COR - The Local Magazine #4 (DE)

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M A G A Z I N E

BEWUSST

BEWAHRT

BEWUNDERT

Nachhaltiges Urlaubsglück

Gerichte der Kindheit

Kunst aus dem Eisacktal

Unsere Wo es schmeckt! Schätze Ein Heft über den Genuss und die Berge

Ein Heft über die Kunst und die Lebenslust

B R I X E N

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K L A U S E N

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G I T S C H B E R G

J O C H T A L

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N A T Z - S C H A B S

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Erlebe den Südtiroler Frühling, wie ihn auch die Südtiroler selbst genießen: bei milden Temperaturen und einem Aperitivo in der Abendsonne mit Freunden. Ganz ohne Trubel. Mehr Frühlingserlebnisse auf suedtirol.info


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Mitarbeiter der Ausgabe 1 Lost Places. Dem Zauber verlassener Orte kann Autorin Debora Longariva nicht widerstehen. Deshalb recherchierte sie nur zu gerne in den mittelalterlichen Mauern von Kloster Säben (S. 70) und streifte durch die ehemalige Militäranlage Franzensfeste (S. 66). 2 In dieser COR-Ausgabe fand zusammen, was zusammengehört: Der Bronzekoloss „COR Circus“ von Künstler Peter Senoner (S. 48) wacht über das Eisacktal und wusste bisher vermutlich ebenso wenig von unserem Magazin wie die Redaktion vom Namen des mächtigen Cyborgs. Leider stand uns der Cyborg nicht für ein Statement zur Verfügung.

3 Ein Fotoshooting auf der Piste? „Nichts lieber als das!“, antwortete Fotograf Michael Pezzei, ein leidenschaftlicher Skifahrer. Er zeigte sich beeindruckt von den Skikünsten Linda Strickers (S. 56) und hatte Mühe, ihr stets hinterherzukommen.

Cor. Il cuore. Das Herz. Es schlägt da höher, wo man Geborgenheit spürt. Zuhause. Heimat? Hat viele Gesichter. Gibt es die Heimat im Plural? Eine Heimat, zwei Heimaten? Aber sicher! Heimat ist da, wo man sich wohlfühlt, von Menschen umgeben, die einem wohlgesinnt sind. Dieses Magazin nimmt Sie mit nach Brixen, Gitschberg Jochtal, Klausen, Natz-Schabs, Lüsen. Zu den Heimaten der Jahreszeiten, zu den Heimaten all jener Reisenden, die mit reiner Seele und gutem Gewissen unterwegs sind. Mit dem Herzen in der Hand, mit dem Glück im Rucksack. Wer reist, nicht bloß um zu konsumieren, sondern um zu erleben, erfahren, erkennen, den macht das Reisen reich. Fernab vom schnöden Geld. Herzlich, Ihre Redaktion

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Tradition mit Tiefgang Vier Blicke ins Glück

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Neu und gut Wissenswertes aus der Umgebung

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Drei Fragen an … Magdalena Jöchler, die zwischen Großstadt und Berghütte pendelt

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Land der Jahreszeiten Südtirols Spiel aus Frühling, Sommer, Herbst und Winter

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Bewusst unterwegs Nachhaltige Tage des Glücks

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Gerichte der Kindheit Von kulinarischen Erinnerungen, die niemals schwinden

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Ywain tötet Askalon Ein Museumsstück im Fokus

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Kurvig, steil, schnell Linda Stricker im Interview

Steinreich! Die beeindruckende Gesteinsvielfalt des Eisacktals

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Schön und gut Produkte aus der Umgebung

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Kleiner Raum, große Kunst Einblick in eine lebendige Szene

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Spektakuläre Orte Die Franzensfeste

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Steiler Aufstieg Zu Besuch beim Kuenhof

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Südtirol für Anfänger Folge 4: Eine schrecklich aktive Familie

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Südtirol-Lexikon, das Dialekt verständlich gemacht

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Was bleibt Abschied vom Kloster

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Unsere Lieblingsorte … Für Familien

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Augenblick, verweile Die Geschichte hinter dem Lieblingsfoto

Impressum HERAUSGEBER Brixen Tourismus Genossenschaft Tourismusgenossenschaft Gitschberg Jochtal Tourismusgenossenschaft Klausen, Barbian, Feldthurns und Villanders Tourismusgenossenschaft Natz-Schabs Tourismusverein Lüsen IDM Südtirol – Alto Adige KONTAKT info@cormagazine.com REDAKTION Exlibris www.exlibris.bz.it PUBLISHING MANAGEMENT Valeria Dejaco, Debora Longariva (Exlibris), Karin Niederfriniger (IDM) CHEFREDAKTION Lenz Koppelstätter

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ART DIRECTION Philipp Putzer www.farbfabrik.it AUTORINNEN UND AUTOREN Valeria Dejaco, Stefania Fracassi, Cassandra Han, Marianna Kastlunger, Lenz Koppelstätter, Anna Kornprobst, Teseo La Marca, Debora Longariva, Judith Niederwanger und Alexander Pichler (Roter Rucksack), Silvia Oberrauch, Anna Terleth FOTOS Florian Andergassen, Leonhard Angerer, Bergwerk Villanders, Brixner Hütte/Magdalena Jöchler, Brixen Tourismus (A. Filz, G. Hofer, M. Kottersteger), Fotoarchiv des Amtes für Bau- und Kunstdenkmäler Abteilung Denkmalpflege Provinz Bozen, Festung Franzensfeste (Fly Südtirol, Günter Richard Wett), Cassandra Han (privat), Fabian Haspinger, HuskySledDog/Greta Bonavoglia, IDM (A. Andreis, M. Ferrigato, A. Filz, A. Moling, H. Niederkofler, H. Wisthaler), Kuenhof/Andreas Tauber, Gasthof Bad Dreikirchen, Michael Pezzei, Raststätte Lanz/Matthias Lanz, Caroline Renzler, Roter Rucksack, Sportservice Stricker/Linda Stricker (privat), Tourismusgenossenschaft Natz-Schabs/Andreas Tauber, Tourismusgenossenschaft Gitschberg Jochtal (H. Moling, T. Monsomo, H. Niederkofler, Rotwild), Tourismusgenossenschaft Klausen (W. Gafriller, P. Santifaller), Tourismusverein Lüsen/H. Niederkofler, ullstein bild, Gustav Willeit ILLUSTRATIONEN Sabine Kranz (4, 68), Dialog Brixen (16) ÜBERSETZUNGEN UND LEKTORAT Exlibris (Valeria Dejaco, Helene Dorner, Debora Longariva, Milena Macaluso, Charlotte Marston, Silvia Oberrauch, Federica Romanini, The Word Artists) DRUCK Lanarepro, Lana

Mit freundlicher Unterstützung von:

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Tradition mit Tiefgang Ferne Gipfel, verzauberte Gärten, kulinarische Entspannung, tierischer Schmuck – vier Blicke ins Glück

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So schön, fast schon kitschig. Von Terenten reicht der Blick bei Sonnenschein bis zu den beeindruckenden Felsen des Peitlerkofels, dessen Spitze 2.875 Meter über dem Meer ins Blau des wolkenlosen Himmels sticht.

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Im 13. Jahrhundert errichtet, war die Brixner Hofburg einst Residenz der Fürstbischöfe, heute beherbergt sie unter anderem das Diözesanmuseum mit Schätzen kirchlicher Kunst aus dem Mittelalter und der Neuzeit.

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Törggelen ist Eisacktaler DNA. Im Herbst, wenn die Kastanien reif sind, werden sie gebraten, mit jungem Wein, Traubensaft und hofeigenen Produkten genossen: Schlutzer, Speck, Kaminwurzen, Hauswurst, Sauerkraut. In traditionellen Stuben – oder bei gutem Wetter auch draußen.

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Die Kuh ist mehr als nur ein Nutztier. Sie ist Symbol für das bäuerliche Südtirol, für Leben, Naturverbundenheit, Tradition. Der Almabtrieb wird zelebriert, die Herde wird geschmückt, voller Stolz geht es im Herbst wieder zurück auf die Höfe.

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NEU & GUT Wissenswertes aus der Umgebung

Greta Bonavoglia ist Musherin am Würzjoch, das heißt, sie ist ausgebildete Hundeschlittenführerin.

Zahl der Ausgabe 50 JAHRE EISACKTALER KOST Jedes Jahr im März findet im Eisacktal die älteste Südtiroler Spezialitätenwoche statt. Bei der Eisacktaler Kost können nach dem Motto „Kemps kostn“ in 14 Gastbetrieben von Sterzing bis Barbian typische Eisacktaler Gerichte verkostet werden. Dabei werden traditionelle Speisen aus alten Rezeptheften neu interpretiert und verfeinert. Was entsteht, ist eine köstliche Kombination aus alten und innovativen Frühlingsgerichten – immer aus regionalen landwirtschaftlichen Produkten.

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Die Hundeflüsterin „MAN KANN ES KAUM als Arbeit bezeichnen, es ist eine Leidenschaft. Jeder Tag ist ein neues Abenteuer.“ Mit HuskySledDog bietet Greta Bonavoglia gemeinsam mit ihrem Partner – und derzeit 26 Huskys – Fahrten mit Schlittenhunden auf dem Würzjoch an. Einen Lieblingshund hat die 39-Jährige nicht. Stattdessen pflegt sie mit jedem Husky eine individuelle Beziehung. „Wir haben Tiere schon immer geliebt. Alles hat damit angefangen, dass uns ein Freund die erste Hündin geschenkt hat. Da haben wir unsere Leidenschaft für das Hundeschlittenfahren entdeckt.“ Bei HuskySledDog dürfen die Teilnehmenden nach einer kurzen Einführung selbst den Schlitten lenken.

„Ein Erlebnis mit unseren Hunden ist einzigartig und bedeutet gleichzeitig, sich selbst in einer herrlichen Naturlandschaft neu wahrzunehmen. Die erste Fahrt mit einem Hundeschlitten vergisst man nie. Das Schönste ist es, gemeinsam mit meinen Kunden diese erste Fahrt mitzuerleben“, schwärmt Bonavoglia. Was machen Schlittenhunde eigentlich im Sommer? „Über die Sommermonate leben wir auf einem Bauernhof in Rimini. Dort können sich die Huskys im Schatten ausruhen, spielen und neue Kräfte tanken. Im September und Oktober beginnen wir wieder mit dem Training, bevor es zurück in den Schnee geht.“ www.huskysleddog.com


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Drei Ausflüge ❶ SCHÖPFUNGSWEG Der Schöpfungsweg auf der Rodenecker-Lüsner Alm führt auf einen besinnlichen Almspaziergang vor imposanter Bergkulisse. Auf dem sechs Kilometer langen Weg wird die biblische Schöpfungsgeschichte durch acht moderne Kunstwerke symbolisch dargestellt. Der Weg endet an der Pianer Kreuz Kapelle, wo sich auch die letzte Station befindet: eine Bank, die den siebten Tag als Ruhetag Gottes nach vollendeter Schöpfung versinnbildlicht. ❷ RADWEG BRIXEN – VILLNÖSS Urige Bauernhöfe, grüne Wiesen und eine atemberaubende Berglandschaft: Der Radweg von Brixen ins Villnößer Tal ist eine Tour für alle, die ein besonderes Landschaftserlebnis suchen. Über Feld- und Waldwege führt er bis hinauf nach Ranui am Fuße der mächtigen Geislerspitzen. Neben charmanten Dörfern und einer einzigartigen Panoramalandschaft gibt es auf der gesamten Strecke auch zahlreiche Einkehrmöglichkeiten, die zum Verweilen und Verkosten einladen.

Nachhaltig unterwegs ②

Zu Fuß oder mit dem Rad: Weitere Ausflugstipps gibt es ab Seite 22.

❸ LATSCHENWEG Auf dem malerischen Hochplateau der Villanderer Alm besticht der Latschenweg besonders durch sein spektakuläres Panorama. Die Rundwanderung führt durch Latschenkiefernwälder hindurch und gibt währenddessen im Osten den Blick auf die Dolomiten frei. Das Ziel der Wanderung ist die Marzuner Schupfe. Ganz in der Nähe liegt die Latschenbrennerei, wo beim Schaubrennen ein Einblick in die Herstellung von ätherischem Öl geboten wird.

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Edle Tropfen im Bunker EIN KLEINER WEINBERG an der Pustertaler Staatsstraße trägt Früchte: Seit 2016 pflegt Familie Lanz hier die Rebstöcke für den hauseigenen Riesling „Julian“. Spektakulär ist die Lagerung: Wein und Fässer werden in einem historischen Bunker aus dem Zweiten Weltkrieg aufbewahrt, der im Familienbesitz ist. Von Mai bis Oktober werden Führungen mit Weinverkostung in den alten Gängen angeboten. Informationen und Anmeldung unter +39 348 22 30 125 oder info@lanz.store

K wie … Kraxe

WIE BRACHTEN DIE LEUTE früher eigentlich ihr Hab und Gut von A nach B? Mit der sogenannten Kraxe, einer Rückentrage aus Holz, die nicht nur in der Landwirtschaft eingesetzt wurde, sondern auch Hausierern und Buckelkrämern als Transporthilfsmittel diente. Mit der Kraxe trug man zum Beispiel Lebensmittel, Werkzeug und Heu auf den Schultern. Eine Wanderung mit Kraxe wie früher – und ein Picknick im Grünen. Diese Erfahrung bietet die Rossalm mit ihren Picknickkraxen. Ob für zwei, für Familien oder für Vegetarier: In der Kraxe befinden sich eine Picknickdecke und selbstgemachte Köstlichkeiten lokaler Hersteller. Dabei wird auf die Verpackung in Plastik gänzlich verzichtet und viel Wert auf saisonale Produkte gelegt. www.rossalm.com

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Architektonisches Barbian ❶ GASTHOF BAD DREIKIRCHEN „Es war eine entzückende Einsamkeit, Berg, Wald, Blumen, Wasser ...“, so beschrieb Sigmund Freud seinen Aufenthalt im idyllischen Ort Bad Dreikirchen in Barbian. Direkt neben den drei Kirchen liegt der traditionsreiche Gasthof Bad Dreikirchen. 2022 erhielt er die besondere Auszeichnung im Wettbewerb „Historischer Gastbetrieb des Jahres“. Die Ursprünge des Familienbetriebs reichen 200 Jahre zurück. Das Hotel wurde sehr schonend und sorgfältig umgestaltet und vereint gelebte Tradition mit der Gegenwart. Besondere Glanzstücke sind die Bibliothek, das Musikzimmer, der Speisesaal und die traditionelle Stube.

Behutsam: Ob Tradition und Gegenwart oder Komfort und Minimalismus, in Barbian werden Natur und Architektur geschickt miteinander verbunden.

❷ EINÄUGL UND ❸ BAUMHAUS ISIDOR Wie Phönix aus der Asche: Genau dort, wo 1982 ein Gebäude abgebrannt ist, entstand 2021 an den Hängen oberhalb von Barbian das Einäugl. Zeitlos schmiegt sich der Holz-Rundbau in die Umgebung und bringt Natur, Architektur und Mensch in Einklang. Innen ist das zum Hotel Briol gehörende Gebäude von Architekt Theo Gallmetzer ebenso reduziert und minimalistisch gehalten. Das Baumhaus Isidor liegt gleich daneben und ist ein kleiner Rückzugsort für Paare und Familien mitten in der Natur. Auf 50 Quadratmetern bietet der gut versteckte Holzbau umgeben von Wald und Wiesen exklusiven Komfort. Tief hinein in die Dolomitenlandschaft reicht der Blick aus den raumhohen Fenstern.

