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Strassenmagazin Nr. 524 6. bis 19. Mai 2022

CHF 6.–

davon gehen CHF 3.– an die Verkäufer*innen

Bitte kaufen Sie nur bei Verkäufer*innen mit offiziellem Verkaufspass

Migration

Durch den Urwald

Wer zu Fuss von Kolumbien in die USA will, muss den Darién Gap hinter sich bringen. Ein Weg mit vielen Gefahren. Seite 8

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SURPRISE STRASSENFUSSBALL-

LIGA 2022

So 29. Mai, 11– 17 Uhr Schützi, Olten Sa 18. Juni, 11– 17 Uhr Kaserne, Basel Weitere Turniere in Luzern und Winterthur – Mehr Infos auf surprise.ngo/strassenfussballl Unterstützt durch:

Surprise ist Partner von:

I BE R VO M M ND T ! U MI KO E BL JU


TITELBILD: RONALD PIZZOFERRATO

Editorial

Zerknittert und zuversichtlich Gehören Sie zu denjenigen, die Surprise kaufen, einen interessierten Blick auf das Cover werfen und es dann in ihre Tasche packen? Die es Wochen später zerknittert herausfischen – «oh, ich habe ja mal das Strassenmagazin ­gekauft» – und zum Altpapier legen? Nun, Sie haben recht, es gibt so viele Zeitungen, Zeitschriften, Magazine. Und Bücher! Wenn man nur mehr Zeit hätte.

kümmern sich für wenig Geld und weit weg vom Ort, wo sie am liebsten sind, um ältere Menschen. Erst wenn wir verstehen, aus welchen Gründen Menschen in Kolumbien oder in der Schweiz in dieser Situation sind (und das werden Sie, wenn Sie die Artikel ab Seite 8 und Seite 14 gelesen haben), können wir uns überlegen, wie es auch anders sein könnte. Und was es bräuchte, damit es anders wird.

Ich möchte Sie nicht von anderem abhalten, ­darum habe ich diese Ausgabe für Sie schon gelesen. (Falls Sie es genau wissen wollen: Es ­dauerte 37 Minuten.) Und ich kann Ihnen sagen: Ich bin nicht fröhlicher geworden, unbeschwerter auch nicht unbedingt. Dafür gibt es mir auf eine irritierende Weise Sicherheit. Da ich nun besser verstehe, was in der Welt passiert (oder zu verstehen meine). Was mich wiederum ge­lassener macht und – ebenfalls irritierend – zuversichtlicher.

Leuchtet das ein? Was machen Sie mit Surprise, was macht Surprise mit Ihnen? Schreiben Sie mir. Ich freue mich, von Ihnen zu hören: lea.stuber@strassenmagazin.ch. Falls Sie nicht nur gerne lesen, sondern auch ­Podcasts mögen: Kennen Sie «Surprise Talk» mit Radiojournalist Simon Berginz? In der neusten Folge ist Autorin Anina Ritscher zu Gast, das Thema: Häuser, die abgerissen statt renoviert werden.

Lassen Sie mich erklären: Menschen müssen ihre Heimat verlassen, flüchten über gefährliche ­Routen an Orte, die sie nicht kennen. Andere

4 Aufgelesen 5 Wörterbuch

Konsumentenpreise 6 Verkäufer*innenkolumne

Verrückte Jahre 7 Die Sozialzahl

Ausbildung und Familie 8 Migration

Der venezolanische Traum

13 Grenzschutz

Frontex als Symptom 14 Die Unsichtbaren

Pflege rund um die Uhr

LEA STUBER

Reporterin

18 Interview

«Günstige, prekäre Betreuung» 20 Essay

Notizen aus Utopia: Instrumente der Teilhabe 24 Film

«Es kann auch eine Bürde sein, der Mehrheit anzugehören» 25 Festival

Kampf ums Erbe

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26 Veranstaltungen 27 Tour de Suisse

Pörtner in Zürich Brunaupark 28 SurPlus Positive Firmen 29 Wir alle sind Surprise Impressum Surprise abonnieren 30 Surprise-Porträt

«Mir gefällt die Mentalität»

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Aufgelesen

News aus den 100 Strassenzeitungen und -magazinen in 35 Ländern, die zum internationalen Netzwerk der Strassenzeitungen INSP gehören.

Eng beieinander Am Rand und doch mittendrin: In seinem Buch «Division Street» dokumentiert der kalifornische Fotograf Robert Gumpert, wie gross das Wohlstandsgefälle in San Francisco geworden ist – einer Stadt, in der einige der reichsten und ärmsten Menschen der Vereinigten Staaten eng neben­ einander leben. Manche in Villen oder teuren Penthouses, andere auf der Strasse oder in Hinterhöfen.

Fast eine Million sammelt Pfandflaschen

Zum Betteln gezwungen

980 000 Menschen sammeln in Deutschland im öf­ fentlichen Raum aktiv Pfandflaschen. Die Hamburger Initiative «Pfand gehört daneben» hat eine Unter­ suchung in Auftrag gegeben, die zu diesem Ergebnis kommt. Die Hochrechnung des Marktforschungs­ instituts Appinio zeigt: Mehr als die Hälfte der Pfand­ sammler*innen ist jünger als 25 Jahre alt. 42 Prozent sind Frauen. 56 Prozent verdienen an Tagen, an denen sie sammeln, zwischen null und vier Euro. Für 28 Prozent ist das Sammeln von Flaschen und Dosen das einzige Einkommen. 25 Prozent haben einen Job und sammeln Pfand, um trotzdem über die Runden zu kommen. 63 Prozent verdienen im Monat weniger als 50 Euro, knapp ein Viertel 50 bis 99 Euro.

Sie sollen Menschen, die keine Wohnung haben, und solche, die alkoholabhängig sind, in Deutschland und Österreich zum Betteln gezwungen haben: mutmassliche Menschenhändler*innen. Anfang April haben europäische Ermittlungsbehörden bei sieben Razzien in Deutschland, Österreich, Ungarn und Rumänien ein Netzwerk hochgenommen. Dabei haben sie mehr als 90 000 Euro Bargeld und 1 Kilo Goldschmuck sichergestellt, vier Menschen wurden festgenommen, wie die europäische Polizeibehörde Europol mitteilte. Die elf rumänischen und ungarischen Opfer hätten in Berlin, Ingolstadt, Nürnberg und in mehreren österreichischen Städten betteln und unter «extrem entwürdigenden Bedingungen» leben müssen. Pro Tag sollen die Beschuldigten ihnen ein Sandwich ausgehändigt haben, auch Gewalt soll im Spiel gewesen sein. Die Behörden ermittelten seit 2017.

