Alain Bassang

Die ungewöhnliche Spezialität aus Yvorne «Eine bäuerliche Rebsorte, die viel Ertrag brachte, keine Probleme mit Fäulnis kannte und einen Wein gegen den Durst ergab: das war die Mondeuse früher!», erklärt Frédéric Blanc. Der Önologe, der die Weine der Gemeinde Yvorne vinifiziert, erinnert sich, dass 1993 Dominique Favre, Chef des kantonalen Weinbauamtes, die Rebsortenliste reaktualisierte und unter anderem die Mondeuse darin aufnahm. Damals wollte die Gemeinde – die nur Chasselas und Pinot Noir besass – eine neue Sorte anpflanzen. In den Diskussionen kam die Sprache eher zufällig auf unsere rote Lémansorte, die sich schliesslich als logischste Wahl aufdrängte. «1997 entschieden wir uns für eine Mondeuse-Kollektion, nicht für einen einzigen Klon. Die Winzer von Yvorne, die sie noch kultivierten, trugen zu dieser massalen Selektion bei, ebenso wie die Forschungsanstalten. Heute haben wir Stöcke mit sechs verschiedenen Herkunftsorten.» In den letzten zwan-

Es ist ein Rotwein, der während der Wildsaison in den Restaurants sehr geschätzt wird. Um ihn bekannter zu machen, haben wir ihn letztes Jahr bei Terravin präsentiert, wo er das Label erhalten hat, sowie beim Grand Prix du Vin Suisse 2019, wo er mit Gold ausgezeichnet wurde.  Alain Bassang, für die Weinberge von Yvorne zuständiger Gemeinderat

red is a favourite with restaurants during the game season.” www.yvorne.ch The Altesse variety has always kept a low profile north of Lake Geneva. Although recorded in the archives, this aristocratic variety has never been much more than a curiosity. According to the Federal Office of Agriculture, in 2019 it covered 5.7 hectares of Swiss vineyards of which 3.7 hectares were in the Vaud canton. Often called Roussette in the region of Savoie, Altesse is considered by ampelographers to be an age-old indigenous variety of the Lemanic Arc region. Although its name probably comes from its preference for high-altitude plots, it 26

also has an etymology based on legend. It is said to have crossed the Alps in the luggage of Anne de Lusignan, a Cypriot princess who was on her way to marry the future Louis I, Duke of Savoie, in 1432. Two versions from the Cruchon family When in the mid 1990s the brothers Raoul and Michel Cruchon, from Echichens, planted the Altesse grape, the cantonal chemist would not allow the variety to be mentioned on the label in view of the fact that legislation considered it suitable only for the production of table wine. “This variety gives powerful wines that are beautifully full-bodied thanks to its generous production of sugar. They are profound and noble,

zig Jahren hat sich die Arbeit in den Reben wie im Keller stark entwickelt. «Ursprünglich als Stickelreben gepflanzt, wurde die Mondeuse anschliessend auf Drahtrahmen gezogen. Um an Konzentration zu gewinnen, schneiden wir die Fruchtrute und verschieben die Weinlese nach hinten. In der Regel werden unsere 1000 Quadratmeter Mondeuse im November geerntet. Eine Woche Mazeration, dann zwei Wochen Maischegärung, danach wird der Wein zum Teil in der Barrique, zum Teil im Tank ausgebaut.» Dieser mächtige, ausdrucksvolle Wein hat sein Publikum gefunden, wie Alain Bassang, der für die Weinberge von Yvorne zuständige Gemeinderat, erklärt. «Es ist ein Rotwein, der während der Wildsaison in den Restaurants sehr geschätzt wird. Um ihn bekannter zu machen, haben wir ihn letztes Jahr bei Terravin präsentiert, wo er das Label erhalten hat, sowie beim Grand Prix du Vin Suisse 2019, wo er mit Gold ausgezeichnet wurde.» www.yvorne.ch


Rebsorten

Altesse Im Unterschied zur Mondeuse, die früher sehr präsent war in der Waadt, verhielt sich die Altesse am Nordufer des Léman immer sehr diskret. Ihre Präsenz ist zwar urkundlich bezeugt, doch hat diese aristokratische Rebsorte niemals den Status einer Kuriosität verloren. Wenn man den Statistiken des Bundesamts für Landwirtschaft glaubt, so belegte sie 2019 genau 5,7 Hektar in der Schweiz, 3,7 davon in der Waadt. Die Sorte, von den Savoyern gerne Roussette genannt, gilt bei den Ampelographen als alte, endemische Rebsorte rund um den Genfersee. Ihr Name stammt sehr wahrscheinlich von ihrer Vorliebe für hochgelegene Parzellen, doch die Legende will, dass die Altesse im Gepäck von Anne de Lusignan, Prinzessin von Zypern, bis in die Alpen gereist sein soll, als diese nach Savoyen kam, um im Jahr 1432 den künftigen Herzog Louis I. zu heiraten.

Die beiden Versionen der Cruchons Als die beiden Brüder Raoul und Michel Cruchon Mitte der 1990er-Jahre Altesse und Viognier pflanzten, verbot ihnen der Kantonschemiker, die Namen der Rebsorten auf der Etikette zu nennen, denn gemäss Gesetz waren diese Varietäten nur für Tafelwein zugelassen. «Wir erhielten trotzdem eine Catherine und Raoul Cruchon

Sondergenehmigung für die Angabe des Jahrgangs, die ebenfalls verboten gewesen wäre. Ich drohte, wenn ich den Jahrgang nicht auf die Etikette setzen dürfe, dann würde ich ihn auf dem Korken angeben», grinst Raoul Cruchon. «Die Altesse ergibt dank einer grosszügigen Zuckerproduktion mächtige, gut strukturierte Weine. Sie besitzt eine schöne, tiefgründige und vornehme Säure. Die Altesse, die ihren Namen (zu Deutsch: «Hoheit») zu Recht trägt, altert ausgezeichnet. Mit der Zeit entwickelt der aus ihr gekelterte Wein eine komplexe Aromatik und eine kraftvolle Textur, was sie in ihrer Reife zu einer idealen Begleiterin von Fischen mit Safransauce oder Geflügel macht», fährt der Produzent aus Echichens fort und bestätigt, sich zunehmend «auf diese raren und schönen Spezialitäten der Region konzentrieren» zu wollen. «Die Alpen beherbergen viele interessante Rebsorten, vor allem im Kontext der Klimaerwärmung.» Die Brüder Cruchon pflanzten vor einem Vierteljahrhundert 1500 m2 Altesse, heute kultivieren sie eineinhalb Hektar. «Die

Altesse ist eine angenehm zu kultivierende Rebsorte. Sie ist recht wuchskräftig, wir müssen also ihren Ertrag regelmässig begrenzen. Sie ist in der Regel eine Woche nach dem Chasselas reif», präzisiert Catherine Cruchon. Bekannt für die Präzision ihrer Vinifikationen, kommerzialisieren Vater und Tochter zwei Altesse-Versionen. Die erste ist ein klassisches Produkt, im Stahltank vinifiziert. Die zweite – rund 30% der Produktion – ist ein sogenannter Naturwein. «Die Parzelle besitzt seit 2014 das Demeter-Label. Es wird gar nichts hinzugefügt, auch kein Sulfit. Der Most vergärt, dann wird er abgezogen und im Fuder ausgebaut, bevor er auf seinen Hefen in die Flasche kommt. Da der Wein ohne äusseren Schutz auskommen muss, begrenzen wir die Sauerstoffzufuhr auf ein Minimum.» Dieser Wein, 10% teurer als der «klassische», wird das brandneue Label «Vin nature» tragen, das endlich klarstellt, welches die Anforderungen für diesen Weintyp sind. Eine neue Garantie für die Konsumenten. www.henricruchon.com

© Bertrand Rey

Die Altesse ergibt dank einer grosszügigen Zuckerproduktion mächtige, gut strukturierte Weine. Sie besitzt eine schöne, tiefgründige und vornehme Säure. Die Altesse, die ihren Namen (zu Deutsch: «Hoheit») zu Recht trägt, altert ausgezeichnet. Mit der Zeit entwickelt der aus ihr gekelterte Wein eine komplexe Aromatik und eine kraftvolle Textur, was sie in ihrer Reife zu einer idealen Begleiterin von Fischen mit Safransauce oder Geflügel macht.  Raoul Cruchon, Domaine Henri Cruchon, Echichens

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Rebsorten

Der Schatz des Château de Trévelin Auf einem ehemaligen, später in eine Kirche umgewandelten keltischen Tempel errichtet, wurde das Château de Trévelin gegen Ende des 16. Jahrhunderts erbaut; dabei wurden die Steine des religiösen Gebäudes wiederverwendet, das zur Ruine geworden war. «Das Haus Hammel vinifiziert die Weine dieser Domäne mit vier Hektar Reben seit zwei Generationen. In den 1960er-Jahren wurde hier nur Chasselas angebaut, heute aber auch Gamaret, Garanoir, Merlot, Malbec und Altesse», erklärt Charles Rolaz. «Die Altesse wurde vor rund zehn Jahren angepflanzt. Sie ist dank ihrer Seltenheit – in der Schweiz und weltweit – eine interessante Sorte mit grossem

Alterungspotential, die mit zunehmender Reife immer komplexer wird.» Der Leiter des Hauses Hammel fügt an, die Altesse sei auch in den Rebbergen des Château Pictet-Lullin in Dully gepflanzt worden. «Diese Varietät ist sehr gut an die Region angepasst. Wenn man ihre Erträge zügelt, dann produzieren die Trauben einen hohen Zuckergehalt und eine schöne natürliche Säure. Die Altesse des Château de Trévelin wird von Hand gelesen, mittels Ganztraubenpressung gepresst und dann langsam in Barriques vergoren und ausgebaut.» Charles Rolaz findet, die 4000 m2 der Domaine reichten aus, um eine Spezialität zu produzieren, «die den Connaisseurs auf der Suche nach originellen Weissweinen gefällt.» Auf alle Fälle hat es

dieser Wein verstanden, gewisse Meinungsmacher zu verführen, wurde doch der 2015er im Jahr 2018 vom Bordelaiser Weinkritiker Jean-Marc Quarin bei einer seiner «Begegnungen» im Beau-Rivage Palace in Lausanne besonders hervorgehoben. Derselbe Wein hatte im Vorjahr bei einer vom Schreibenden organisierten Degustation des Weinmagazins Vinum mit 18,5 von 20 Punkten die höchste Note erhalten. Der Autor beendete seinen Kommentar mit folgenden Worten: «Mit dieser Altesse erhalten Sie eine der schönsten weissen Spezialitäten des Kantons Waadt und einen bemerkenswerten Wein von vollkommen aussergewöhnlichem PreisQualitätsverhältnis.» www.hammel.ch

© Bertrand Rey

Diese Varietät ist sehr gut an die Region angepasst. Wenn man ihre Erträge zügelt, dann produzieren die Trauben einen hohen Zuckergehalt und eine schöne natürliche Säure. Die Altesse des Château de Trévelin wird von Hand gelesen, mittels Ganztraubenpressung gepresst und dann langsam in Barriques vergoren und ausgebaut.  Charles Rolaz, Geschäftsführer des Hauses Hammel

with good acidity. Altesse wines live up to their name. They age very well and, when mature, are excellent with fish in a saffran sauce and poultry dishes”, explains Raoul Cruchon. While a quarter of a century ago the brothers planted 1,500 m2, today the family cultivate one and a half hectares. “It’s a variety that’s easy to grow. The vines are relatively vigorous and have to be well-managed”, Catherine Cruchon, Raoul’s daughter, points out. The father-daughter team market two Altesse wines: one is a classic product, aged in a steel vat. The other, accounting for approximately

30% of their production, is a natural wine. “Without any inputs nor sulphites added.” www.henricruchon.com The Château de Trévelin treasure Built on the site of an ancient Celtic temple, later transformed into a church, the Château de Trévelin was built at the end of the 16th century using the materials of the church in ruins. “The Hammel winery has been making the wines of this four-hectare estate for two generations. In the 1960s, the chateau produced only Chasselas. Today, there’s

also some Gamaret, Garanoir, Merlot, Malbec and 4,000 m2 of Altesse”, explains Charles Rolaz. “Altesse was planted about ten years ago; an attractive variety based on its rarity – both in Switzerland and the world – and its ageing potential which allows it to become more complex as it gets older.” The Château de Trévelin Altesse is harvested by hand, the whole raisins are pressed and then slowly fermented and aged in oak barrels”. In 2017, this wine was awarded the best score (18.5 points) at a tasting held by VINUM magazine. www.hammel.ch 29


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Reb- und Weinprofis Text: Eva Zwahlen Fotos: Hans-Peter Siffert

Querdenker und schräge Vögel Waadtländer Winzerinnen und Winzer – langweilig und seriös? Seriös, ja. Aber langweilig? Ganz im Gegenteil! Man findet unter ihnen sogar ein paar ausnehmend spezielle Zeitgenossen, höchst originelle Persönlichkeiten, Weitgereiste, Spätberufene, um die Ecke und voraus Denkende. Alles andere als Mainstream. So wie ihre Weine…

Off the Beaten Wine Tracks Is the world of Vaud wine boring and serious? Serious yes, but not boring. On the contrary! It comprises a host of anti-conformist, imaginative and independent personalities who often cultivate a passion for some other branch of activity, but are always visionary winemakers. Here are five striking examples. Le Guillon 57_2020/2  31


Christophe Schenk, der virtuose Traumtänzer  Ich wollte nie Winzer werden. Ich musste zuerst herausfinden, was ich will, musste die Reben besser verstehen lernen.  Christophe Schenk, diskret, fast schüchtern, steht ungern im Vordergrund. Auch seine Weine brauchen Zeit, bis sie ihre bestechende Tiefgründigkeit und Komplexität offenbaren. «Ich wollte nie Winzer werden», meint der gebürtige Berner mit leisem Lächeln. Doch das Schicksal folgt eigenen Plänen. Das lernt er schon als Kind. Zuerst der Tod seines Bruders. Der Umzug nach Villeneuve, wo der Vater, im Brotberuf Treuhänder, mit der Domaine du Crépon seinen Lebenstraum realisiert. Und dann, mit 25, nach der Uni und als ausgebildeter Pianist, der jähe Tod der Eltern, die kurz hinter­ einander sterben. Christophe und seine zwei Schwestern haben keine Wahl, sie übernehmen das Gut. Was zuerst Bürde ist, wird zur Passion. Als Autodidakt, wach, intelligent und sensibel, eignet sich Christophe nicht nur Wissen und Können an, sondern lernt auch, seinem

Bauchgefühl zu vertrauen, auf sich und seine Reben zu hören, die hoch über Villeneuve wachsen. «Ich musste zuerst herausfinden, was ich will, musste die Reben besser verstehen lernen.» Nach neun Jahren der Zusammenarbeit mit den Schwestern, übernimmt Christophe allein. Verpachtet den grösseren Teil der Reben und stellt die verbleibenden 1,8 Hektar auf Bioanbau um. Produziert Weine, wie er sie liebt: filigran und finessenreich, mit wenig Alkohol, ohne Schnickschnack («im Keller mache ich möglichst wenig»), fast ohne Schwefel, mit eigenen Hefen vergoren, ehrlich und glasklar. Subtile, eigenständige Weine, die berühren, sich aus der Masse abheben. Doch etwas fehlt ihm. Und so beginnt Winzer Christophe Schenk endlich auch dem Musiker in sich Platz einzuräumen, seine zweite Passion auszuleben. Nein, nicht als Pianist (auch wenn im Keller ein Klavier

steht), sondern als Organisator von klassischen Musikfestivals, von denen Plakate an den Kellerwänden künden. Mittlerweile ist er 50 und Vater von drei Söhnen. Und es klopft eine weitere Passion an die Tür: «Als ich mit 17 einen Sommer lang im Hotel Waldhaus Sils arbeitete, begann ich davon zu träumen, einmal selber ein Hotel zu führen», erzählt er. Kürzlich hat er die Villa Pineta in Fusio, im Maggiatal, gekauft, die er nun sanft zu einem Kulturhotel umbauen will, in dem Konzerte und Lesungen stattfinden und wo fein getafelt und stilvoll getrunken werden kann – natürlich auch seine Weine. Ein Träumer, sagen Sie? Gewiss. Aber einer, der seine Träume lebt! Der eine Vision hat. Und unbeirrbar seinen Weg geht. www.christopheschenk.ch

Christophe Schenk: grape vines steeped in music Christophe Schenk does not like putting himself forward. And like him, his wines need a bit of time before opening up. “I never thought I’d become a winegrower”, explains Schenk, Bernese by birth. Destiny has rules of its own. He found that out during his childhood. First there was his brother’s death. Then the family moved to Villeneuve where his father acquired

the Domaine du Crépon. Later, when he was 25 years old and starting the career of a pianist, came the tragic death of his parents. Christophe and his two sisters took over the estate and worked together for nine years after which, in 2006, he took full control of the estate. He rents out most of it, and on the remaining 1.8 ha he grows his vines organically. His wines are the way he likes them: refined elegant, low in alcohol content, and no frills. But there’s more

to this wine grower. It’s music! He also heads the association Contrepoint that organises classical music festivals. Now in his fifties and the father of two sons, he’s cultivating another passion: “I’ve always dreamed of managing a hotel”. He has recently acquired Villa Pineta in Fusio, in Val di Maggia, which he intends to transform into a cultural hotel. www.christopheschenk.ch

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Reb- und Weinprofis

Christin Rütsche, die Rotweinadeptin im Weissweinland Was verschlägt eine Thurgauerin, die in der Toskana Karriere gemacht hat – mit Rotwein, nota bene – ins Lavaux? Die sympathische, geerdet wirkende Önologin, 37 Jahre jung, lacht. «Ich habe Drogistin gelernt. In der Landdrogerie hatte es ein Gestell mit Wein, das hat mich fasziniert…» Um Französisch zu lernen und ihrem Traum vom Wein näher zu kommen, macht sie einen langen Stage bei Maurice Dentan, Winzer in Chardonne, Lehrer in Marcelin… und Besitzer des kleinen Guts, das sie seit 2018 pachtet. «Das Waadtland, das war damals die weite Welt für mich.» Nach dem Studium in Changins arbeitet sie in Genf bei Sophie Dugerdil und Emilienne Hutin, dann bei Obrist in Vevey und schliesslich in Marlborough in Neuseeland, bevor sich ihr eine Riesenchance bietet: Von 2009 bis 2017 ist sie Kellermeisterin auf der Tenuta Vallocaia von Bindella, unweit von Montepulciano. «Eine phantastische Zeit, die ich nicht missen möchte!» Doch mit den Jahren lernt sie auch die Kehrseite von «bella Italia» kennen, hat Heimweh nach der Schweiz. Und Lust, sich selbständig zu machen. Auch wenn der Abschied von Italien schwer fällt…

