«Es kann auch eine Bürde sein, der Mehrheit anzugehören» Film «Wet Sand» erzählt die Geschichte zweier Männer in Georgien, die ihre Liebe jahrzehntelang geheim halten mussten. Ein Gespräch mit Regisseur*in Elene Naveriani. INTERVIEW MONIKA BETTSCHEN
Eine georgische Dorfgemeinschaft gerät aus allen Fugen, als nach dem Suizid des alten Eliko dessen Homosexualität ans Licht kommt. Doch als seine Enkelin Moe für die Beisetzung eintrifft, rüttelt sie an den verkrusteten Strukturen, bricht das Schweigen und gibt damit den anderen und sich selbst neue Zuversicht. Davon handelt «Wet Sand» von Elene Naveriani.
ein unabhängiger Staat wurde, stürzte das Land in eine Identitätskrise. Um diese zu überwinden, wollte man eine gemeinsame Identität aufbauen. Doch dafür gab es nicht viel: die georgische Sprache, die wirklich einzigartig ist, und die orthodoxe Kirche, die den Kommunist*innen ein Dorn im Auge war und nun zu einem der Werkzeuge wurde, um eine neue Identität aufzubauen.
Elene Naveriani, in «Wet Sand» geht es um eine Liebe, die nicht sein darf. Wie ist die Situation für sexuelle Minderheiten in Georgien? Elene Naveriani: Offiziell hat das georgische Parlament ein Anti- Diskriminierungsgesetz zum Schutz von LGBT-Menschen verabschiedet. Doch der Staat nimmt die Verteidigung von Minderheiten nicht wahr. In der Gesellschaft gibt es einen Graben zwischen den Generationen. Die Jungen haben die sozialistische Zeit nicht mehr erlebt, als das sowjetische System alle zum Schweigen brachte, die nicht hineinpassten. Während sie offener sind, ist Homophobie bei den Älteren weit verbreitet. In den 1980er-Jahren entwickelte sich eine starke Unabhängigkeitsbewegung. Als Georgien nach dem Zerfall der Sowjetunion 1991
Eine neue Identität aufzubauen, bedeutet auch, zu definieren, wer dazugehört – und wer nicht. Ja, das ist ein Prozess, der Gefahren birgt. Zum Beispiel den Nationalismus. Und die orthodoxe Kirche nutzt ihre Macht, um ein sehr konservatives Familienmodell zu zementieren. Homosexuelle und queere Menschen fallen durch dieses Raster. Gegen sie wird gehetzt, die extreme Homophobie entlädt sich oft auch gewaltsam. Diese Abneigung gegen «andere», gegen Diversität, hängt wohl mit der Vergangenheit Georgiens als Teil der ehemaligen Sowjetunion zusammen.
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In «Wet Sand» geht die Entmenschlichung so weit, dass nicht einmal im Tod alle gleich sein dürfen. Denn die DorfgemeinSurprise 524/22