BODO, BOCHUM/DORTMUND

HINZ & KUNZT, HAMBURG

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FOTOS: ROBERT GUMPERT

Wörterbuch

Konsumentenpreise Der Preis ist der Wert eines Guts oder einer Dienstleistung. Laut Lehrbuch bildet er sich durch den Wettbewerb auf dem freien Markt wie von selbst – und zwar dort, wo Angebot und Nachfrage sich treffen. Allerdings lässt dies ausser Acht, dass sich die Menschen oft nicht rational verhalten. Auch berück­sichtigen Marktpreise ökologische Kosten nicht, die bei der Allgemeinheit anfallen. In der Realität sind freie Märkte ­ ohnehin selten. Viele Preise sind vom Staat gesteuert (z.B. Strom, Medikamente, Milch) und werden von der Preisüberwachung geprüft. Anderswo bestimmen private Unternehmen die Preise – festgelegt durch Monopolanbieter (z.B. Elektrizität, Schienenverkehr) oder durchgesetzt von mächtigen ausländischen Lieferanten. Letztere sorgen dafür, dass ein alleiniger Schweizer Importeur ihre Markenprodukte mit einem «Schweiz-Zuschlag» einführt. Schliesslich kommt es auch zu Preisabsprachen zwischen privaten Anbietern. Diese können aber bei der Wettbewerbskommission angezeigt werden.

Ertrunken

Hilfe für alle

Seit 2014 sind im Mittelmehr 23 490 Menschen ertrunken. Eine nicht unwesentlich grosse Dunkelziffer dürfte hinzukommen.

«Vor ein paar Wochen haben wir noch Obdachlosen geholfen, jetzt helfen wir allen.» Das sagt Olga Romenska, Mitbegründerin von Pomogi Bezdomnomu aus Kyiv. Die Obdachlosenorganisation wurde vor sechs Jahren gegründet, Unterstützung bekam sie kaum, da die Regierung das Problem der Obdachlosigkeit verharmloste. Nun wird Romenskas Organisation dringend benötigt. «Wir verteilen warme Mahlzeiten, Medikamente, bieten Betten an. Normalerweise stehen 20 Menschen vor unserem Haus an, seit Beginn des Krieges ist die Schlange zehnmal so lang.»

MEGAPHON, GRAZ

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THE BIG ISSUE, LONDON

Aus sozialpolitischer Sicht sind Preise dann relevant, wenn sie sich verändern. Steigen sie, können sich Konsument*innen mit ihrem Einkommen weniger kaufen. Darum sollten Löhne sowie Sozialleistungen an die Teuerung angepasst werden. Der Staat erfasst dazu die Preise von rund 70 000 Konsumgütern, die sich im Landesindex der Konsumentenpreise (LIK) spiegeln. Die Schweizerische Nationalbank bekämpft die Teuerung ausserdem mit ihrer Geld- und Währungspolitik – in der Regel greift sie ein, wenn der LIK um mehr als 2 Prozent pro Jahr steigt. EBA Rudolf Strahm: Preise. In: Wörterbuch der Sozialpolitik. Zürich und Genf, 2020. 5


ILLUSTRATION: KATHRIN HEIERLI

Verkäufer*innenkolumne

sich ein lüsterner Hammel breitbrüstig vor mich hingestellt und hat mir nichts, dir nichts seine Hosen runtergelassen. Aber das war’s auch schon.

Verrückte Jahre In diesem Monat sind es vierzehn Jahre her, seit ich im Surprise-Büro angefragt habe, ob ich als Heftver­käufer mit­ machen könne. Ich konnte und wurde in die Bahnhofunterführung zu Rapperswil geschickt. Bis heute, Stichtag: 6. März 2022, habe ich an genanntem Ort genau 86 297 Surprise-Hefte verkauft. Rückblick auf meinen ersten Tag als Surprise-Verkäufer: Exponiert; willkommene Zielscheibe für so manchen Schabernack und Lausbubenstreich; verständnisloses Kopfschütteln; abschätzige Gesten; spöttische Bemerkungen; herablassende Blicke; verächtliche Zurufe; mit Schimpf und Schande davongejagt. Meine Gemütslage vor dem ersten Einsatz liess keine anderen Vorstellungen zu. Ich hatte keine Ahnung, was mich erwartet, bevor ich mich an meinem ersten Tag als SurpriseVerkäufer mit meinen Heften in der Bahnhofunterführung zu Rapperswil hinstellte, nicht ohne mir vorher ein Bier als Mutmacher genehmigt zu haben. 6

Nichts Beklemmendes geschah. Ganz im Gegenteil: Aufmunternde Blicke hier, freundliche Worte da, und der Absatz meiner Hefte übertraf meine kühnsten Erwartungen. Ein überaus freundlicher Empfang wurde mir bereitet. Wenn ich auf meine vierzehn Jahre als Surprise-Verkäufer zurückblicke, habe ich von der Kategorie «Bedrohliches» tatsächlich nicht viel zu berichten. Hin und wieder ein verächtliches Lächeln in einem vorbeihuschenden Gesicht. Blöde Sprüche, spöttische Bemerkungen oder eine abwehrende Handbewegung kommen auch mal vor. Sollen sie ihre Sprüche klopfen, süffisant lächeln, ihre Hände verwerfen, so viel sie wollen. Mir ist das schnuppe. Wenn es ihnen Freude macht; ich zeige keine Reaktion. Richtig brenzlige Situationen habe ich in all den Jahren deren drei erlebt: Bei der ersten bedrohte mich ein durchgeknallter, unberechenbarer Betrunkener massiv. Was ist bei der zweiten geschehen? Hmmm …, na sowas, ich hab’s vergessen. Bei der dritten hat

All die Jahre, das ist schon verrückt. Und stets war und bin ich in Rapperswil willkommen. Viele Bekanntschaften und Freundschaften habe ich geschlossen. Millionen Gespräche geführt. Und meine Hefte verkauft. «Wir Rapperswilerinnen und Rapperswiler haben dich adoptiert», hat mir mal jemand gesagt. Ich bin ihnen dankbar für alles, den Rapperswilerinnen und Rapperswilern und den Leuten aus der nahen und ferneren Umgebung. URS HABEGGER, 66, verkauft Surprise seit 14 Jahren in der Bahnhofunterführung in Rapperswil. Sein Ziel ist, mindestens noch das 90 000. Heft zu verkaufen. Er findet diese Zahl gigantisch und sagt: Noch gigantischer wären 100 000. Er denkt aber nicht, dass er das noch erreichen wird.