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Drei Fragen an … Magdalena Jöchler, die von der Großstadtjournalistin zur Hüttenwirtin in den Pfunderer Bergen wurde – und sich damit einen Traum erfüllte

Im Winter leben Sie in Wien, im Sommer sind Sie nun Wirtin der Brixner Hütte auf 2.282 Metern über dem Meer – warum? In Wien habe ich zu Freunden öfter aus Jux gesagt, dass ich irgendwann Hüttenwirtin werde. Das Leben und Arbeiten auf einer Schutzhütte hat mich schon lang fasziniert. In den vergangenen Monaten ist klar geworden, dass man Pläne oder Träume umsetzen muss, solange es geht, und nicht: irgendwann! Als es das Angebot gab, die Brixner Hütte gemeinsam mit Christoph Giacomuzzi und Simon Baumgartner zu übernehmen, habe ich ohne zu lang nachzudenken zugesagt – und diese Entscheidung bisher nicht bereut. Nun bin ich schon den zweiten Sommer hier: Anfang Juni stapfen wir durch den letzten Schnee hinauf und bereiten alles für die Gäste vor, im Oktober machen wir die Hütte winterfest und kehren zurück ins Tal, zu unseren „normalen“ Jobs. Magdalena Jöchler pendelt zwischen Großstadtchaos und Hüttenidylle.

Sie sind da oben zu dritt. In der Abgeschiedenheit auf engem Raum – schlägt man sich da nicht irgendwann die Köpfe ein? Ja! Beinahe. So ehrlich muss man sein. Vier Monate ohne Privatsphäre und mit langen Arbeitstagen nagen am Nervenkostüm. Im ersten Jahr geht es ja auch um prinzipielle Fragen: Wie stellt man sich eine gut geführte Hütte vor? Was kommt auf die Speisekarte? Wie organisieren wir Abläufe? Bei solchen Diskussionen lernt man sich sehr schnell sehr gut kennen. Und nervt sich allenthalben. Aber: Alle Köpfe sind noch heil! Wir sind als Team zusammengewachsen und ergänzen uns gut. Was sollte man bestellen, wenn man bei euch in der Stube am Esstisch sitzt? So banal es klingt: Knödel mit Krautsalat! Unsere schwarzplentenen Knödel sind schwer zu toppen. Auch unsere Vorgängerin, die frühere Hüttenwirtin Martha, hat sie bei einem Testessen für außerordentlich gut befunden. Und das will was heißen: Unter den Fans von Marthas „Plentenen“ war immerhin auch der Südtiroler Sternekoch Herbert Hintner.

Tourentipp: Fane Alm – Wilder See – Brixner Hütte Vom Wanderparkplatz der Fane Alm sind es wenige Minuten zum Almendorf. Entlang der Markierung Nr. 17 wandert man von hier durch die Schlucht Valler Schramme. Links abzweigend führt Weg Nr. 18 zur Labesebenalm, von wo ein schmaler Pfad den kristallklaren Wilden See auf 2.532 Meter Höhe erreicht. Über das Rauhtaljoch (2.800 m) und Steig Nr. 17B geht es hinunter zur Brixner Hütte. T H E L O C A L M AG A Z I N E



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Land der Jahreszeiten Ich musste erst aus Südtirol wegziehen, um zu erkennen, was mir hier am meisten gefällt: das Spiel aus Frühling, Sommer, Herbst und Winter

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rgendetwas fehlte. Ich wusste nicht genau, was es war. Aber ich wusste, dass da etwas war, vielmehr: dass etwas nicht da war. Dass ich etwas vermisste, sehr sogar. Doch was? Anfangs, nein, da vermisste ich nichts. Was vermisst man als junger Mensch schon, wenn man von der in dem Alter als durchaus erdrückend empfundenen Klischeeidylle eines Alpenparadieses ausbricht und in eine große, dreckige, laute Großstadt zieht? Dass es in dieser großen, dreckigen, lauten Großstadt weit oben im Norden im Winter kaum Sonne gibt – geschenkt. Anfangs. Denn als anständiger junger Mensch feiert man nachts und schläft tagsüber natürlich. Wozu Sonne? Aber irgendwann, je älter man wird, schlägt’s aufs Gemüt. Und irgendwann verstand ich: Hier, in dieser Großstadt im Norden, freute man sich einen langen, dunklen Winter lang, Tag für Tag, jede Stunde, auf das klein bisschen schönen Sommer, der hoffentlich bald kommen würde und nie bald kam. Und mitten im kurzen – stets sehr kurzen! – Sommer fürchtete man schon wieder den nächsten viel zu schnell eintretenden langen, dunklen Winter. Ein Winter mit Schnee zwar, aber ohne Berge. Und Sonne. Was nützt einem das? Schnee? Ohne Berge. Ohne Sonne. Völliger Irrsinn.

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Ich verstand bald: Es ist das Wechselspiel der Jahreszeiten, das Südtirol, meine Heimat, so lebenswert macht. Wenn im März oben auf der Plose noch die Skier geschwungen werden, man unten in Brixen zwischen blühenden Zweigen bereits – ach, die Sonne scheint ja so schön! – den ersten Sommerdrink des Jahres bestellt. Wenn sich im Herbst oben am Berg, bei den Törggelehöfen des Eisacktals, die Blätter in frohes, heimeliges Gelb und Rot färben. Wenn man sich Ende des Winters auf den Frühling, Ende des Frühlings auf den Sommer, dann auf den Herbst, dann wieder auf den Winter freut. Jede Jahreszeit zeigt sich stolz und ganz in ihrem Element. Der Lauf des Lebens, oft auch der Arbeit draußen in der Natur, folgt dem Lauf des ewigen Jahreszyklus. Das beschert Zufriedenheit. Jede der Jahreszeiten wird voll ausgekostet. Das weiß man ja vom Leben: Die Dinge, auf die man wartet, die nicht ständig zur Verfügung stehen, sind die reizvollsten, die genussintensivsten. Es sind diese kleinen Momente, zu beobachten in der Natur, beim Sport, im Kulinarischen, die dieses Jahreszeitenglück mit geballter Wucht präsentieren: Wenn der Winter noch mit dem Frühjahr ringt und man bei einer Wanderung oben am Gitschberg die ersten bunten Blumentupfer aus dem weißen Teppich, unter dem alles ruhte, brechen sieht. Wie auf einem Aquarell. Wenn man im heißen Sommer auf einer Bergtour über die Lüsner Alm plötzlich das erste Herbstlüftchen spürt. Wenn es im späten Oktober, die Kastanien im Ofen, plötzlich schneit, die Kinder mit großen Augen an den Fensterscheiben klebend, in Gedanken schon den Schneemann bauend, am nächsten Vormittag, wenn am wolkenlosen Himmel wieder die Sonne scheint. Zum Frühlingsbeginn ein letzter Tag auf der Piste, ja, zugegeben, der Schnee nach zehn Uhr schon etwas nass und klebrig, aber was soll’s. Ein letztes Glas Skihütten-Sekt, dann die letzten Schwünge, in Gedanken schon beim ersten Ausflug zu den Schrüttenseen und beim ersten Sprung in den kühlen Bergsee. Vor wenigen Jahren bin ich aus der großen, lauten, dunklen Stadt zurück in die Berge gezogen. Ob ich für immer bleibe? Wer weiß. Wenn, dann sind es vier Glückselemente, die mich festhalten, die mich nicht mehr gehen lassen: Frühling, Sommer, Herbst und Winter.

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Umweltbewusst Urlaub machen und trotzdem auf nichts verzichten – geht das überhaupt? Wir haben ein junges Paar losgeschickt, um es auszuprobieren. Sie erlebten Tage nachhaltigen Glücks

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Links: Wanderleiter Raimund Gietl bringt die Besucher in die ehemalige Kornkammer Südtirols.

D „Wenn du dich hier nicht am schlichten Dasein erfreust, dann wo?“

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Unten: Gastwirt Elmar Braun will zeigen, dass nachhaltiger Genuss auf höchstem Niveau möglich ist.

er Verdacht, einem Irrtum aufgesessen zu sein, kommt schleichend: beim veganen Abendmenü zwischen Paprika-Kokos-Suppe und BuchweizenRisotto mit frischen Pfifferlingen, beim Lustwandeln von der rebenbewachsenen Gartenlaube zum Infinitypool mit Blick auf die Dolomiten oder auch beim Verkosten eines Sylvaners im beheizten Wasserbottich, wo wir uns am späten Abend noch fläzen und am spätsommerlichen Nachthimmel Sternbilder suchen. Nein, das alles klingt nicht nach Entbehrung. Dabei war Verzicht doch die erste Assoziation, als wir uns für diesen Urlaub entschieden hatten. Wir wollten mit reinem Gewissen nach Südtirol reisen, nach Brixen, Klausen, in die Dörfer hoch über dem Eisacktal, wir wollten mit reinem Gewissen zurückkehren. Doch reines Gewissen, das geht mit Verzicht einher, so dachten wir. Eigentlich immer schon. Nicht erst, seit Flugreisen und SUVs für uns tabu sind. Ich glaubte das schon als Kind gelernt zu haben, als meine Mutter im Supermarkt lieber zum Bio-Müsli griff, während ich vergeblich nach zuckertriefenden Schokoflakes verlangte. Die Lektion war klar: Bio ist das, wo man einen Aufpreis fürs gute Gewissen und gesunden Lebensstil zahlt, aber nicht unbedingt für mehr Genuss. Oder? Oder eben nicht. Elmar Braun zum Beispiel, der sieht das ganz anders. Der 40-jährige Familienvater führt das zertifizierte Bio-Hotel Pennhof an den sonnigen Westhängen des Eisacktals in Barbian, wo wir nun einige Tage zu Gast sind. Als veganer Chefkoch lebte und arbeitete Braun viele Jahre in Portugal, Thailand, den Niederlanden, bevor es ihn wieder zurück nach Südtirol verschlug – in „das schönste Land der Welt“, wie er sagt: „Die Berge, die Seen, die Weinreben, das gute Essen – wenn du dich hier nicht am schlichten Dasein erfreust, dann wo?“ Elmar Braun war zehn Jahre alt, da verwandelten seine Eltern den Bauernhof der Familie bereits in einen Bio-Hof. Das hat den Grundstein für Brauns heutigen Gastbetrieb gelegt. Als er einmal auf seinen Reisen selbst in einem Bio-Hotel Urlaub machte, war für ihn klar: „Ich will das auch machen, ich will das nach Südtirol bringen.“ Während er nun den Gastbetrieb leitet, kümmern sich die Eltern und der

Bruder weiterhin um den anliegenden Bauernhof. Dort können wir dank Mutterkuhhaltung Kühe beobachten, wie sie sorgsam ihre Kälber lecken, wir füttern Schweine und Ziegen im Streichelzoo mit Brot und sehen aus sicherer Entfernung einem gackernden Heer von Bio-Legehennen beim Scharren im Freien zu. Es fühlt sich auf Anhieb gut an, dieser Mix aus gehobenem Hotel-Service zwischen Abendmenü und Alpensauna einerseits und Urlaub-aufdem-Bauernhof-Feeling andererseits. Braun, der frühere Globetrotter, der sich noch immer zweimal im Jahr auf sein kleines Grundstück in Kolumbien zurückzieht, will aber nicht nur erfolgreicher Gastwirt sein. Er will den Beweis erbringen, dass nachhaltiger Genuss auf allerhöchstem Niveau möglich ist – ohne dabei einen großen ökologischen Fußabdruck zu hinterlassen. Kann das gelingen? Die Antwort erwartet uns zwischen Vogelgezwitscher und dem entlegenen Plätschern eines Wildbachs. Hier, am Fuße des Alpenhauptkamms, folgen wir gemeinsam mit dem pensionierten Wanderleiter Raimund Gietl einem Pfad über Wiesen und Fichtenwälder bis hin zu einer kleinen Holzhütte, der die Verwitterung im Laufe der letzten 500 Jahre eine unverwechselbare alpine Patina verliehen hat. In der Hütte tuckert und knarrt es aber auch heute noch. Als Besucher werden wir hier Zeugen einer


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Technologie, die seit Jahrhunderten allein durch Wasserkraft funktioniert und aus Korn feines Mehl gewinnt. Keine komplizierte Mechanik, keine Elektronik. Und doch dreht sich hier ein tonnenschwerer Mahlstein ohne Zutun menschlicher Kraft und sorgt für Nahrung. Ich werfe einen Blick zu unserem Wanderleiter und merke, dass wir mit dem Staunen nicht allein sind. Denn während Gietl die Funktionsweise der Wassermühle erklärt, kann er seine eigene Hochachtung vor dieser einst lebenswichtigen Technologie kaum verbergen: Wie die Kraft aus dem horizontalen Wellbaum durch das Ineinandergreifen von Kammrad und Ritzel in senkrechte Energie verwandelt wird. Wie aus dem Korntrichter durch regelmäßige Erschütterungen das Korn zwischen die Mahlsteine rieselt. Und wie durch nur wenige Handgriffe das daraus rieselnde Mehl feiner oder gröber wird. Dass sich ausgerechnet hier, in der Nähe von Terenten, so viele ❶ Kornmühlen befinden, ist kein Zufall. „Lange Zeit galt diese Gegend als die Kornkammer Südtirols“, erzählt uns Gietl. Nachdem die Erträge von den kleinen Feldern der Hochebene nicht mehr mit den Importen aus dem Ausland mithalten konnten, stellten jedoch die meisten Landwirte seit den 1950er-Jahren ihre Betriebe auf die Milchwirtschaft um. Statt Korn wuchs auf den Wiesen nun saftiges Gras, das den Milchkühen als nährreiches Futter diente.

Erst in den vergangenen Jahren wagten es einige junge Landwirte, in die Fußstapfen ihrer Vorfahren zu treten und es noch einmal mit dem Anbau von Korn zu versuchen – diesmal biologisch. Die Rechnung ging auf. Inzwischen kann in einem regionalen Kreislauf wieder Korn geerntet, Mehl gemahlen und Brot gebacken werden. Dass das nicht nur emissionsarm ist, sondern auch köstlich schmeckt, stellen wir im Anschluss an unseren Besuch bei den alten Kornmühlen am Tötscherhof in Terenten fest. Hier wird in einem alten Ofen, der als eigenständiges überdachtes Bauwerk vor dem Hof ❶ steht, nach altüberliefertem Bauernrezept noch Brot aus Sauerteig gebacken. →

Terner Mühlen In den vergangenen Jahren wagten es junge Landwirte, in die Fußstapfen ihrer Vorfahren zu treten, und bauen seitdem Korn an – biologisch!

