Editorial
Der Krieg in der Ukraine birgt zunehmend unkalkulierbare Folgen für die deutsche Bauwirtschaft – bereits im März schloss der Hauptverband der Deutschen Bauindustrie Baustopps für eine Vielzahl von Projekten nicht mehr aus. Hauptgrund dafür sei der Mangel an Baumaterial. Nicht zuletzt Lieferengpässe bei Baustoffen hatten bereits vor Beginn des Krieges zu einem historisch hohen Auftragsbestand von rund 64 Mrd. Euro geführt. Diese Situation dürfte sich weiter verschärfen, zumal jedes dritte Branchenunternehmen Baumaterial aus Russland und der Ukraine bezieht. E iner aktuellen Umfrage des Hauptverbandes zufolge, leiden über 80 Prozent der Bauunternehmen unter Lieferengpässen und Preissteigerungen beim Baumaterial. Hinzu kommt, dass viele Lieferantenkeine Preiszusagen mehr machen oder nur noch tagesaktuelle Preise geben. Die derzeit in puncto Preis und Lieferengpässen am meisten betroffenen Produkte sind Dieselkraftstoff, Bitumen, Stahl, Spundwände, Holz und Epoxidharze. Das gesamtwirtschaftlich größte Problem stellt allerdings die Erdgasversorgung der Industrie dar. Kommt es hier zu einem Lieferstopp seitens Russlands oder eines Embargos von Seiten der EU, dürfte dies zu nicht kalkulierbaren Konsequenzen für die deutsche Wirtschaft führen. Frühestens im Sommer 2024 könnte man von russischem Erdgas unabhängig werden, heißt es aus dem Wirtschaftsministerium. Doch schon jetzt bringt der hohe Gaspreis viele energieintensive Unternehmen in eine Notsituation. Ein Beispiel ist die Ziegelindustrie, die in unserem aktuellen TopThema Rohbau im Mittelpunkt steht. Schon Anfang des Jahres äußerte sich der Bundesverband der Deutschen Z iegelindustrie (BVZ) besorgt über die Versorgungssicherheit: »Nahezu wöchentlich neue Rekorde bei Strom- und Gaspreisen hemmen Planung und Investitionen in energieeffizientere, nachhaltigere und
April 2022 6
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Wirtschaft im Energiedilemma
ettbewerbsfähigere Herstellungsverfahren. Dass die neue Bunw desregierung noch stärker auf grüne Energieträger setzt, ist richtig. Doch bis ausreichend bezahlbarer grüner Strom und Wasserstoff zur Verfügung stehen, bleibt der Energieträger Erdgas zum jetzigen Zeitpunkt für den Industriestandort Deutschland alternativlos und muss bei Entscheidungsprozessen als Übergangstechnologie berücksichtigt werden.« Inzwischen hat sich die Situation noch einmal verschärft. Denn das für die Ziegelherstellung nötige Erdgas habe sich teilweise um den Faktor 10 verteuert gegenüber den vergangenen Jahren. Einzelne Ziegelhersteller müssten die Produktion bereits zum Teil herunterfahren, es drohten vollständige Produktionsstopps auf unbestimmte Zeit, so Dr. M atthias Frederichs vom BVZ. Wir bleiben zumindest zuversichtlich, dass dieses Worst-CaseSzenario nicht eintritt. Denn gerade im Bereich Mauerwerk steckt enormes Potenzial für ein zukunftsgerechtes Bauen. Dies zeigt unser Top-Thema Rohbau ebenso wie unser Gespräch mit Tristan Klein, dem Geschäftsführer des Dachverbands Mein Ziegelhaus. Außerdem beschäftigen wir uns in diesem Heft mit den Themen Außenanlagen, Dach, Fassade, Werkzeuge & Befestigungstechnik sowie in einem Sonderthema mit Schalung, Gerüsten & Höhenzugangstechnik. Ich wünsche Ihnen eine spannende Lektüre!
Peter Lang Redakteur
Editorial