Le Guillon Nr.58 - DE

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© Philippe Dutoit

Text: Alexandre Truffer

50 Apéro-Nuancen Lie, Marc, Grappa, Wermut – all diese Getränke haben eines gemeinsam: Sie werden aus Trauben hergestellt. Im Wunsch, ihr Angebot zu diversifizieren, verwenden einige Waadtländer Winzer einen Teil ihrer Ernte für die Produktion von originellen Aperitifs und Digestifs. Alain Bettems erinnert daran, dass «Lie und Marc einst derart gängige Produkte waren, dass alle Winzer sie herstellten. Heute werden diese Produkte, eine Weile völlig aus der Mode geraten, langsam wieder entdeckt.» Für den Besitzer der Cave de la Crausaz in Féchy ist der Hefe- oder Drusenbrand (alias Lie) «der beste Digestif der Welt, das sage ich ohne jede Überheblichkeit.» Doch was ist mit dem Image der Lie, mit der man gemäss traditioneller Arzneimittellehre Mensch und Tier massiert? «Als ich zwanzig Jahre alt war, ging die Hälfte des auf dem Gut produzierten Hefebrands an Leute, die ihn bei Verstauchungen und Zerrungen verwendeten. Mittlerweile macht diese Kundschaft nur noch wenige Prozent der Verkäufe aus.» Alain Bettems, bekannt für die Qualität seiner Chasselas (Sieger der Lauriers de Platine 2016) und 36  Le Guillon 58_2021/1

seiner Whiskys (sein «Allan’s Gold» erreichte die höchste Punktzahl beim Swiss Spirits Awards 2019), räumt ein, dass «die Lie einen schlechten Ruf hat. Seinerzeit hatte man die Vinifikation weniger gut im Griff als heute. Oft wiesen die Hefebrände einen leichten Bock auf (Vinifikationsfehler, der zu Noten von faulen Eiern führt, Anm. d. Red.). Klar: Wenn das Ausgangsmaterial, das in die Brennhäfen kommt, nicht gut ist, dann kann nichts Interessantes herauskommen.» Das Umgekehrte gilt auch: Das beweist der dritte Platz bei den Swiss Spirits Awards 2020 für Alain Bettems Lie de Féchy! Wenn das Basisprodukt von hoher Qualität ist, dann wird es auch der Edelbrand sein. Der Spirituosenliebhaber, der seinen Crausiac (Eau-de-vie aus Chasselas und Pinot gris, destilliert und vier Jahre in Barriques ausgebaut) beim nationalen Con-

cours in der Kategorie «Weinbrände» im dritten Rang platzieren konnte, bestätigt, dass die Mengen stark gesunken sind: «Vor vierzig Jahren produzierte unser Gut 3000 bis 4000 Liter pro Jahr. Heute sind es noch 800 5-dl-Flaschen pro Jahr.» Die Kunst der Metamorphose vervollkommnen Auf der Domaine des Rueyres in Chexbres sind Lie, Marc, Eau-de-vie de Vin und Grappa im Angebot, aber auch Produkte auf der Basis von Früchten, die auf dem Gut produziert werden, etwa Trauben «à la lie» oder ein Likör aus Weinbergpfirsichen. «Unser neustes Produkt ist ein Fleur de Sel à la Mondeuse Noire», erzählt Laurent Cossy. Er bestätigt, der Verkauf von traditionellen Schnäpsen sei relativ begrenzt. «Mein Vater und mein Grossvater füllten fast 1000 Liter Marc und Eau-de-vie de Vin ab. Wir verkaufen sie noch immer, jetzt, nachdem sie schon fast zwanzig Jahre in der Flasche sind. Es gibt aber eine grössere Nachfrage nach Grappa aus Mondeuse Noire.» Laurent Cossy produziert auch einen Honigwein und ein handwerklich hergestelltes Bier. «Bier hat weniger Alkohol als Wein und ist deshalb anfälliger auf bakteriologische Probleme. Der Met hingegen wird auf der Basis von Honig produziert, einem Produkt, das nur Zucker enthält. Wir


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