Ein Ausflug zu den Terner Kornmühlen ist nicht nur eine faszinierende Zeitreise zu alten Traditionen und eindrucksvollen Wasserrädern, sondern auch eine gemütliche Wanderung. Vom Dorfzentrum von Terenten führt der Mühlen-Lehrpfad in ca. 45 Minuten durch Wiesen und Kiefernwälder an surreal anmutenden Erdpyramiden vorbei bis zur ersten Mühle. In den Sommemonaten kann man montags eine Mühle in Funktion von innen besichtigen. Ein ortskundiger Wanderleiter kann beim Tourismusverein Terenten angefragt werden. www.gitschberg-jochtal.com

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Bis zu 500 Brotlaibe gibt der Ofen an einem einzigen Tag her, wenn frühmorgens mit dem Backen angefangen wird. Das sei früher alles für den Eigenbedarf gewesen, sagt uns der Bauer Georg Feichter, schließlich seien die Bauernfamilien bis in seine Generation herauf sehr kinderreich gewesen. Feichter wuchs selbst mit sieben Geschwistern auf. Da sei das knusprige Brot mit Speck und Käse sehr schnell wieder in den hungrigen Mäulern verschwunden. Eine Aussage, die wir ihm auf Anhieb glauben, so köstlich schmeckt das frisch gebackene Bauernbrot. Produkte, die nach alten Rezepten und Verfahren hergestellt werden, sind aber längst nicht mehr nur beim Bauern erhältlich. Bei einem Stadtbummel unter den Giebeln und Türmen der Brixner Altstadt entdecken wir gleich mehrere Läden, die im Zeichen von regionaler und nachhaltiger Produktion stehen, so zum Beispiel der Genussmarkt ❷ Pur Südtirol, wo wir neben den Bio-Eiern unseres Gastwirts Elmar Braun auch das Bio-Mehl aus Südtiroler Korn finden. Überhaupt sind wir überrascht, wie sehr Brixen, die älteste Stadt Tirols, mit ihrer belebten Innenstadt ihren ganz eigenen Charakter bewahrt hat. Anstatt einer Open-Air-Shoppingmeile für internationale Handelsketten, wie es in europäischen Städten leider immer öfter der Fall ist, finden wir lokale Geschäfte und Einzelhändler vor, die auf faire Mode setzen wie der ❸ „Kauri Store“ oder auf Upcycling wie der Laden ❹ „WiaNui“.

Wenn es um schwerere Ausrüstung geht, gilt hingegen: lieber leihen als kaufen. Im Trend liegen vor allem E-Bikes, mit denen sich die umliegende Gegend achtsam und ohne nachfolgenden Muskelkater erkunden lässt. Zu einem beliebten Ausflugsziel für E-Mountainbiker hat sich in den vergangenen Jahren das Lüsner Tal entwickelt, das sich nördlich von Brixen in einem sanften Bogen nach Südosten schwingt und zwischen der Plose und der Lüsner Alm bis zum Würzjoch aufsteigt, wo das Reich der Dolomiten beginnt. Ohne Aufstiegsanlagen blieb das Tal vom konventionellen Wintertourismus lange ausgeschlossen. Eine Entwicklung, die den Einheimischen zunächst Sorge bereitet habe, erzählt uns Franz Hinteregger während einer gemeinsamen E-Bike-Tour →

Nachhaltig shoppen in Brixen ② Pur Südtirol Vom Wein bis zum zum Speck gibt es hier alles, was Südtirol an regionaler und biologischer Feinkost zu bieten hat. Aber auch lokale Handwerksprodukte und Kosmetik sind in den Regalen zu finden. www.pursuedtirol.com

④ WiaNui

Trendig? Ja, aber auch nachhaltig und fair. Diese Leitwerte zeichnen die Kleidermarken aus, die der Kauri Store in sein Sortiment aufnimmt.

„Wie neu“ lautet das Motto der Upcycling-Initiative. Dass sich Nachhaltigkeit durchaus sehen lassen kann, beweisen die hochwertigen Stücke, die in der Stadelgasse in Brixen erstanden werden können.

www.kauristore.com

www.wianui.eu

③ Kauri Store

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E-Biken in Lüsen Neben den bewährten Radverleihen bieten heute auch einige Hotels ihren Gästen Elektroräder an. Empfehlenswert für eine Tour ist vor allem die Lüsner Alm, die gemeinsam mit der Rodenecker Alm ein Hochplateau bildet: 20 Quadratkilometer mit sanften Almwiesen und einer sagenhaften 360-Grad-Aussicht auf die umliegenden Berge. www.luesen.com

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auf der ❺ Lüsner Alm. Von hier genießen wir freie Sicht auf den mächtigen Peitlerkofel, die Geisler und die dahinterliegenden Dolomiten, ins Eisacktal Richtung Süden und zum schneebedeckten Alpenhauptkamm Richtung Norden. Weite Almen breiten sich zwischen duftenden Zirbenwäldern aus, im Hintergrund grasen die Kühe. In dieser Umgebung wird schnell verständlich, was Hinteregger meint, wenn er vom Potenzial der scheinbaren Benachteiligung spricht. Im Lüsner Tal hat man dieses rechtzeitig erkannt und ein vielseitiges Netz aus Wander- und Forstwegen geschaffen, die im Winter zum Rodeln, Winter- und Schneeschuhwandern genutzt werden können. Heute steht das Lüsner Tal für sanften Tourismus und entspannten Naturgenuss. Hinteregger ist selbst auf den Geschmack gekommen: Mindestens einmal pro Woche begleitet er seine Gäste mit dem E-Bike auf die umliegenden Berge und kehrt danach müde, aber erfüllt zurück in sein Hotel.

Weite Almen breiten sich zwischen Zirbenwäldern aus, im Hintergrund grasen Kühe.

So fühlen auch wir uns abends im Pennhof, nach einem abwechslungsvollen und begegnungsreichen Tag in den Bergen: müde, aber nicht erschöpft, zur Ruhe gekommen, aber auch mit neuem Elan. Für etwaige Strapazen entschädigt ohnehin das vielseitige Abendmenü. Durch die Panoramafenster der Speisesaalveranda sehen wir die im Abendrot leuchtenden Dolomiten und im Vordergrund Elmar Braun, wie er gemeinsam mit einem Mitarbeiter alte Holzkisten zur Feuerstelle schleppt. Statt Brennholz werden brennbare Abfälle in ein Lagerfeuer verwandelt, ganz im Sinne des sich schließenden Kreislaufs. Kurz darauf knistert und lodert es schon, und nach und nach lösen die menschengemachten Flammen das Leuchten der Berge im letzten Abendlicht ab. Nachhaltigkeit, Glück und Genuss, das scheint uns nach einem solchen Urlaub kein Gegensatz mehr zu sein.

Hofläden in Klausen und Umgebung Tschotthof

Radoar

Obergostnerhof

Der Hof in Villanders bietet Fruchtaufstriche und Sirupe aus selbst angebauten Kirschen, Aprikosen, Äpfeln oder Beeren, Kräuter- und Blütensalz, Speck oder Trockenobst.

Kräftig an der Hofglocke klingeln – so gelangt man zum kleinen Laden des Radoarhofs in Feldthurns. Zu kaufen gibt’s Wein und Schnaps, Apfelsaft, Essig und Dörrobst, im Herbst auch frische Bio-Kastanien oder Nüsse.

In Pardell bei Klausen bietet Familie Gasser im kleinen Hofladen Spezialitäten aus eigenem Anbau: etwa Honig, Apfelessig oder „Kloazn“, getrocknete Birnen.

www.tschott.com

www.radoar.com

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www.gasser.bz.it


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Nachhaltigkeit für Kleine Bühlerhof Von der Milch zur Butter, vom Korn zum Brot: Am Bühlerhof in Raas (Natz-Schabs) lernen Kinder spielerisch lokale Produktionskreisläufe kennen, inklusive Verkostung des Selbstgemachten. Mit Streichelzoo, Bauernhofolympiade und kindgerechten Hofführungen erleben sie nachhaltige Landwirtschaft. www.buehlerhof.it

Am Tötscherhof wird nach altüberliefertem Bauernrezept Brot aus Sauerteig gebacken.

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Die Gerichte unserer Kindheit Der erste Gaumengenuss? Wir alle haben da sofort Bilder und Gerüche im Kopf. Zwei Wirtinnen und ein Chefkoch erzählen davon, wie sich ihre kulinarische Erinnerung durch ihr Leben zieht – und niemals schwindet

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Der Turmwirt, das AO, der Ahner Berghof – an Orten wie diesen wird Tradition zeitgemäß lebendig erhalten.

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MARIA GASSER (39), Turmwirt in Gufidaun „Der Turmwirt ist mein Heimathaus, meine Familie lebt hier in fünfter Generation. Schon als kleines Mädchen musste ich immer mithelfen. Gegessen habe ich damals am liebsten bei Oma Rosa in Waidbruck. Bei ihr saß ich mit meiner Schwester und meinen Cousinen zusammen und es gab häufig unser Leibgericht: Erdäpfelblattln mit Sauerkraut. Die Blattln waren schön weich und fluffig, damit konnte man das Sauerkraut perfekt einrollen. So schmeckte es uns. Elf Blattln hintereinander waren schnell weggeputzt. Obwohl ich eigentlich eine andere Schule besuchen wollte, entschied ich mich schlussendlich für die Landesberufsschule für das Gast- und Nahrungsmittelgewerbe Emma Hellenstainer in Brixen. Bei einem Schnuppertag gab es köstliche Buttergipfelen und allerlei Süßspeisen. Wenn es die zur Pause gibt, dachte ich mir, dann ist das die richtige Schule für mich. Außerdem gab es weniger Mathematik als in anderen Schulen und kein Latein, dafür mehr Fremdsprachen. Ich absolvierte zwei Jahre in Brixen und drei weiterführende Jahre in Meran an der Landeshotelfachschule Kaiserhof. Nach dem Abschluss flog ich mit einer Freundin nach Florida, um mein Englisch auf Vordermann bringen. Wir arbeiteten in einem Golfclub, das war eine völlig andere Welt für mich und ich sammelte viele neue Erfahrungen. In den folgenden Jahren zog es mich noch nach Österreich und in die Toskana – eine sehr schöne und unbeschwerte Zeit, auch wenn ich viele Stunden hart arbeitete. Schließlich kehrte ich nach Gufidaun in unseren Gastbetrieb zurück und unterstützte meine Eltern. So richtig sesshaft war ich aber noch nicht. In den Wintermonaten war unser Restaurant für einige Zeit geschlossen, so konnte ich weiterhin Auslandserfahrungen sammeln. Vor ein paar Jahren reiste ich erneut um die Welt – allein. Ich hatte viel Zeit zum Nachdenken. Und irgendwann machte es klick: Ich verstand, dass das Reisen schön ist, ich aber auch einen Pol, eine Heimat brauchte. Das ist jetzt der Turmwirt, mein Heimathaus. Ich bin angekommen! Auch heute noch finden sich auf unserer Speisekarte Erdäpflblattln mit Sauerkraut – nach dem Rezept unseres Chefkochs Daniel Trenkwalder.“ www.turmwirt-gufidaun.com

Erdäpfelblattln mit Kraut 4 Personen

Für die Blattln 250 g mehlige Kartoffeln 2 Eigelb Salz ca. 125 g Mehl 2 Esslöffel braune Butter

Für das Sauerkraut 500 g Sauerkraut 1 mittelgroße Zwiebel 1 Knoblauchzehe 50 ml Weißwein 200 ml Fleisch- oder Gemüsebrühe evtl. Kümmel, Lorbeer, Wacholder

Für die Blattln die Kartoffeln in Salzwasser kochen und dann durch eine Kartoffelpresse drücken. Die lauwarmen Kartoffeln mit den restlichen Teigzutaten mischen und gut kneten, bis eine homogene Masse entsteht. Eventuell noch Mehl hinzufügen. Ausrollen, rechteckige Blattln ausschneiden und auf ein bemehltes Blech geben. In den Kühlschrank stellen. Für das Sauerkraut zunächst Zwiebeln und Knoblauch in einem Topf anschwitzen. Sauerkraut dazugeben und mit Weißwein aufgießen, einkochen lassen. Danach mit Brühe aufgießen und mit etwas Kümmel, Wacholder und Lorbeer würzen – je nach Geschmack. Die Blattln in heißem Öl frittieren und sofort mit dem warmen Sauerkraut anrichten.

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LEVIN GRÜTEN (27), Restaurant AO in Brixen „Ich bin in Belgien groß geworden, in der Nähe eines Städtchens so groß wie Brixen. Mein Vater war Notarzt, da hatte er stets 24 Stunden Dienst – dann zwei Tage frei. Zwei Tage frei, das hieß bei ihm: zwei Tage kochen. Und ich schaute ihm über die Schulter. So begann meine Liebe zur Küche. Wir lebten auf einem Bauernhof, den meine Eltern restauriert hatten. Es gab Hühner, Schafe, Äpfel, Beeren, Kirschen, Gemüse. Wir kombinierten unser Fleisch und die Früchte unseres Gartens mit allerlei Gewürzen aus der arabischen Welt oder etwa aus dem Kongo, die in Belgien allgegenwärtig sind. Wenn es aber etwas zu feiern gab, dann aßen wir auswärts, und zwar stets: Filet Americain! Das ist eine Spezialität in Belgien, etwas ganz Feines! Im wahrsten Sinne des Wortes. Eine Art Tatar – nur eben noch feiner, beinahe ein Aufstrich. Das ist meine kulinarische Kindheitserinnerung. Nach der Schule habe ich mich für die Gastronomie entschieden. Ich absolvierte meine Ausbildung in einem klassischen französischen Restaurant, danach ging ich nach Melbourne. Ich heuerte bei einer Großpatisserie an, wir fertigten alle Donuts, Muffins, Croissants für McDonald’s in Australien und Neuseeland. Wahnsinn! Ich würde das nie wieder machen, aber es war eine gute Schule. Denn ich finde: Backen gehört zum Kochen. Nach Belgien zurück wollte ich nicht, zu viel Grau, zu viel Regen. Ich landete in St. Moritz, lernte Teresa kennen, zog mit ihr nach Südtirol. Die Berge hatte ich mittlerweile lieb gewonnen. Und Südtirol bald auch. Wo Wein wächst, sagte ich mir, gibt es immer auch gutes Essen. Und es gibt hier so viele junge Menschen, die sich die Welt ansehen – und mit neuen Ideen zurückkommen. Ein letztes Mal zog es mich für ein paar Monate weg, ins Noma nach Kopenhagen, das als eines der besten Restaurants der Welt gilt. 200 Bewerbungen gehen da täglich ein – ich wurde tatsächlich genommen. Ich wollte unbedingt noch Erfahrungen sammeln für das, was wir hier in Brixen, in Teresas Familienhotel, realisieren wollten: moderne Küche – ohne die Traditionen zu leugnen, mit guten, ehrlichen, nachhaltigen Produkten aus der Umgebung. Keine Austern, kein Hummer. Gemüse und Fleisch von kleinen Bauernhöfen. Das Fleisch eines Tieres, das im Sommer auf der Weide grast, schmeckt einfach besser. Manchmal kommen meine Eltern aus Belgien zu Besuch. Mein Vater liebt Speck und den Eisacktaler Wein. Und ab und zu bereiten wir gemeinsam meine Kindheitserinnerung mit Südtiroler Ingredienzien zu – und verfeinern sie etwas. Dünnes Kartoffelstroh, Eigelb. Deftig. Lecker. Dazu ein Glas Gewürztraminer.“ www.byhaller.com

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Filet Americain 4 Personen

Für die Mayonnaise 3 Eigelb 1 EL Senf 50 ml heller Weinessig Salz 300 ml Samenöl

Für das Filet 600 g Filet Tatar vom heimischen Rind 2 EL hausgemachte Mayonnaise 1 EL mittelscharfer Senf 2 TL Worcestersoße 2 TL Paprikapulver 2 EL Chilisoße Pfeffer und Flockensalz

Für das Kartoffelstroh 3 große festkochende Kartoffeln Salz

Zum Anrichten frisch geschnittener Schnittlauch

Für die Mayonnaise Eigelb mit Senf, Weinessig und Salz in einer Schüssel gut verrühren. Unter stetigem Weiterrühren langsam das Öl einträufeln lassen. Für das Filet Americain alle Zutaten in eine Küchenmaschine geben und kräftig rühren lassen. Für das Kartoffelstroh die Kartoffeln in gleichmäßig dünne Streifen schneiden (Julienne), diese für zehn Minuten in kaltes Wasser legen. Danach die Kartoffelstreifen gut trocknen und in einem Topf mit heißem Öl bei 150 °C in etwa 6–7 Minuten goldgelb frittieren. Das fertige Kartoffelstroh auf Küchenpapier abtrocknen und salzen. Zum Anrichten die Filet-Americain-Masse in einen runden Ausstecher geben und glattstreichen. Darauf etwas frisch geschnittenen Schnittlauch und Kartoffelstroh sowie ein paar Tupfer der Mayo setzen. Wir reiben im Restaurant auch noch etwas gebeiztes Eigelb darüber, das ist aber kein Muss. Wir servieren unser Filet Americain klassisch mit hausgemachtem Sauerteigbaguette. Fragen Sie beim Bäcker Ihres Vertrauens nach einem schönen knusprigen Weißbrot.