So landet sie in Chardonne, auf der Domaine Montimbert. «Ich fing im Februar hier an und begann sofort mit dem Rebenschneiden. Und wusste: ich bin angekommen!» 1,75 Hektar Reben am steilen Hang, mit grandiosem Blick auf den Lac Léman, ein behagliches Haus und ein kleiner, funktionaler Keller – das ist Christins neues Zuhause. «Ich wurde sehr gut aufgenommen in Chardonne. Die Winzerkollegen sind äusserst hilfsbereit, schauen aber schon, was ich mache…» Im Moment arbeitet sie nach IP-Regeln, «doch der Schritt zu Bio wäre nicht gross.» Was sie aus Italien mitgebracht hat? «Herzlichkeit. Toleranz. Gastfreundschaft. Grosszügigkeit. Diesen Geist möchte ich

in die Flaschen bringen.» Tiefgründig und überraschend sollen sie sein, ihre Weine, schonend extrahiert, bekömmlich, reintönig und lebendig. «Es hat hier niemand auf mich gewartet, das ist mir klar», sagt sie mit entwaffnender Ehrlichkeit. Wer Christins Weine degustiert, ist da nicht mehr so sicher. Denn sie überzeugen, vom duftigen, fein ziselierten Chasselas über den vielschichtigen Pinot Gris bis hin zum pfeffrig-fruchtigen Gamay oder dem kraftvoll-eleganten Pinot. «In der Toskana haben wir sehr modern vinifiziert, hier muss ich meinen eigenen Weg finden.» Bis jetzt hat sie noch keinen Sangiovese gepflanzt, aber «vorstellen kann ich mir das schon…» www.montimbert.ch

Ich wurde sehr gut aufgenommen in Chardonne. Die Winzerkollegen sind äusserst hilfsbereit, schauen aber schon, was ich mache…

Christin Rütsche: impressions of Italian elegance What could have driven a 37-year-old oenologist from Thurgovia, who spent eight years in Tuscany, to settle in Chardonne? Christin Rütsche explains, laughingly: “I started off working in a drugstore and became fascinated with the wine section…” In order to learn French and become familiar with the world of winemaking, she completed a long internship at winegrower Maurice Dentan’s small

estate in Chardonne – which today she is renting. After finishing her studies at Changins, Christin worked in Geneva on Sophie Dugerdil and Emilienne Hutin’s estate, then at Obrist in Vevey, then in Marlborough in New Zealand until the day she was offered an incredible opportunity: she was taken on as cellar manager at Bindella’s Tenuta Vallocaia, near Montepulciano. She stayed there from 2009 to 2017. After that, she landed back in Chardonne, at the Domaine

Montimbert, a vineyard of 1.75 ha facing the Lake of Geneva. She cultivates the vines according to integrated production techniques and points out that a switch to organic would not be difficult. She likes her wine to be profound, harmonious and elegant. She makes a finely crafted and airy Chasselas, a complex Pinot Gris, a peppery and fruity Gamay, and a powerful Pinot Noir. www.montimbert.com 33


Die Stickel geben natürlich mehr Arbeit, aber ich habe deutlich mehr Spass daran, kenne jeden einzelnen Stock… Ich behalte die Gobelets, weil ich sie liebe!

Pierre-André Jaunin, der rasende Winzer Pierre-André Jaunin, schlaksiger Endfünfziger, hat zwei Seelen in seiner Brust: die des passionierten Biowinzers, dessen Herz für die traditionellen Gobelet-Stöcke schlägt. Und die des nie erwachsen gewordenen Autofreaks, der seine Freizeit am liebsten in der Garage verbringt, beim Basteln an seinen recycelten Rennautos, um danach bei waghalsigen Strassenrennen Kopf und Kragen zu riskieren. Doch zuerst führt uns Pierre-André in die Reben, nicht in die Garage. Die kommt als i-Tüpfelchen zum Schluss… 1,7 Hektar in Chexbres, Appellation Saint-Saphorin, bewirtschaftet er. Die Familie ist seit 1458 hier verwurzelt, noch viel tiefer also als die Rebstöcke, die wie anno dazumal mehrheitlich an Stickeln erzogen werden und dicht an dicht wachsen, 10 000 Stück pro Hektar. «Drähte engen die Reben ein», findet der freiheitsliebende Winzer. Seit er das Gut 2001 vom Vater

übernommen hat, bewirtschaftet er es biologisch. «Es ist nicht einfach, hier Bio zu betreiben, anfangs wurde ich oft kritisiert. Doch diese Rebmonokultur ist eine ökologische Katastrophe.» Die Trauben am Rand der Parzellen liest er separat, da sie kontaminiert sein könnten von den Spritzmitteln der Kollegen, und verkauft den daraus gekelterten Wein offen. «Die Stickel geben natürlich mehr Arbeit, aber ich habe deutlich mehr Spass daran, kenne jeden einzelnen Stock… Ich behalte die Gobelets, weil ich sie liebe!» Jaunin, der als Kellermeister 18 Jahre lang bei Luc Massy gearbeitet hat, bis er sich selbständig machen konnte, kultiviert zu vier Fünfteln Chasselas, in diversen Terroir-Versionen dekliniert, den Rest teilen sich Pinot Noir, Gamay, Merlot und ganz wenig Gamaret. Wein sollte kein Luxusprodukt sein, findet er, «er ist dazu gemacht, getrunken zu werden, zusammen mit Freun-

den…» Die Trauben werden auf der alten Vertikalpresse gepresst, meistens spontan vergoren und lange auf den Feinhefen ausgebaut. Die alte Presse wurde übrigens einst vom Mechaniker, der sie jährlich revidierte, als unrettbar defekt abgeschrieben. Teenager Pierre-André wartete, bis die Eltern ein paar Tage verreisten, um die Presse in ihre Bestandteile zu zerlegen und wieder zusammenzubauen. «Seither läuft sie tadellos…» Womit wir wieder beim angefressenen Tüftler wären, der genauso gerne unter einem seiner Rennautos liegt wie er seine Stickelreben hätschelt. «Ich kenne nichts anderes: Wein und alte Rennautos!» Er strahlt übers ganze Gesicht, als er das sagt. www.pierreandrejaunin.com

Pierre-André Jaunin: the love of wine and racing cars This fifty-year-old has two passions: traditional gobelet-shape vine pruning and racing cars. Pierre-André Jaunin’s second passion enjoys his attention only once the vines have been tended to. He cultivates 1.7 hectares in Chexbres, the place of production is Saint-Saphorin, where his family roots date back to 1458. The closely-spaced vines (10’000/ha) are mostly pruned in

the traditional goblet shape. Ever since he took over his father’s estate, after 18 years as cellar master at Luc Massy’s winery, he has been growing his grapes organically. A true perfectionist, PierreAndré harvests the grapes at the edges of the parcels separately – as they may be contaminated by neighbours’ treatment substances – and sells that production unbottled. Four-fifths of his estate is planted to different types of Chasselas, while the remaining fifth

comprises Pinot Noir, Gamay, Merlot, and a small quantity of Gamaret. The harvested grapes go through a large vertical press that is operated manually, are left to ferment spontaneously, and undergo a long process of lees-ageing. As a young man, Pierre André had disassembled the ancient wine press and then reassembled it piece by piece. “Ever since then, it has been in perfect working order!”. www.pierreandrejaunin.com

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Reb- und Weinprofis

Noémie Graff, Faber est suae quisque fortunae Nein, eine Revolutionärin ist Noémie Graff nicht. Obwohl sie ein Faible für den vietnamesischen Revolutionär Ho Chi Minh einräumt, auf dessen Spuren sie gerne durch den Fernen Osten reist. Und natürlich im Sog der asiatischen Küche, die sie so sehr liebt. Bei Noémie ist alles organisch gewachsen. Ihre Überzeugungen, ihre Arbeitsweise haben sich stetig entwickelt, in einem evolutionären, quasi historischen Prozess. Was nicht verwundert, denn Noémie ist Historikerin. Zwar weiss sie schon als kleines Mädchen haargenau, was sie werden will – Winzerin, natürlich! –, doch da sind noch andere Leidenschaften, die ausgelebt werden wollen. Die simple Lösung: Das eine tun und das andere nicht lassen. So studiert Noémie zuerst das, was durchschnittlichen Gymnasiastinnen nie in den Sinn käme: alte Geschichte und Latein. «Ich habe es geliebt», lacht sie und man glaubt es ihr sofort, «das war wichtig für meine persönliche Entwicklung.» Danach arbeitet sie ein Jahr lang bei Raymond Paccot in Féchy, bevor sie sich in Changins zur Önologin ausbilden lässt. So, wie sie es geplant hat. Längst ist Noémie Graff, die «intellektuelle Winzerin», wie die Medien sie gerne nennen, arriviert und anerkannt. Vor allem mit ihrem Gamay und ihrem Pinot noir hat sie schweizweit für Furore gesorgt. Künftig wird sie wohl auch mit der anspruchsvollen

Mondeuse sowie der Neuzüchtung Divico punkten. Und wie hat sie den Lockdown überstanden? «60% unserer Weine gehen in die Gastronomie, da hat uns die Schliessung der Restaurants und die Absage der regionalen Festivals wie Cully Jazz, Montreux Jazz und Paléo natürlich hart getroffen», erzählt sie, «aber meine grösste Sorge war im Frühling, ob unsere bewährten Rebleute zur Arbeit kommen können.» Seit 2016 arbeitet Noémie biologisch. «Von IP zu Bio, das ist ein grosser Schritt, aber eine logische Entwicklung. Wir haben vorsichtig umgestellt, Parzelle um Parzelle. Ich wollte weder meinen Vater noch meine Mitarbeiter überfahren – mittlerweile sind sie überzeugt und mächtig stolz auf das Zertifikat.» Bei unserem Besuch verteilt Noémie gerade das Heu einer benachbarten Blumenwiese zwischen ihren Reben, «um die Biodiversität zu fördern.» Bei Neuanlagen will sie Hecken und einzelne Bäume pflanzen. Wäre Biodynamik eine Option? «Nein, ich stehe mit beiden Füssen auf der Erde und habe den Kopf nicht in den Sternen!» Doch wer weiss? Historische Prozesse lassen sich nicht immer präzis vorhersehen. www.lesatyre.ch

Noémie Graff: a sense of history Noémie’s beliefs and her manner of working are based on a truly global vision. That is because she is also a historian. As a child, she already knew she wanted to become a winemaker, and at the same time nurtured other cravings she wanted to satisfy. So, she decided to undertake studies in History, Ancient History and Latin at the University of Lausanne. After her studies, she worked

on Raymond Paccot’s estate and then went on to train as an oenologist at Changins. All proceeded as planned. Her many talents have now long been recognized. Her Gamay and her Pinot Noir have created excitement throughout Switzerland. In the future she wants to try out Mondeuse and the new Divico variety. The Le Satyre estate has been engaged in certified organic production since 2016. “We moved ahead cautiously, parcel by parcel. I didn’t want to

Biodynamie? Nein, ich stehe mit beiden Füssen auf der Erde und habe den Kopf nicht in den Sternen.

overwhelm my father and my employees! They are now fully confident and proud of our organic certification.” When we visited the vineyards, Noémie was busy laying down armfuls of hay among the vines “to stimulate biodiversity”. She also intends to plant hedgerows and even some trees on the new parcels. www.lesatyre.ch

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Reb- und Weinprofis

Gilles Wannaz, der Insulaner  Wein ist so viel mehr als Alkohol. Er öffnet den Geist, verbindet die Menschen, vermittelt Lebensfreude. Was viele nie verstanden haben: Es ist die Rebe, die den Menschen domestiziert hat und nicht umgekehrt!

Wer Biodynamik-Pionier Gilles Wannaz besucht, betritt eine verzauberte Welt. Und begegnet dem Inbegriff des Waadtländer Querdenkers. Der eloquente Freigeist, die Brille auf der Stirn und Flipflops an den Füssen, führt uns durch sein Reich, zuerst in den verwunschenen Garten, wo Kräuter, Blumen und Wildpflanzen um die Gunst von Bienen und Schmetterlingen wetteifern, wo Gemüse gedeiht, Bäume Schatten spenden, Beeren wuchern. Ein Garten Eden, der unmerklich in den Rebberg übergeht. «Natur, Landschaft, Familie, das sind unsere Grundwerte, unsere Prägung», meint Gilles. Ebenso zauberhaft ist das Innere der Tour de Cheneaux: Stahltanks, Holzfuder und dekorative alte Brenten werden von Kronleuchtern gekonnt in Szene gesetzt, ausgesuchte antike Gegenstände verwandeln Keller und Degustationsraum in die gute Stube, die riesige Küche lädt zum gemütlichen Plausch ein.

Gilles, studierter Psychologe, kredenzt uns – nein, kein Gläschen Chasselas, das kommt später – seinen Thé de Vigne, einen Aufguss aus Traubenknospen. «Wir leben hier, mit der Natur versöhnt, auf einer wunderbaren Insel. Alles ist vorhanden, man muss es nur sehen und nutzen.» Gastfreundschaft, Grosszügigkeit sind ein wichtiger Bestandteil dieses Gesamtkunstwerks. Gilles Wannaz hat sich nicht nur mit seinen Weinen einen Namen gemacht, sondern auch mit seiner einzigartigen Küche, komponiert aus biodynamischen Produkten, zubereitet mit Phantasie, Leidenschaft und Poesie. Die «Jeudis vins» und die privaten Anlässe auf seinem Gut sind legendär. Und ja, auch die Weine brauchen sich nicht zu verstecken. Gilles produziert aus 26 Sorten – ein richtiges Sorten-Alphabet! – eine Fülle origineller Tropfen, etwa den leichtfüssigen, beschwingten Gute-Laune-Wein Tourlourou, einen Chasselas, der wie ein Moscato d’A sti vinifiziert ist und die Leich-

tigkeit des Seins verkörpert. «Ich koche wie meine Mutter und mache den Wein meines Vaters…», meint Gilles schlicht. Ein sympathischer Selbstdarsteller, verspielt und ernsthaft zugleich. Die Biodynamik habe ihm zu einer anderen Sicht auf die Welt verholfen, erzählt er. Und auf den Wein. Denn Wein, so wie er ihn versteht, ist so viel mehr als Alkohol. Wein öffnet den Geist, verbindet die Menschen, vermittelt Lebensfreude. «Was viele nie verstanden haben: Es ist die Rebe, die den Menschen domestiziert hat und nicht umgekehrt…» Nur ungern verlassen wir die Insel. Es fühlt sich an wie die Vertreibung aus dem Paradies… www.wannaz.ch

Gilles Wannaz: a taste of paradise Visiting the estate of the winemaker Gilles Wannaz, the pioneer of biodynamic farming, is like going into a magical universe. He takes us into his garden full of thriving flowers, wild plants, aromatic herbs, and vegetables and fruit. A garden of Eden that extends toward the vineyards. “Nature, landscapes, and family are our basic values, our foundations”, explains Gilles. The interior of the Tour de Cheneaux is just as enchanting.

The stainless-steel vats, wooden barrels and old wooden tubs form a scenic decor. Gilles has made himself a name with his wines, but also with his cuisine which is based on produce grown biodynamically and concocted with passion. With his 26 grape varieties, Gilles Wannaz produces a whole series of wines, such as Tourlourou, “a sizzling Chasselas”, made like a Moscato d’Asti, that embodies the very lightness of being. Biodynamic farming has given

him another view of the world. “Wine is far more than just alcohol. It opens the mind, connects people and inspires the joy of living. Many people still haven’t understood that it was wine that domesticated man and not the other way around!” www.wannaz.ch

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Chabag Text: Alexandre Truffer Fotos: Sandra Culand

Das Ende einer Waadtländer Heldensaga

Chabag − eine Welt, die verschwindet Die Errichtung eines Denkmals in Chexbres geht Hand in Hand mit dem Verschwinden der letzten Kolonisten von Chabag. Im zweiten Teil unseres Berichts über das grösste Waadtländer Winzerepos interessieren wir uns für drei Persönlichkeiten, die an den Ufern des Lémans die Erinnerung an die Waadtländer am Dnister-Liman wachhalten. Es ist ein perplexer US-Offizier, der im Herbst 1945 an der österreichisch-ungarischen Grenze zu den hier gestrandeten Familien aus Chabag sagt: «Ich verstehe, dass Sie nach fünf Jahren der Flucht im Krieg und quer durch Europa nach Hause wollen! Aber wo ist das, Ihr Zuhause?» Gertrude Zwicky Forney meint: «Ich habe länger in Froideville gelebt als irgendwo sonst, doch damals hofften wir alle, nach Chabag zurückkehren zu können.» 1932 in der helvetischen Kolonie geboren, ist sie acht Jahre alt, als Bessarabien, in der Zwischenkriegszeit unter rumänischer Kontrolle, von sowjetischen Truppen besetzt wird. «Rund um Chabag gab es mehr als hundert deutsche Dörfer. Eine Kommission des deutschen Reichs, damals noch Alliierter der Sowjetunion, besuchte alle deutschsprachigen Familien – mein Vater, von der rumänischen Armee mobilisiert, war Schweizer, aber meine Mutter Deutsche –, um ihnen eine Umsiedlung vorzuschlagen. Wie 80% der Bewohner von Chabag akzeptierte meine Mutter den Vorschlag; sie hatte gesehen, wie sich die Läden nach der Ankunft der roten Armee leerten (man konnte nur noch zwei Artikel kaufen: Halstücher und Seife).» Das ist der Beginn eines sechs Jahre dauernden Exodus. Herzzerreissende Abschiedsszenen – «gewisse Familien lebten seit fünf Generationen in der Kolonie» – und Zelte in einem Flüchtlingslager in Jugoslawien. «Die Partisanen schossen in der Nacht

auf unseren Zug und es war eiskalt, doch wir wurden gut aufgenommen», erinnert sich die bald Neunzigjährige. Danach kam die Tschechoslowakei: «Wir waren 400 Leute in einem Industriegebäude. Dieses Lager wurde von der SS verwaltet. Es gab eine einzige Toilette und die Nahrungsmittel waren verseucht. Als eine Frau an Typhus starb, haben sie alle Türen verschlossen und sie nur geöffnet, um Essen hineinzureichen.» Nach zwei Jahren schickt die Naziverwaltung das Winzergrüppchen nach Slowenien,

Ich habe länger in Froideville gelebt als irgendwo sonst, doch damals hofften wir alle, nach Chabag zurückkehren zu können.  Gertrude Zwicky Forney

in eine Weinregion. «Wir wurden in Häusern untergebracht, deren Bewohner hinausgeworfen worden waren. Das war schrecklich!» Gertrudes Eltern verbringen mit ihren vier Kindern zwei Jahre in dieser Region, die einigermassen verschont bleibt von den Schrecken des Krieges. Im Frühling 1945 wird die Familie nach Österreich geschickt. «Nach einer Woche in Klagenfurt, das Tag und Nacht bombardiert wurde, kamen wir in ein kleines Dorf in Kärnten. Nach Hitlers Tod brachen alle Strukturen zusammen. Die Amerikaner, die nicht so recht wussten, zu welcher Kategorie sie unsere kleine Gruppe zählen sollten, sprachen wir doch russisch, französisch und deutsch wild durcheinander, übernahmen uns.» Ein Jahr später kommen die einstigen Bewohner von Chabag in der Schweiz an. «Man hatte uns in einem mit Stroh ausgelegten Viehwagen transportiert. Der Konvoi, der alles andere als prioritär behandelt wurde, brauchte drei Tage, um die Schweiz zu erreichen. Wir waren so schmutzig, dass uns die Schweizer unverzüglich unter die Dusche schickten.» Doch Gertrude, damals 14, erinnert sich vor allem an die Körbe voller Brot und Orangen, die auf die Flüchtlinge warteten, «eine Frucht, die wir sechs Jahre lang nicht mehr gesehen hatten!» Auf dem Mont-Pèlerin interniert, kehrt die Familie schliesslich in ihre Heimatgemeinde Obstalden zurück. «Mein Vorfahr, der zusammen mit Louis-Vincent Tardent nach Chabag ausgewandert war, hatte in den napoleonischen Kriegen gekämpft. Es war also 120 Jahre her, seit ein Zwicky im Dorf gewohnt hatte, doch wir wurden empfangen wie die Könige!» Einige Jahre später arbeitet Gertrude in Lausanne, wo sie Igor kennen-

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Die Brüder Jean-Marc (links) und Bernard Bovy vor der Replik des Karrens von Hugo Schaer, dem Meisterstück des Denkmals für die Kolonisten von Chabag.

