Le Guillon Nr.57 - DE

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Die Confrérie du Guillon in vorgezogener Zukunft Text: Luc del Rizzo, héraut Illustration: Camilla Maraschin

78  Le Guillon 57_2020/2

Ein sehr schöner Tag neigt sich an diesem Freitag, 4. November 2050, seinem Ende entgegen. Die Temperatur bleibt mit 35 Grad annehmbar und für einmal hat sich der Teilchendunst rasch aufgelöst. So oder so, es könnte – wie im August – Quecksilberfäden regnen, das würde meiner Freude keinen Abbruch tun. An diesem Abend werde ich zum ersten Mal Gast des Guillon sein. Davon träume ich schon lange. Es braucht schon eine Prise Originalität, um noch Lust zu verspüren, die Freundschaft, die Rebe und den Wein zu feiern. Schliesslich bleibt nur noch das Lavaux-Museum inmitten des neuen Geschäftszentrums gleichen Namens. Aber heute Abend organisiert sich der Widerstand und für ein paar Originale wie mich ist es ein Festtag. Mit gesenktem Kopf eile ich neben einem der

vier Radstreifen nach Hause. Dort angekommen entledige ich mich der Maske und der Handschuhe, desinfiziere mich, dusche und desinfiziere mich erneut. Bei meinem Grossvater habe ich das Kleid gefunden, das er am damals letzten Ressat im 2032 trug, an dem er mit etwas Glück teilnehmen konnte, trotz der Begrenzung auf 14 Compagnons, 2 Conseillers, den Gouverneur und den Connétable. Seither hat sich vieles verändert und heute gibt es keine Teilnahmebeschränkung mehr. Obschon es nicht eigentlich nötig ist, ziehe ich mir das wertvolle Erbstück über und installiere mich auf dem Sofa. Es ist Zeit. Ich verbinde mich mit der Plattform «Roussymobile» und erhalte umgehend meinen Zugangscode, die Tischregeln sowie einen Text in einer unverständlichen Sprache – offenbar französisch – über die Rebe und


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