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Schwarzplentene Knödel mit Graukäse und Krautsalat 3 Personen

3 altbackene Semmeln oder Roggenbrot 50 g Lauch ½ Zwiebel 1 Knoblauchzehe 20 g Butter 2 Eier 100 ml Milch 50 g Schwarzplentnmehl (Buchweizenmehl) 20 g Weizenmehl Salz und Pfeffer 100 g Graukäse für die Füllung Parmesankäse und Butter Krautsalat und Speckstreifen zum Garnieren

Für die Knödel das Brot in kleine Würfel schneiden und in eine Schüssel geben. Lauch, Zwiebel und Knoblauch fein hacken, in der Butter anrösten und zum Brot geben. Eier und Milch gut verquirlen und über die Masse gießen. Das Weizen- und Schwarzplentnmehl zur Knödelmasse geben. Salzen, pfeffern und gut durchmischen. Die Masse für eine halbe Stunde zugedeckt ruhen lassen, dann kleine Knödel formen und dabei in die Mitte jeweils ein Stück Graukäse geben. Anschließend in kochendem Salzwasser 20 Minuten ziehen lassen.

SIMONE KLAMMER (35), Ahner Berghof in Rodeneck „Aufgewachsen bin ich in Rodeneck, unten im Dorf, jetzt wohne ich hier oben auf dem Berg. Ein Traum. Der Hof gehörte den Großeltern meines Mannes Armin, er hatte ihn bereits im Alter von 18 Jahren übernommen. Wir haben uns früh kennengelernt – und uns war klar: Das ist es! Mein Mann liebt es, bei den Tieren zu sein, ich habe schon bei meinen Eltern stets in der Hotellerie gearbeitet und diesen Bereich lieben gelernt. Hier wollten wir beides verschmelzen – Landwirtschaft mit Gastwirtschaft. Meine Mutter Maria arbeitet noch heute – mit 71 Jahren – in der Gastronomie. Wenn ich meinen Besuch ankündige, weiß sie schon, was sie kochen soll. Das, was ich auch als Kind am liebsten aß: Schwarzplentene Knödel, mit Graukäse gefüllt. Dazu Krautsalat. Und ein Glas frisch gemolkene, warme Milch. Ein Gericht nicht für jedermann. Die Knödel aus herbem Buchweizen, der Käse sehr aromatisch und würzig. Typisch tirolerisch – man muss es mögen. Ich mochte es immer schon. Und deshalb stehen die Schwårzplentenen mit Graukas auch hier bei uns auf der Karte. Ich gebe noch geröstete Speckstreifen dazu, ich finde, das passt gut. Weil wir ja einen eigenen, guten Speck produzieren! Wir haben 35 Kühe und zehn Schweine. Wir machen auch Salami und Kaminwurzen. Auch sonst ist alles hausgemacht: Schlutzkrapfen, Nudeln und eben die Knödel. Meine beiden älteren Kinder, die Mara und der Jonas, essen mein Lieblingsgericht zum Glück auch sehr gerne. Bei uns – und natürlich bei der Oma.“ www.ahner-berghof.com

Die Knödel auf Krautsalat anrichten, anschließend geriebenen Parmesan, geschmolzene braune Butter und geröstete Speckstreifen darübergeben.

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Vor wenigen Jahren wurden einige Stollen des Bergwerks von Villanders restauriert und zugänglich gemacht.

STEINREICH! Über die Jahrtausende fraß sich der Eisack eine Schlucht in den Fels – und offenbarte eine beeindruckende Gesteinsvielfalt. Ein kleiner Überblick

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❶ Brixner Granit Das Hausgestein des Eisacktals ist der Brixner Granit. Granit kommt vom lateinischen Wort „granum“, was übersetzt „Korn“ bedeutet. Die Bezeichnung weist auf die grobkristalline Beschaffenheit des Gesteins hin. Es kommt im Raum um Brixen, Franzensfeste, Mühlbach und Schalders vor. Die ersten großen Mengen Brixner Granit wurden mit dem Bau der Brennerbahnlinie bei Franzensfeste ausgehoben. Der Brixner Granit ist besonders langlebig, was ihn vielseitig einsetzbar macht: Durch seine Verwendung für Fensterbänke, Brunnen, Treppen, Mauersteine und nicht zuletzt Grabsteine hat er auch eine kulturhistorische Bedeutung für Südtirol. Der Turm der Pfarrkirche St. Sebastian in Sarns ist zum Beispiel aus Brixner Granit gebaut worden. ❷ Teiser Kugeln Das Äußere wirkt unscheinbar, aber das Innere der Teiser Kugeln gleicht einem Feuerwerk. Nicht umsonst zählen diese Geoden zu den schönsten Schätzen Südtirols. Die bunten Steine können bis zu sieben Mineralien enthalten. Den Namen verdanken die farbenprächtigen Kristallansammlungen ihrem Fundort, dem kleinen Dorf Teis am Eingang des Villnößtals. Hier können die wundersamen Kugeln auch im Mineralienmuseum bestaunt werden.

❹ Klausenit Der Klausenit ist ein feinkörniger Diorit, der innerhalb des Brixner Quarzphyllits auftritt. Den Namen bekam das Gestein nach seinem Hauptvorkommen rund um die Stadt Klausen, hier vor allem im Säbener Berg. Auch im Bereich des Bergwerks Villanders konnte der Klausenit gefunden und abgebaut werden. Im Klausenit kommen vor allem Bleiglanz und Zinkblende vor. ❺ Hexenstein Ein Tanz mit dem Teufel oder doch ein Fruchtbarkeitskult? Um den Hexenstein in Terenten, der nur einen Spaziergang vom Dorfzentrum entfernt ist, ranken sich zahlreiche Geschichten. Einige munkeln, dass der Stein gemeinsam mit einer nahe gelegenen Quelle zu einem Fruchtbarkeitskult gehöre. Alte Sennerleute hingegen behaupten, dass Hexen dort wilde Trink- und Tanzgelage veranstaltet hätten. Zur Sommersonnenwende soll sich der Teufel mit den Hexen auf einen Tanz getroffen haben. Von diesen Tänzen sollen die rätselhaften Einkerbungen stammen, die heute auf dem Hexenstein sichtbar sind.

www.mineralienmuseum-teis.it

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❸ Pfunderer Serpentin Auf dem Pfunderer Gaiskofel findet man den sogenannten Pfundra Stoan. Dabei handelt es sich um einen Serpentin. Der Serpentin ist ein metamorphes Gestein, das bedeutet, er ist das Ergebnis einer Umwandlung unter großem Druck oder hohen Temperaturen. Aufgrund seiner Optik wird der Pfunderer Serpentin auch als „grüner Marmor“ bezeichnet. Er ist säurebeständig und sehr widerstandsfähig.

Bergwerk Villanders Ein Streckennetz von rund 20 Kilometern findet sich im Bergwerk Villanders, dem einst bedeutendsten Bergbaugebiet Tirols. Größtenteils wurden die Stollen, die einen Höhenunterschied von ca. 750 Metern aufweisen, von Hand gegraben. Nur bei ungefähr einem Drittel wurde Sprengpulver verwendet. Mit der Stilllegung im 20. Jahrhundert geriet das Bergwerk in Vergessenheit. Erst vor wenigen Jahren wurden einige der Stollen restauriert und so zugänglich gemacht. Von April bis November werden spannende interaktive Führungen durch die alten Gänge angeboten. www.bergwerk.it

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Porträts

Mal engagiert, mal kolossal, mal filigran. Die Kunstszene des Eisacktals ist lebendiger denn je, sie steckt voller Abwechslung und Überraschungen – und schaut längst über den Südtiroler Tellerrand hinaus. Drei Atelierbesuche


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Eine Ankerkette aus Glas – Vorsicht, fragil!


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Schmieden, Schlossereien und Glasbläsereien. AliPalomas Werke werden in den Werkstätten befreundeter Handwerkerinnen und Handwerker gefertigt. Unten rechts: So entstehen Bergminiaturen aus Wachs.

Die Engagierte AliPaloma In Stufels, dem ältesten Stadtteil Brixens, ist ein besonderes Flair spürbar: Kopfsteinpflaster, malerische Altbauten und diverse Ateliers prägen die Seele dieses Viertels, das auch der Konzeptkünstlerin AliPaloma eine Heimat bietet. „Ich liebe Stufels, das ist ein sehr intimes Ding“, sagt sie. Ihr Arbeitsplatz ist ein CoWorking-Büro in einer ehemaligen Metzgerei, die in den vergangenen Jahrzehnten schon mal zum Obstladen, Nudelgeschäft und Internetcafé umfunktioniert wurde. Ihre Werke entwirft sie hier am Computer.

„Ich finde mein Thema, überlege mir ein passendes Material und das dazugehörige Medium“, schildert die Künstlerin, die eigentlich Alexandra Paloma Angerer heißt, grob ihre Arbeitsweise. Aktuell untersucht die 28-jährige Künstlerin gesellschaftspolitische Dringlichkeiten wie den Klimawandel und die Zerbrechlichkeit der Risikogesellschaft, erschafft dazu Bergminiaturen aus Wachs und fragile Ankerketten aus Glas. Produziert werden die Artefakte in den Werkstätten befreundeter Handwerkerinnen und Handwerker. „Schmieden, Schlossereien, Glasbläsereien, da gibt es so manche Universalgenies, die immer Lust haben, eine Lösung zu finden, egal wie experimentell der Entwurf auch sein mag“, erzählt sie. Fragt man AliPaloma nach ihrer persönlichen Einschätzung zur lokalen Kunstszene, so antwortet die gebürtige Brixnerin mit großem Enthusiasmus: „Ich habe hier viele Entfaltungsmöglichkeiten, die ich in der Großstadt, schon allein wegen des Überangebots, nicht hätte“, stellt sie fest. Die Südtiroler Szene habe auf verhältnismäßig kleinem Raum tolle Präsentationsangebote. Dazu gehört die Brixner Stadtgalerie, aber auch die Festung in Franzensfeste, die die studierte Architektin im vergangenen Sommer mit einer Installation aus Kristallglasziegeln und einer Performance bespielte. „In der Feste wurden 20 Millionen Ziegeln verbaut, die eine beklemmende patriarchalische Macht versprühen“, sagt sie. Ein Thema, das sie ebendort anhand einer 250 Kilogramm schweren Glaswand darstellte. „Gegen Ende der Ausstellung dachte ich, ich kann diese Wand nicht einfach brav abtragen … und habe sie für eine Videoperformance umgeworfen. Das war sehr emotional.“ Ihre Heimat mag AliPaloma auch wegen der Natur und Landschaft, wo sie oft sportlich unterwegs ist: „Als AliPaloma schlüpfe ich immer in eine Rolle. Die Leute sind dann fast enttäuscht, wenn sie sehen, wie normal ich privat eigentlich bin.“ Manchmal wundert sie sich über das romantisierte Bild ihres Künstlerberufes, das laut Klischee nur im Wahn zu bewerkstelligen ist. „Dabei besteht mein Joballtag aus viel Organisation, Recherche, Getüftle und Geschleppe.“ www.alipaloma.com

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Wer auf der Autobahn Richtung Norden unterwegs ist, hat ihn womöglich schon mal oben an den Hängen vor Klausen gesichtet: den „COR circus“, einen zehn Meter hohen Bronzekoloss auf einem knallpinken Stahlgerüst, der über das Eisacktal wacht. Er ist ein Werk von Peter Senoner, Bildhauer und Künstler mit einer Vorliebe für große skulpturale Setzungen, die eine räumliche, ja fast architektonische Komponente einnehmen. In seinem Großatelier oberhalb des Kolosses wird aber ersichtlich, dass sich der 51-Jährige letztens auch intensiv mit Zeichnungen beschäftigt, speziell mit dem Zusammenspiel der Materialien in performativen Settings. Davon zeugen großformatige androgyne Porträts und artifizielle Landschaften, die 2021 beim zeitgenössischen Kunstfestival Transart im TerraXCube des Bozner Technologieparks NOI entstanden sind. Das Atelier wurde in den Kubus verlegt, in dem klimatische Bedingungen wie auf 4.500 Meter Höhe herrschten, bei -35 Grad Celsius, Wind und Schneesturm. In diesem unwirtlichen Raum arbeitete Senoner live an der Werkserie ARTARCTIC mit Grafit und Pigmenten auf speziell vorbereiteten Holzpaneelen. „Ich wusste nicht, wie sich das Ganze auf meine Kreativität und Arbeitsweise auswirken würde, musste immer wieder Eisschichten wegschlagen. Ein unglaubliches Erlebnis“, so beschreibt er die Performance, die zudem in Tokio virtuell in einem Galeriesetting erlebbar war.