Die Texte für diese Kolumne werden in Workshops unter der Leitung von Surprise und Stephan Pörtner erarbeitet. Die Illustration zur Kolumne entsteht in Zusammenarbeit mit der Hochschule Luzern – Design & Kunst, Studienrichtung Illustration. Surprise 524/22


INFOGRAFIK: BODARA ; QUELLE: BUNDESAMT FÜR STATISTIK (2019): STATISTISCHER SOZIALBERICHT SCHWEIZ 2019. NEUCHÂTEL

Die Sozialzahl

aber nur noch rund 14 Prozent. In der Regel gilt also: Je länger die Ausbildung dauert, desto älter sind die Mütter bei ihrem ersten Kind.

Ausbildung und Familie

Dieser Zusammenhang ist für die demografische Entwicklung in der Schweiz von grosser Bedeutung. Der Anteil der Frauen mit einem Tertiärabschluss ist nämlich in den letzten drei Jahrzehnten markant gestiegen. Zwei von fünf Frauen haben inzwischen ein Hochschul- oder ein Universitätsdiplom. Es überrascht darum nicht, dass die durchschnittliche Kinderzahl pro Frau in der Schweiz seit Jahren bei 1,5 liegt und der Anteil der qualifizierten Frauen, die ohne Kinder bleiben, ansteigt.

Vor 50 Jahren lag in der Schweiz das durchschnittliche Alter von Frauen bei der Erstgeburt bei etwas mehr als 25 Jahren. Inzwischen sind die Frauen im Schnitt über 31 Jahre alt, wenn sie ihren ersten Nachwuchs zur Welt bringen. Wie ist diese Entwicklung zu erklären? Sicher spielen soziale Veränderungen hin zu individualisierten biografischen Verläufen jenseits von Milieus und sozialer Kontrolle eine grosse Rolle. Auch die Bedeutung von Verhütungsmitteln darf nicht unterschätzt werden. Noch wichtiger dürften aber wirtschaftliche Gründe sein, und damit verbunden die besseren Chancen für Frauen auf dem Arbeitsmarkt.

Frauen in Ausbildung verfügen oft über ein geringes Einkommen. Die staatlichen Zulagen vermögen die zusätzlichen Ausgaben für ein Kind nicht zu decken. Zudem sind Ausbildung und Familie nur schwer zu vereinbaren. Wenigstens haben immer mehr Hochschulen und Universitäten Kindertagesstätten, auch wenn diese zusätzlich auf das ohnehin knappe Budget drücken.

Ein Hinweis darauf findet sich, wenn man die schulische und berufliche Ausbildung mit dem Alter der Frauen beim ersten Kind vergleicht. Bei Frauen, die einen obligatorischen Schulabschluss oder einen Abschluss auf Sekundarstufe II (Berufslehre) haben, ist der Anteil der unter 30-Jährigen ungleich höher als der Anteil jener Frauen, die einen Tertiärabschluss gemacht haben (Hochschule, Universität). Das war früher so und ist auch heute noch so.

Der gravierendste Punkt ist aber, dass Hochschulen und Universtäten zu wenig Möglichkeiten bieten, um eine Ausbildung zu unterbrechen oder zu verlängern. Auch Teilabschlüsse mit Zertifikat kennt die Schweiz kaum. Der Tertiärabschluss ist wenig familienfreundlich. Die Vereinbarkeit von Ausbildung und Familie steht weder auf der sozial- noch arbeitsmarktpolitischen Agenda.

Bei den Geburtsjahrgängen 1934 bis 1943 waren noch rund 67 Prozent der Frauen mit einer Grundausbildung sowie rund 50 Prozent der Frauen mit einem Tertiärabschluss unter 30 Jahre alt. Inzwischen beträgt dieser Anteil bei Frauen mit einem tieferen Abschluss bei den Geburtsjahrgängen 1974 bis 1983 rund 42 Prozent, bei Frauen mit hochqualifiziertem Abschluss

PROF. DR. CARLO KNÖPFEL ist Dozent am Institut Sozialplanung, Organisationaler Wandel und Stadtentwicklung der Hochschule für Soziale Arbeit der Fachhochschule Nordwestschweiz.

70

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Frauen mit Obligatorischem Schul/Sek II Abschluss, die bei Geburt des ersten Kindes unter 30 Jahre alt waren

67,1 %

65,9 %

Frauen mit Tertiärstufeabschluss, die bei Geburt des ersten Kindes unter 30 Jahre alt waren

59,7 %

* Geburtsjahrgang der Frauen

50

50,2 %

46,2 %

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38,1 %

30

41,9 %

34,3 %

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21,1 %

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0

13,7 % 1934–1943*

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1944–1953

1954–1963

1964–1973

1974–1983

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Der venezolanische Traum Migration Zehntausende Menschen durchqueren den von Paramilitärs kontrollierten

Darién-Urwald zwischen Kolumbien und Panama. Sie hoffen auf eine bessere Zukunft in den USA. Doch die Biden-Regierung hat andere Pläne. TEXT SEBASTIAN SELE

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FOTOS RONALD PIZZOFERRATO

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Bis zu zehn Tage dauert es, um den Urwald von Darién zu durchqueren. Unter den Migrant*innen sind besonders viele aus Venezuela, die weiter in die USA wollen.