Die Beendigung der Arbeiten am Denkmal in Chexbres und die Zweihundertjahrfeier im Jahr 2022 dürften also den Epilog zur helvetischen Kolonie am Schwarzen Meer bilden.  Jean-Marc Bovy

lernt, der ebenfalls an den Ufern des Dniestr geboren wurde. Das Paar bekommt zwei Kinder und spielt eine wichtige Rolle in der Chabag-Gesellschaft: «Jedes Jahr organisierten wir zwei Anlässe. Früher kamen Hunderte von Personen, die Leute hielten sich das Datum von Jahr zu Jahr frei. Heute sind diejenigen, die Chabag gekannt haben, entweder tot oder zu alt, um zu reisen. Chabag ist eine abgeschlossene Geschichte!» Der Karren, das Symbol für die Emigration Jean-Marc Bovy kommt zum selben Schluss. Der Bruder von Bernard Bovy, Winzer in Chexbres, ist Präsident der Vereinigung Louis-Vincent Tardent. «2010, als ich Gemeinderat war, hat Chexbres das erste Chabag-Festival lanciert. Die Idee: den aus

dem Ausland stammenden Dorfbewohnern zeigen, dass Emigration ein Schicksal ist, das alle teilen. Heute kommen die Leute ins Lavaux, doch in den 1820er-Jahren waren es die Schweizer, die ihr Glück im Ausland suchten. Die Situation war katastrophal, wegen der napoleonischen Kriege und der Abkühlung des Klimas als Folge der Eruption des philippinischen Vulkans Tambora im Jahr 1816.» Der Russlandliebhaber und exzellente Kenner der Geschichte der helvetischen Kolonisten betont, es seien noch nicht alle Geschichten rund um Chabag erzählt. Etwa die des Winzers Jaton, der eine entscheidende Rolle bei der Gründung der Weinberge von Daghestan gespielt haben soll. «Die Erinnerung an die Schweizer Kolonisten wurde durch die Chabag-Gesellschaft wachgehal-

ten. Die Vereinigung, deren Präsident ich bin, wurde nur gegründet, um das Denkmal zu errichten. Heute zeigen die Kinder und Enkel der Chabag-Kolonisten weniger Interesse für die Geschichte. Die Chabag-Gesellschaft hat ihre Aktivitäten eingestellt. Die Beendigung der Arbeiten am Denkmal in Chexbres und die Zweihundertjahrfeier im Jahr 2022 dürften also den Epilog zur helvetischen Kolonie am Schwarzen Meer bilden.» Cave de Bessarabie: die Brücke zwischen Léman und Schwarzem Meer Leider hat keiner der von Waadtländern am Schwarzen Meer produzierten Weine überdauert, doch seit 2013 füllt ein Moldawier am Lac Léman die Geschichte der Kolonisten von Chabag in Flaschen ab. Ion Gherciu, vor zehn Jahren in die Schweiz

Chabag: a Vanished World Gertrude Zwicky Forney recounts: “I’ve now lived in Froidville longer than anywhere else, but at one time all the people who had lived in Chabag (called Shabo today) hoped to return there”. Born in the Swiss colony in 1932, she was eight years old when Bessarabia, under Romanian control in the inter-war period, was occupied by Soviet troops. “Around Chabag, there were more than one hundred German villages. A commissioner of the Reich (still a USSR 40

ally) visited all the Germanic families with a proposal for resettlement. (My father, conscripted into the Romanian army, was Swiss and my mother was German). Like 80% of Chabag residents, my mother accepted”. That was the start of the exodus that lasted six years. There were heart-breaking farewells to the Swiss colony, and then the experience of living in tents in a refugee camp in Yugoslavia. “Partisans shot at our train during the night and it was

icy cold, but we were given a nice welcome”. Next there was Czechoslovakia: “Four hundred of us were crowded into an industrial building administered by the SS and governed by very strict camp regulations. There was just one WC, and the food was disgusting. When a woman died of typhoid, they closed all the doors and opened them only to bring food”. After two years in the camp, the Nazi authorities sent the contingent of winemakers to a winegrowing region in


Chabag

gekommen, entdeckte die Geschichte der Winzer von Chabag im Buch von Olivier Grivat. «In den sowjetischen Lehrbüchern findet sich keine Spur der schweizerischen und deutschen Winzer, dabei ist Charles Tardent doch der erste, der auf Russisch ein Werk über Weinbau und Vinifikation verfasst hat. Sein Einfluss auf Weinbau und Weinbereitung in Russland und ganz Osteuropa war enorm», erklärt Ion Gherciu, der seine Zeit zwischen präzisen, originellen Weinen und seiner Arbeit beim Lausanner Verkehrsverein aufteilt. Der Wille, das Schwarze Meer und den Léman wieder miteinander zu verknüpfen, hat unseren Önologen dazu gebracht, verblüffende Weine zu kreieren.

Etwa die Assemblage aus Gamaret und Pinot Noir namens Passion des Tsars, vinifiziert wie ein orthodoxer Messwein. Seine Linie Bessarabius – geschmückt mit dem Rad der Karren, auf denen die Schweizer emigrierten – umfasst zwei Schweizer Weine und drei aus Moldawien: die Réserve mischt Cabernet Sauvignon, Saperavi und Merlot aus dem Süden Moldawiens, der Sauvage ist ein reinsortiger Viorica (eine zur Sowjetzeit kreierte Rebsorte). Der Helvète, noch mitten im Ausbau, verbindet Pinot noir aus Morges mit Gamay aus den Côtes-de-l’Orbe, beide im Holz ausgebaut. Der ebenfalls in Barriques gereifte Indigène vermählt drei Sorten, die in Osteuropa verbreitet sind: Feteasca ne-

agra, Rara neagra und Saperavi. Der Orange schliesslich ist ein Chasselas 2020, vinifiziert in Tonamphoren. Diese Weine, produziert mit dem Ziel, «die Kulturen und Traditionen zu mischen, stets im Respekt vor der Herkunft», verstehen sich als Beitrag zur Zweihundertjahrfeier von Chabag, die für 2022 geplant ist.

Neben den Weinen, die er selber produziert, importiert Ion Gherciu auch Weine aus Shabo, dem Weingut, das dort errichtet wurde, wo einst die helevetische Kolonie von Chabag lag. www.cavebessarabie.ch

Slovenia. Gertrude’s parents together with their four children spent two years in the region, and were pretty much spared the horrors of war. In the spring of 1945, the family was sent to Austria. “After a week in Klagenfurt, with bombs dropping day and night, we were transferred to a little village in Carinthia. On Hitler’s death, all official structures collapsed. The Americans took over, but they had no idea into what category they should put our little group, a cheerful mix of Russian, French and German.” A year later, the Chabag residents arrived in Switzerland. “The train took

three days to reach Switzerland. We were so dirty that the Swiss immediately sent us off to take a shower.” After the internment camp in Mont-Pèlerin, came the family’s return to Obstalden, their commune of origin. “My ancestor, who travelled with Louis-Vincent Tardent (the founder of the Swiss Chabag colony) had fought in the Napoleonic wars. So that meant that for 120 years no member of the Zwicky family had lived in the village, yet we were given a royal welcome!” Several years later, while working in Lausanne, Gertrud met Igor, a young man who like her had been born on the

shores of the Dniester river. The couple went on to have two children and played an important role in the Chabag club: “Every year we organized two events. We used to have hundreds of people attending, and they’d booked from one year to the next. Nowadays, everyone who knew Chabag has passed away, or is now too old to travel. The Chabag story has come to an end!”

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Mondial du Chasselas 2020 Text: Eva Zwahlen Fotos: Edouard Curchod

La Braise d’Enfer gewinnt die Königsdisziplin

Die neunte Ausgabe des Mondial du Chasselas stand im Zeichen von Corona. Und im Zeichen der Waadtländer Winzer, welche die wichtigsten Preise für sich gewinnen konnten. Sieger in der Hauptkategorie wurde der Epesses La Braise d’Enfer der Frères Dubois aus Cully, als Gewinner bei den alten Jahrgängen und bester Wein des Wettbewerbs wurde der Clos du Rocher 1985 der Obrist SA ausgezeichnet. Der frisch gebackene Präsident des Mondial du Chasselas, Weinjournalist Alexandre Truffer, hatte keinen einfachen Start in sein neues Amt: «Das Coronavirus hat die Durchführung natürlich massiv kompliziert», erzählt er, «und zum ersten Mal, seit es den Concours gibt, können wir uns nicht über eine Zunahme bei den teilnehmenden Weinen freuen, sondern verzeichnen ein Minus von rund 18%; 2019 wurden 867 Weine eingereicht, dieses Jahr waren es nur 704.» Weggeblieben sind vor allem Waadtländer und Walliser, «die deutschen Winzerinnen und Winzer dagegen nahmen mit 78 Weinen teil, das sind genau gleich viele wie 2019.» Warum diese Baisse bei den Waadtländern und Wallisern? «Die strukturelle Krise im Westschweizer Weinbau ist wirklich dramatisch», bedauert Präsident Truffer, «manche Produzenten haben ihre Weine gar nicht erst abgefüllt». Dass die Krise durch die Pandemie noch verschärft wird, versteht sich von selbst. Dem Virus abgetrotzt Die harte Arbeit hinter den Kulissen des Concours hat sich gelohnt: Am 26./27. Juni 2020 wurden auf Château d’A igle die 704 zum Wettbewerb eingereichten Weine mit allen notwendigen Vorsichtsmassnahmen – grosser Abstand zwischen den Tischen der Jurys, Desinfektionsmittel, gestaffelte Pausen usw. – degustiert. Wie immer stand der Anlass unter dem Patronat von OIV (Organisation Internationale de la Vigne et du Vin), der Union Internationale des Œnologues sowie der Union Suisse des Œnologues. Genau die Hälfte der 48 Juroren stammte aus dem Ausland. «Die englischen Jurymitglieder konnten leider nicht kommen, wegen der Quarantänebestimmungen, die Belgier mussten per Auto anreisen, da ihr Flug kurzfristig annulliert wurde – und die Franzosen

fühlten sich bei uns wie im Paradies, nach dem strengen Lockdown in Frankreich.» Der Concours ging schliesslich weitgehend normal über die Bühne, wenn auch ohne die übliche Fête du Chasselas und mit einer reduzierten Siegerehrung am 20. August. «Das gesparte Geld investieren wir in Projekte zur Förderung des Chasselas, etwa in die Übersetzung unserer Broschüre, in einen Online-Kurs rund um den Chasselas in Zusammenarbeit mit Swisswine (www.swisswine-campus.ch) und in eine Umfrage bei Konsumentinnen und Konsumenten in der Romandie und in der Deutschschweiz, einem wichtigen, aber schwierigen Markt für den Chasselas. Dabei wollen wir herausfinden, welche Erwartungen die Kundschaft an die wichtigste Schweizer Rebsorte und ihre Weine hat.» (Siehe auch Artikel S. 23). Das ist und bleibt das Hauptziel des Mondial du Chasselas, wie Präsident Alexandre Truffer betont: den Chasselas fördern und bekanntmachen, innerhalb und ausserhalb der Landesgrenzen! Die strahlenden Sieger Grégoire (links) und Frédéric Dubois, zusammen mit Benjamin Gehrig, dem Direktor des Office des Vins Vaudois.

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Heaven and Hell! The 9th edition of the Mondial du Chasselas was held in the shadow of the coronavirus. Yet the Vaud winegrowers emerged into the spotlight with multiple wins: first prize in the top category went to La Braise d’Enfer (Embers of Hell), AOC Lavaux Epesses, from Frères Dubois in Cully, and the prize for the best competition wine, the best Vaud wine and the best old vintage went to Clos du Rocher 1985, from Obrist SA. 44

One must admit that the task facing the new Mondial president, the wine reporter Alexandre Truffer, was not easy: “The coronavirus made things much more difficult and for the first time, instead of the regular increase in samples, we saw a fall in the number of wines submitted. In 2019, some 867 wines were tasted compared to 704 this year, that is, an 18% drop.” As always, the event was held under the patronage of

the OIV (International Organization of Vine and Wine), the International Union of Oenologists, and the Swiss Union of Oenologists. Exactly half of the jury members (24 out of 48) came from abroad. “The English unfortunately couldn’t come as they would have had to go into quarantine, the Belgians had to travel by car due to a last-minute flight cancellation, and the French, well, after weeks of strict lockdown, they


Mondial du Chasselas 2020

Höllisch gut Nachdem die Waadtländer letztes Jahr trotz Übermacht sehr lange Gesichter gemacht hatten, als der Titel «Chasselas-Weltmeister» an einen badischen Gutedel ging, darf sich dieses Jahr wieder einer der Ihren über die heiss begehrte Trophäe freuen, nämlich der Epesses La Braise d’Enfer 2019 AOC Lavaux Epesses des traditionsreichen Hauses Frères Dubois, Cave du Petit Versailles, in Cully, der mit 92,2 Punkten die Königskategorie der trockenen Weine (bis 4 g/l Restzucker) für sich entscheiden konnte. Er verwies den ebenso bekannten Aigle Les Murailles 2019 AOC Chablais Aigle von Badoux Vins (92) sowie den Tour Bertholod 2019 AOC Lavaux Lutry der Cave L’Abbatiale Ville de Payerne (92) auf die Plätze. Kreiert wurde der Epesses La Braise d’Enfer, der in der Deutschschweiz einen ebenso guten Ruf geniesst wie in der Romandie, bereits vor 65 Jahren. Und zwar von Marcel Dubois, dem Grosspapa der heute aktiven dritten Generation, Grégoire und Frédéric Dubois. «Das war das erste, was ich nach der Siegerehrung gemacht habe, meinen Grossvater anrufen! Er hat sich wahnsinnig gefreut…», erzählt Grégoire. «So ein Erfolg ist natürlich immer die Arbeit einer ganzen Equipe – und auch die Planeten müssen richtig stehen, damit es klappt»,

Viele zufriedene Gesichter: Wer beim Mondial du Chasselas ausgezeichnet wird, macht vieles richtig mit seinem Chasselas.

were in heaven! In the end, the competition proceeded quite normally although it was somewhat less festive without the usual Fête de Chasselas and with a reduced mode prize-giving ceremony. The savings will be invested in Chasselaspromoting projects. Alexandre Truffer lists some: “For example, the translation of our brochure, an online course on Chasselas (in cooperation with Swiss Wine Promotion), and a consumer survey in the French and German-speaking parts of Switzerland” (see p. 23). Truffer

merkt er mit einem Augenzwinkern an. Der in einer Auflage von 40 000 Flaschen produzierte Epesses (der auch den Preis für den besten Wein mit einer Produktion von mehr als 15 000 Flaschen erhalten hat) wächst auf den schweren Lehmböden von Epesses, wird in emaillierten Stahltanks vergoren und vier bis sechs Monate lang in traditionellen alten Eichenholzfudern von 7000 bis 8000 Litern ausgebaut. «In warmen Jahren wie 2018 und 2019 machen wir den biologischen Säureabbau nur bei einem Teil der Cuves, damit der Wein seine süffige Frische bewahrt.» Der Name La Braise d’Enfer und das unverwechselbare Etikett mit den beiden Teufelchen, die über besagter Höllenglut eine grosse Traube rösten, verweist auf eine alte Legende, die dem blutjungen Marcel Dubois einst von den Alten erzählt wurde: Immer an der gleichen Stelle in den Rebparzellen von Epesses rutschte der Boden ab und fielen Mauern zusammen. Keine Frage: Da musste der Teufel seine Hand im Spiel haben… 95 Punkte für den Clos du Rocher 1985 In der Kategorie der Weine mit mehr als 4 g/l Restzucker gewann der Dézaley Grand Cru Récolte Choisie 2018 von Patrick Fonjallaz, Clos de la République, in Epesses mit 93,3 Punkten – übrigens nicht zum ers-

Das ist und bleibt das Hauptziel des Mondial du Chasselas: den Chasselas fördern und bekanntmachen, innerhalb und ausserhalb der Landesgrenzen!

went on to pinpoint the fact that the prime aim of the Mondial du Chasselas was to promote Chasselas and inform audiences at home and abroad. A Chasselas from hell Although last year the Vaud winemakers had the misfortune of seeing the title of champion go to a Gutedel from Baden and not to one of their wines (the majority), this year they can rejoice that the top award went to a Chasselas from Vaud: La Braise d’Enfer (Embers of

Alexandre Truffer, Präsident des Mondial du Chasselas

Hell) 2019, AOC Lavaux Epesses, from Frères Dubois, Cave du Petit Versailles in Cully. This devilish Chasselas obtained 92.2 winning points in the top dry wine category (until 4gm/l residual sugar). Close behind came the well-known Les Murailles 2019 AOC Chablais Aigle, from Badoux Vins (92), and Tour Bertholod 2019, AOC Lavaux Lutry, from Cave L’Abbatiale Ville de Payerne (92). La Braise d’Enfer has been around for 65 years and has earned a well-established reputation in both the 45


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Mondial du Chasselas 2020

ten Mal. Die Trophäe für Weine mit spezieller Vinifikation ging an die Cave des Lauriers im neuenburgischen Cressier für ihren Chasselas Non-Filtré 2019 AOC Neuchâtel (89,8), während in der Kategorie Swing (Weine mit höchstens 11,5%-vol. Alkohol) erwartungsgemäss ein deutscher Wein triumphierte, nämlich der Heitersheimer Maltesergarten Gutedel Qualitätswein Baden 2019 vom Weingut Feuerstein (89). Die vordersten Plätze bei den prestigereichen alten Jahrgängen machten die Waadtländer dann wieder unter sich aus. Als am höchsten bewerteter Wein des gesamten Concours gewann der Clos du Rocher 1985 AOC Chablais Yvorne Grand Cru des Hauses Obrist in Vevey – also stolze 35 Jahre alt! – mit sagenhaften 95 Punkten vor dem Dézaley L’A rbalète 2005 AOC Dézaley Grand Cru von Testuz in Treytorrens (93,7) und dem Château de Vinzel 1996 AOC La Côte Vinzel Grand Cru (92,8). Das Château de Vinzel doppelte übrigens mit dem 2009er nach, der mit 90,8 Punkten auf dem sechsten Platz landete. Soll noch einer sagen, Schweizer Weine im Allgemeinen und Chasselas im Besonderen könnten nicht ausnehmend vorteilhaft altern! Mit dem Pressepreis, dem «coup de cœur de la presse», wurde schliesslich der Féchy en Bayel 2019 AOC La Côte Féchy Grand Cru ausgezeichnet, produziert von der Cave La Vaudoise des Quatre Vents in Perroy. Alle Preisträger unter: www.mondialduchasselas.com

Trotz Corona ging die Verkostung der 704 Weine auf Schloss Aigle schliesslich fast normal über die Bühne.