Der Mann fürs Kolossale Peter Senoner

Mit seinen Positionen untersucht Senoner seit 25 Jahren die menschliche Existenz zwischen Technologie und Naturwissenschaften. Geprägt haben ihn mehrere Jahre Arbeit in Deutschland, den USA und Japan. Ebenso international lesen sich die Adressen der Transportkisten, in denen Skulpturen zu Ausstellungen nach München, Mailand oder Los Angeles verfrachtet werden. Freie Mitarbeiter unterstützen ihn dabei. „Ich arbeite an mehreren Werken und Projekten gleichzeitig, zusätzlich gibt es immer wieder Einladungen zu freien Lehraufträgen, etwa am Institut für experimentelle Architektur Innsbruck, der Fakultät für Kunst und Design Bozen oder aktuell an der TH Rosenheim. Dadurch bin ich viel unterwegs“, sagt er, während er das Tor zu seinem zweiten Atelierraum öffnet. Nach Jahren des Pendelns hat er sich dazu entschieden, sich hier fix einzurichten, wo er konzentrierter arbeiten und seine Aufenthalte im Ausland gezielter planen kann. „In diesem Atelier passiert völlig analoge Bildhauerei“, sagt Senoner und deutet auf einen noch unbearbeiteten Holzblock. Aus diesem kreiert er Figuren, die aussehen, als wären sie gar nicht aus Holz, mit Attributen wie Headsets und ineinanderwachsenden, organischen Formen. Die vollendete Skulptur dient dann als Vorlage für die Gussform der eigentlichen Bronzeplastik, die später im Atelier satiniert, patiniert oder hochglanzpoliert wird. Neben dem Holzblock stehen einige Güsse mit rauem Körper und spiegelglattem, maskenhaftem Gesicht. Je nach Blickwinkel und Lichteinfall wirken sie faszinierend oder verstörend. Einen Ausgleich zur Arbeit findet der passionierte Bergsportler in der Südtiroler Natur mit all ihrem Facettenreichtum. Und wie lebt es sich auf dem Land? „Dank Internet hat sich alles verändert. Man kann selbst im höchstgelegenen Bergdorf intellektuell mit der ganzen Welt verbunden sein“, sagt er. Außerdem kämen Sammler und Kuratoren gerne hierher: „Sie sind positiv überrascht von der kulturellen, landschaftlichen und kulinarischen Vielfalt des Landes. Nach dem Atelierbesuch lade ich sie gerne ins Dorfgasthaus ein“, sagt er abschließend, „auch das macht diese Vielfalt aus.“ www.petersenoner.com

Links: In seinem Atelier setzt sich der Künstler mit androgynen Porträts und artifiziellen Landschaften auseinander. Rechts: „COR circus“, zehn Meter hoch, an den Berghängen über Klausen.

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Rechts: Schichten, Verwischungen, Kratzer. Aus mehreren Zeichnungen, die zerrissen und neu aufgeklebt werden, entstehen Figuren. Unten: Vom kleinen Atelier aus blickt man in die Altstadt von Klausen – und bis hinauf zum Kloster Säben.

Der Blick fürs Filigrane Astrid Gamper

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Künstlerische Auseinandersetzung mit dem Körper, speziell mit dem weiblichen Akt – stets mit empathischem Blick.

Von ihrem kleinen Atelier im Torhäuschen zum Ansitz Griesbruck in Klausen hat Astrid Gamper einen wunderbaren Blick auf den Eisack und Kloster Säben. Wenn man ihn wieder retour auf die altehrwürdigen Mauern des Ansitzes schweifen lässt, entdeckt man zarte Parallelen zu ihrem Schaffen. „Siehst du die verwitterten Fresken und die Zeichnungen dort an meinem Turm? Die Geschichte dieses Ortes und die vergangene Zeit sind in diesen Mauern spürbar“, sagt sie. Dass Zeit spürbar wird, ist der Künstlerin auch in ihren Werken wichtig. Träger ihrer künstlerischen Auseinandersetzung ist der Körper, speziell der weibliche Akt, wobei ihr Blick auf den Körper ein ganz besonderer ist: Astrid Gamper hat Haltung und Gestalt aus der Perspektive der Mode studiert. In ihren großformatigen Zeichnungen zeigt sie einen empathischen Blick auf die Empfindsamkeit und Verwundbarkeit des Lebens. Mit schwarzem Grafitstift und einem weiten Spektrum an Grauschattierungen zeichnet sie Frauenfiguren auf weißem Papiergrund. Jeder dargestellte Körper besteht aus mehreren Zeichnungen, die sie zerreißt, um Teile davon wieder aufzukleben und zu einer einzigen Figur verwachsen zu lassen. Die Risse, Verwischungen und Kratzer sowie die Häutungen, die durch das Wegnehmen der Schichten entstehen, zeigen Verwundungen und Verwandlungen. „Mich faszinieren die Spuren, die sich im Laufe des Lebens in die Körper und Seelen eingraben“, sagt Gamper. Je mehr Zeit vergeht, desto mehr Spuren bleiben zurück. Ist es nicht schlimm, alte Zeichnungen zu zerstören? Sie lacht. „Ja sicher. Es wirkt zerstörerisch, aber für mich ist es die Basis einer gelingenden Umwandlung. Es ist genau das, was mich interessiert. Im Laufe des Lebens verändern wir uns durch unsere Erfahrungen und Erlebnisse und daraus entwickeln sich unsere Persönlichkeit und Identität, diese Metamorphose zeige ich auch in meinen Zeichnungen.“ Die Suche nach der Quelle der inneren Stärke ist Gamper dabei besonders wichtig. Ihre Figuren scheinen zart und verletzlich, aber sie ruhen in ihrem Gleichgewicht. In ihrer Zartheit liegt die ganze Kraft des Lebens. Mit dem letzten großen Werk, einem raumhohen Papierkokon, gewann sie 2021 in Florenz den Kunstpreis „Lorenzo il Magnifico“ in der Kategorie „Installation Art“. Der Kokon ist im Fallen, die Figuren darauf lösen sich auf. Das Baby liegt am Boden und ist auf abgeblätterte Stücke des Papierkokons gezeichnet. „Ich versuche mich einzufühlen, empfindsam zu sein, mein Blick auf diese Welt ist ein empathischer“, sagt die 50-jährige Künstlerin und nennt ein Beispiel: „Wenn ich Babys zeichne, frage ich mich automatisch, wie wir mit dieser Welt umgehen und was wir unseren Kindern hinterlassen.“ Und wie schätzt sie die Eisacktaler Kunstszene ein? „Ich bin selbst Kunst- und Kulturschaffende in Klausen“, sagt sie mit Freude. „Es gibt hier große und kleine Projekte, die das Künstlerstädtchen in die Zukunft führen werden.“ Im Kulturgüterverein engagiert sich Gamper schon seit vielen Jahren für die Kulturschätze der Stadt und im Bildungsausschuss bringt sie als Vorsitzende mit viel Energie Projekte auf den Weg. „Ich fühle mich stark verbunden mit meiner Heimatstadt Klausen. Meine Kreativität schöpfe ich aus meinem Inneren. Aber meine feinen Antennen habe ich in der Welt draußen.“ www.astridgamper.com

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Steiler Aufstieg Die Eltern schrieben Eisacktaler Weingeschichte. Der Sohn setzt neue Akzente. Zu Besuch beim Kuenhof T e x t — L E N Z K O P P E L S T Ä T T E R F o t o s — A N D R E A S T A U B E R

NEUE SERIE

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Simon Pliger steht mitten in den Reben, zwischen Riesling und Grünem Veltliner, und schaut in den wolkenlosen Spätherbsthimmel. Im Osten ragen die Geislerspitzen hinter den bewaldeten Bergrücken hervor, im Westen kreisen Alpendohlen im Blau. Dutzende. „Die muss ich im Auge behalten“, sagt Simon Pliger, zupft eine überreife Traube von der Rebe, kostet, nickt zufrieden, „wenn der Schwarm ungestört entdeckt, dass wir hier noch etwas Leckeres hängen haben, dann stürzt der sich sofort darauf. Dann war alles umsonst.“ Gemeinsam mit Vater und Mutter baut der 28-Jährige am elterlichen Hof südlich von Brixen – 12. Jahrhundert, einst im Besitz des Bischofs – Wein an. Sylvaner, Grünen Veltliner, auch Gewürztraminer und, für das Eisacktal durchaus ungewöhnlich, Riesling. In schwindelerregender Steillage. Auf lehmigem Sand, Schutt, Quarzphyllith und weichem Schiefer, der Minerale und Salze bereitwillig freigibt. Auf rund sechs Hektar. Der Anbau erfolgt bis auf 890 Meter über dem Meer, rund 40.000 Flaschen pro Jahr werden abgefüllt. Im Keller stehen Edelstahl- und große Akazienfässer. Die Pligers setzen auf einen naturnahen Anbau, sie verzichten auf Herbizide. „Den Reben soll es gut gehen“, sagt der Juniorwinzer.


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WIE ZUKUNFT Am steilen Hang, dort, wo einst bloß Gestrüpp wütete, hatte Vater Peter Pliger als junger Weinneuling einst Reben angebaut und Tausende von Quadratmetern Trockensteinmauern angelegt. Mancher wunderte sich, ob es sich in der steilen Lage auszahlen würde, wieder Wein anzubauen. Qualität statt Quantität! Und dann auch noch Riesling! Brigitte glaubte an ihren Mann, sie hält ihm und Sohn Simon noch heute am Hof den Rücken frei. 1999 erlangte der Riesling „Kaiton“ vom Kuenhof die höchste Auszeichnung des renommierten italienischen Genussmagazins „Gambero Rosso“: „tre bicchieri“, drei Gläser. Als erster Eisacktaler Tropfen überhaupt. Ein Ritterschlag. Die Kritiker verstummten. Der „Kaiton“ schmeckt, typisch für die Steillage mit großen Temperaturunterschieden, charakterstark und frisch. Er offenbart eine angenehme Salzigkeit – Spiegel des Bodens. Simon Pliger balanciert auf der Mauer des Gartenbeetes vor dem Hof. Da gedeihen Zitronen, Kartoffeln, Basilikum, Karotten, Zucchini, Himbeeren, Fenchel, Radicchio. „In den Supermarkt müssen wir selten“, sagt der junge Bauer. Und dann erzählt er, wie er der wurde, der er heute ist: „Mein Vater hat Tischler gelernt, also dachte ich immer, ich muss auch Handwerker werden – und wurde Elektriker.“

Doch das war es dann doch nicht, merkte er bald. Und da der Vater ja nicht mehr Tischler war, sondern sich als Winzer einen Namen machte, zog es den Sohn nach Deutschland, auf die Winzerschule in Weinsberg und zum Weingut Heinrich, beides im Nordosten Baden-Württembergs. Heute stehen die beiden Seite an Seite an den steilen Lagen und im Keller: der Vater, der einst neue Wege beschritten hatte, der Sohn, der nun nach spannenden Abzweigungen sucht. In einigen Flaschen gärt Sekt. An einigen Rebenzeilen hängt die Spätlese. Ein süßer Riesling entsteht daraus. Und eine absolute Besonderheit: ein süßer Veltliner. Neben dem jahrhundertealten Hof steht ein moderner Anbau aus Holz und Glas, ein neuer Verkostungsraum. Moderne trifft auf Tradition bei den Pligers. „Die Lampen“, sagt der Juniorwinzer und ehemalige Elektriker schmunzelnd, „habe ich eigenhändig installiert.“ Ein letzter Blick in den Himmel. Der Schwarm der Dohlen ist weitergezogen. www.kuenhof.com

Der Wein aus dem Eisacktal hat großes Potenzial. Wohin geht die Reise? Unser Weingebiet hat den großen Vorteil, dass wir in höchsten Lagen anbauen können, bis auf 1.000 Meter Meereshöhe. Weine, die in hohen Lagen gedeihen, entwickeln durch die langsame Reifezeit ein sehr intensives Aromaspektrum. Der Klimawandel stellt uns im Eisacktal vor neue Herausforderungen, die uns einiges an Innovation abverlangen: Es wird neue Denkweisen brauchen. In Zukunft werden auch widerstandsfähige Rebsorten, die den Bedingungen besser standhalten können, verstärkt infrage kommen.

Hannes Munter, geboren 1982, Kellermeister der Kellerei Eisacktal – einer der jüngsten seines Fachs in Südtirol.

Der Vater beschritt einst neue Wege, der Sohn sucht nun nach spannenden Abzweigungen.

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Die YwainFresken von Schloss Rodenegg Datierung: zwischen 1200 und 1230 Technik: Freskomalerei Erschaffer: unbekannt

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Ywain tötet Askalon wain prescht mit seinem rotbraunen Pferd nach links, mit einem Schwerthieb spaltet er nicht nur den Schild seines Kontrahenten Askalon, sondern auch dessen Helm und fügt ihm eine tödliche Verletzung zu. Die Szene konzentriert sich ganz auf die beiden Kämpfenden: Im Gegensatz zu den anderen Szenen, die das Zimmer schmücken, gibt es hier keine dekorativen Elemente, keinen Baum, kein architektonisches Element. Das Fresko ist Teil des Ywain-Zyklus auf Schloss Rodenegg, der zu den ältesten profanen Wandmalereien im deutschsprachigen Raum zählt und wohl aus dem frühen 13. Jahrhundert stammt. Als die Fresken im Jahr 1972 freigelegt wurden, stiegen aus dem Helm des tödlich getroffenen Askalons noch drei wellenförmige Blutfontänen, doch bereits ein Jahr

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später waren sie kaum mehr zu erkennen. Erst später konnte dieses Rätsel gelöst werden: Das Rot bestand aus Bleioxid und Quecksilbersulfid, das durch die Freilegung mit Luft und Licht in Kontakt kam und daher verblasste. Heute ist nur mehr einer der drei Blutspritzer zu erahnen. Der ritterlich-höfische Freskenzyklus hat den Iwein-Roman von Hartmann von Aue als Grundlage, wenngleich der unbekannte Maler diesen recht frei interpretiert. Die insgesamt elf Szenen erzählen die Geschichte von Ywain, einem Ritter, der auszog, um in der aventiure (Abenteuer) und minne (Liebe) sein Glück zu suchen. Er zieht in den ritterlichen Kampf gegen Askalon, tötet ihn und verliebt sich in dessen trauernde Witwe Laudinia.

Schloss Rodenegg + Das Schloss liegt am Eingang des Pustertals auf einem langgestreckten Felssporn und wurde in der ersten Hälfte des 12. Jahrhunderts von Friedrich I. von Rodank errichtet. Das Ywain-Zimmer gehört zu den Hauptattraktionen und liegt im zweiten Geschoss eines turmartigen Bauteils im Inneren des Schlosses. + Schlossweg 1, 39037 Rodeneck +39 391 74 89 492 + In den Sommermonaten geöffnet. Weitere Infos: www.rodenegg.it

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I n t e r v i e w — L E N Z K O P P E L S T Ä T T E R F o t o s — M I C H A E L P E Z Z E I

Bochtig. Steil. Snel.*

* Kurvig. Steil. Schnell.

Ihr Mann war eine Legende, sie hält sein Erbe am Leben. Die gebürtige Niederländerin Linda Stricker, die Grande Dame des Skiverleihbusiness, spricht im Pistengespräch über das Skifahren von früher und heute, skurrile Erfindungen, glückliche Tage, schwere Schicksalsschläge – und eine Abfahrt mit Baby im Bauch

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Lenz Koppelstätter nutzt die Gondelfahrt, um Linda Stricker noch ein paar Anekdoten ihres ereignisreichen Lebens zu entlocken.