Für manche ist die Szenerie am Strand von Necoclí, im Norden Kolumbiens, die Definition vom Paradies: Palmwedel winken in der karibischen Brise, frisch geschnittene Mangostücke wechseln den Besitzer, Reggaeklänge hängen in der Luft. Doch das Salz auf Esly Carillos Gesicht stammt nicht von einem Bad im Golf von Urabá, sondern von ihren Tränen. «Zwei Söhne sind schon in den USA», erzählt die Mutter. Erst wenige Monate sei es her, dass auch sie hier gewesen sind. Sie nahmen eines der Schiffe, auf die andere Seite des Golfes. Gingen zu Fuss in den Urwald, auf die andere Seite der Grenze, von Kolumbien nach Panama. Sie reisten immer weiter Richtung Norden. Durch Panama, Costa Rica, Nicaragua, Honduras, Guatemala, Mexiko. Gut vier Monate später hatten sie ihr Ziel erreicht: die USA. Nun will die Mutter es ihnen gleichtun. Doch Esly Carillo, ihr Mann und die zwei Surprise 524/22

Töchter, die ihre ersten englischen Wörter üben, stecken fest. Seit acht Tagen schläft die Familie aus Venezuela in einem der Zelte am Strand von Necoclí. Der Karibikkleinstadt, deren Name zu einem Symbol für Hoffnung und für Verzweiflung wurde. «Wir werden es schaffen», schluchzt Carillo. Hitze, Schlangen und Paramilitärs Rund 134 000 Migrant*innen haben im vergangenen Jahr die Grenze zwischen Kolumbien und Panama überquert, die Grenze zwischen Süd- und Zentralamerika. Das sind zusammengezählt mehr als in den elf Jahren zuvor. Ihr Weg gilt als eine der gefährlichsten Migrationsrouten der Welt. Sie führt bis zu zehn Tage lang durch den Urwald von Darién. Nur hier wird die Panamericana, die längste mit dem Auto befahrbare Strasse, die vom Feuerland bis nach Alaska führt, unterbrochen – deshalb 9


PANAMA

Bis sie genug Geld hat für die Bootsfahrt nach Capurganá, schläft die Familie von Esly Carillo in einem Zelt am Strand von Necoclí. Zwei Söhne sind bereits in den USA.

CAPURGANÁ

DARIÉN-URWALD

NECOCLÍ

KOLUMBIEN

PAZIFISCHER OZEAN

auch der Name «Gap» (Lücke) für die Region. Reiseführer raten, den Urwald zu meiden. Wegen der Hitze, der reissenden Flüsse und der giftigen Schlangen. Vor allem aber wegen der Paramilitärs. Tourist*innen, die es trotzdem wagten, wurden getötet. Dennoch könnte es sein, dass dieses Jahr noch mehr Migrant*innen den Urwald durchqueren. Die Zahlen der Rekordmonate von 2021 werden aktuell zwar nicht erreicht. Doch die panamaischen Behörden zählen jeden Monat über 4000 Grenzübertritte. In den Vergleichsmonaten des Vorjahres waren es viermal weniger. Seit Jahren wird der Darién Gap von vielen, die in Richtung USA migrieren wollen, als Route gewählt. Menschen aus China, Pakistan oder dem Kongo fliegen erst nach Ecuador, wo sie leicht an ein Visum kommen. Anschliessend fahren sie mit Bussen nach Norden zum Nadelöhr im Urwald. 2021 waren es jedoch vor allem 10

KARIBISCHES MEER

die Haitianer*innen, die den Weg auf sich nahmen. Viele von ihnen hatten wegen dem Erdbeben von 2010, der anhaltenden Gang-Gewalt oder der politischen Instabilität ihre Heimat verlassen. Sie kamen nach Südamerika, bauten sich ein zweites Leben auf. Doch Chile, eines der Hauptaufnahmeländer, verschärfte bald seine Visabestimmungen. Und mit dem Coronavirus brach die informelle Wirtschaft Lateinamerikas zusammen. Viele Haitianer*innen standen wieder vor einem Trümmerhaufen. Es blieb ihnen einzig die Hoffnung, die sie in Richtung USA treiben sollte. Ihrer dritten Heimat. Doch in den USA hatte die Politik andere Pläne. Joe Bidens demokratische Regierung übernahm eine vom repu­ blikanischen Vorgänger Donald Trump eingeführte Verordnung. Mit dieser können die USA Migrant*innen innert Stunden ausschaffen. Seit Pandemiebeginn

«Viele sprechen vom amerikanischen Traum. Doch für mich ist es der venezolanische Traum.» ESLY CARILLO

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Mexiko erschwerte den Menschen aus Venezuela die Einreise per Flugzeug. Der Weg durch die grüne Hölle des Darién wurde für mehr Menschen zu einer Option.

wandten die Behörden die Verordnung bei 1,6 Millionen Menschen an. Die Bilder, wie berittene Grenzpolizist*innen am Rio Grande, der die Grenze zwischen Mexiko und USA bildet, Jagd auf Haitianer*innen machten, gingen um die Welt. In Necoclí warteten zwischenzeitlich so viele Migrant*innen auf die Weiterreise in Richtung USA, dass Hausbesitzer*innen angestammte Mieter*innen auf die Strasse stellten, weil sie die Immobilien teurer an Durchreisende vermieten konnten. Fliehen vor der Hyperinflation Inzwischen sind es vorwiegend Venezolaner*innen, die in Necoclí landen. Vor dem Ukraine-Krieg war Syrien das einzige Land vor Venezuela, das 2021 von mehr Menschen verlassen wurde. Allein in Kolumbien leben schätzungsweise 1,7 Millionen Venezolaner*innen, die vor Hyperinflation, der autoritären Regierung von Präsident Surprise 524/22

Nicolás Maduro oder Hunger flohen. Esly Carillo war eine von ihnen. Mit der Armut im Rücken machte sich ihre Familie nach 2015 auf ins Nachbarland. Ihre Situation schien erst vielversprechend: Der Fami­ lienvater fand Arbeit, auch ohne Auf­ enthaltsgenehmigung. Doch die Kinder konnten nicht eingeschult werden. Als «Veneca», eine abwertende Bezeichnung für venezolanische Migrantinnen, sei Esly Carillo beim Amt beschimpft worden: «Verschwinde von hier!» Zurück in Venezuela stand die Mutter vor der Wahl: Was ist wichtiger, Essen zu kaufen oder die Kinder zur Schule zu schicken? Für beides reichte das Geld nicht. Es trieb sie Richtung Norden. «Viele sprechen vom amerikanischen Traum», sagt Carillo jetzt am Strand von Necoclí. «Doch für mich ist es der venezolanische Traum.» Bis vor Kurzem flogen Zehntausende ihrer Landsleute nach Me-

xiko, um von dort zu Fuss die Grenze nach Norden zu überqueren. Doch die Biden-Regierung intervenierte auch hier: Mexiko erschwerte den Venezolaner*innen – auf Druck der USA – die Einreise per Flugzeug. Der Weg durch die grüne Hölle des Darién wurde für mehr Menschen zu einer ernsthaften Option. Den Bewohner*innen von Necoclí kommen die Migrat*innen gelegen. Mit dem Coronavirus wechselte ihre Klientel: Die Tourist*innen blieben fern, die Migrant*innen kamen. Wer genug Geld hat, schläft in einem der Hotels an der Küste. Und wer sich vor Moskitos, Malaria und den Migrationsbehörden schützen möchte, kauft bei Strassenverkäufer*innen Zelte, Insektensprays und eine Hülle für den Reisepass. Alle müssen nach Capurganá, dem Fischerdorf auf der anderen Seite des Golfes von Urabá. Die Boote dorthin legen in Necoclí von zwei Molen 11


