VIRTUELLER DGRH-KONGRESS 2020
Rheuma MANAGEMENT | Sep/Okt 2020
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RHEUMAORTHOPÄDIE
Rebellisches Gelenk: Therapieoptionen im Überblick Etwa jeder zehnte Patient mit rheumatoider Arthritis (RA) weist ein bzw. einzelne Gelenke mit Synovialitiden auf, obwohl die systemische Aktivität suffizient kontrolliert ist. Bei ein bis zwei Biologika-refraktären Gelenken ist dies nicht als Therapieversagen zu werten und sind lokale Interventionen angezeigt.
Dennoch kann das rebellische Gelenk eine klinische Herausforderung darstellen und erfordert oftmals eine enge Kooperation von internistischen und orthopädischen Rheumatologen, um die im individuellen Fall beste Lösung zu finden, betonte Prof. Dr. Stefan Rehart, Frankfurt/M, einleitend. Per definitionem handelt es sich dabei um eine unter wirksamer Immunsuppression persistierende Arthritis in einem Gelenk. Die Aktivitätsscores können also normal ausfallen – auch weil das betroffene Gelenk nicht zwingend im DAS28 abgebildet ist. Warum einzelne Gelenke nicht auf die Therapie ansprechen, ist bisher unklar. In der Situation mit Krankheitsaktivität in einem Gelenk muss laut Dr. Florian Schuch, Erlangen, geklärt werden, ob es sich um einen Schub, eine neue Erkrankung oder eine Komplikation handelt; zudem sollte die Diagnose hinterfragt werden. Entscheidend sei eine Anamnese zu Traumata, Infekt und Medikation, gefolgt von einer Gelenkuntersuchung mit Gelenkpunktat, ergänzt durch ein Labor und Bildgebung. Auf dieser Basis sollte die Differenzialdiagnose erfolgen und über das weitere Vorgehen entschieden werden. Schuch betonte die Bedeutung der Pseudogicht als wichtiger Differenzialdiagnose, da sie die häufigste Monarthritis des älteren Menschen darstelle. Insbesondere bei Langzeit-RA-Patienten ist eine signifikante, subklinische Synovialitis keine Seltenheit. Bis zu 40 % seien betroffen, so Prof. Dr. Ingo Arnold, Bremen. Als Grund werden die chronischen, kaum reversiblen synovitischen Veränderungen im Gelenk vermutet, die ihren Ausdruck in der Retention entzündungstriggernder T- und B-Zellen finden.
Gelenkinfiltration als Therapie der Wahl Therapie der ersten Wahl bei Biologika-refraktärem, rebellischem Gelenk ist für Arnold die sonografisch gesteuerte Infiltration von Glukokortikoiden (GK) – eine effektive und schnell umsetzbare Option. Daten für eine begründete Wahl des GK gibt es für das Kniegelenk. Hier hat sich Triamcinolon-Hexacetonid gegenüber Methylprednisolon als schneller wirksam erwiesen. Der Effekt hält jedoch bei etwa jedem zweiten Patienten keine sechs Monate an. Eine Herausforderung dieses Vorgehens ist zudem die im entzündeten Gelenk nur kurze GKVerweildauer von 1-4 h. Daher ist es sinnvoll, Hilfsstoffe beizumischen oder Steroide in Kristallform zu verwenden. Auch für die intraartikuläre Gabe von Plättchen-reichem Plasma (PRP)
gibt es Hinweise auf eine antiarthritische und immunregulatorische Wirkung beim rebellischen Gelenk – allerdings bisher nur aus in-vitro- und in-vivo-Untersuchungen. Zudem wird auch die intraartikuläre Gabe von TNFα-Inhibitoren geprüft. Erste Versuche sprechen für eine im Vergleich zu GK höhere Wirksamkeit und geringere Flarerate. Auch hier müssen aber erst noch die Hürden Verweildauer, entsprechend geeignete Drug Delivery-Systeme (DDS) und die Verteilung ins Gelenkgewebe genommen werden.
Radiosynoviorthese und Synovialektomie als ultima ratio Mit der Radiosynoviorthese (RSO) wurden zwar in Fallkontrollstudien gute Erfolge bei der Schmerzlinderung und Verbesserung der Gelenkfunktion erzielt; Daten aus größeren doppelblinden, randomisierten Studien gibt es aber nicht. Bei richtiger Indikationsstellung halte der Effekt aber bei der Mehrzahl der Patienten für 1-5 Jahre, so Arnold. Der Effekt sei aber nur symptomatisch und bleibe ohne Einfluss auf die Langzeitprognose des Gelenkes. Arnold wies noch auf drei wichtige Punkte hin: Eine polypöse Synovialitis, höhergradige Rotatorenmanschettenläsion oder Handgelenklokalisation stellen Kontraindikationen dar, eine geschlossene Bakerzyste dagegen nicht. Ein Knochentumor muss durch Röntgen ausgeschlossen werden. Bei stark hyperplastischer Synovialis und Larsen-Stadium >III ist eine Synovialektomie der RSO vorzuziehen. Die Synovialektomie stellt das invasivste Vorgehen dar. Sie zielt darauf ab, eine fibröse, zell- und gefäßarme, vermindert reaktionsfähige Synovialmembran wiederherzustellen und sollte innerhalb von drei Monaten nach Indikationsstellung erfolgen. Bei offener Synovialektomie ist das Risiko für einen späteren Gelenkersatz erhöht, bei arthroskopischer Synovialektomie hängt der Erfolg entscheidend davon ab, wie gründlich die Synovialis entfernt wird. Eine intensive Physiotherapie darf in der etwa sechswöchigen Regenerationsphase nicht durchgeführt werden. (wk) m
Quelle: Live-Session „Das rebellische Gelenk“, DGRh-Kongress, 10. September 2020