Der Mondial du Chasselas 2020 in Zahlen 704 teilnehmende Weine, davon 552 (78,4%) in der Hauptkategorie der trockenen Weissweine bis 4 g/l Restzucker, 24 in der Kategorie der Weine mit mehr als 4 g/l Restzucker, 56 in der Kategorie «spezielle Vinifikation», 51 bei den alten Jahrgängen (2013 und älter) und 21 in der Kategorie «Swing» mit wenig Alkohol (maximal 11,5%-vol.). 597 Weine (84,8%) stammten aus der Schweiz: 434 aus der Waadt, 104 aus dem Wallis, 28 aus Neuenburg, 16 aus dem Vully, 8 aus Genf, 5 vom Bielersee, 1 aus Basel und 1 aus einer allgemeinen Appellation. 107 Weine kamen aus dem Ausland: 78 aus Deutschland, 26 aus Frankreich, 2 aus den USA und 1 aus Kanada. Insgesamt 207 Weine (29,4%) wurden ausgezeichnet, 101 mit mindestens 89 Punkten und einer Goldmedaille, 106 mit mindestens 87 Punkten und einer Silbermedaille.

French-speaking and German-speaking parts of Switzerland. It was created by Marcel Dubois, who is the grandfather of Grégoire et Frédéric Dubois, third generation winegrowers. “On hearing the results, the first thing I did was to call my grandfather”, said Grégoire. “He was so happy! Of course, success is the fruit of good teamwork. But even then, for it all to work even the planets have to be well-aligned”! It also obtained first prize for the best wine produced in more than 15,000 bottles – their produc-

tion involves 40,000 bottles. This prize Chasselas grows on the heavy clay soils of Epesses, is fermented in glazed steel tanks, and spends four to six months in traditional 7,000 to 8,000-litre old oak barrels. “In hot years like 2018 and 2019, part of the tank is put through malolactic fermentation for the wine to preserve its vivacity”, explains Grégoire. “Where does the hell-inspired name come from, and the unmissable label with two demonic satyrs roasting a grape? It comes from an old legend. When Marcel was

little, he’d listen to the old folk tell the story of how the land would slide and walls would fall in a certain place, always the same place, in the Epesses vineyards. That could only have been the hand of the devil. For a complete list of awards: www.mondialduchasselas.com

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Weinconcours Text: Pierre Thomas

Selektion der Waadtländer Weine 2020

Es ist ein Chasselas, der die allerbeste Note der Selektion der Waadtländer Weine 2020 erhalten hat, von fast 700 Proben: La Vaudaire 2019, Epesses AOC Lavaux, von Jean-Daniel Porta. Die Sieger der insgesamt zehn Kategorien wurden alle mit mehr als 90 Punkten und mit einer Goldmedaille ausgezeichnet.

Der grosse Siegerwein, der dem Winzer aus Villette die «Master»-Trophäe einbringt, ist der einzige Wein des gesamten Concours, der im Juli in Froideville stattfand, der mit mehr als 93/100 Punkten ausgezeichnet wurde, mit 93,3, um exakt zu sein. Er gewinnt damit die Kategorie der Chasselas des jüngsten Jahrgangs (2019), vor dem Saint-Saphorin Grand Cru La Confrary von Olivier Ducrest (92,3), Chardonne (Lavaux), und dem ersten La Côte, dem Vinzel Grand Cru der Cave des Rossillonnes (92). Die Letztgenannte gehört zu den am meisten ausgezeichneten Betrieben der Selektion, errang sie doch auch den Titel bei den Süssweinen, mit der Douce Euphorie 2017 (92,8). Kein Grund für JeanPaul und seinen Sohn Martial Besson, sich auf den Lorbeeren auszuruhen. Und so klassierten sie sich auch als Erste ex aequo bei den Pinots noirs, und zwar mit dem Rossillon noir 2018 (91,2). Sie teilen sich diesen Titel mit Benjamin Morel und Frédéric Hostettler vom Château de Valeyres (Valeyres sous Rances, Côtes-de-l’Orbe), mit ihrem Pinot noir Confidentiel 2018. Benjamin Morel holte auch bei den roten Assemblagen den Titel, mit der barriquegereiften Mariage von Gamaret und Garanoir namens De Galléra 2018 (92,8). Flankiert wurde sie auf dem Siegertreppchen dieser Kategorie (nur 2018er) von Antoine Bovard mit seinem Dézaley

rouge (92) und von Bolle & Cie SA mit der Cuvée unique aus Gamaret, Gamay und Merlot (91,7). Auf Benjamin Morel trifft man ein weiteres Mal: Mit seiner Cuvée Origine 2019 vom Château de Valeyres (89,5, Silber) platziert er sich hinter Pierre-Luc Leyvraz und seinem Gamay 2018 Grand Cru de Saint-Saphorin (91,3), dem einzigen Gamay mit einer Goldmedaille. Bei den «anderen roten Sorten» wird nach 2015 erneut die Galotta 2017 (91,5), Grand Cru de Mont-sur-Rolle, von Cédric Albiez gekrönt, vor einem Duo ex aequo (je 91,2), dem Merlot Apicius Vieilles Vi­ gnes 2018, Clos du Châtelard, Grand Cru de Villeneuve (AOC Chablais), von Hammel in Rolle, und einem weiteren Merlot, dem Crescendo 2017 von Alain Rolaz, Domaine de Chantegrive in Gilly (AOC La Côte). Zurück zu den Weissen, mit einem Trio von «gereifteren» Chasselas 2018, bei denen der Dézaley AOC Grand Cru Côtes des Abbayes (92,5), Domaine Blondel, Cully, den Sieg erringt, vor der Réserve Blanche, Château de Glérolles (91,5), Saint-Saphorin Grand Cru (Lavaux), neuerdings Mitglied der Vereinigung Clos, Domaines & Châ­ teaux, und dem meistverkauften Chasselas der Schweiz, dem Aigle Les Murailles von Badoux, Chablais AOC Aigle. Zwei Sauvignons stehen an der Spitze der «anderen

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Die Krönung von Jean-Daniel Porta

Jean-Daniel Porta, Selbstkelterer in Villette

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Weinconcours

weissen Rebsorten»: Sieger der Kategorie ist der Sauvignon gris La Capitaine 2019 (91), Grand Cru de Begnins (La Côte), womit sich Reynald Parmelin zugleich die Trophée Bio sicherte, vor zwei Weinen mit 90,5 Punkten ex aequo, dem Sauvignon 2018 der Domaine de la Recorbe von Jean-Daniel Heiniger in Eysins (AOC La Côte) und dem Chardonnay 2018 von Philippe Bovet in Givrins (AOC Vaud). Bei den Roséweinen (alles 2019er) verpasst Bolle & Cie SA mit seinem Œilde-Perdrix vom Château de Vufflens (Morges Grand Cru AOC La Côte, 90,7) um Haaresbreite (sprich einen Zehntelpunkt) den Titel, der an die Bourgeoisie de Fribourg geht für ihren Rosé de Gamaret de Béranges, AOC Lavaux (90,8); Dritter wird

der Œil-de-Perdrix von Daniel Burdet, AOC Bonvillars (90,3). Doch das Weinhaus Bolle aus Morges kann sich mit dem Sieg und der einzigen Goldmedaille (90) in der Kategorie Schaumweine trösten, für seinen Brut La Licorne, vor dem Brut von François und Pierre Joly, Grand Cru de Villette, Lavaux (89,5), und dem Brut rosé 2018 der Cave de Vevey-Montreux (88,8), dem einzigen Wein einer Kooperative, der in der Selektion der Waadtländer Weine 2020 auf einem Spitzenrang landete. Die Preisverleihung fand übrigens nur «virtuell» statt. www.ovv.ch/de/die-praemierten-weine

Internationale Weinconcours:

Die Goldmedaillen fielen aus Das Jahr hat, noch vor der Verhängung des Lockdowns, nicht sehr gut begonnen für die Schweizer und Waadtländer Weine, die bei internationalen Weinconcours mitmachten. Bei den wenigen, die überhaupt stattfanden… Der erste Concours zu Anfang Jahr, der Concours international du Gamay in Lyon, hat nur einen einzigen Waadtländer Wein mit Gold ausgezeichnet: den Gamay (natürlich!) Tradition 2018 vom Château de Crans. Er ist, wie die Website des Concours präzisiert, «zertifiziert biologisch». Verblüffend! Wir überprüfen die Website des Schlosses, auf der der Winzer Gilles Pilloud detailliert sein «Credo» bezüglich biologische und biodynamische Weine erklärt. Das Weingut mit über 12 Hektar Reben, zu 55% mit roten Sorten bestockt, ist seit 2019 in Umstellung auf Bioanbau und sollte 2021 mit der Bio Knospe zertifiziert werden. So, damit wären die Dinge richtiggestellt – was der Goldmedaille nichts von ihrem Glanz nimmt! Von 17 auf zwei Goldmedaillen in Paris An des Vinalies de Paris wurden die Schweizer Weine – aus unerklärlichen Gründen! – bei weitem nicht so gut bewertet

wie in der letzten Ausgabe. Die Waadtländer Weine konnten zwar etwa gleichviele Silbermedaillen sammeln wie 2019, doch bei den Goldmedaillen fielen sie von 17 auf… zwei! Gewonnen haben sie zwei rote Assemblagen aus der Côte: La Réserve 2018 (Gamaret, Merlot, Diolinoir) der Frères Blanchard in Mont- sur-Rolle und die Cuvée Unique 2018 (Gamay, Gamaret, Merlot) von Bolle & Cie SA in Morges, die auch beim Concours mondial de Bruxelles (CMB) Gold gewinnt. Nach seinem Erfolg in Aigle im Jahr 2019 und den vielen Medaillen für Schweizer und Waadtländer Weine, fand der 27. Concours Mondial de Bruxelles dieses Jahr im September in Brno (Mähren, Tschechien) statt. Hier gewannen die Waadtländer elf Gold- und 27 Silbermedaillen: die Gemeinde Aigle für ihren Chasselas Réserve und den Clos Maijoz, Badoux Vins für den Aigle Les Murailles, AOC Chablais, alle drei 2018. Die anderen Goldmedaillen gingen an Rotweine. Ein schöner Erfolg für das

Chablais, mit zwei Pinots Noirs der Artisans Vignerons d’Yvorne (Feu d’A mour und Vigne d’Or en fûts de chêne) und der Assemblage Rubis Noir der Artisans Vignerons d’Ollon, alle 2018. Philippe Bovet aus Givrins holte zweimal Gold mit seiner Weinlinie Dark Line (sehr langer Holzausbau), einmal mit dem Léman Noir, einmal mit dem Merlot, beide Jahrgang 2015. Drei Unternehmen der Gruppe Schenk vervollständigen das Siegerbild: Testuz mit dem Diolinoir Les Oenocrates 2018, Bolle & Cie mit der Cuvée Unique 2018 und die Cave de Jolimont SA mit einer Assem­ blage namens Dolce Vita 2019, gekeltert aus Gamay, Gamaret und Garanoir und als «vin de pays suisse» etikettiert. PTs

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Text: Eva Zwahlen Fotos: Hans-Peter Siffert Das «Märchenschloss» Aigle und sein modern konzipiertes Wein- und Etikettenmuseum bieten dank zahlreichen interaktiven Elementen viel Attraktives und Wissenswertes für grosse und kleine Besucherinnen und Besucher.

Das Weinmuseum Aigle lebt! Im Jahr, da nichts ist wie sonst und zahllose Schweizerinnen und Schweizer im eigenen Land Ferien machen, ist es allerhöchste Zeit, das Schloss Aigle und sein Museum (neu) zu entdecken. Weit und breit kein verstaubter Museumsmief, dafür ein imposantes Schloss wie aus dem Bilderbuch und eine anregende, klar konzipierte Ausstellung für Gross und Klein. Nein, in Zeiten von Corona Museums­ direktor zu sein, ist kein Honiglecken! Konservator Nicolas Isoz, seit 2011 Schlossherr auf Château d’A igle, trägt es mit Fassung und leisem Humor. Als ausgebildeter Archäologe hat er sowieso einen anderen Blick auf die Zeit. Quasi einen Blick mit dem Weitwinkel. Und zudem täglich das Vorbild des ehrwürdigen alten Gemäuers vor Augen, das die letzten 800 Jahre mit all ihren Höhen und Tiefen weitgehend unbeschadet überstanden hat. Das imposante Schloss, vermutlich Ende des 12. Jahrhunderts von den Rittern von Allio errichtet und später mannigfach umgebaut und erweitert, thront wie das lebendig gewordene Klischee eines Märchenschlosses mit seinen von weitem sichtbaren Türmen, Zinnen, Schiess­ scharten und bedeckten Ringmauern 52  Le Guillon 57_2020/2

inmitten von Reben über dem alten Kern von Aigle, im Rücken die Alpen. Endlich wieder zugänglich für Besucher Bei unserem Besuch liegt das Ende des Lockdowns erst wenige Wochen zurück, das Leben kommt nur zögerlich wieder in Bewegung, auch wir wagen erste vorsichtige Schritte «draussen». «Das Museum war jetzt zwei Monate lang geschlossen, Mitte Mai durften wir endlich wieder unsere Türen öffnen, natürlich mit den notwendigen Sicherheitsvorkehrungen», erzählt Nicolas Isoz, der mit seinem gezwirbelten Schnauz, dem akkurat gestutzten Bärtchen und der dünnrandigen Brille durchaus auch in früheren Jahrhunderten als Ritteradliger oder Berner Landvogt gute Figur gemacht hätte. Kommt

denn überhaupt jemand in der jetzigen Situation? «O ja, sobald wir wieder offen waren, trafen schon die ersten Besucherinnen und Besucher ein. Am ersten Tag waren es immerhin zwölf, dann jeden Tag ein paar mehr, auffallend viele übrigens aus der Deutschschweiz.» Offensichtlich waren die Leute ausgehungert. Nach Kultur. Nach Tapetenwechsel. Nach Schlossgeschichten. «Kaum war der Lockdown offiziell beendet, rief schon ein Tour-Operator aus Deutschland an, der regelmässig Gruppen nach Aigle und ins Schloss bringt, um zu fragen, wann er denn wieder kommen dürfe… Das freute uns sehr.» Im Gegensatz zum knapp 15 Kilometer entfernten Schloss Chillon, mit 430 000 Besuchern im letzten Jahr der unangefochtene Touristenmagnet unter den Schweizer Schlös-


Weltkulturerbe

ANLÄSSE 2020 31. Oktober «FAIS-MOI PEUR AU CHÂTEAU» (MACH MIR ANGST, ANLASS FÜR KINDER) 21./22. November COMIC-FESTIVAL 6. Dezember WEIHNACHTSZAUBER 13. Dezember YULE-MARKT sern, fristet Schloss Aigle vergleichsweise ein Dornröschendasein. Durchaus zur Freude all jener, welche die Stille dem Trubel vorziehen. «Wir verzeichnen etwa 20 000 Eintritte pro Jahr, die Hälfte davon entfällt auf das Reb-, Wein- und Etikettenmuseum sowie die wechselnden Ausstellungen, die andere auf diverse Anlässe.» Kleine Besucherinnen und Besucher werden mit Schatzsuchen, einem Halloween-Event namens «Fais-moi peur!» (Mach mir Angst) oder dem Kinderfestival «Trotinette» angelockt, die Grossen vergnügen sich bei Kunsthandwerkermärkten, dem beliebten Comic-Festival «BD au Château» (21./22. November 2020) oder dem Mittelalter­ festival. Oder versuchen – der Zeitgeist lässt grüssen – innerhalb von 60 Minuten aus einem Escape-Room zu fliehen…