„Das waren damals alles Individualisten, Freigeister. Wie bei den großen Boygroups.“

Interview

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er Schnee auf der Plose glitzert unter der Sonne, die vom wolkenlosen Himmel scheint. Linda Stricker kommt herbeigeeilt. „Auf solche Termine freue ich mich“, sagt sie zur Begrüßung und strahlt. „So kann ich endlich mal wieder Ski fahren.“ Die Plose kennt sie in- und auswendig. Ihr verstorbener Mann, die Südtiroler Skilegende Erwin Stricker, hat hier den Grundstein seiner Karriere gelegt: Als junger Bursche gewann er das legendäre Stadtlrennen. „Ich fahre nur noch ganz gemütlich“, sagt die ehemalige Rennläuferin und legt dann los, elegant wie eh und je – gleichzeitig volles Tempo, sodass man ihr kaum hinterherkommt. Geplaudert wird beim Hochfahren mit Blick auf die Dolomiten und mittags in der Pfannspitzhütte bei saftigen Rippelen. Einen schöneren – und passenderen – Ort für dieses Gespräch gibt es kaum.

fuhren wir von da an mindestens einmal im Jahr 900 Kilometer nach Gargellen in Vorarlberg. Mit unserem VW Käfer, die größeren Kinder auf der Rückbank, die kleinen im Kofferraum. Später, als mein Vater für Swissair flog, zogen wir an den Zürichsee. Da packte auch mich dann endgültig das Skifieber. Der Dorftrainer in Gargellen sah irgendwann, dass ich wohl nicht ganz untalentiert war, so durfte ich mit den einheimischen Kindern trainieren. Bald fuhr ich Rennen – und gewann die holländischen Jugendmeisterschaften. Schließlich nahm ich bei den „Flachlandmeisterschaften“ teil …

Frau Stricker, Sie sind in Holland geboren und größtenteils dort aufgewachsen. Ich habe nachgeschaut: Der höchste Punkt des niederländischen Stammlandes ist der Vaalserberg, 322,5 Meter über dem Meer. Wie um Gottes willen sind Sie zum Skifahren gekommen? Linda Stricker: Ich kam in Amsterdam zur Welt. Als drittes von vier Kindern. Unser Vater war Pilot und verrückt nach Sport. Tennis, Rudern. Im Hockey war er 62-facher Nationalspieler, nahm an zwei Olympischen Spielen teil, gewann einmal Silber, einmal Bronze. Er war um die dreißig, da entdeckte er das Skifahren für sich – und für uns. Also

Was war Ihr größter Erfolg? Ach, das ist nicht der Rede wert. In St. Moritz, bei der WM 1974, da wurde ich 11. in der Kombination. Und 20. im Slalom. Und wurde zur „Miss Weltmeisterschaft“ gewählt, zur schönsten Skifahrerin der WM! Ich war kein Star, aber die Zeit bleibt unvergesslich.

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Den … was? Den Flachlandmeisterschaften! Da fuhren wir Holländer mit den Belgiern, den Engländern und den Dänen um die Wette. Ich gewann und nahm wenig später an Europacup und Weltcup teil.

Warum? Früher gab es große Namen, die weit über das Skifahren hinausstrahlten. Das waren Stars! Wenn die fuhren, stand die Welt still. Die Menschen hockten, den Atem anhaltend, am Radio oder versammelten sich vor den Schaufenstern der Elektrogeschäfte. Das war wie bei den großen


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Boygroups. Oder den Supermodels der 1990er-Jahre: Naomi Campbell, Claudia Schiffer. Heute? Fragen Sie mal die Leute auf der Straße, kennen die heute ein Model? Skifahrer? Ein, zwei, höchstens. Das waren damals alles Individualisten, Freigeister. Heute sind sie alle abgeschirmt, alles ist reglementiert, ein Schutzschild um die Mannschaft herum. Da kommt keiner mehr ran. Auch Erwin Stricker war ein Star. Ein wilder Hund. Teil der berüchtigten „Valanga Azzurra“: Piero Gros, Gustav Thöni, er. Wie haben Sie sich kennengelernt? Das war bei einem Europacupfinale in Mayrhofen. Ich war zufällig im gleichen Hotel wie die italienischen Männer einquartiert. Ich erinnere mich noch genau, ich saß auf einer Schaukel im Park, da kam er daher mit seinen blonden Locken und sagte: „Dich heirate ich!“ Ich war baff. Der spinnt, dachte ich! Drei Jahre später standen wir vor dem Traualtar. Frauenprofis und Herrenprofis begegnen sich selten während der Saison. Die einen fahren in Österreich, während die anderen in den USA weilen, wie konnte das gut gehen?

„Bei meinem letzten Rennen war ich bereits schwanger. Da fuhr ich mit angezogener Handbremse.“

Nein, nein, wir zwei waren immer beisammen. Erwin wusste schon, was zu tun war. Er war ja ein Fuchs und sorgte dafür, dass ich mit der italienischen Herrenmannschaft mittrainieren konnte. Die Freundin mit beim Training? Auch wenn Sie selbst Rennfahrerin waren, das war doch sicher verboten, oder? Klar. Aber: Mein Opa stammt aus Surinam, meine Oma aus Indonesien. Erwin schwafelte den Verantwortlichen von Anfang an vor, dass wir bereits verheiratet seien. Als der Rennchef die Hochzeitsurkunde sehen wollte, erklärte er ihm, dass wir uns nach einem südamerikanisch-süd-

ostasiatischen Ritus vermählt hätten, da gäbe es keine Urkunde. Es war so lustig. Und ich wurde von den Azzurri wohlwollend aufgenommen. Wie lange fuhren Sie Rennen? 1978, die WM in Garmisch-Partenkirchen, das war mein letztes Rennen. Ich war bereits schwanger, unser Sohn Tim war im Bauch mit dabei. Ich muss sagen, die Abfahrt fuhr ich da schon mit angezogener Handbremse. Ihr Mann fuhr weiter … Ja, aber auch nicht mehr lange. Ein Jahr noch. Er arbeitete bereits für die damals

Linda Stricker liebt den Brixner Hausberg – die Plose. Ihre favorisierte Piste? Natürlich die Crazy Horse, die nach ihrem verstorbenen Mann benannt wurde.

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Erwin Stricker war ein Draufgänger – beim Skifahren und auch sonst. Er brach sich alle Knochen.

führende Sportmarke Ellesse und war mit dem Kopf schon mehr dort als bei den Rennen. Er hatte tausend Ideen, die er nach dem Karriereende verwirklichen wollte. Und er war ja auch so oft verletzt, ich sah ihn bald öfter im Krankenhaus als auf der Piste. Er war halt ein Draufgänger – beim Skifahren und auch sonst. Er hat sich jeden Knochen gebrochen, den man sich brechen kann. An seiner Seite habe ich sehr schnell gelernt, cool zu bleiben, in jeder Situation. Wenn er mitten in der Nacht wieder einmal anrief, weil er sich mit dem Jeep überschlagen hatte. „Du, Linda, ich habe …“, mehr musste er nicht sagen. Ich fragte nur, in welches Krankenhaus ich kommen musste. Wie kamen Sie nach Südtirol? Nach dem Karriereende beschlossen wir zunächst nach Brixen zu ziehen – zu Erwins Mutter. Das war, nun ja, schwierig. Er hatte vor mir nämlich eine Südtirolerin als Freundin. Eine aus dem Vinschgau. Ihr Vater hatte einen Weltmeisterschaftsbullen im Stall stehen … Wie bitte? Was ist das? Na, ein Stier, der bei irgendeiner StierWeltmeisterschaft Gold geholt hatte. Weil er die schönsten Hörner hatte oder der stärkste war, was weiß ich! Jedenfalls hatte das meine Schwiegermutter wohl schwer beeindruckt. Und jetzt kam da so eine Holländerin daher. Nein, ich konnte sie einfach nicht für mich gewinnen. Als unsere Tochter Nina zur Welt kam, zogen wir aus. Nach Meran.

Und trotzdem sind Sie immer wieder hier. Im Eisacktal, in Brixen, auf der Plose. Warum? Es ist so schön hier! Der Blick beim Skifahren auf die Stadt hinunter, das ist unvergleichlich. Die Schwiegermutter mal ausgenommen, wie kamen Sie anfangs mit uns Südtirolern zurecht? Ich sage mal so: Wir Holländer sind ein Seevolk, ein Entdeckervolk, weltoffen. Die Südtiroler sind lange Zeit hinter ihren Bergen geblieben, konservativer. Ich habe schon ein bisschen gebraucht, die hiesigen Vorzüge schätzen zu lernen: die zurückhaltende, aber ehrliche Hilfsbereitschaft, die Aufrichtigkeit. Und das Land hat sich sehr verändert, geöffnet, über die Jahrzehnte. Heute bin ich sehr froh, hier zu leben. Und Ihr Mann, war er ein typischer Südtiroler? Manchmal ja. Er sagte zum Beispiel immer: Meine Frau muss nicht arbeiten. Aber ich wollte! Ich hielt es nicht aus, nur am Spielplatz zu sitzen und mich mit anderen Müttern über Windeln zu unterhalten. Eine Freundin betrieb ein Pub, dort stellte sie mich als Kellnerin an. Das passte ihm, meinem eifersüchtigen Trotzkopf, natürlich gar nicht. Ein Schlag war das für ihn. Das Ergebnis: Er saß jeden Abend am Tresen, trank sein Bier und grübelte darüber nach, was er nun machen konnte. Und eines Tages kam er zu mir und bot mir an, für Ellesse das Südtiroler

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Erwin Stricker, geboren 1950, war Skirennfahrer und Teil des italienischen Nationalteams. Er fuhr alle Disziplinen, war WM-Teilnehmer und bei den Olympischen Spielen 1972 in Sapporo und 1976 in Innsbruck mit dabei, zwei Mal wurde er italienischer Meister, im Skiweltcup stand er zweimal auf dem Treppchen. Er zählte zu den wildesten der wilden Generation der „Valanga Azzurra“ um Piero Gros und Gustav Thöni. 1979 beendete er seine Karriere und wurde Unternehmer und Berater im Wintersportbereich. Schon während seiner aktiven Zeit trug er mit wegweisenden Erfindungen zu zahlreichen Neuerungen im Wintersport und Wintertourismus, aber auch im Fahrradbereich bei. Zuletzt war er an der Errichtung eines chinesischen Skigebietes beteiligt. Er starb am 28. September 2010 im Krankenhaus Bozen an den Folgen eines Hirntumors.


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Linda Stricker, geborene Esser, kam 1953 in den Niederlanden zur Welt, einige Zeit ihrer Kindheit verbrachte sie in der Karibik und in Zürich, früh fand sie in den Alpen zum Skisport – und wird Weltcupfahrerin und WM-Teilnehmerin. 1977 heiratete sie Erwin Stricker. Heute ist sie in Südtirol zu Hause und leitet seit dem Tod ihres Mannes das Unternehmen Rent and go mit 70 Skiverleihen in ganz Italien, das Unternehmen Sportservice Erwin Stricker mit sieben Verleihen, zwölf Fahrradstationen und drei Sportgeschäften in Südtirol.

„Es ist so schön auf der Plose! Der Blick beim Skifahren auf die Stadt hinunter, das ist unvergleichlich!“

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Ihr Vater? Ja, mein Vater stürzte tödlich beim Tiefschneefahren. Er prallte mit dem Kopf auf einen unter der Schneemasse versteckten Lawinenbock. Er wurde nur 60 Jahre alt. Wie schrecklich. Ihr Mann starb auch mit 60. Ja, beide gingen viel zu früh. Wie kamen Sie mit dem frühen Tod Ihres Mannes zurecht? Am Anfang war ich wütend, ja, richtig zornig. Auf ihn! Ich sagte: „Du kannst mich jetzt nicht allein lassen!“ Er hat das Leben verlassen, so wie er gelebt hatte, mit einem Rums. Er war noch in China, wo er an der Errichtung eines Skigebiets beteiligt war, dann musste er noch schnell zum Landeshauptmann, als er schließlich die Diagnose bekam, ein Tumor im Kopf.

Verkaufsmandat zu übernehmen. Erwin dagegen rief den Qualitätsskiverleih Rent and go ins Leben. Waren Sie beide sich ein klein wenig ähnlich – oder völlig gegensätzlich? Er war ein Bulldozer, deshalb konnte er auch so viele Menschen begeistern und mitziehen. Ich denke, ich habe mehr das Asiatische meiner Großmutter in mir. Nicht gleich aufbrausen, abwarten. Nein, nein, was das angeht, waren wir völlig unterschiedlich. Wir stritten uns deshalb oft – vertrugen uns aber stets schnell wieder. Meine Großmutter und er, das war übrigens Liebe auf den ersten Blick. Erzählen Sie! Ich erinnere mich, als wäre es gestern gewesen: Wir waren in Amsterdam, er sollte sie kennenlernen. Er stieg die steilen holländischen Treppen zu ihr hoch, sie kniff ihm zur Begrüßung in den Oberarm und sagte: „Hast du Geld?“ Und dann, nach ein paar Sekunden, in denen er wortlos dastand: „Musst du nicht haben, aber es ist schon sehr bequem.“ Von da an telefonierten sie ständig. Sie brachte ihm Holländisch bei, er ihr Südtirolerisch. Er war ja ein Autodidakt bei allem. Ihr Mann war auch ein Tüftler. Ja, in seinem Kopf hat es ständig gearbeitet. Beim Autofahren öffnete er das Fenster und hielt die flache Hand hinaus. Ihn faszinierte, wie die Hand die Luft schnitt. Er erfand den gebogenen Abfahrtsstock und benutzte sehr früh eine Schneekanone … Ja. Er trainierte stets in Vintl. Da stand ein kleiner Lift an einer kurzen, aber idealen Piste. Keine Sonne – und wenn kein natürlicher Schnee lag, war es der perfekte Ort für künstlichen. Er ließ sich ein Gerät der Firma Linde liefern und stellte alsbald die erste Schneekanone auf Südtiroler Boden auf. Da haben alle gesagt: „Jetzt ist es end-

Erwin Stricker war ein Tüftler. Er erfand die gebogenen Abfahrtsstöcke, die Geierschnabelskispitzen, in Hosen integrierte Knieschützer, windschlüpfrige Anzüge und Helme.

gültig vorbei, jetzt kann er sich einliefern lassen.“ Aber er trainierte, während die anderen auf Schneewetter hofften. Was erfand er noch? Die Geierschnabelspitzen! Er fuhr ja stets die aggressivste und engste Linie von allen – und fädelte deshalb oft ein. Da hatte er diese Idee, die Skispitze um ein paar Zentimeter zu biegen, so konnte er eben diese paar Zentimeter noch weiter ans Tor ranfahren. Auch die in die Hose integrierten Knieschützer hat er erfunden. Oder die legendären Plastikanzüge. Hui! Damit fuhren die Italiener, so hieß es bald, aufrecht schneller als die Österreicher hockend. Die wurden aber schnell verboten, zu gefährlich. Also tüftelte er weiter und entwarf einen Lederrennanzug für sich – und mich. Einen windschlüpfrigen Helm konzipierte er auch, damit brach er sich beinahe das Genick. So wie mein Vater.

