Nr. 3 Saison 21/22 - Spätwerk

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ORTSGESCHICHTEN

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VOLLENDU NG IN REPINO

VON SIGF R IED SCHIBL I

Karelien war im Lauf der Jahrhunderte unterschiedlichen Herrschaften unterworfen und ist heute zwischen Russland und Finnland geteilt. Die ursprünglich finno-ugrische Bevölkerung wurde in der Zeit, als Finnland eine russische Provinz war, weitgehend vertrieben. Während des Zweiten Weltkriegs war Karelien heftig umkämpft. Im ‹Winterkrieg› 1939/40 zwischen Finnland und der Sowjetunion fiel ein Grossteil Westkareliens an die Sowjetunion, wurde im ‹Fortsetzungskrieg› von Finnland zurückerobert, fiel danach aber erneut an die UdSSR.

Repino ist ein Ort am Finnischen Meerbusen in Karelien, der wie ganz Karelien eine wechselhafte Geschichte hat. Die rund 45 Kilometer nordwestlich vom Stadtzentrum des ehemaligen Leningrads gelegene Gemeinde hatte vor der russischen Besetzung Kareliens zu Finnland gehört und Kuokkala geheissen. Seit dem ‹Pariser Frieden› von 1947 gehörte sie wieder zur Sowjetunion. In Kuokkala hatte bis zu seinem Tod der bedeutende russische Maler Ilja Repin (1844–1930) gelebt. Er nannte das von ihm selbst entworfene Haus nach den römischen Hausgöttern ‹Penates› oder russisch ‹Penaty›. Zu Ehren Ilja Repins benannten die Sowjets den Ort Kuokkala 1948 in Repino um. Dort entstand weitgehend die 15. und letzte Sinfonie von Dmitri Schostakowitsch. Schostakowitsch hatte schon in den Dreissigerjahren eine Villa in Repino bewohnt, die ihm von der Regierung zur Verfügung gestellt worden war. Das Haus brannte im Zweiten Weltkrieg ab, aber Schostakowitsch hatte weiterhin eine Datscha in der Nähe von Moskau. Nach dem Krieg unterhielt der sowjetische Komponistenverband in Repino eine Art von Feriendorf für Künstler. Zwischen 1961 und seinem Todesjahr 1975 hielt sich Schostakowitsch fast jeden Sommer im ‹Haus der Komponisten› in Repino auf. Vor allem sein Spätwerk ist untrennbar mit dem Namen dieses Seebads verbunden.


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