ab. Eine für Tourist*innen, die andere für Migrant*innen. Menschen aus Venezuela bezahlen für ein Ticket 50 US-Dollar, solche aus Kolumbien sowie Tourist*innen 25 US-Dollar. Den Bug der Boote ziert ein Schriftzug: «Turismo Responsable». Verantwortungsvoller Tourismus. Geschätzt 120 Millionen US-Dollar sollen die Migrant*innen auf ihrem Weg von Necoclí bis zur Grenze zu Panama 2021 ausgegeben haben. Zwei Realitäten Familie Carillo rechnet mit Kosten von 250 US-Dollar pro Person für die Reise nach Panama, insgesamt also mit 1000 US-Dollar. Das Geld will sie sich mit Betteln und dem Weiterverkauf von Hygienemasken vor einem Supermarkt erarbeiten. Sobald sie es zusammengespart hat, will sie sich rund 50 Meter von ihrem Schlafplatz entfernt an der Mole der Migrant*innen ein-

reihen. Eineinhalb Stunden später, direkt nach dem Boot der Tourist*innen, werden sie den Steg von Capurganá erreichen. Im Fischerdorf existieren zwei Realitäten. Welche man betritt, hängt davon ab, welches Boot man in Necoclí bestiegen hat. Für die Tourist*innen führt der Weg am Ende des Steges nach rechts zum Strand, den Restaurants und den Öko-Resorts. Für die Migrant*innen geht es nach links an den Dorfrand und in den Urwald. «Die Migrant*innen sind praktisch unsichtbar», sagte kürzlich Darwin García, der Vorsitzende von Capurganá, «sogar für uns.» Trotz Polizeipräsenz im Fischerdorf ist es nicht der Staat, dem daran liegt, die Migrant*innen unsichtbar zu machen. Es ist der Clan del Golfo. Das vermutlich mächtigste Verbrechersyndikat Kolumbiens kontrolliert zusammen mit dem mexikanischen Sinaloa-Kartell nicht nur schätzungsweise die Hälfte des kolumbi-

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anischen Kokainexports. Es kontrolliert auch den Alltag in Capurganá und nimmt so von den Migrant*innen einige Millionen US-Dollar ein. Abgesehen davon – und ein paar Schuhen und Jacken am Wegrand – bleibt von den Migrant*innen im Fischerdorf kaum etwas zurück. Die Reiseführer der Migrant*innen, die «Coyotes», verlangen zwar viel Geld für den Weg vom Dorf in den Urwald, etwa 150 US-Doller, je nach Service. Doch sie bieten auch Sicherheit – zumindest bis kurz vor der Grenze. Auf der anderen Seite soll der panamaische Grenzschutz patrouillieren. Einige Coyotes, die es gewagt hatten, die Grenze zu überqueren, wurden wegen Menschenschmuggels vor Gericht gestellt. Sind die Coyotes weg, beginnen die Torturen. Die Luftfeuchtigkeit ist hoch und erdrückend, die Pfade durch den Darién sind schlammig und schwer begehbar, die Routen unübersichtlich und die Ausrüstung aus Necoclí ihr Geld nicht wert. Noch vor der Grenze rauben immer wieder schwer bewaffnete Gruppierungen auch das letzte Geld der Migrant*innen. Hinter der Grenze unterteilen oftmals maskierte Männer die Migrant*innen in Männer und Frauen. Manche Migrantinnen berichten, von bis zu zehn Männern vergewaltigt worden zu sein. «Die Situation ist alarmierend», sagt Claudia Paz y Paz von der Menschenrechtsorganisation Cejil. Denn immer mehr Frauen und Minderjährige durchquerten den Darién. Esly Carillo hat den Darién noch vor sich. «Der Urwald ist gefährlich», das weiss auch sie. «Wir haben keine Angst», ergänzt José, der Vater der Familie. Es fehle nicht mehr viel bis zum Urwald, sind sie sich sicher. Doch seit ihrer Ankunft vor gut einer Woche haben die Carillos und zwei befreundete Familien zehn US-Dollar verdient. Geht es so weiter, trennen sie fast 4000 zusätzliche Dollar, oder weitere 400 Wochen, von der Grenze nach Panama. Und sollten sie es dorthin schaffen, sind es weitere 4000 Kilometer bis zu ihrem Ziel. Dem venezolanischen Traum.

Dieser Artikel wurde finanziell durch den Medienfonds «real21 – Die Welt verstehen» unterstützt.

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Frontex als Symptom Grenzschutz Am 25. Mai stimmen wir über das Frontex-­

Referendum ab. Soll die Schweiz den Ausbau der ­europäischen Grenzschutzagentur unterstützen?

Menschenrechtler*innen finden die Situation alarmierend. Denn neben Männern sind auch immer mehr Frauen und Kinder unterwegs.