Und dann? Dann lag er da, im Krankenhaus, nach zwei OPs. Ich wusste, nun es ist vorbei. Er war immer wie ein Fels, er musste nie Krafttraining machen, er trug die Kraft einfach in sich. Er zwang Menschen versehentlich in die Knie, wenn er ihnen nur freundlich die Hand geben wollte. Nun war das alles aus ihm gewichen. Wie ging es für Sie weiter? Ich überlegte nicht lange, sprang ins kalte Wasser und übernahm seine Betriebe. Ich konnte all die Mitarbeiter doch nicht im Stich lassen! In den vergangenen zehn Jahren haben wir uns vergrößert: Die Firma Rent and go zählt 70 Mitglieds-Skiverleihe in ganz Italien, das Unternehmen Sportservice Erwin Stricker verwaltet sieben Skiverleihe, zwölf Fahrradstationen und drei Sportgeschäfte in Südtirol. Wir sitzen hier in der Gondel, die zum oberen Ende der schwarzen Crazy Horse-Piste führt, die Ihrem Mann gewidmet ist. Was bedeutet dieser Ort für Sie? Ich liebe diese Abfahrt. Sie ist so, wie unser gemeinsames Leben war. Kurvig. Steil. Schnell. Fahre ich sie hinab, denke ich an ihn.

„Er hat das Leben verlassen, so wie er gelebt hatte, mit einem Rums.“

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Schön und gut Produkte aus der Umgebung

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❷ Edles Paar

❸ „No a Kaffeele!“

Praktischer Küchenhelfer, aber auch minimalistisches Designobjekt: Jeder Salz- und Pfefferstreuer von Fillmill ist ein Einzelstück, nach lokaler Handwerkstradition geschnitzt. Das Holz dafür kommt zu 100 Prozent von Bäumen aus Lajen. Holzstruktur und Farbe unterscheiden sich bei jedem Exemplar leicht; gemeinsam ist ihnen das Präzisionsmahlwerk aus Keramik. Im Set online für 199 Euro erhältlich.

Feine Arabica- und RobustaKaffeebohnen aus fairem Anbau werden in der Brauerei AH Bräu in Franzensfeste langsam und schonend geröstet, um den aromatischen NOAH-Kaffee herzustellen. Der Name leitet sich von einem in den Bars der Umgebung oft gehörten Satz ab: „No a Kaffeele“, „Noch einen Kaffee bitte!“. Die Packung zu 250 g (ab 8 Euro) ist im AH Bräu erhältlich.

www.selbergmocht.it

③ ❶ Schöne Drucke Die Drucke des Printing Labs KR Studio sind allesamt Unikate, mit Motiven, die den Alltag im Städtchen Klausen und die lokale Landschaft aufgreifen. Die wachsenden Reiherbestände dienten zum Beispiel als Inspiration für die Gestaltung von T-Shirts und Mäppchen, hergestellt mit Stoffen aus fairer Produktion. Das Mäppchen ist für 30 Euro im Shop erhältlich (Adresse: Leitach 18, Klausen). www.instagram.com/klausen. printing.lab/

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www.sachsenklemme.it


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❹ Eleganter Marmor Wertvolle Materialien, innovative Technik und große Leidenschaft für Naturstein verbindet Joachim Rabanser aus Lajen/ Ried in seinen Wandelementen „Kalmo“: Die eleganten Unikate aus unterschiedlichen Marmorarten verleihen dem schweren Stein mit ihrem Design aus weichen, klaren Linien eine angenehme Leichtigkeit. Set zu 3 Elementen, Preis auf Anfrage. www.kalmo-marble.com

⑥ ④ ⑤ ❺ Kunst und Kirschen

❻ Direkt von der Quelle

Das Werk „Kirschmund“ des Künstlers Erich Perathoner, ein handgeschnitztes, mit Acryl bemaltes Lindenholz-Relief, ist nur eines der vielen zeitgenössischen und antiken Kunstwerke, die in der Galerie Kompatscher in der Altstadt in Brixen zu erwerben sind. Die Galerie führt lokale und italienische Künstler und lädt zum Stöbern und Entdecken ein. „Kirschmund“ wird zum Preis von 1.220 Euro angeboten.

Soda, Tonic Water, Ginger Ale oder Ginger Beer: Die Alpex-Getränke können pur genossen oder für die Zubereitung von Cocktails verwendet werden. Dahinter steckt die langjährige Erfahrung des Mineralwasserproduzenten Plose aus Brixen – verwendet wird also auch für die Tonics natürlich reinstes Quellwasser. Die Flaschen zu 20 cl sind in sechs Geschmacksrichtungen im Getränkefachhandel erhältlich.

www.kompatscher.eu

www.alpexdrinks.com

❼ Herbstgenuss Oliver Gasser, ehrgeiziger Patissier aus Lüsen und im Jahr 2021 Gewinner der Sat.1-Show „Das große Backen – Die Profis“, ist der Schöpfer der Original Eisacktaler Kastanientorte. Sie enthält vor allem ganze Kastanien aus der Umgebung, aber auch Eier, Honig, Butter, Milch und Sahne von Südtiroler Bauernhöfen. Fein verpackt im Herbst in allen Filialen der Bäckerei Gasser für 15,90 Euro erhältlich. www.baeckerei-gasser.it

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in militärisches Bollwerk aus Stein, ein Zeichen kriegerischer Zeiten. Wer die Wege kontrollierte, kontrollierte das Land zwischen den Bergen. Heute ist die Festung Mahnmal und Ort der Begegnung und der Kunst. Eine Stätte voller Geschichte und Geschichten

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Bau und Zweck 1833 wird mit der Errichtung der heutigen Anlage unter Kaiser Franz I. von Österreich begonnen. Ziel ist es, die Durch- und Übergänge vom Inn bis zum Po zu sichern. Tirol ist eine wichtige Achse zwischen Süddeutschland und Oberitalien. Nach nur fünf Jahren wird die Franzensfeste 1838 von Kaiser Ferdinand I. eröffnet. Neun Fußballfelder

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65.000 Quadratmeter Fläche machen die Franzensfeste zur größten historischen Anlage Südtirols. Neben geschätzten 20 Millionen Ziegeln und 250.000 Kubikmetern Granit werden viele Tonnen Holz, Sand und Kalk verbaut. Dafür werden täglich


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mehrere hundert Fuhren herangeschafft. Es ist die damals größte Baustelle Europas, auf der 3.500 bis 5.000 Mann aus dem gesamten Habsburgerreich arbeiten. Zum Vergleich: Die Stadt Brixen hat zu dieser Zeit um die 3.000 Einwohnerinnen und Einwohner. Teure Mauern Die Festung kostete fast drei Millionen Gulden. Umgerechnet wären das etwa 55 Millionen Euro – die Kosten für den Bau wären heute aber deutlich höher. Kaiser Ferdinand I., der vom Umfang des Vorhabens wohl keine Vorstellung hatte, soll während der Einweihung gefragt haben, ob die Franzensfeste aus Silber sei.

Kunst und Tunnelbau Die Festung kann seit 2005 besichtigt werden. 2008 war sie Austragungsort der Kunstbiennale Manifesta 7. Seither bieten die alten Gewölbe unterschiedlichsten Ausstellungs- und Veranstaltungsformaten ein temporäres Zuhause. So füllen sich die gut erhaltenen und behutsam sanierten Räumlichkeiten zum Beispiel mit den Werken lokaler Kunstschaffender oder mit Orchesterklängen. Seit 2015 beherbergt die Festung eine Dauerausstellung zum Brenner Basistunnel.

Planerisches Meisterwerk Die Franzensfeste steht für eine der letzten Entwicklungsstufen des oberirdischen Festungsbaus. Die Anpassung an das Gelände, die Feuerfronten und bombensicheren Geschützstellungen, die Planung der einzelnen Werke sowie die mehrfache Sicherung der Tore, aber auch Unterkünfte und Materiallager machen die Festung zu einem Glanzstück österreichischer Militärarchitektur. Nutzung und Waffenlager Ihre strategische Bedeutung hat die Festung zum Zeitpunkt der Fertigstellung bereits verloren. Obwohl geplant, werden nie Geschütze im ursprünglichen Sinne installiert. Nur während der Kriege von 1848, 1859 und 1866 stehen Kanonen hinter den Mauerscharten. Ansonsten schiebt eine Stammbesatzung von 70 Mann Wache. Hin und wieder werden Kompanien einquartiert, die aber nur auf einen Einsatz im Süden warten. Schließlich dient die Festung bis 2003 hauptsächlich als Waffen- und Munitionslager für das italienische Militär.

Kapelle Die 1844 erbaute kleine Kirche im Innenhof der Anlage zählt zu den ersten neugotischen Bauten in Tirol. Hier wurden für die Wachmannschaft Messen abgehalten. Seit der Sanierung 2009 ist sie Johannes dem Täufer, Schutzpatron der Steinmetze, und der heiligen Barbara, Schutzpatronin der Bergleute, Artillerie und Festungsbauten, geweiht. Bahnlinien Nach Fertigstellung der Brennerbahn zwischen Bozen und Innsbruck wird 1871 die Bahnlinie durch das Pustertal gebaut. Die Gleise führen mitten durch die Festung – auf Wunsch des Militärs: So konnten die vorbeifahrenden Züge nach feindlichen Passagieren untersucht werden.

127,5 Tonnen Gold Während des Zweiten Weltkrieges bringt die deutsche Militärverwaltung 1943 italienisches Währungsgold in einen Felsstollen der Franzensfeste. Bis zur Kapitulation transportiert das Nazi-Regime einen Großteil des Goldes nach Deutschland ab. Die im Felsstollen verbliebenen Tonnen stellen die Amerikaner 1944 sicher und geben sie an Rom zurück. Die übrigen knapp 100 Tonnen findet man zu Kriegsende nach und nach an verschiedenen Orten in Deutschland, Österreich und der Schweiz wieder.

Stausee 1939 veranlasst die faschistische Regierung aufgrund des steigenden Energiebedarfs den Bau eines Stausees am Fuße der Festung. Für den Bau muss der Weiler Unterau versenkt werden, auch ein Teil der Festung wird dabei geflutet. Der etwa 23 Hektar große See ist bis zu 59 Meter tief. Begrenzt wird er von einer rund 65 Meter hohen Staumauer. Der aus dem Kraftwerk gewonnene Strom wurde ursprünglich für die Energieversorgung der Brennerbahn verwendet.

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Südtirol für Anfänger FOLGE 4:

Eine schrecklich aktive Familie

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ls unsere Kinder noch klein fach zu schwer zum Tragen – und leider auch alt genug, waren, breiteten wir jeden um Meutereien gegen das Wandern anzuzetteln. Samstag eine dieser altmoIch nannte es den Walk of Shame. Gerade mal dischen Südtirol-Landkar600 Meter weit vom Beginn der Tour, mit verbissenem ten auf dem Küchentisch Gesichtsausdruck und hochrotem Kopf schleppen Sie aus. Dann suchten die Kinsich den Hügel hinauf und müssen so tun, als hätten der per Fingerzeig irgendSie nicht eine schreiende Dreijährige am Schienbein ein zufälliges Ziel aus und hängen. Wohl wissend, dass Sie es mit diesem kleinen los ging’s. Wo der klebrige Klotz am Bein keine zehn Meter schaffen werden. Die Kinderfinger auch landeKleine hingegen weiß aus unerklärlichen Gründen leite – der Ort, an dem wir uns der genau, dass sie noch schwerer wird, wenn sie sich dann wiederfanden, war jeganz starr macht. Und Sie beide wissen, dass Kinder des Mal spektakulär. weit mehr Ausdauer beim Schreien aus vollem Halse Wie treue Leserinnen und haben, als die Belastbarkeit Ihrer Nerven reicht. BeLeser dieser Kolumne aber bereits wissen, teilt sich neidenswerte Eltern mit wanderfreudigen Sprösslindiese Welt in zwei Arten von Leuten: gen im Schlepptau überholen Sie und Normalsterbliche – und Menschen versuchen, nicht zu starren. Nicht zu aus Südtirol. Diese Regel gilt doppelt schmunzeln. Nicht zu urteilen. Die „Es gibt zwei Arten oder dreifach für ihre Sprösslinge. Südtiroler Kinder scheinen währendSo könnte es zum Beispiel durchdessen einfach nur verwirrt beim völvon Leuten: aus sein, dass Sie beim Skifahren eine Normalsterbliche – lig unverständlichen Anblick von aneinheimische Familie treffen, die Sie deren Kindern, die nicht mit Mama und Menschen kennen, und gemeinsam ein paar Abund Papa wandern wollen. aus Südtirol.“ fahrten genießen. Tun Sie das gerne! Mit einer anderen typischen FaAber glauben Sie unter keinen Ummilienaktivität hier in Südtirol hatten ständen, Sie könnten auch nur mit meine Kids hingegen überhaupt kein dem kleinsten der Kinder mithalten. Problem: dem Rodeln. Als New YorIch habe den Fehler selbst gemacht. kerin denke ich beim Wort „rodeln“ Gewiss, es ist verlockend. Die Kleine kann ja noch nicht übrigens an Kinder, die kleine Plastikscheiben einen mal richtig laufen! Wie schnell kann sie denn auf Skiern verschneiten Hügel hochziehen – und zwar einen sanfsein? Glauben Sie mir: Sie haben keine Chance. ten Hügel, nicht das, was man in Südtirol als Hügel und Südtiroler Kinder lernen übrigens auch wandern, überall sonst als Berg bezeichnet. Diesen Hügel rutnoch bevor sie überhaupt anfangen zu laufen. „Unschen Stadtkinder nun mit viel Geschrei und Karacho möglich!“, höre ich Sie sagen. Doch, so ist es: Berg-Bahinunter, bis er am Ende flach ausläuft und sie stehen bys lernen das sozusagen per Osmose, während sie bleiben. Das Ganze wiederholen sie etwa 80 Mal, bis stundenlang in bequemen Rückentragen stecken und ihre Nasen rot und rotzig sind. zum Takt des sicheren, rhythmischen Schrittes ihrer In Südtirol hingegen bedeutet „rodeln“ erst mal: wandererfahrenen Eltern langsam einnicken. hochwandern. Interessanterweise haben meine KinIch erinnere mich daran, wie wir unsere Kinder der dagegen erstaunlich wenig einzuwenden. Denn in der Rückentrage mitnahmen, aber die Zeit ging irwas anschließend kommt, lieben sie heiß und innig: gendwie viel zu schnell vorbei: Bald waren die Kids einMan stapelt die eigenen Kinder vor sich auf ein profes-

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SüdtirolLexikon, das Dialekt verständlich gemacht

sionelles Holzgefährt mit Alu-Kufen – und rodelt eine halbe Stunde lang einen kurvigen, langen, schmalen Waldweg hinunter. Auch dabei werden Sie übrigens garantiert von einer Südtiroler Familie überholt werden, die Ihnen fröhlich zuwinkt, während sie elegant und mühelos in eine perfekt kontrollierte Linkskurve steuert, ohne auch nur ein wenig Schnee aufzuspritzen. Unten angekommen sehen Sie sich um. Nur Sie und Ihre Kinder sind vom Helm bis zu den Schneestiefeln über und über mit einer dicken Schneeschicht bedeckt – und nur Ihnen läuft die hochrote Nase. Dann schauen Sie in die begeisterten, strahlenden Gesichter Ihrer Kinder, die das mühelose Rodeln anscheinend in den Genen haben – väterlicherseits, versteht sich. Und wenn sie, auf und ab hüpfend, betteln: Können wir nochmal runterfahren? Bittebitte! Dann sagen Sie das einzig Richtige: Ja, klar! Denn so zieht man Kinder in Südtirol groß.

schurzblau [ˈʃʊʁt͡ sˌbla͡ ʊ] Der leuchtend königsblaue Farbton der typischen Südtiroler Bauernschürze, ohne die Mann früher nur halb angezogen war. Der Schurz wird auch „Firtig“ (Vortuch) genannt.