«Weitere 10 000 Personen kommen an private Anlässe ins Schloss, das vier prächtige Säle vermietet, in denen Hochzeiten oder andere Feste gefeiert werden können.» Und natürlich wird in diesen repräsentativen Räumlichkeiten nicht nur fröhlich gezecht, sondern auch ernsthaft degustiert: beim jährlich stattfindenden Mondial du Chasselas (Siehe S. 43). …wenn auch mit Einschränkungen Doch im Sommer 2020 kann von «courant normal» (noch) keine Rede sein. Davon zeugen bei unserem Besuch die Desinfektionsmittelflaschen bei den Eingängen, die Plakate, die zum Distanzhalten auffordern, und die rot-weissen Absperrbänder bei den beliebten interaktiven Terminals des Museums. Mittlerweile konnten die Abschran-

kungen glücklicherweise wieder entfernt werden, und man darf an den Stationen gefahrlos und auf spielerische Art miterleben, welche Arbeit Winzerinnen und Winzer in Rebberg und Weinkeller leisten, aber auch, welche Pflanzen und Tiere in den Reben leben, wie sich die Reblandschaften verändern usw. Natürlich fehlt auch ein Laboratorium zu all den Aromen, die im Wein zu erschnuppern sind, nicht. Doch ach, leider heisst es hier noch immer: Nase weg und Distanz halten! Degustiert wird momentan nur mit den Augen… Getröstet wird man durch all die Geschichten, welche sich um die sorgfältig ausgewählten Gegenstände des Museums ranken, angefangen bei den mächtigen Torkelbäumen über die alten Werkzeuge bis hin zur gefährlich wirkenden Pistole, die gefräs53


sige Vögel (und andere Mundräuber) aus den Reben vertreiben sollte. «All diese Gegenstände erzählen eine Geschichte», meint Nicolas Isoz. Und schmunzelt: «Wenn einmal einer unserer zwölf Guides ausfällt und ich für eine Führung einspringen muss, dann dauert das immer doppelt so lang wie bei den anderen, weil ich unweigerlich ins Erzählen gerate…» Das Schloss Aigle, das an der Via Francigena liegt, die das englische Canterburry mit

Rom verbindet, blickt auf eine wechselvolle Geschichte zurück. 1475 wurde es von den Bernern erobert, deren Landvögte bis zum Untergang der Alten Eidgenossenschaft im Jahr 1798 hier residierten. Mit der Waadtländer Revolution gelangte es in den Besitz des Kantons, der es 1804 an die Gemeinde Aigle verkaufte. Bis 1972 diente das Schloss als Gericht und als Gefängnis. Dank dem Einsatz der Confrérie du Guillon und mit Unterstützung von Kanton und Gemeinde

Wenn einmal einer unserer zwölf Guides ausfällt und ich für eine Führung einspringen muss, dann dauert das immer doppelt so lang wie bei den anderen, weil ich unweigerlich ins Erzählen gerate…  Nicolas Isoz, Konservator und Direktor des Musée de la Vigne, du Vin et de l’Etiquette

Verkosten und die Etikette ablösen Das ist die Devise der Confrérie de l’Etiquette, gegründet am 6. Dezember 1980 in Lausanne. Diese Vereinigung von passionierten Etikettensammlern feiert also dieses Jahr ihren vierzigsten Geburtstag. Sie verbindet Weinetiketten-Aficionados aus der Westschweiz und dem Tessin und zählt zurzeit rund sechzig Mitglieder. Die Confrérie de l’Etiquette hat das Musée international de l’Etiquette gegründet, integrierender Bestandteil des Musée Vaudois du Vin, de la Vigne et de l’Etiquette im Château d’Aigle. Die Bruderschaft organisiert Tauschbörsen von Etiketten unter ihren Mitgliedern, nimmt an Ausstellungen teil und veröffentlicht eine vierteljährlich erscheinende Revue: «L’Etiquette de la Confrérie». Zudem zeichnet sie jeweils die schönste Weinetikette des Jahres aus. PB Sie sammeln leidenschaftlich gern Weinetiketten? Dann sollten Sie schnellstens der Confrérie de l’Etiquette beitreten! www.confrerie-etiquette.ch


Weltkulturerbe

wurde das Schloss schliesslich renoviert und in ein Weinmuseum verwandelt, das 1976 eingeweiht und 2010 von Grund auf neu konzipiert wurde. Ein lebendiges Museum «Wir sind nicht nur ein Museum der Objekte, sondern ein Museum der Ideen», betont Nicolas Isoz, um gleich anzufügen: «Aber natürlich braucht es die Objekte, denn sie sind es, die Geschichten erzählen…» Das tun auch die rund 500 000 Weinetiketten, von denen natürlich wechselweise nur zu bestimmten Themen ausgewählte zu bewundern sind. Die Confrérie de l’Etiquette unterstützt das Museum grosszügig und unermüdlich mit Material. Staunend erkennt man in den kleinen Papierquadra-

Besuch im Musée de la Vigne, du Vin et de l’Etiquette im Château d’Aigle

ten richtiggehende Kunstwerke, frech, originell, erotisch, lustig, kitschig, sarkastisch… Winzersohn Nicolas Isoz gesteht: «Ich trinke gerne Wein, aber noch mehr interessiert mich die dazugehörende Flasche.» Und die Etikette, versteht sich. Das Schloss Aigle soll leben. Das ist und bleibt Isoz’ grosses Ziel. «Deshalb gestalten wir auch immer wieder neue Ausstellungen, setzen auf interaktive, audiovisuelle Stationen und organisieren Anlässe. Wenn es nichts Neues zu sehen und zu erleben gibt, dann kommen die Leute nur einmal…» Das wäre in der Tat schade. Denn das Schloss Aigle und sein famoses Museum bieten Stoff für unzählige Besuche.

Das Museum ist das ganze Jahr über geöffnet. Januar bis März, November und Dezember: Di bis So, 10 bis 17 Uhr April bis Juni, September und Oktober: Di bis So, 10 bis 18 Uhr Juli und August: täglich, 10 bis 18 Uhr Geschlossen am 1. Januar und am 25. Dezember. Weitere Informationen: www.chateauaigle.ch Escape Room: www.escape-aigle.ch

The Château d'Aigle and its Museum It is no easy task to manage a museum in times of coronavirus. The lord of the castle, the curator and director of the Musée de la vigne, du vin, de l’étiquette (Museum of the Vine, of Wine, and of the Label), Nicolas Isoz, is carrying out his tasks with efficacy and good humour. Like a good archaeologist, he has a special perception of time. The impressive fortress which looks like a fairy-tale chateau, probably built by the knights of Aigle (originally Alio, a Savoyard surname) at the end of the twelfth century, several times reconstructed and extended, rises up amid the vines, dominating the old medieval village and the Rhone valley. The fortified castle displays its towers, its battlements, its arrow slits and its walls against a background of mountains.

coming. The first day we had nine visitors, and then more each day with many coming from the German-speaking part of Switzerland.” People were obviously hungry for culture, wanted to see other walls than those of their homes, and were dying to hear some stories about ancients chateaux. In contrast to the Château de Chillon, some 15 km away, the leading mecca for tourists with 430,000 visitors in 2019, the Château d’A igle is more like Sleeping Beauty’s castle” – for the greater enjoyment of those who prefer peace and quiet rather than crowds. “We have about 20,000 entries a year, half of which are people visiting the Museum and half of which is connected with various events.” Those include the Mondial du Chasselas which is held here every year. (see page 43).

Open again After closing for two months it has now reopened, fully observing the health authorities’ safety instructions. Are visitors returning? “No sooner had we opened our doors than people started

A living museum The château dates back many hundreds of years. Indicated on the Via Francigena route that joins the English Canterbury to Rome road, it has witnessed occupation and been involved in

many events. In 1475, it was conquered by the Bernese and became a residence for bailiffs, who stayed there until the fall of the ancient Confederation in 1798. After the Vaud revolution, it fell into the hands of the canton which in 1804 sold it to the Aigle Commune. Up until 1972, it was used as a tribunal and a prison. Thanks to the Confrérie du Guillon, and with the support of the canton and the commune, it was finally renovated in order to house the new Musée du Vin, inaugurated in 1976. In 2010 it was completely reconstructed. “Our museum is not only a showcase of objects, but also of ideas”, explains Nicolas Isoz. “Of course we need objects for they are the ones that tell the stories”. And that is what the 500,000 wine labels do, on regular display and organized by themes. Nicolas Isoz, a winegrower’s son, admits: “I enjoy drinking wine, but I’m more interested in the bottle”. In the label, that is. For more information: www.chateauaigle.ch 55


L’Oenothèque du Petit Versailles est ouverte Du mardi au vendredi 10h00 – 12h30 15h00 – 18h30 Le samedi 10h00 – 16h00

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Terroirprodukte Text: Pierre-Etienne Joye Fotos: Sandra Culand

Fische in unseren Seen und Flüssen… und Tellern! Zahlreiche Fischarten tummeln sich in den Gewässern des Kantons Waadt. Die bekanntesten sind Hecht, Felchen, Forelle und Egli, aber auch Zander. Seit einigen Jahren werden diese bei den Konsumenten geschätzten Arten immer rarer. Doch einige schöne Exemplare gehen den Fischern immer noch ins Netz. Ein Tour d’horizon. Eine Angelleine. Ein roter Faden, dem wir in Begleitung von Serge Porchet folgen wollen. Er ist versierter Hobby-Fischer und Besitzer des «Armoire à Brume», der Fischräucherei in Forel. Er räuchert kalt, immer mit denselben Holzessenzen: mit Sägespänen von Esche, Buche, wenig Kirsche und Nadelholz (Tanne), was ein bisschen Farbe gibt. Wenn man ihn bittet, die Situation der lokalen Fischerei zu schildern, kommt er gleich auf den Punkt: «Das ist nicht der wundersame Fischfang aus der Bibel. Unsere Fischer leiden! Wir stellen einen starken Rückgang der Fische in allen Gewässern fest. Einer der Hauptgründe dafür ist das Verschwinden der Insekten.» Lassen wir trotzdem fünf mythische Fische Revue passieren, die – noch – im Lac Léman, im Neuenbur­ gersee, im Lac de Joux, im Lac de Bret sowie in einigen Flüssen herumschwimmen.

Felchen Seit einiger Zeit verdoppeln die grossen Restaurants ihre Vorstellungskraft, um diesen edlen Fisch aus unseren Seen auf originelle Art zu sublimieren. Der grosse Girardet allerdings hat nicht darauf gewartet, bis dieser delikate Fisch wieder in Gnaden aufgenommen würde, um ihm einen ausgewählten Platz auf seiner Karte einzuräumen, und zwar mit seiner legendären «Gourmandise de féra aux graines de sésame». Sehr verlockend, wenn das Ausgangsprodukt vorhanden ist! Denn Amateure wie Profis stellen fest: Felchen werden immer rarer. Während sie sich vor kurzem noch munter im Léman Serge Porchet, Fischer und Besitzer der handwerklichen Fischräucherei «Armoire à Brume» in Forel.

River and Lake Fish Many different species can be found in the waters of the Vaud canton. The best known are pike, fera, trout and perch, as well as the pike-perch. For several years now, these much-appreciated varieties have been becoming increasingly rare. Serge Porchet, an experienced fisherman in his spare time, is the owner of Armoire à Brume, a cottage industry smokehouse in Forel. His cold-smoking process always uses the same kind of wood species: ash and beech sawdust, with some cherry wood and fir for a bit of colour. According to Serge Porchet, “There has been a strong decline in fish

in all our waters. One of the main reasons is the disappearance of insects”. Let’s take a look at the five species of fish found in the waters of the Lakes of Geneva, Neuchâtel, Joux and Bret as well as in some rivers. Fera – Amateurs and professionals alike are coming to the same bitter conclusion that fera is becoming rare in the Lake of Geneva. Nor are they abundant in the Lake of Neuchâtel where they are called palée or bondelle. “We’re having a tough time with fera”, Serge Porchet confides. “The drop in supply exceeds 70%...

Besides climate and water temperature, we have the problem of cormorants and complicated fishery management rules on the Lake of Geneva. All the same, fishermen always have some that they can sell direct, but quantities are small. When we manage to get some, we smoke them. Smoking gives them a firm, resistant flesh, best enjoyed when cut very fine and sprinkled with a few drops of colza oil.” Pike – Referred to in the Middle Ages as the ‘big water wolf’, this fish is certainly very impressive: it can reach more than Le Guillon 57_2020/2  57


vermehrten, macht sich die Donzelle rar, auch wenn sie ein schüchternes Comeback zu geben scheint. Es wimmelt auch im Neuenburgersee nicht von ihr, wo sie den Namen Palée oder Bondelle trägt. «Mit den Felchen ist es sehr schwierig», räumt Serge Porchet ein. «Der Rückgang beträgt mehr als 70%… Neben dem Klima und den Wassertemperaturen machen uns die Kormorane und die komplizierte Organisation des Fischens auf dem Lac Léman Sorgen. Die Fischer bieten trotzdem immer einige Felchen im Direktverkauf an, doch das ist unbedeutend. Das erlaubt es uns, unsere Lebensmittelgeschäfte gerade mal für eine Woche zu bestücken. Wenn wir Felchen haben, dann räuchern wir

Licht aus für die Felchen vom Lac Léman

einpacken. Und die Badenden vom Dachfirst des Schlosses Chillon herunterklettern. Der «Attila der Flüsse und Teiche», wie ihn Gastronom Grimod de la Reynière nannte, besitzt ein festes, aromatisches Fleisch. Er eignet sich gut als Räucherfisch. «Mit einem Wermutstropfen», wie Serge Porchet unterstreicht. «Es lohnt sich nicht, Exemplare zu räuchern, die weniger als 80 cm messen, denn zwischen dem ganzen Hecht und den Filets fallen 65% Abfall an. Dazu kommen weitere 10% während des Räucherns. Zudem kann man die zähen Gräten nicht einfach entfernen, sondern muss sie fast chirurgisch auslösen. Da die natürlichen Farben des Hechts nicht sehr appetitanregend ins GrauBlau-Gelbe spielen, auch wenn der Fisch ganz frisch ist, wird er leicht mit Raisinée eingefärbt. So wirkt er eher hellbraun, was appetitlich und sympathisch aussieht.»

Die Felchen aus dem Lac Léman haben sich schon vor Urzeiten verabschiedet. Vor einem Jahrhundert, um präzis zu sein. Krankheit? Frenetischer Fischfang? Verschmutzung? Die Meinungen gehen auseinander. Ein weiteres autochthones Mitglied der Felchenfamilie, Gravenche oder Bisole genannt, macht gleichzeitig seine letzte Aufwartung. Die beiden verblichenen einheimischen Arten werden in den 1950er-Jahren von ihrer Cousine aus Neuenburg ersetzt: der Palée. Der Einfachheit halber oder aus Gewohnheit hat man den Namen Felchen beibehalten. Es ist übrigens Brauch, die Fische der Gattung Coregonus je nach Ort, an dem sie leben, anders zu nennen. Und es handelt sich nie um genau dieselbe Art. Da sie sich an die Bedingungen eines jeden Gewässers anpassen, beobachtet man morphologische Unterschiede. So spricht man in den Seen von Bourget, Annecy und Aiguebelette im benachbarten Frankreich von Lavaret oder Bezoule. In der Deutschschweiz findet man eine Fülle von Übernamen: Albeli im Zuger- und Zürichsee, Blaufelchen im Bodensee, Albock im Thuner- und Brienzersee, in Letzterem sogar Brienzlig. Und am Vierwaldstättersee? Albeli (Kleinfelchen) und Balchen (Grossfelchen). Oder einfach Edelfisch. PEJ

Die Forelle «Sie ist der Überschuss unserer Flüsse. Wenn die Forelle nicht mehr genug zu fressen hat, dann schwimmt sie in den See und wächst sehr schnell», präzisiert Serge Porchet. Ab dem zweiten Lebensjahr wird sie zu einem Fleischfresser, der sich von Insekten, aber vor allem von Fisch ernährt.» Die häufigsten Arten, Forellen zuzubereiten: «à la meunière», also leicht mehlen und dann anbraten, in Butter goldgelb braten und mit Mandeln servieren oder schlicht und einfach «blau» garen. Diese traditionelle Methode ist in der Tat eine der besten Arten, der Forelle mit all ihren Qualitäten gerecht zu werden. Die Schleimhaut, welche die Forelle bedeckt, wird beim Kochen blau, noch unterstützt durch den heissen Essig, den man kurz vor dem Sieden in der Brühe über die Forelle

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sie. Sie haben ein festes, widerstandfähiges Fleisch. Sie schmecken am besten, wenn man sie ganz fein aufschneidet und mit ein paar Tropfen Rapsöl beträufelt.» Der Hecht Der Hecht, den man im Mittelalter auch «grossen Seewolf» nannte, ist in der Tat beeindruckend: Er kann bis zu 1,3 Meter lang und gegen 20 Kilo (Weibchen) schwer werden, in seinem Mund, der aussieht wie ein Entenschnabel, verbergen sich nicht weniger als 700 Zähne. Von der Kehle bis zu den Kiemen. Der Hecht, bisweilen sogar Kannibale, ist natürlich ein Karnivore, aber ein bequemer. Spielberg kann seine Kameras


Terroirprodukte

Aus dem Wasser der Seen via Auslösen der Filets und Räuchern bis hin zur Verpackung – alles im Dienst der verwöhnten Papillen der Konsumenten.

Die Leute kennen den sehr dezenten Geschmack der Egli nicht. Was man wahrnimmt: Butter, Zitrone, Mandeln. Unsere Methoden bieten eine Alternative zum traditionellen Konsum.  Serge Porchet

Die berühmten Hechtklösschen Das Hechtklösschen kehrt zurück auf die Bühne. Der französische Ausdruck «quenelle» soll vom deutschen Knödel abstammen. 1830 hatte eine Pâtissier aus Lyon die Idee, Fleisch durch Hecht zu ersetzen, der in Rhone und Saône reichlich vorkam. So wurde die «quenelle lyonnaise» geboren. Das Prinzip: das Fischfleisch wird mit einer Kohlpaste vermischt und mit Fett angereichert (früher mit Nierenfett), der Panade. Doch es gibt Hechtklösschen und Hechtklösschen. Diejenigen vom Charcutier sind zwar lange haltbar, aber kompakt und schwer, eher mehlig denn raffiniert. Und dann gibt es die luftig leichten, cremigen, schmelzenden, ausschliesslich aus Eiern, Rahm, Butter und einem Maximum an Hechtfleisch zubereiteten… PEJ

1 meter 30 in length and the female can weigh up to 20 kg, and its duckbillshaped jaw houses no fewer than 700 teeth. Prone to cannibalism, the pike is carnivorous, but not very adventurous. The pike’s flesh is firm and flaky and lends itself well to smoking. Serge Porchet goes on to explain: “There’s just one drawback: specimens under 80 cm are not worth smoking because filleting waste amounts to 65% of the fish. Then you have 10% waste during the smoking process. In addition, it’s very difficult to take out the Y-shaped bones, it’s almost like a surgical operation”.

our region are: meunière that is, lightly floured and then fried; browned in butter with almonds; or simply au bleu, that is poached. The latter method is the most traditional, and one of the best ways to appreciate the full flavour. It’s the mucus covering the fish that makes poaching possible, as well as adding warm vinegar before placing it in the court-bouillon. In Serge Porchet’s opinion, “With its extraordinary flesh resembling that of the best wild salmon, trout is the king of our lakes. It can be enjoyed like salmon, in fine slices and accompanied by a local Chasselas wine”.