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Seit ihrer ersten Volksinitiative 1992 diktiert die SVP, worüber die Schweiz spricht, wenn sie über Migration spricht: Ausschaffungsinitiative, Masseneinwanderungsinitiative, Durchsetzungsinitiative. Die grundlegende Frage lautet stets: Was müssen Ausländer*innen der Schweiz bieten können? Das Frontex-Referendum hält dem entgegen: Lasst uns darüber sprechen, welche Bringschuld wir gegenüber Migrant*innen haben. Diese nicht an den EU-Aussengrenzen ertrinken zu lassen, zum Beispiel. Frontex ist dabei nur ein Aufhänger, ein Symptom. Die Schweiz gehört nicht zur EU, und doch beteiligt sie sich seit 2011 an Frontex, der europäischen Agentur für die Grenzund Küstenwache. Die EU baut Frontex aus. Nun soll sich, wenn es nach Bundesrat und Parlament geht, auch die Schweiz an diesem Ausbau beteiligen. Es liege, so das Argument, im Interesse der Schweiz, bei den Kontrollen der Aussengrenzen und der Bewältigung der Migrationsbewegungen mitzuwirken. Nur so könne die Reisefreiheit im Schengenraum gewährleistet werden. Mehr Sicherheit also, ein besserer Schutz der Grundrechte sogar. In Zahlen hiesse das: Die heute gut sechs Vollzeitstellen der Schweiz würden bis 2027 auf 40 aufgestockt. Insgesamt arbeiten für Frontex über 1500 Leute aus den EU-Mitgliedstaaten. 2021 zahlte die Schweiz 24 Millionen Franken an Frontex, im Jahr 2027 wären es schätzungsweise 61 Millionen Franken. Insgesamt betrug das Budget der Frontex 2021 543 Millionen Euro. 2005, im Jahr nach der Gründung, waren es 6 Millionen Euro. Für das Referendumskomitee rund um das Migrant Solidarity Network in Bern ist Frontex das Symbol der «abschottenden, gewaltvollen europäischen Migrationspolitik», die Migration kriminalisiert, Grenzen militarisiert und an Menschenrechtsverletzungen beteiligt ist. Treffen die Umfrageergebnisse zu, wird das Referendum scheitern. Trotzdem: Das Referendum, so scheint es, will dem Diktat der SVP etwas entgegenstellen und den Diskursraum erweitern. Europa rüstet seine Grenzen auf – griechische Inseln wurden zum Synonym für Elendslager, im Osten prangt Stacheldraht auf Stahlzäunen und die europäischen Exklaven in Afrika werden mit Hightech-Zäunen abgeschirmt. Europa unterstützt die Küstenwache eines von Milizen unterwanderten Bürgerkriegslandes mit Millionen und sorgt dafür, dass afrikanische Staaten ihren Bürger*innen verbieten, Migrant*innen in Richtung Norden zu transportieren. Migrationsmanagement heisst das. Menschenrechte werden, neben der Effizienz, zu einem Thema unter vielen. In diesem Kontext hat die Schweiz unter Aussenminister Ignazio Cassis (FDP) sogar ihre Entwicklungszusammenarbeit dem Migrationsmanagement untergeordnet. Das Geld fliesst nicht mehr dorthin, wo es die Menschen am nötigsten brauchen. Es fliesst dorthin, von wo keine Menschen in die Schweiz kommen sollen. Die Innenpolitik diktiert die Aussenpolitik. Eine Tendenz, die sich quer durch Europas Entwicklungspolitik zieht. Immerhin: Deutschland kündigte kürzlich an, künftig auf die Ausbildung der libyschen Küstenwache zu verzichten. Wegen Bedenken beim Thema «Menschenrechte». SEBASTIAN SELE 13


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Serie: Die Unsichtbaren Wer sind die Menschen, an welche die Schweizer Mittelschicht immer mehr Arbeiten delegiert? Und wieso tut sie das? Eine Artikelreihe über neo-feudale Strukturen und ihre Hintergründe.

«Manchmal fühle ich mich wie ihre Tochter» Sich abzugrenzen ist schwierig, das schlechte Gewissen meldet sich immer wieder. Denn Care-Arbeiterinnen wie Elena A. kommen den Menschen, die sie betreuen, emotional nahe. TEXT KLAUS PETRUS

Als die Familie von Frau K.*, 81 Jahre alt und demenzkrank, Elena A.* fragte, ob sie sich vorstellen könne, im selben Zimmer zu schlafen wie Frau K., wurde ihr eng. Dabei kennt Elena A., 58, Frau K. schon seit gut zwei Jahren. Damals begann Frau K. ihre Sachen zu verlegen, mal war es ein Schlüssel, mal eine Haarbürste, sie reagierte unwirsch auf Geräusche oder wurde aggressiv. Einmal packte sie ihren Enkel an den Haaren, einfach so. In ein Altersheim, das kam für Frau K., die zwischendurch klar und bestimmt ist, nicht infrage. Daraufhin engagierte ihre Tochter übers Internet eine, wie das heisst, «24-Stunden-Betreuung», eine Person, die bei ihrer Mutter wohnt und quasi rund um die Uhr für sie da ist. So kam Elena A. in das Haus von Frau K. – und in ihr Leben. Elena A. macht diese Arbeit seit 13 Jahren, lange war sie in Interlaken, jetzt in der Nähe von Biel. Im Schnitt bleibt sie für einen oder zwei Monate bei Frau K., dann reist sie für drei Wochen zurück nach Rumänien, wo ihr Mann und ihre beiden Söhne leben. Der jüngere ist noch am Studieren; mit dem Geld, das sie in der Pflege verdient, will sie ihn unterstützen. Ihr Mann arbeitet Teilzeit, sein Rücken macht ihm zu schaffen, seit er vor paar Jahren auf dem Bau einen Unfall hatte. Ist Elena A. wieder zurück bei Frau K., macht sie den Haushalt, sie putzt, kauft ein, kocht, bügelt, füttert die Katzen, sie badet Frau K., föhnt ihr Haar, cremt sie ein, sie hört ihr zu oder erzählt von sich, von ihrer Kindheit und wie das war im Kommunismus. Frau K. sei nett und höflich und zivilisiert, sagt Elena A., nur in letzter Zeit, da gebe sie ab. «Sie schreit mich an, sagt unschöne Dinge, in der Nacht muss ich drei- oder viermal aufstehen, sie kann nicht mehr alleine sein. Ich glaube, sie hat Angst vor dem, was noch kommt, vor dem Tod.» Elena A. setzt das zu, sie fühlt sich oft hilflos, ist erschöpft, es plagt sie das schlechte Gewissen. Als sie letzte Weihnachten für vier Tage nach Hause flog, hatte Elena A. das Gefühl, sie müsse eigentlich in Biel sein und nicht Surprise 524/22