Poppele [ˈpopɛlə] Ob es schreit oder nicht, ein Baby wird in Südtirol liebevoll Poppele (lat. pupa: kleines Mädchen, Puppe) genannt. Statt im Kinderwagen schiebt man es im „Poppmwagele“ umher.

antrisch Cassandra Han ist in den USA geboren und aufgewachsen. 2008 zog sie mit ihrem Mann Lorenzo in die Heimat seiner Mutter: Südtirol. In dieser Kolumne erzählt sie davon, wie sie die Eigenheiten der Region lieben lernte – und wie sie allmählich selbst zur Südtirolerin wurde.

[ˈantʁɪʃ] Seltsam, ja unheimlich, so könnte man das Gefühl beschreiben, das man vielleicht hat, wenn man durch verlassene Klostergänge spaziert – „antrisch“ eben.

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T e x t — D E B O R A L O N G A R I V A F o t o s — C A R O L I N E R E N Z L E R

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Schwere Mauern, dunkle Gänge, enge Kammern, eine Welt, die 335 Jahre lang hinter verschlossenen Türen stattfand. Nun ist der Orden der Benediktinerinnen ausgezogen, das Kloster Säben hoch über Klausen steht leer – ein letzter Rundgang

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1681 wurde unter der Regie des Pfarrers von Klausen Matthias Jenner mit dem Bau des Klosters begonnen. Fünf Jahre später, 1686, wurde das Kloster zum Heiligen Kreuz auf Säben offiziell gegründet. Die Benediktinerinnen aus dem Stift Nonnberg in Salzburg zogen ein. Die letzte Novizin von Säben ging nun, 335 Jahre später, nach Nonnberg – so schließt sich ein Kreis. 550 Nonnen sah das Kloster insgesamt. Zu den besten Zeiten lebten hier gleichzeitig zwischen 80 und 90 Frauen nach dem benediktinischen Leitspruch „Ora et labora“. Der BenediktinerinnenOrden von Kloster Säben lebte bis zur Auflösung in strenger Klausur, in einem abgegrenzten Bereich: Keine Außenstehenden kamen hinein – und wer drinnen war, blieb meist auch dort.

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Finanzielle Grundlage des Klosters waren die Mitgiften, die jede Frau beim Einzug vorbrachte. Dazu zählte nicht nur Geld, sondern auch Möbelstücke, Geräte und Ähnliches. Jede brachte zum Beispiel die eigene Zimmereinrichtung selbst mit. Neben dem finanziellen Beitrag musste jede Nonne außerdem einen gesellschaftlichen Beitrag leisten: Die Fähigkeiten einer Krankenschwester oder Schusterin zählten teils sogar mehr für die Aufnahme als bloßer Besitz. Auch wenn eine der Frauen gut singen konnte, zeigte man sich nachsichtig, wenn die Mitgift mager ausfiel.

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Der Tag begann um fünf Uhr morgens: aufstehen, Morgengebet, Messe, Frühstück, Arbeit, Mittagsgebet, Mittagessen, Mittagsruhe, Arbeit, Vesper, Abendessen, Rekreation, Komplet, Nachtruhe. Das Klosterleben konnte einsam sein. Während all dieser Tätigkeiten schwiegen die Frauen. Nur zur Rekreation wurde für etwa eine Stunde am Tag – manchmal auch über weltliche Dinge – miteinander gesprochen. Man hörte Radio, spielte, las und stickte. Am letzten Sonntag im Monat entfiel die Rekreation, so blieb mehr Zeit zum Schweigen.

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Krankenschwester, Apothekerin, Buchhalterin, Fenstermacherin, Schuhmacherin oder Köchin: Knapp 50 Aufgaben beschreibt die Ämterordnung von Säben. Sie regelte die verschiedenen Zuständigkeiten und gibt uns heute Einblick in die soziale Struktur im Kloster. Die Ämter wurden jedes Jahr neu verteilt, die Vergabe unterstand allein der Äbtissin. Eine Aufteilung war für ein friedliches Zusammenleben unentbehrlich.

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PR-INFO

Ein Tag im bezaubernden Klausen Genuss und Kultur mit Mittelalterflair

Öffnungszeiten der Geschäfte + Montag bis Freitag von 9 bis 12 Uhr und von 15 bis 19 Uhr Samstag von 9 bis 12 Uhr www.klausen.it/shopping

Stadtmuseum Klausen + Das Museum ist von Ende März bis Anfang November von Dienstag bis Samstag von 9.30 bis 12 Uhr und von 15.30 bis 18 Uhr geöffnet. Am Sonntag, Montag und an Feiertagen ist das Stadtmuseum geschlossen. www.museumklausenchiusa.it

Kostenlose Stadtführungen + Jeden Mittwoch im Juli, August und September

Eingebettet zwischen den Dolomiten auf der einen und den Sarntaler Alpen auf der anderen Seite, liegt ganz besonnen das mittelalterliche Städtchen Klausen. Schon vor Hunderten von Jahren machten die Reisenden, die zwischen Norden und Süden unterwegs waren, gerne Halt in dem schmucken Ort unterhalb des imposanten Klosters Säben. Nach und nach entwickelte sich so dieser spezielle Charakter der Altstadt, der heute noch nahezu unverändert scheint. Spaziert man vom Marktplatz durch das Brixner Tor, kommt man vorbei an herrschaftlichen Häusern mit aufwendig gestalteten Fassaden und Erkern, die durch schmale Gassen getrennt sind und zu geheimnisvollen Ecken führen. Wie die Namen Gerber-, Färber- und Mühlgasse verraten, hat das Handwerk im Wirtschaftsleben von Klausen schon immer eine bedeutende Rolle gespielt. Ebenso wie die noch bestehende monatliche Markttradition, von der man annimmt, dass sie bis 1220 zurückreicht. Heute laden schicke Boutiquen und Geschäfte mit einem ausgewählten Sortiment zum Einkaufen ein. Um die vielen Eindrücke des „Stadtls“ auf sich wirken zu lassen, sollte man zwischendurch eine Rast einlegen. Bei einem schaumigen Cappuccino zur frischen Erdbeercremeroulade oder einem feinen

Glas Eisacktaler Weißwein lässt es sich wunderbar entspannen. Leckere Speckknödel mit Gulasch, Spaghetti al Pomodoro oder Pizza vom Holzofen gibt’s in den traditionellen Gasthäusern und Restaurants. Passend dazu empfiehlt es sich, das in Klausen gebraute Bier zu probieren. Fast ein Muss ist der, zugegeben, etwas steile Aufstieg zum Kloster Säben. Doch die Aussicht auf die Dächer von Klausen und die umliegenden Dörfer des südlichen Eisacktales entlohnt für all die Mühen. Das mittelalterliche Flair des Ortes hat seit jeher namhafte Künstler in seinen Bann gezogen. So malte Albrecht Dürer ein Aquarell mit dem Bild der Stadt, das er später als Hintergrund für den Kupferstich „Nemesis – Das große Glück“ verwendete. Nicht umsonst gehört Klausen zu den „Borghi più belli d’Italia“, den schönsten Altstädten Italiens. Genauso inspirierend wie die Stadtkulisse für Künstler war und ist, so bleibt sie ihren Besuchern durch ihre einzigartige Mannigfaltigkeit in liebevoller Erinnerung und weckt die Sehnsucht nach baldiger Wiederkehr.

Treffpunkt: Infobüro Klausen, Marktplatz 1, Tel. +39 0472 847 424

www.klausen.it

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Unsere Lieblingsorte … für Familien 1 Erlebnispark Jochtal Klettern und Wasser. Der Erlebnispark Jochtal erstreckt sich zwischen dem Bergrestaurant Jochtal und der Panoramaplattform Stoanermandl und verspricht verschiedene Stopps voller Spaß und Adrenalin. Hoch hinaus auf dem Kletterhirsch oder eine Wasserschlacht im Wasserpark, zu einer Kuscheleinheit im Streichelzoo und einer kurzen Verschnaufpause in den Hängematten.

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2 WoodyWalk Plose Mit der Kabinenbahn auf die Plose und einen entspannten Ausflug mit der ganzen Familie genießen. Dafür ist der WoodyWalk perfekt! Für Abwechslung und Spaß sorgen die aus heimischem Holz gefertigten Stationen entlang des Weges, wie der Nichtden-Boden-berühren-Weg, das Wikingerschiff oder die Kneippanlage. Für den Rundweg braucht man ungefähr 1,5 Stunden.


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3 Sonnenpark Gitschberg Rund um das Thema Sonne dreht sich der Erlebnispark auf dem Sonnenplateau von Meransen. Während die Großen das traumhafte Panorama genießen, können die Kleinen in einer wilden Kletterpartie den Sonnenthron erklimmen. Über die Riesenrutsche geht es dann weiter zum nächsten Abenteuer – etwa einem Gespräch durch das Sonnentelefon oder einem Ritt im Sonnenwagen. 3

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Kinderskilift Lüsen

Kneippanlage Vahrn

Nicht nur für die kleinen Skifahrer, sondern auch für Wiedereinsteiger: 2019 wurde der „Kinderberg“ komplett erneuert und wartet nun mit vielen Attraktionen auf seine Gäste. Der moderne Schlepplift, die liebevoll gestalteten Pistenabschnitte und das Schneeland mit den zwei Zauberteppichen bieten die Chance, spielerisch in die Welt des Skifahrens einzutauchen.

Nach einer langen Wanderung die Füße ins eiskalte Nass tauchen, den Kreislauf anregen und anschließend kurz auf der grünen Liegewiese ausspannen: Dazu lädt die älteste Kneippanlage Südtirols in Vahrn ein. Die Kinder können mitkneippen oder sich nebenan auf dem Spielplatz austoben. Neben der Wassertretstelle können sich die Besucher auch über einen Trimm-dich-Pfad freuen.

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4 Aktivpark Terenten An der Sonnenstraße gelegen verspricht der Aktivpark Terenten viel Abwechslung. Neben Seilrutsche, Seilparcours, Hängematten und Wasserpark gibt es auch ein Volleyball- und ein Fußballfeld. Für eine kleine Challenge eignet sich der Minigolfpark mit 18 Bahnen, wo jedes Familienmitglied seine Zielsicherheit beweisen kann.

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Naturbadeteich Lüsen

Apfelweg Natz-Schabs

Ein kleiner Bergsee, der sich harmonisch in die Landschaft einfügt und nach einem langen heißen Tag die nötige Abkühlung bietet: Je nach Witterung können Groß und Klein von Anfang Juni bis Ende August einen Sprung in den Lüsner Naturbadeteich wagen und mitten im Grün das kühle Nass genießen. Der Naturbadeteich wird biologisch gereinigt und eignet sich auch für Allergiker.

Vorbei an Apfelwiesen, durch den Wald, zu Biotopen und einem idyllischen Weiher führt der Apfelweg in Natz. Infotafeln bieten interessante Einblicke in den Apfelanbau. Der Apfelgarten in Raas entlang der Strecke ist ein riesiger Abenteuerspielplatz, der nicht nur zum Toben ideal ist, sondern auch für ein gemeinsames Picknick. Der 7,7 Kilometer lange Rundweg startet bei der Dorfkirche Natz.

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9 Klettergarten Nock Tinnetal Ungefähr fünf Kilometer westlich des historischen Städtchens Klausen liegt im Tinnetal der Klettergarten Nock. Der Klettergarten samt Kletterwand mit Routen verschiedener Schwierigkeitsgrade, Flying Fox und Slackline ist für Anfänger und Fortgeschrittene geeignet. Auch Kletterkurse werden hier angeboten. 9

10 Erdpyramiden Terenten

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Durch ein großes Unwetter entstanden einst die Erdpyramiden in Terenten. Die imposanten Säulen erreicht man über eine kurze Wanderung, von einer Aussichtsplattform scheinen sie zum Greifen nah. Achtung, der Weg ist nicht für den Kinderwagen geeignet.

11 Elfenweg Vintl Welches Geweih der Südtiroler Waldbewohner ist am schwersten? Welche Tänze führen Bienen auf und warum? Antwort auf diese Fragen finden große und kleine Entdecker auf dem Elfenweg. Ausgehend vom großen Parkplatz neben der St.-Nikolaus-Kirche in Obervintl führt Elfe Lilli vorbei an Hirschgehege, Wasserfall, Felsenbalkon und Waldrastplatz und schließlich wieder zurück zum Ausgangspunkt. Elf interaktive Stationen bieten unterwegs Einblicke in die Kultur und Natur Südtirols.

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Augenblick, verweile Judith Niederwanger und Alexander Pichler betreiben gemeinsam das erfolgreiche Blog „Roter Rucksack“. Auf der gleichnamigen Facebook-Seite haben sie 20.000 Fans, auf Instagram über 14.000 Abonnenten. 2019 veröffentlichten sie das Buch „Die schönsten Touren und Fotospots in Südtirol“ (Raetia, 6. Auflage), außerdem publizieren sie regelmäßig Kalender mit ihren schönsten Bildern.

Die Südtiroler Fotoblogger Judith Niederwanger und Alexander Pichler erzählen die Geschichten hinter ihren Lieblingsfotos

Drei Gipfel, blühende Alpenrosen und ein phänomenales Bergpanorama: So könnte man unsere frühsommerliche Rundwanderung auf der Plose, bei der dieses Foto entstand, mit wenigen Worten beschreiben. Als wir am frühen Nachmittag von der Bergstation der Plose Seilbahn aufbrachen, hatten wir eigentlich gar keine Ahnung, was uns bei dieser Tour erwarten würde. Aber schon beim ersten Gipfel, dem Telegraph (2.486 m), wurde uns klar, die Aus- und Fernsicht auf der Plose ist einmalig, und je weiter wir kamen, desto besser wurde es. Nachdem wir auch die Pfannspitze (2.545 m), den zweiten Gipfel, hinter uns gelassen hatten, folgte am frühen Abend das Highlight der Wanderung, der Große Gabler (2.575 m), der höchste Gipfel auf der Plose. Der Anstieg ist leicht, aber mit einem atemberaubenden Panorama wird man trotzdem belohnt. Der Blick reicht vom Alpenhauptkamm bis zu den Dolomiten. Als Fotomotiv hat es uns dort oben das Gabler Biwak angetan. Eine kleine Holzhütte mitten am Berg, dahinter ragen mächtig die Aferer und Villnösser Geisler empor. Um die Berge so nahe erscheinen zu lassen, haben wir das Foto mit einem Teleobjektiv aufgenommen.

www.roterrucksack.com

Canon EOS 5D Mark II

70–200 mm @ 78 mm

f/8 1/640 s Aufgenommen am 16.06.2021 um 18:35 Uhr

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Weiße Wochen 7=6

www.weissewochen.it

Gitschberg Jochtal – Brixen

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