Trout – “When trout do not have enough food, they move downstream to the lake and then grow very fast”, Serge Porchat explains. “In their second year they become carnivorous and feed on some insects but mainly on lots of fish”. The most common ways of cooking trout in

Perch – Very popular with chips, it is enjoyed with gusto on the terraces of lakeside restaurants in Switzerland. However, perches from the Lake of Geneva account for no more than 5 to 8% of the market. Serge Porchet comments that “In view of rising demand, that’s

very little. But we’re in luck: after the piercing of the Lötchsberg tunnel, the Valperca perch farm was created by capturing fresh water on the Raron side”. Thanks to that, we can find smoked and marinated (like gravlax) perch at Armoire à Brume. Pike-perch – As the name implies, pike-perch is somewhere between perch and pike, both in size and type of flesh. Its French name, sandre, comes from ‘Zahn’, the German word for tooth. It has canine-like teeth at the front of its jaw which has earned it the nickname, Crocodile of the Danube. It has more flavour than perch, but less than pike. Its flesh is delicate and firm, and its subtle flavour goes well with relatively spicy sauces and can even be combined with meat products such as bacon or ham. It stays firm when cooked and can easily be mistaken for a sea fish, less the iodine. 59


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giesst. Für Serge Porchet «ist die Forelle eigentlich die Königin unserer Seen, mit ihrem ausserordentlichen Fleisch, das an die besten Wildlachse erinnert. Wir arbeiten mit einer Zucht oberhalb von Montreux, deren Forellen zart rosa sind. Mariniert mit Whisky, gelingt es uns, sie erröten zu lassen, dank dem Räuchern und dem schnellen Trocknen. Eine Forelle aus dem See könnte man in feinen Tranchen geniessen wie einen Lachs, zu einem hiesigen Chasselas. Auch eine Zuchtforelle wird fein aufgeschnitten und als Tatar oder einfach so gegessen.» Die wilde Lachsforelle dagegen mit ihren charakteristischen roten Punkten ist sehr selten. Der Egli Der Egli (oder Flussbarsch) ist sehr populär, zusammen mit Frites, leidenschaftlich genossen auf den Terrassen entlang der Schweizer Seeufer. Nun, die Egli aus dem Lac Léman machen nur 5 bis 8% des Marktes aus. «Das ist wenig im Vergleich zur steigenden Nachfrage», konstatiert Serge

Porchet. «Doch wir haben Glück: Nach dem Durchstich des Lötschberg-Basistunnels konnte dank dem frischen Lötschbergwasser auf der Seite von Rarogne eine Aquakultur eingerichtet werden. Wir arbeiten mit der Fischzucht Valperca zusammen. Die Qualität ihrer Egli ist tadellos.» Das Resultat im Räucherschrank: geräucherte Egli und eine marinierte Version (gravlax). «Die Leute kennen den sehr dezenten Geschmack der Egli nicht. Was man wahrnimmt: Butter, Zitrone, Mandeln. Unsere Methoden bieten eine Alternative zum traditionellen Konsum.» Der Zander «Es gibt keinen Zander im Lac Léman, es hat ihn nie gegeben, seit Menschengedenken! Man findet ihn hin und wieder im Neuenburgersee, im Lac de Bret und im unteren Teil des Broye-Kanals», betont Serge Porchet. Der Zander liegt irgendwo zwischen Egli und Hecht, punkto Proportionen als auch punkto Fleisch. Sein Name geht auf das Wort Zahn zurück, vielleicht wegen seiner langen Fang-

zähne. Sein Übername? Donaukrokodil. Er ist geschmackvoller als sein kleiner Bruder, der Egli, aber dezenter als der Hecht. Sein Fleisch ist delikat und fest, sein feiner Geschmack passt gut zu kräftigen Saucen und kann sogar mit Speck oder Schinken kombiniert werden. Seine Struktur erträgt das Kochen gut und erinnert an die eines Meerfischs, allerdings ohne Iodgeschmack. Ein berühmtes Rezept? Das des verstorbenen Bernard Loiseau aus Saulieu im Burgund. Sein Sandre à la peau croustillante et fondue d’échalotes, sauce au vin rouge bleibt ein Klassiker.

Rezept von Stéphane Décotterd, Küchenchef und Besitzer des Restaurants Pont de Brent (www.lepontdebrent.ch)

Ragout vom Hecht aus dem Lac Léman mit Safran Zutaten für 2 Personen: 300 g Hechtfilet (entgrätet) 1 Karotte 1 kleiner Lauch 1 Stangensellerie 1 Zweig Estragon 0,5 l eines guten Fischfonds 100 g Vollrahm 1 EL Maizena Safranfäden Salz Zubereitung: • Die Safranfäden in wenig kaltem Wasser auflösen, eine Stunde vor Gebrauch, damit sie ein Maximum an Aromen entfalten. Die Hechtfilets in grosse Stücke zerteilen. Das Gemüse rüsten und in Scheiben schneiden. • Den Fischfonds aufkochen, leicht salzen und das Gemüse sowie den Estragonzweig hinein-

geben. Auf kleinem Feuer rund zehn Minuten köcheln lassen, dann herausnehmen und auf einem Teller beiseitestellen. • Den Fischfonds erneut aufkochen, die Hechtstücke hineingeben, die Pfanne vom Feuer ziehen und zudecken. Den Fisch im heissen Sud etwas 15 Minuten lang ziehen lassen (aber nicht mehr auf die heisse Herdplatte stellen). Danach vorsichtig abtropfen lassen und beiseitestellen. • Den Fischfonds auf die Hälfte einkochen, den Rahm hinzufügen und nochmals um einen Viertel einkochen. Das Maizena mit etwas kaltem Wasser anrühren und nach und nach der Sauce beifügen. Ziel ist eine sämige Konsistenz. Den Safran mit dem Einweichwasser hinzugeben, dann den Hecht und das Gemüse. Ganz vorsichtig erwärmen, damit die Fischstücke nicht zerfallen, und schön heiss servieren.

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Terroirprodukte

Interview Der Berufsfischer Manu Torrent aus Tolochenaz verkauft seine Fische auf dem Markt von Morges, stellt Fischmousse und -rillettes (Brotaufstrich) her und beliefert verschiedene Verkaufsstellen, unter anderen auch den «Armoire à Brume» von Serge Porchet. Wie ist die Situation der Fischerei 2020? Es ist nicht so katastrophal wie oft gesagt. Zumindest nicht im Lac Léman. Es gab vor einigen Jahren eine Fülle von Fischen, zwingend gefolgt von einem Rückgang. Es hat tatsächlich an zwei oder drei Generationen von Fischen gefehlt, doch heute kommen sie zurück, trotz einiger Probleme (Wasserqualität, Nahrung, Kormorane, Muscheln…). Wir haben erneut schöne Exemplare, die zwar etwas klein sind, doch die Chancen stehen gut, dass wir nächstes Jahr eine gute Saison erleben. Eines ist sicher: etwas hat sich verändert. Die Fische sind nicht mehr an den gewohnten Orten, aber sie sind da. Gibt es andere Arten als die grossen Klassiker, die man in den Vordergrund stellen könnte? Die Trüsche. Wenn sie einmal entgrätet ist, lohnt es sich unbedingt, sie zu probieren. Sie ist weniger bekannt, schmeckt aber wirklich gut. Früher sagte man, sie sei die Forelle

Interviews Manu Torrent, a professional fisherman from Tolochenaz, sells his fish at the Morges market, produces mousses and rillettes, and supplies a number of different points of sale such as, for example, Armoire à Brume run by Serge Porchet. What’s the fishing situation in 2020? It’s not all that catastrophic. At least not in the Lake of Geneva. We had peak abundance a few years ago followed by an inevitable drop. Two or three generations of fish were in short supply, but now they’re coming back, despite a number of specific problems such as water quality, food, cormorants, and the presence of mussels. Fine specimens are back again,

der Armen. Ihr Fleisch ist herrlich. Dann gibt es auch noch den Wels oder die Rückkehr des Karpfens. Und man fängt sogar Döbel oder Aitel… Sie haben ein kleines Fischkochbuch herausgegeben… Auf dem Markt fragten mich die Frauen oft, wie sie diesen oder jenen Fisch am besten zubereiten sollten. So ist das Büchlein entstanden. Mit einem befreundeten Fotografen und anderen Kollegen haben wir uns an die Arbeit gemacht, ohne uns gross den Kopf zu zerbrechen. Einfache, gute Rezepte. Etwa Ceviche oder Felchentatar, aber auch ungewöhnliche Rezepte wie beispielsweise Chips aus Hechtflossen. Man kann alles machen, unglaubliche Dinge und oft ganz einfache! *Eine Neuauflage der Rezepte von Manu und seiner Equipe wird demnächst bei Slatkine erscheinen.

although they’re rather small, but next year it’s very likely we’ll have a good season. One thing is certain, there’s been a change: the fish aren’t in the same places. But they’re there. Are there any varieties other than the old classics? Burbot and tench. Once filleted, they’re certainly worth tasting. They’re less well known but are really very good. The old folks used to say tench was the poor man’s trout. Its flesh is exquisite, and you don’t need to gut it. After all, Lake of Geneva isn’t a stagnant pond, it’s an Alpine lake! There are also some catfish, and carp are back. And we prepare some of our dishes with chub.

Das Gespräch führte PEJ

Didn’t you publish a little cookbook? At the market ladies often asked me how they should cook the different fishes. That’s what gave me the idea. Together with a photographer friend and some family members we put it together without too much hassle. Simple and user-friendly recipes such as ceviche, fera tartare, but also some out of the ordinary recipes such as pike-fin crisps. It’s amazing what you can do, and it doesn’t have to be complicated! *Recipes from Manu and his Crew, new edition to be published by Slatkin

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© Edouard Curchod

The Provost and the Herald

Christian Deneriaz, Herald

The Provost is the councillor who at the beginning of the Initiation ceremony presents the developments in the vineyards over the past year, the outlook for harvests completed or to come, and the characteristics of the new vintage. In flights of oratory pronounced in the Hall of Ceremonies, he concludes his discourse with a sonorous “Praised be wine”. The actual master of ceremonies is the Herald. He is responsible for dictating the rhythm of the winegrowers’ banquet, notably he opens the Initiation ceremony and then asks each candidate in turn to approach the Governor and pledge respect for Vaud wines and the

spirit of the Confrérie de Guillon. At the evening gala, the Herald announces the Cantors and the clavendiers, who present the menu and the wines. Should the need arise, he speaks on behalf of the Governor. He also ensures that the jubilations observe the timetable. At the stroke of midnight, the Herald invites the Governor to take leave of his guests and delivers final recommendations to those present. In their different yet complementary roles, centring on vineyards or chateau ceremonials, both the Provost and the Herald promote and advance the passion for Vaud wines. Luc del Rizzo, Herald

EXKLUSIV op

ssh im Museum h erhältlic

Durch Badoux-Vins in den Kellergewölben von Chillon gekeltert. Der Grand Cru AOC Lavaux wird im Untergeschoss des Schlosses ausgebaut.

www.chillon.ch


Botschaft des Gouverneurs Jean-Claude Vaucher

Wir müssen unsere Ängste bezwingen Ein Erdbeben, ein Tsunami, ein verheerender Wirbelsturm haben uns unerwartet heimgesucht. Ohne Vorwarnung hat Covid-19 unser Leben, unsere Gewohnheiten, unsere beruflichen und gesellschaftlichen Aktivitäten durcheinandergebracht. Dabei wurden unsere Freiheiten entscheidend eingeschränkt und wir bewegen uns in einem von Angst und Ungewissheit geprägten Umfeld. Das Ansteckungsrisiko hat die Furcht und die Beklommenheit noch verschlimmert, die für die Wirtschaft und das soziale Leben ein Fluch sind. Das empfohlene Abstandhalten und das Tragen der Masken sind alles andere als gesellig. Unsere geliebte Confrérie wurde von dieser aussergewöhnlichen Situation besonders betroffen und es ist in diesem angstgeschwängerten Klima schwierig, sich auf Feste und Feierlichkeiten einzustimmen. Die Vorgaben des BAG haben uns schnell und deutlich verstehen gemacht, dass es unter diesen Bedingungen unmöglich sein würde, in diesem Jahr Ressats zu organisieren, geschweige dann die Quatre Heures du Vigneron in Rivaz. Aber seien Sie versichert, dass alles nur aufgeschoben ist und der Grosse Rat der Confrérie du Guillon alle Hebel in Bewegung setzen wird, um diese Anlässe im 2021 wieder aufleben zu lassen. Unsere eigentliche Berufung, das Singen des Loblieds auf und für den Waadtländer Wein, verdient mehr denn je volle Unterstützung. Denn wir sprechen hier von einem schwarzen Jahr für unsere Confrérie, weil alle unsere Grossanlässe gezwungenermassen abgesagt werden mussten. Aber noch heftiger hat das Virus die ganze Weinbranche durchgeschüttelt. Unsere Winzer hätten nur zu gerne auf diese zusätzliche Plage verzichtet. Die Schliessung der Gastwirtschaftsbetriebe während fast zwei Monaten, und vor allem die Absage aller öffentlichen und privaten Feste und Feiern haben für einen brutalen Stopp beim Konsum unserer feinen Tropfen gesorgt, selbst wenn Sie zweifellos wie ich übrigens auch versucht haben, mit einer Erhöhung des heimischen Konsums das Unheil zumindest teilweise abzuwenden. Aber der Wein ist vor allem ein hedonistisches Produkt, das man gerne teilt und freundschaftlich geniesst, ein unglaubliches gesellschaftliches und kulturelles Bindeglied, das man in guter Gesellschaft besonders schätzt. In Zeiten der Einschränkung, der Isolation und der Angst wird er plötzlich geschmacklos. Er hat uns höchstens geholfen, eine ziemlich schwierige Zeit besser zu ertragen. Schliesslich, und ungeachtet dessen, was die Zukunft bringt, werden wir lernen müssen, mit Covid-19 wie mit andern Krankheiten auch zu leben. Ein zweiter Lockdown wäre für unseren Weinbau und unsere Wirtschaft noch schlimmer. Aber er würde auch jeden unter uns dauerhaft schädigen und unsere gesellschaftlichen Gewohnheiten und unser Vergnügen, uns zu treffen und privilegierte Momente der Gastfreundschaft zu erleben, nachhaltig verändern. Der Mensch ist nicht für die Einsamkeit und das Eingesperrtsein gemacht. Er braucht den Kontakt, die Freundschaft und die Freude, für die unter anderem gutes Essen und feine Weine wichtig sind. Wir müssen darum unsere Ängste bezwingen, um an die Zukunft glauben und unser gesundes und überbordendes gesellschaftliche Leben wieder aufnehmen zu können. Ihre Confrérie wird daran arbeiten. Wir sehen uns bald! Le Guillon 57_2020/2  65


Covid-19 Les troublantes prophéties de la Confrérie du Guillon Pour décider de ses grandes orientations, la Confrérie du Guillon peut statutairement s’appuyer sur un Petit-conseil choisi pour ses éminentes et sages qualités. Il se réunit à cette fin plusieurs fois par année, à la faveur de conclaves délocalisés dans le canton, lors desquels sont examinés tous les engrenages de cette belle mécanique vouée à défendre et à promouvoir les vins vaudois. C’est là une affaire sérieuse, du moins la plupart du temps. A l'une de ces occasions, le Petit-conseil fit escale au country club de Bonmont, du vivant du propriétaire des lieux, le munificent Henri-Ferdinand Lavanchy. La scène qui suit se déroule en décembre 2009, dans un charmant jardin d’hiver généreusement mis à notre disposition par le regretté maître de céans. L’aréopage discute comme de coutume de l’ordre du monde et du sens de la vie sous la conduite, alors, du majestueux gouverneur Philippe Gex. A une cadence soutenue, ce dernier expédie comme à l’accoutumée les affaires courantes, fait avancer les dossiers et traite toute la correspondance. Toute? Voire… Ce jour-là, le soussigné s’était installé tout près du souverain pontife, de façon à garantir le succès de ce qui allait sans doute être la plus grosse supercherie de notre institution confraternelle. Quelque temps auparavant, en effet, nous avions été houspillés par une adepte de l’hygiénisme avant la lettre, laquelle s’indignait que l’on pût tous communier à la même coupe les soirs de ressat, vos lèvres posées sur les nôtres pour ainsi dire. Ironie de l’histoire, c’est Louis-Ferdinand Lavanchy lui-même qui avait financé la coupe en question, après que la précédente eut été subtilisée lors du Sechseläuten de Zurich par quelque fétichiste en mal d’améthyste et de zircon. Quoi qu’il en soit, cet appel à l’asepsie n’était pas tombé dans l’oreille d’un sourd: la lutte contre l’herpès était en marche! Je dois un aveu au lecteur: je suis un mystificateur-né. En matière de canular téléphonique, de carte de visite fantaisiste ou de talents postiches, je ne me fais pas prier. Ainsi, par la grâce d’un emploi des plus convenable au sein de l’Etat de Vaud, j’avais libre accès au logo numérisé de ce dernier ainsi qu'à sa police de caractères qui feraient merveille dans le parfait accomplissement épistolaire de

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© Edouard Curchod

mon plan. L’idée était de mettre la Confrérie au pied du mur: lui faisant croire qu’elle avait été dénoncée en haut lieu par une délatrice piquée au gel hydroalcoolique, soit elle prenait les mesures prophylactiques qui s’imposaient, soit c’en était fini de la cérémonie des intronisations telle qu’elle était conçue. Encore fallait-il ourdir un plan ambitieux: exiger l’impossible et le faire au nom d’une autorité incontestée, en l’occurrence celle du chef du Service de la santé publique, dont la reproduction factice de la signature donnerait un crédit supplémentaire et inattaquable au trucage. Restait à rédiger le texte, au nom de ce principe sacro-saint: plus c’est gros, plus ça passe, tout en saupoudrant l'habituel charabia administratif de quelques formules manifestement dissonantes, histoire de faire plus vrai. C'est tout le sens du choix ridicule de ce mot «calice» qui faisait passer la vénérable Confrérie du Guillon pour une annexe du Temple solaire. Et le chef de service pour un technocrate ignare des us et coutumes de ce canton... Une image valant mille mots, ci-contre le fac-similé de la missive, signé: «K. Boubaker, médecin cantonal». Le même Karim Boubaker qui, onze ans plus tard, allait