FOTO DANIEL SUTTER

in Bukarest. «Ich kenne Frau K. inzwischen besser, als ihre Familie sie kennt. Sie steht mir nahe, manchmal fühle ich mich wie ihre Tochter.» Probleme mit der Abgrenzung Für Bozena Domanska ist die starke emotionale Bindung zwischen Care-Arbeiterinnen und den Personen, die sie betreuen, typisch für diese Art von Arbeit. «Man geht eine intime Beziehung ein, da fällt es schwer, sich einfach abzunabeln.» Die Polin Domanska wurde vor Jahren schweizweit bekannt, als sie in den Medien über ihre Situation als Care-Arbeiterin und die Machenschaften der Vermittlungsagenturen berichtete. Bei der Gewerkschaft VPOD betreut sie seither das Netzwerk «Respekt», das migrantische Care-Arbeiterinnen unterstützt. Abgrenzung sei ein grosses Problem, sie gehe oft einher mit einem schlechten Gewissen, sagt Domanska. «Wir kommen von aussen in ein Haus mit einem Menschen, der krank ist und unsere Hilfe benötigt, deshalb fühlen wir uns verantwortlich. Und das ist ja nicht nur negativ, Helfen ist etwas Schönes.» Probleme mit der Abgrenzung hatte auch Elena A., als sie gefragt wurde, ob sie nicht die Nächte bei Frau K. im selben Zimmer verbringen könne. Unangenehm sei ihr das gewesen, doch sie hat geschwiegen. Aus Sorge, Frau K. könne ihr das verübeln. Und weil sie dieses schlechte Gewissen hat. Ein schlechtes Gewissen plagt auch die Tochter von Frau K., Maria*, 43, Beraterin, geschieden, Mutter eines 13-Jährigen. Bevor sie Elena A. engagierte, hatte sie sich um ihre Mutter gekümmert. Sie machte die grossen Einkäufe, putzte und wusch, holte sie auf eine Autofahrt ab, meist sonntags. «Bis das mit der Demenz und den Wutanfällen kam, da bekam ich Panik und wusste nicht mehr weiter. Ich arbeite Teilzeit, habe mein Kind, muss mir auch so schon jede freie Minute erkaufen. Und mein Bruder kann es nicht gut mit der Mutter.» 15


Dass ihr die eigene Mutter zur Last wird, das würde Maria K. bestreiten. Die Frage aber, was wir den eigenen Eltern schulden, treibe sie schon um. «Ich habe doch auch mein eigenes Leben, musste mir meine Unabhängigkeit erkämpfen. Die Mutter selber zu pflegen, hiesse ja: meine Karriere auf Eis legen. Kann ich das? Will ich das?» Die Antwort auf diese Fragen ist Elena A. Sie, die manchmal von Frau K. als «Mutter» redet, und von der Maria sagt, sie halte ihr einen Spiegel des eigenen Unvermögens hin, vielleicht sogar des Scheiterns – als Tochter und als Frau, die doch diese Rolle als selbstlos aufopferndes Wesen von sich weisen wollte, sie jetzt aber an eine andere Frau delegiert. Das Modell «24-Stunden-Care» schien ihr passend, auch in finanzieller Hinsicht, wie sie einräumt. «Ein Altersheim kostet 10 000 im Monat, das können wir uns nicht leisten.» Die Onlineplattform, über die sie Elena A. gefunden hat, ist eine blosse Vermittlungsagentur, den Arbeitsvertrag hat Maria K. mit der Rumänin selbst ausgehandelt: Fair für beide Seiten, wie sie sagt – jedenfalls im Vergleich dazu, was Elena A. in Rumänien verdienen würde. «Ich bin immer parat» Von einer Win-win-Situation reden auch die Agenturen, wenn sie ihr Angebot mit Slogans wie «Bezahlbare Pflege, unbezahlbare Herzlichkeit» bewerben. Für die Soziologin Sarah Schilliger ist dies beschönigend. «Die Care-Arbeiterinnen müssen Fixkosten in der teuren Schweiz bezahlen – zum Beispiel Krankenkassenbeiträge» (siehe Interview, Seite 18). Komme hinzu, dass die Care-Arbeiterinnen in der Zeit, da sie daheim sind und sich um ihren eigenen Haushalt kümmern müssen, nichts verdienen. «Sie sind nur für die Zeit bezahlt, in der sie in Schweizer Haushalten im Einsatz stehen – ein Monatslohn muss folglich für zwei Monate reichen», so Schilliger. Im Fall von Elena A. heisst das: 3800 Franken minus 990 Franken Kost und Logis, minus 220 Franken Reisekosten, geteilt durch zwei ergibt 1295 Franken. Bozena Domanska vom Netzwerk «Respekt» weiss von rumänischen Frauen, die für 1000 Franken im Monat 24-Stunden-Care-Arbeit verrichten, ohne Abzüge und schwarz. Wie lange Elena A. diese Arbeit noch machen wird, weiss sie nicht. Sie brauche das Geld, die Rente in Rumänien sei mager und allein mit dem Lohn ihres Mannes würden sie nicht über die Runden kommen. Wenn sie von ihrem Alltag erzählt, redet Elena A. oft von Müdigkeit, die von einer permanenten Anspannung herrühre. Geht sie einmal die Woche mit ihrer Bekannten auf einen Kaffee, behält sie das Handy die ganze Zeit in der Hand, falls Frau K. anrufen sollte. «Ich bin immer parat, es könnte ihr ja etwas zustossen, dann muss ich für sie da sein.» Ausser ihre Bekannte und die Tochter von Frau K. trifft sie kaum Menschen, sie verbringt die Tage mit Frau K., die viel schläft und immer weniger redet. Oft sind die Nachrichten und kurzen Videos auf dem Handy ihre einzige Verbindung nach draussen. In letzter Zeit, sagt Elena A., habe sie sich oft vorgestellt, wie es sein wird, wenn Frau K. verstorben ist. Vermutlich werde sie sich erneut um eine Rundum-Pflege in einer Familie bemühen. «Sicher, ich bin auf das Geld angewiesen», sagt Elena A. «Aber das ist nicht alles. Das Gefühl, gebraucht zu werden, ist genauso wichtig.»

* Namen geändert

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Schwer zu regulieren Betreuung in Haushalten unterliegt bisher nicht dem Arbeitsgesetz. Neben 40 000 Sans-Papiers sind mehrere zehntausend Frauen aus Polen, Ungarn, Rumänien und der Slowakei in der Schweiz in der 24-Stunden-Betreuung tätig, die Zahl der Agenturen steigt jährlich an. Die Betreuung in Haushalten ist allerdings nur schwer zu regulieren und zu kontrollieren. Bisher ist sie nicht dem Schweizer Arbeitsrecht unterstellt, was das Bundesgericht diesen Januar jedoch relativiert hat: In einem Urteil kommt es zum Schluss, dass die Arbeit von 24-Stunden-Betreuerinnen, die bei einer Personalleihfirma angestellt sind, dem Arbeitsgesetz unterstellt sei. Das Urteil wird von der Branche angefochten, könnte aber zumindest dazu führen, dass der Bundesrat die Normalarbeitsverträge für 24-Stunden-Care-Arbeiterinnen neu überprüft. Der schweizweit gesetzlich geregelte Mindestlohn für Arbeiten in Privathaushalten liegt derzeit bei 3500 Franken pro Monat. Gewerkschaften raten, sich an Agenturen zu halten, die als Arbeitgeber auftreten, ihren Sitz in der Schweiz haben, eine Bewilligung des jeweiligen Kantons vorweisen können, mindestens zwei Betreuerinnen vermitteln, die sich abwechseln, sowie eine Pauschale von monatlich wenigstens 6000 Franken verrechnen. Das Hilfswerk Caritas stellt mit seinem Programm «Betreuung zuhause» eine umfassende Beratung rund um 24-Stunden-Care-Arbeit zur Verfügung und vermittelt Care-Arbeiterinnen. Für den Fall, dass Familienmitglieder Arbeitgeber (von migrantischen) Angestellten sind, berät die Plattform careinfo.ch über rechtliche Aspekte. Ebenso das von der Gewerkschaft VPOD Basel gegründete Netzwerk «Respekt», das von der polnischen Care-Arbeiterin Bozena Domanska betreut wird. KP