«Propos de clavende»

prendre les commandes sanitaires d’un canton de Vaud plongé à son tour en pleine pandémie. «Les Prophéties du Chancelier» n’ont décidément plus rien à envier à celles de Nostradamus! La seule faiblesse du scénario tenait à l’absence d’enveloppe à entête officiel et d’oblitération postale. Qu’à cela ne tienne! Profitant d’un moment d'inattention, je glisse la missive dans la paperasse du gouverneur comme si elle venait de sortir de la sacoche du facteur. Et là, le miracle attendu se produit: le bon Philippe Gex, qu'une simple étincelle suffisait parfois à embraser, prend feu comme une cuve de kérosène, les flammes se propageant alors à l'ensemble du Petit Conseil. La coupe promise à la désinfection, voire remplacée par du plastique, c’en était trop: en touchant à son emblème, c’est la Confrérie qu'on assassinait. Et chacun de pester sans distinction contre l'incompétence des fonctionnaires cantonaux, le mépris de l'Etat pour la vie associative, et les rabat-joie impies, «probablement de gauche, d'ailleurs», soit dit en passant. Se tenant les côtes de rire, le Chancelier est prestement démasqué, mais c'était sans compter avec les effets démultiplicateurs du deuxième acte. Décidé à son tour à rouler dans la farine le Grandconseil, soit l'autorité législative de la Confrérie du Guillon, Philippe Gex se mue alors en arrosé arroseur. Arborant la mine sombre du résigné face à l'insondable

bêtise humaine, il entreprend de lire le contenu de la lettre scandaleuse. La réplique est sans commune mesure avec le séisme initial: au premier paragraphe déjà, la salle vocifère, ivre de colère. Des juges cantonaux, des anciens conseillers d'Etat, autant de gens rasés de frais, d'habitude si placides, éructent brusquement leur rage contre ce coup de poignard infâme. On hasarde un instant l'hypothèse d'un poisson d'avril, avant que ne redoublent de violence les appels à la vengeance contre la traîtresse et stupide autorité qui avait pu prendre une décision aussi insensée. La mascarade finalement dévoilée, les esprits s’apaisent, heureux de s’être réveillés d'un mémorable cauchemar. Délirante, mais prémonitoire, cette farce a gravé des souvenirs impérissables dans la mémoire de ceux qui l'ont vécue. Hier impensable ou presque, aujourd'hui triste réalité, l'épidémie a poussé la Confrérie du Guillon à réfléchir sans tarder à une autre forme d'administration du sacrement de sa communion, à quelque chose de spirituellement fort, mais d'hygiéniquement pur. «Bois ce vin, et sois sain comme lui!» Nous en reparlerons à coup sûr, mais certainement pas autour d'un calice jetable... Edouard Chollet, chancelier

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Text: Claude-Alain Mayor & Claude Piubellini Fotos: Edouard Curchod

Cotterds

Die Guillon-Cotterds im Dienst des Waadtländer Weins Das Waadtländer Dialektwort Cotterd steht für eine Zusammenkunft von Personen, die miteinander reden wollen. Es gibt dafür übrigens mehrere Schreibweisen. Der Guillon benennt so seine ausserkantonalen Botschaften, gegenwärtig sind es deren zehn. Trotz ihres unlöschbaren Durstes war es den Waadtländern nicht möglich, ihre gesamte kantonale Weinproduktion durch ihre Kehlen zu schleusen. Es galt deshalb, sie in erster Linie in den Nachbarkantonen und in der Deutschschweiz anzubieten. Eine erste Botschaft wurde bereits 1956 auf Freiburger Boden eingerichtet, aber sie war nicht von Dauer. Im darauffolgenden Jahr nahmen die Räte die Angelegenheit wieder auf und definierten einen klareren Rahmen und stellten einen Préfet an die Spitze – der bis 1974 warten musste, um auch den Titel eines Conseillers führen zu dürfen. Die ersten Jahre waren exploratorisch. Mit den Ressats extra-muros wollte man Persönlichkeiten ansprechen, die interessiert sein konnten, den Guillon in ihren Kantonen zu vertreten. Luzern, Lenzburg, Basel, Gstaad, Arbon, Zürich, Genf, Bern oder Greyerz waren Ziele dieser üppigen Expeditionen, wo feines Essen und Waadtländer Weine unseren Ruf zwischen 1961 und 1970 festigten. Im 1970 wurde dann der erste offizielle Cotterd in Luzern gegründet. Einige Monate später folgte jener in Basel. 1971 war die Reihe an Zürich, dem ein Jahr später jener in Freiburg folgte. Voller Energie setzte die Confrérie ihr Bemühungen fort: 1973 wurden der Cotterd in St. Gallen und 1975 jener in Bern aus der Taufe gehoben. Da war die Zeit gekommen, diese Cotterds zu integrieren und ihnen die Möglichkeit zu geben, sich während fast dreissig Jahren in diesem Rahmen zu entwickeln. Zu diesem Zweck wurde ihnen mit einem besonderen Conseiller ein Schirmherr zur Seite gestellt, der Légat. Er unterstützte, lenkte und koordinierte wenn nötig die ausserkantonalen Aktivitäten. Dieser unermüdlich reisende Botschafter trägt

die Verantwortung dafür, dass die positive Ausstrahlung der Confrérie in jeder dieser Präfekturen sichergestellt wird. Unter der Leitung von Gouverneur Philippe Gex kam wieder Bewegung in das Botschaftswesen und 2004 wurde ein Cotterd im Jura und im 2007 je einer in den Kantonen Aargau und Tessin gegründet, bevor schliesslich im 2012 noch Savoyen dazustiess. Die Aktivitäten der Cotterds wurden harmonisiert: Das Herz jedes jährlichen Anlasses besteht in einem Guillonneur, einem Wettbewerb, bei dem es entweder Chasselas aus den fünf Weinbauregionen des Kantons Waadt zu erkennen gilt oder aber fünf Jahrgänge eines gleichen Weins oder auch fünf unterschiedliche Rebsorten beim Blindausschank einer zuvor kommen-

Die Degustation stellt bei den Luzernern Gewissheiten in Frage

Die Schleife des Préfet

Le Guillon 57_2020/2  69


Links Der Luzerner Préfet Eric Nicole empfängt seine Gäste Rechts Die Resultate werden von Pascal Forrer, dem Zürcher Préfet, verkündet Unten Guillonneur im Keller einer Fasnachts-Clique in Basel

tierten Degustation. Jeder Cotterd kann aber selbstverständlich andere, eigenständige Aktivitäten hinzufügen, die dazu dienen, die Liebhaber von Waadtländer Weinen bei der Stange zu halten oder neue dazu zu gewinnen. Luzern: Folk meets classic Der Guillonneur in Luzern hält alle Traditionen der Confrérie aufrecht und krönt sein Jahr mit einem gastronomisch-freundschaftlichen Anlass. Das ist aber nur ein Teil der Aktivität in diesem Cotterd. Sein Préfet Eric Nicole versammelt seine Schar auch sonst gelegentlich für diverse Anlässe rund um den Waadtländer Wein, in der Stadt oder in der Umgebung.

Im Sommer 2017 gelang ihm ein kleines Meisterstück, inspiriert durch die Anwesenheit einer Persönlichkeit der Folklore in seiner Runde, von Sepp Trütsch, und eines Klaviervirtuosen, Stefan Dettwiler. Unter dem zugkräftigen Titel «Folk meets classic» (wie zwischen Deutsch- und Welschschweizern verlangt die Spezialität der Innerschweizer Dialekte das Englische als gemeinsame Sprache) entstand so ein musikalisches Abendprogramm, eine erinnerungswürdige Symbiose von Volksliedern und klassischem Klavier. Nach dem Konzert konnten die beglückten Teilnehmerinnen und Teilnehmer ihrem Geschmacks- und Geruchssinn anlässlich des Apéro riche frönen, bei dem die feinen Waadtländer Weine ohne das geringste B-Moll die musikalischen Harmonien weiterführten. Basel und Masken oder weg mit den Masken? Angeführt von seinem Préfet trifft sich der Cotterd von Basel seit zehn Jahren im Keller einer Clique der berühmten Fasnacht gleichen Namens. Da erfreut man sich der traditionellen Mehlsuppe, eines Papet Vaudois mit Kohlwurst und Saucisson und einer prächtigen Käseplatte, die grosszügig mit den Weinen eines Waadtländer Winzers begossen werden, der bei dieser Gelegenheit anwesend ist. Erst kürzlich aber hat der Préfet Ivo Corvini sein Amt an den designierten Nachfolger Philipp Simonius übergeben, der jetzt die erfolgreiche Formel neu erfinden, aber vor allem einen Keller ausfindig machen muss, der ausreichend gross ist, um die immer grössere Schar von Basler Liebhabern der Waadtländer Weine zu beherbergen.

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Cotterds

Wird das Thema der Fasnacht, die in diesem Jahr abgesagt werden musste, wieder aufgenommen oder nicht? Das ist die Fragen, die man sich im westschweizerischsten der Deutschschweizer Cotterds für die Fasnacht 2021 gegenwärtig stellt. In Zürich gibt es nicht nur den Paradeplatz! In der Stadt des Banken-Monopoly galt es, einen attraktiven Ort zu finden. Wir haben ihn nicht am Paradeplatz gefunden, sondern an der Seestrasse, die wie es der Name vermuten lässt von Gebäuden gesäumt ist, die freien Blick auf den Zürichsee bieten. Préfet Pascal Forrer hatte sein Augenmerk auf das Haus von Alfred Escher geworfen, der nicht nur die Credit Suisse gegründet hatte, sondern auch die ETH Zürich, und der den Auftrag zum Bau des Gotthard-Tunnels erteilt hatte. Die Tatsachen, dass das Haus Belvoir inzwischen zum Restaurant umgebaut war und in unmittelbarer Nachbarschaft die Hotelfachschule einquartiert ist, sind zweifellos kein Zufall. Die Fussböden knarren ein wenig, gerade richtig, um die Authentizität und ihre besondere Bedeutung zu unterstreichen. Man fühlt sich, für einen Abend, als König der Schweiz (dies einer der Übernamen von Alfred Escher). Freiburg: man kennt die Musik Freiburg unterhält mit dem Kanton Waadt eine Wahlverwandtschaft in Verbindung mit der geografischen Nähe, der gleichen Lebenskunst und ganz besonders dem Wein: Geteilte AOC Vully, Kantons- und Gemeindegüter und die Freiburger Burgerweine im Lavaux. Da kann man nur sagen, dass der

Freiburger Guillonneur, der traditionell an einem Donnerstag organisiert wird, und zwar abwechslungsweise in einem anderen Bezirk, den Teilnehmerinnen und Teilnehmern einen Jean-Louis anbietet, der praktisch als Insider-Geschäft bezeichnet werden kann, weil die Waadtländer Weine hier bereits sehr verbreitet sind. Man könnte davon ausgehen, dass sich die Konkurrenten auf ihren Lorbeeren ausruhen, bevor sie sich auf die geschmacklichen Entdeckungen einlassen, die in den behäbigen Landgasthöfen und gastronomischen Aushängeschildern angeboten werden. Aber die Freiburger frönen traditionell auch dem Gehörsinn: In diesem Kanton ist die Musik eine zweite Natur und bei festlichen Anlässen wird oft eine gesungene oder gespielte Überraschung geboten, von der Hymne des Karnevals in Quebec über die Blasmusik von Neyruz, die Gesänge der Armaillis de la Gruyère bis zum Orgelkonzert in der Kathedrale St. Nicolas.

Links Der Freiburger Préfet Jacques Piller füllt die Gläser Rechts Eine St. Galler Delegation angeführt von Préfet Patrick Rütsche auf Schloss Chillon

St. Gallen, die OLMA-Stadt Das Idyll zwischen dem Guillon und St. Gallen scheut keinen Widerspruch: Das Eldorado des Schützengartenbiers gegen das Chasselas-Paradies, der Schüblig gegen den Boutefas. Und trotzdem stimmt es zwischen den beiden so sehr, dass viele Conseillers nicht zögern, 300 Kilometer zurückzulegen, um am Guillonneur der Sticker teilzunehmen, dem einzigen, der zur Mittagszeit stattfindet, um den Teilnehmenden aus entlegenen Regionen entgegenzukommen. Die grossen Feierlichkeiten zwischen der Confrérie und dem am weitesten entfernten Cotterd werden an den OLMA-Umzügen zelebriert: 2008 war der Kanton Waadt Eh71


2.

BESTER CHASSELAS DER WELT

rengast und im 2018 erhielt das Winzerfest die Ehre. Zu letzterem Anlass füllten die Compagnons und Robenträger den Zuschauern unzählige Gläser mit Waadtländer Weisswein. 80 gekühlte Flaschen wurden auf einen Leiterwagen geladen. Und das Publikum liess sich nicht bitten, so dass der Vorrat vor dem Ziel des Umzugs aufgebraucht war. Der Chasselas zeigte sich übrigens neben dem Schüblig von der besten Seite… vielleicht weil dieser ohne Senf genossen wird! Bern: trotz 1798 eine Art Familienfest Gelinde gesagt wissen wir, dass sich die Berner im Waadtland wie zuhause fühlen… obschon wir sie mit der Hilfe der Franzosen im 1798 freundlich ausquartiert hatten. Zahlreiche Güter erinnern aber an ihre Anwesenheit und die alte Oberherrschaft hat sich in herzliche Freundschaft verwandelt, insbesondere jene der Berner für unsere Waadtländer Weine. Ein Guillonneur auf Berner Boden ist somit fast ein Familienfest, das es jedes Mal erlaubt, eine andere Ecke in diesem vielfältigen Kanton mit seiner berührenden Architektur zu entdecken. Aber es gibt einen anderen traditionellen Anlass, an dem sich einmal im Jahr die Compagnons dieses Cotterd versammeln: der Zibelemärit am vierten Montag im November inmitten der Bundesstadt. Man trifft sich im Café Einstein, wo der berühmte Wissenschaftler zwischen 1903 und 1905 wohnte, zu Zwiebel- und Käsekuchen bei einem Glas guten Waadtländer Weins, der von einem Winzer stammt, der die Produkte aus seinem Keller auch persönlich vorstellt.

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Cotterds

Links In Bern sorgt Préfet Hansueli Haldimann für eine gute Stimmung Rechts Die Jurassier degustieren entspannt oder konzentriert Unten Der Aargauer Préfet Albi von Felten sammelt die Formulare ein

Im Jura sind die Jungen aktiv Als privates Schutzgebiet eines in den Jura ausgewanderten Waadtländer Préfets ist das zweifellos der jüngste unserer Cotterds, zumindest was das Durchschnittsalter betrifft. Auch mit Sicherheit der lockerste, denn die Krawatte ist ein seltenes Zubehör. Neben den bodenständigen lokalen Spezialitäten gibt es aber eine qualitativ hochstehende Küche, bevor die Festlichkeiten mit reichlichem Damassine-Genuss abgerundet werden. Wir sind hier schliesslich in der Hochburg des Sankt-Martin-Festes. Aber die feinen Tropfen aus der Waadt profitieren vom grossen Vorteil, den Durst zu stillen, ohne ihn zu löschen… Einige Anpassungen durch den Préfet verhindern jedoch, dass der Abend in einer Marché-Concours-Stimmung endet. Wir hoffen einfach, dass diese Jugend eines Tages den Weg nach Schloss Chillon findet, um die Reichhaltigkeit unserer herbstlichen Feierlichkeiten zu entdecken, denn regelmässig macht sich eine Delegation von Conseillers in die Gegenrichtung auf, um Mitte November den Schlachttermin der Schweine in der Ajoie zu feiern.

fantastischen Keller, in dem die sprachlosen Compagnons in engen Rängen die besten Flaschen der Welt entdecken und wo die besten Bordeaux-Jahrgänge neben den besten Waadtländer-Jahrgängen lagern. Von Feltens Weinkenntnis und seine ausgewählten gastronomischen Kombinationen zeigen sich immer wieder beim JeanLouis, denn seine pädagogische Ader lässt es nicht zu, dass eine andere Person – auch nicht der Légat – die Wettbewerbsweine kommentiert. Dabei gibt er auch immer Vorschläge zu den besten Harmonien. Einziger kleiner Nachteil: Es nehmen nur wenige Personen an diesen Anlässen teil. Das ist umso bedauernswerter, als man im Hirschen nicht

Meisterhafte Lektion im Aargau Grenzüberschreitend – man trinkt in Solothurn und schläft im Aargau – empfängt der Hirschen in Obererlinsbach seit mehr als zehn Jahren die Guillonneurs aus der Region. Der Gastgeber und Préfet des Aargauer Cotterds, Albi von Felten, ist eine charismatische Persönlichkeit. Als talentierter Küchenchef herrscht er auch über einen 73


Links Der erste Tessiner Préfet, Pierre Schulthess Rechts Der Savoyer Cotterd geniesst den Garten Unten Bernard Vioud, unser jovialer Savoyer Préfet

nur in den Genuss einer raffinierten Küche kommt, die so ausgewählt ist, dass sie den Waadtländer Weinen schmeichelt, sondern man die Feinschmeckerkunst auch grosszügig teilt. La Dolce Vita im Südkanton Der unumgängliche Cotterd eines unserer sieben Bundesräte – sein südlicher Name ist der Redaktion bekannt – verspricht mehr Tapetenwechsel als jeder andere. Im Tessin herrscht beständige Ferienstimmung, meist scheint die Sonne und der Akzent tönt sehr südländisch. Südschweizerisch natürlich, denn die Italianità in diesem Kanton harmoniert mit helvetischer Seriosität. Der allmächtige Merlot ist eine echte Herausforderung, aber elegant überlässt er dem Waadtländer Chasselas einen Ehrenplatz. Auch hier ist kürzlich ein neuer Préfet eingesetzt worden. Wenn Ihnen sein Name zu deutschschweizerisch vorkommt, so ist Metteo Huber, ursprünglich Architekt, ein leidenschaftlicher Weinliebhaber und selbst zum Winzer geworden. Und seine Kenntnisse vermittelt er in perfektem Tessinerdialekt. Für seinen Cotterd hat Huber übrigens einen kleinen «Blitz» für das Ziehen am Guillon bestellt und mit dem Wappen seines Kantons verziert. Eine grosse «Pfütze» trennt von Savoyen Was für eine Herausforderung! Der jüngste Cotterd ist geografisch auch der dem Waadtland nächste. Und doch liegt er schon im Ausland. Getrennt durch das Wasser sind die Savoyer sehr nah, aber auch wieder weit entfernt. Auch auf ihrem Boden wachsen

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Reben und sie produzieren ebenfalls Chasselas. Die früheren Bewohner von Schloss Chillon sind dem Anstoss ihres Préfet Bernard Vioud gefolgt und kehren seit ein paar Jahren zu ihren Quellen zurück. Angelockt von den grossen Waadtländer Weinen folgen sich sogar ganze Scharen an unseren Ressats. Immer mehr werden Compagnons unserer Confrérie, so dass man fast schon von einer Masseneinwanderung sprechen kann. Vereinend rund um den blauen Genfersee ist aber eine Wein-Freundschaft, die wir schon sehr lange teilen. Wenn das Wasser trennt, so vereint der Wein! Übrigens ist das Savoyer Wappen auf der Fassade von Schloss Chillon immer noch gut sichtbar, genau so wie jenes von Bern, unseres früheren Verbündeten, den wir ebenfalls nach einer langen Herrschaft vertrieben haben. Die Cotterds: Eine Chance für die Confrérie Eine selbst vergnügliche Aufzählung unserer Cotterds entbindet uns nicht von einer Überlegung über ihre Rolle und ihre Zukunft. Vorausgeschickt werden muss die Tatsache, dass im 2019 eine grössere strukturelle Verändung für die Cotterds stattgefunden hat. Sie sind künftig in einem eigenständigen Verein zusammengefasst und verfügen über viel Autonomie. Mit dieser Neuorganisation bezwecken wir u.a. die Förderung origineller Initiativen, die lokalen Eigenheiten besser Rechnung tragen. Die Übersicht auf den vorangehenden Seiten deutet auf eine klar positive Bilanz hin. Die Cotterds leben und bieten attraktive Anlässe an, wo die herzliche Atmo-


Cotterds

sphäre und Gaumenfreuden im Wettstreit stehen und auch überraschende kulturelle Momente Platz haben. Eine Folge davon ist aber auch, dass unser oberstes Ziel, die Präsentation und Promotion der Waadtländer Weine, etwas in den Hintergrund rückt. Es ist aber auch klar, dass diese Anlässe nicht zu Weinmärkten werden sollen, wo sich die Augen nur noch auf die Bestellscheine richten. Aber es ist sicher möglich, ohne grosse Verluste die Botschaft besser zu vermitteln. Dies beginnt mit einer besseren Beteiligung der Conseillers, die weder den Weg noch die Sprachgrenzen scheuen dürfen, um Momente der Freundschaft zu teilen und dazu beizutragen, dass unsere Weine in anderen Landesteilen anerkannt werden. Das bedingt aber natürlich auch, dass sie sich unter die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Guillonneurs mischen und nicht einfach zusammensitzen. Ein kleiner Schritt aus der Komfortzone ist ein grosser Schritt für unsere Chasselas. Dann muss auch alles perfekt organisiert sein, schon vor der Abreise aus dem

Waadtland, aber vor allem auch am Anlass selbst. Dort darf man nichts dem Zufall überlassen (es wurden auch schon Weine in letzter Minute beschafft!), der Service muss effizient sein und der Lärm im Saal darf das erträgliche Mass nicht überschreiten. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer haben das Recht, ihren Gaumen unter guten Bedingungen zu beüben, treffende Kommentare zu hören, um ihre Erfahrungen zu machen und ihre Empfindungen zu verfeinern, was aber keineswegs eine entspannte Stimmung ausschliesst. Die Guillonneurs müssen für unsere Winzer eine gute Gelegenheit sein, ein oft leidenschaftliches Liebhaber-Publikum zu treffen, das sein Wissen erweitern und seine Erfahrungen austauschen möchte. Die Gegenwart der Produzenten ist immer ein Plus. Sie schafft, über das Vergnügen des Wein-Degustierens hinaus, oft bleibende Kontakte. Der Waadtländer Wein, den wir so sehr lieben, erzählt eine Geschichte, vermittelt Wissen und sorgt für Kontakte über die Kultur- und Kantonsgrenzen hinweg.

Gründung 1970 1970 1971 1972 1973 1975 2004 2007 2007 2012

Kanton Lucern Basel Zürich Freiburg St. Gallen Bern Jura Aargau Tessin Savoyen

Aktueller Préfet Eric Nicole Philipp Simonius Pascal Forrer Jacques Piller Patrick Rütsche Hansueli Haldimann Nicolas Pétremand Albi von Felten Matteo Huber Bernard Vioud

Nächster Cotterd: Wine&Dine – 28.10.2020 / 19:00 Landgasthof Balm, Meggen, Luzern Mit Jean-Daniel Porta, Aran-sur-Villette

Porträt eines Conseillers Fabien Loi Zedda, Conseiller

Matteo Huber,

Architekt, Winzer und Préfet Bildungsgänge, so in Geobiologie. Letzterer verlieh ihm wohl das Wissen zum Degustieren … Geworden ist er schliesslich Winzer. Neben seinem Büro (MH Architektur und Urban Planning in Lugano), einer unglaublichen Anzahl von Gebäuden und Projekten, die er realisierte oder mitrealisierte, hat dieser nette Tischgenosse nicht aufgehört, Wein zu produzieren und mit originellen Tropfen Neues herzustellen, darunter ab 2015 einen Sauvignon-Sémillon. Er widmet sich auch Franka, segelt, sucht Pilze und wirbt für die Waadtländer Weine: benvenuto und auguri!

© Edouard Curchod

Zuerst sieht man seine etwas ungewöhnliche Grösse, dann sein breites Lachen. Diese Fröhlichkeit ist das eigentliche Markenzeichen unseres neuen Robenbruders, der als Nachfolger von Pierre Schulthess die Zügel der Equipe des Tessiner Cotterds übernommen hat. Es waren sowohl die natürliche Autorität wie auch das Charismus nötig, um an die grandiose Tessiner Vergangenheit innerhalb unserer Confrérie anzuknüpfen. Matteo (Jahrgang 1962) verfügt über alle Trümpfe: Dieser ausgezeichnete Projektleiter und Architekt, im Metier geboren, da schon sein Vater Architekt ETHZ war, sorgte für einen fehlerlosen Parcours ebenfalls an der ETH, absolvierte aber auch verschiedene weitere

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QUALITÉ, ÉMOTIONS & PLAISIR

ARTISANS VIGNERONS D'YVORNE SOCIÉTÉ COOPERATIVE

AVY.CH


Text: Fabien Loi Zedda, Conseiller und Ehren-Präsident des Weinmuseums

Nachruf

Der Ehren-Préfet und Gründer des Tessiner Cotterd, Pierre Schulthess, ist der Confrérie du Guillon im 1977 als Compagnon beigetreten. Dr. Paul Anex hatte ihn damals, unter Gouverneur Robert Anken, unter seine Fittiche genommen. Als Gründungsmitglied und früherer Präsident der Confrérie de l’Etiquette (während zehn Jahren) schloss er sich dem Team des Waadtländer Weinbau- und Weinmuseums in Aigle an. Im 2007 akzeptierte er den Vorschlag des Unterzeichnenden, das Vizepräsidium der Institution zu übernehmen. Er beteiligte sich an der Neukonzeption des Museums, das am 24. April 2010 auf Schloss Aigle eingeweiht wurde. Seine Funktion nimmt er nach wie vor wahr und bildet so das Bindeglied zwischen dem Museum und der Confrérie, die es geschaffen hatte. Der Compagnon Schulthess, der sich schon früh südlich der Alpen niedergelassen hatte, war anfänglich ohne grosse Umstände dem Luzerner Cotterd zugeteilt worden! Das passte ihm aber gar nicht, vor allem als er feststellen musste, dass ihm, dem mehrsprachigen Schweizer, die ganze Post der Confrérie aus Luzern und ausschliesslich auf Deutsch zugestellt wurde. So wurde er beim Guillon vorstellig, beklagte sich über diese «skandalöse Tatsache» und verlangte, dass die nötigen Massnahmen getroffen würden, um diese sprachliche Ungerechtigkeit zu korrigieren. Die Antwort des damaligen Gouverneurs und des Connétable: «Also los, gründe doch den Tessiner Cotterd…» Gesagt, getan! Am 7. September 2007 wurde in Lugano der Tessiner Cotterd aus der Taufe gehoben, nachdem Schulthess am

Pierre Schulthess neben Bundesrat Ignazio Cassis und seinem Nachfolger an der Spitze des Tessiner Cotterd, Matteo Huber

© Edouard Curchod

Pierre Schulthess, Kultur und Eleganz

28. April als Conseiller und Préfet inthronisiert worden war. Pierre verstanden es immer bestens, seine immensen kulturellen Kenntnisse mit seinem elegant verpackten Organisationstalent in Einklang zu bringen: Eine eiserne Hand in einem Samthandschuh. Im 2017 feierte er würdig und in Anwesenheit der betroffenen lokalen Behörden den zehnten Geburtstag des Tessiner Cotterd in Ascona. Mit dabei waren die rund vierzig Mitglieder. Inzwischen hat er den perfekt organisierten Cotterd seinem Nachfolger übergeben. Nachdem er 1967 mit einem Diplom der Abteilung dekorative Künste die Genfer Kunstschule verlassen hatte, machte Pierre rasch Karriere in der Uhrenbranche und vertrat die grössten Marken in der Schweiz und im Ausland. Ab 1987 führte er zwei Geschäfte, zuerst eines in Lugano, dann eines

in Morges, die sich beide durch Qualität und Innovation auszeichneten. Schliesslich beschloss er, im 2020 die Läden aufzugeben, und das in einem Alter, in dem andere längst einen beschaulichen Lebensabend geniessen. Der Malerei aber bleibt er noch treu. Erstaunlich doch, dass die Zahl 7 im Verlauf seiner Zeit bei der Confrérie eine wichtige Rolle spielte: 1977 – 2007 – 2017, und dazu zwölf Jahre an der Spitze des Tessiner Cotterd. 43 Jahre in seinem Leben war und ist jetzt der Guillon eine Konstante. Jetzt scheint aber die Zeit gekommen, sich auch mehr um seine Familie zu kümmern, seine Tochter Céline, seine Enkelin Ginevra sowie seine Partnerin Branka. Alle Achtung, Pierre, und Bravo zu dieser schillernden Laufbahn, die du mit viel Kultur und effizienter Eleganz zurückgelegt hast. Le Guillon 57_2020/2  77


Die Confrérie du Guillon in vorgezogener Zukunft Text: Luc del Rizzo, héraut Illustration: Camilla Maraschin

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Ein sehr schöner Tag neigt sich an diesem Freitag, 4. November 2050, seinem Ende entgegen. Die Temperatur bleibt mit 35 Grad annehmbar und für einmal hat sich der Teilchendunst rasch aufgelöst. So oder so, es könnte – wie im August – Quecksilberfäden regnen, das würde meiner Freude keinen Abbruch tun. An diesem Abend werde ich zum ersten Mal Gast des Guillon sein. Davon träume ich schon lange. Es braucht schon eine Prise Originalität, um noch Lust zu verspüren, die Freundschaft, die Rebe und den Wein zu feiern. Schliesslich bleibt nur noch das Lavaux-Museum inmitten des neuen Geschäftszentrums gleichen Namens. Aber heute Abend organisiert sich der Widerstand und für ein paar Originale wie mich ist es ein Festtag. Mit gesenktem Kopf eile ich neben einem der

vier Radstreifen nach Hause. Dort angekommen entledige ich mich der Maske und der Handschuhe, desinfiziere mich, dusche und desinfiziere mich erneut. Bei meinem Grossvater habe ich das Kleid gefunden, das er am damals letzten Ressat im 2032 trug, an dem er mit etwas Glück teilnehmen konnte, trotz der Begrenzung auf 14 Compagnons, 2 Conseillers, den Gouverneur und den Connétable. Seither hat sich vieles verändert und heute gibt es keine Teilnahmebeschränkung mehr. Obschon es nicht eigentlich nötig ist, ziehe ich mir das wertvolle Erbstück über und installiere mich auf dem Sofa. Es ist Zeit. Ich verbinde mich mit der Plattform «Roussymobile» und erhalte umgehend meinen Zugangscode, die Tischregeln sowie einen Text in einer unverständlichen Sprache – offenbar französisch – über die Rebe und


den Wein. Gleichzeitig werfe ich mir eine Chasselas-Pille ein, um mich in Stimmung zu bringen, setze meinen Sichthelm auf und gebe das Kryptogramm ein. Und schon bin ich dabei. Vor Schloss Chillon. Alles wie gehabt. Die Türme, die Zugbrücke und ein Conseiller in roter Robe, der mich willkommen heisst. Auf gut Glück geht es weiter. Der Gouverneur grüsst, gefolgt von anderen Robenträgern und auch Robenträgerinnen, die mich zur Inthronisierungsfeier führen. Kaum eingetreten bleibt mein Bildschirm hängen und das Bild bleibt stehen. Eine Verbotstafel mit folgender Inschrift taucht auf: «Die Confrérie du Guillon und die Virtual Global Wine Company erinnern daran, dass der Zutritt zum weiteren Programm Krawattenträgern vorbehalten ist. Für 150 Euro können Sie eine erwerben, indem Sie auf das angezeigte Symbol klicken.» Etwas teuer zwar, aber die Teilnahme an einem ausserordentlichen Moment hat keinen Preis. Und ich bin nicht enttäuscht: Die Inthronisierungen mit dem legendären Kelch, aus dem alle trinken, das Essen, die Fanchettes mit ihren Spitzenhandschuhen (nie wieder gesehen seit Covid 32), die Hologramme der ältesten Chantres und Clavendiers (dieser Albert Munier, ein

richtiger Künstler!), die Gais Compagnons, die Trompeten, offensichtlich hat sich in den letzten dreissig Jahren nichts verändert. Gut genährt, leicht besäuselt sehe ich das Ende des Ressats näherkommen. Diese virtuelle Erfahrung ist definitiv ein Erfolg. Der Héraut leiert seine letzten Empfehlungen herunter. Ich habe heiss, bin völlig benebelt, stehe vom Tisch auf, schwanke… und erwache. Meine Frau ist besorgt. Ich schwitze und fühle mich wie einer tiefen Ohnmacht entkommen. Immer zuvorkommend beruhigt mich meine Gattin: «Da kannst du ruhig sein, der Guillon wir nicht so schnell untergehen.» Misstrauisch werfe ich einen Blick aus dem Fenster. Die Reben sind – nach der Lese – immer noch da. Meine Agenda 2021 lässt keine Zweifel, die Confrérie trifft sich auf Schloss Chillon, Roben und Schnauz am Empfang. Beruhigt und erheitert nehme ich zur Kenntnis, dass der Guillon mit seiner Vergangenheit eine grosse Zukunft hat.

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Die Kolumne von Michel Logoz

Impressum – Le Guillon 57_2020/2 Herausgeberin: Revue Le Guillon GmbH Ch. de la Côte-à-Deux-Sous 6 1052 Le Mont-sur-Lausanne, Schweiz Abonnemente revue@guillon.ch www.revueleguillon.ch ISSNN 1423-7393

Schlechte Zeiten für Liturgien ! Die Autoren der Erinnerungsschrift anlässlich des 60. Geburtstags unserer Confrérie (2014) jonglierten und surften genüsslich und virtuos zwischen heilig und weltlich. Sie liessen uns die stillschweigende Billigung der kirchlichen Rituale nicht ignorieren. In einem distanzierten und parodierenden Stil tänzelten unsere Chronisten in den Heiligen Schriften und ihren Briefen, um sie scherzhaft zugunsten unserer festlichen Zeremonien auszulegen. Im Inhaltsverzeichnis lesen wir: «Handlungen der Apostel», «Die Objekte der Anbetung», «Die Heiligtümer und der Tempel» oder «Das heilige Abendmahl», um nur einige Kapitel zu nennen. Nichts davon könnte aber puritanische Seelen kitzeln und uns alle – robentragende Menschen, aber verschiedenen Kirchen angehörend – ausersehen, die sühnenden Opfer eines verachtenswürdigen Virus zu sein. Denn es sind nicht die Verschwörungen und die Gebete einerseits und die festliche Begeisterung andererseits, die uns zu einem fatalen gemeinsamen Schicksal verurteilen. Aber die Inszenierung, die Gesten, die unseren Ritualen den ganzen Sinn geben, verleihen ihnen Pomp, Feierlichkeit und Glanz. Stellen sie sich vor, wie bei den Inthronisierungen der sakramentale Kelch immer weitergereicht wird und wie akrobatisch die Ketten um den Hals der Ungestümen gelegt werden! Und jetzt der Schreck! Wenn die Bedingungen des Abstandhaltens weitergeführt werden, dann ist eine Wiederaufnahme unserer Aktivitäten unberechenbar. Heute, anstatt unterwürfig und kühl zu bleiben, könnten wir uns in diesem Herbst für eine heroische gemeinsame Feier treffen. Und zwar zu einer Sankt-Hubertus-Messe, zum Klang der Jagdhörner, in der Abbaye von Bonmont, zu der unsere Compagnons eingeladen würden. Eine Gemeinschaft der Herzen, ein brüderliches Teilen, das unserem verstorbenen Ehrencompagnon Henri-Ferdinand Lavanchy gewidmet wäre, dem vorausschauenden Mäzen in bewegten Zeiten. Das einfache Glück des Wiedersehens!

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Geschäftsführung Dr. Jean-François Anken (Präsident), Luc Del Rizzo, Daniel H. Rey Partner Confrérie du Guillon, Office des Vins Vaudois, Qualitätslabel Terravin, Fédération des caves viticoles vaudoises, Waadtländer Sektion der Schweizerischen Vereinigung der selbsteinkellernden Weinbauern, Direction générale de l'agriculture, de la viticulture et des affaires vétérinaires (DGAV), Service de la promotion de l'économie et de l'innovation (SPEI) Verantwortlicher Redakteur Pascal Besnard Mitarbeiter dieser Ausgabe Edouard Chollet, Luc del Rizzo, Pierre-Etienne Joye, Michel Logoz, Fabien Loi Zedda, Claude-Alain Mayor, Claude Piubellini, Pierre Thomas, Alexandre Truffer, Jean-Claude Vaucher, Eva Zwahlen Übersetzung Evelyn Kobelt, Eva Zwahlen, Loyse Pahud, IP Communication in English Grafik und Layout stl design, Estelle Hofer Piguet Fotografen Régis Colombo, Sandra Culand, Edouard Curchod, Philippe Dutoit, Bertrand Rey, Hans-Peter Siffert Fotolitho l'atelier prémédia Sàrl Druck PCL Presses Centrales SA Anzeigenleitung Advantage SA, Isabelle Berney regie@advantagesa.ch +41 21 800 44 37

Le Guillon, die Revue des Waadtländer Weins erscheint zweimal jährlich in den Sprachen Französisch und Deutsch, mit englischen Zusammenfassungen.


U N S AV O I R - FA I R E R E C O N N U A U S E R V I C E D E N O S V I G N E R O N S D E P U I S 1 9 7 9

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