Die Unsichtbaren — eine Serie in mehreren Teilen — Teil 1/Heft 522: Reinigungspersonal — Teil 2/Heft 524: Care-Arbeiterinnen Immer mehr Menschen lagern unliebsame oder wenig angesehene Arbeiten an andere aus: Putzen, Ernte, Care-Arbeit. Weil sie können oder müssen. Wir möchten wissen, wer nun diese Arbeiten verrichtet und unter welchen Bedingungen. Und was dies für Folgen hat.

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Dienst am Menschen Die Zahl der Pflegebedürftigen steigt – die Fragen zu Kosten, Verantwortung und der Vereinbarkeit von Beruf und Familie bleiben ungeklärt. INFOGRAFIK MARINA BRÄM

367 479

44 4

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21

7

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CHF 6000.– sollten Arbeitgeber*innen über Agenturen an Pflegekräfte im Minimum bezahlen.

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Sans-Papiers (Schätzung) arbeiten in Schweizer Privathaushalten. Sie kommen vor allem aus Lateinamerika.

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QUELLEN: BFS; STATISTA; SPITEX; CARITAS; CARE-INFO; INFO-SWISS

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Der Graubereich Seit 2011 stieg die Nachfrage seitens Klient*innen in der Langzeitpflege um rund 80 Prozent. Es gibt mehrere zehntausend 24-Stunden-Care-Arbeiterinnen aus Osteuropa (Polen, Ungarn, der Slowakei oder Rumänien).

Personen wurden 2020 für die häusliche Langzeitpflege als Klient*innen in der Schweiz registriert.

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10 ere ehr m : ch 3 reich rei Privat : 3 Graube 44 be 3 680 3 au r G :9 t iva Pr 654 Privat : 53

CHF 2450.– «Tiefstpreisgarantie» eines unseriösen Anbieters.

3 Pflegestellen waren 2020 pro 1000 Einwohner*innen registriert im Einsatz. Rund 16 Stellen für die Altersgruppe 65+.

24-Stunden-Pflege, Ausgaben pro Monat Pflegeleistung in der Familie Personen, die im Jahr 2018 ihre Eltern/ Schwiegereltern unterstützten, in Prozent. 25–44 Jahre 45–64 Jahre 23,7% 65–80 Jahre

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1

2

Geregelte Arbeitgeber*in 1 Staatlich/gemeinnützig: 2 Spitex:

47,9%

CHF5 13 000.– Auf Anfrage

Gesetzlich geregelter Mindestlohn 3 In Haushalten: CHF 3500.–

64,8% 3 4

Schwarzarbeit 4 Privater Arbeitsvertrag:

CHF ab 1500.–

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«Die 24-Stunden-Betreuung ist nur wegen der prekären Arbeitsbedingungen so günstig» Soziologin Sarah Schilliger erklärt, warum es immer mehr Care-Arbeiterinnen in Schweizer Haushalten gibt, und was sich ändern müsste, damit ihre Situation sich verbessern würde. INTERVIEW KLAUS PETRUS

Sarah Schilliger, in unserem Porträt geht eine Rumänin, die in Biel eine demente Frau rund um die Uhr pflegt, an Weihnachten für ein paar Tage nach Hause nach Bukarest zu ihrer Familie. Trotzdem ist sie in Gedanken bei dieser Frau und hat ein schlechtes Gewissen, sie allein zu lassen. Ist das typisch für diesen Beruf? Sarah Schilliger: Ja, das ist oft zu beobachten. Die Care-Arbeiterinnen – es sind überwiegend Frauen – leben ja meist im Haushalt der Menschen, die sie betreuen. Sie werden zu einer wichtigen Bezugsperson. Es entsteht eine emotionale Nähe, manchmal betrachtet man sie gar als Familienmitglied. Das erschwert es den Care-Arbeiterinnen, ihren Anspruch auf eigene Freizeit und Privatsphäre einzufordern. Grenzen sie sich ab, kann das als Liebesentzug und Distanzierung gewertet werden. Dieses «Prisoner of Love»-Dilemma ist ein Hindernis, wenn es darum geht, sich gegen prekäre Arbeitsbedingungen zu wehren. Was gerade bei der sogenannten 24-Stunden-Betreuung besonders wichtig wäre, denn diese Arbeit ist nur schwer zu regulieren. Weil sie im Privaten stattfindet? Ja, denn in den privaten Haushalten dominieren weiterhin familiäre Normen wie die uneingeschränkte Verfügbarkeit der Hausfrau und der Aspekt der unbezahlten «Arbeit aus Liebe». Wenn die Care-Arbeiterinnen quasi rund um die Uhr und auf Abruf für eine Person da sein müssen, verwischt sich die Grenze zwischen Arbeit und Freizeit. Damit einher geht eine Begrenzung des Lebensraumes und der Bewegungsfreiheit. Care-Arbeiterinnen sind meist an die Wohnung der Person gebunden, die sie betreuen. Sie leiden häufig unter sozialer Isolation und haben wenig Kenntnisse über die ihnen zustehenden Rechte. Gerade die migrantische Care-Arbeit hat in Schweizer Haushalten in den vergangenen Jahren zugenommen. Wieso? Es gibt verschiedene Gründe für die erhöhte Nachfrage. Einerseits wird unsere Gesellschaft immer älter, der Bedarf an Seniorenbetreuung wächst stetig. Andererseits steht die Betreuung durch Familienangehörige – zum Beispiel Töchter – nicht mehr so selbstverständlich zur Verfügung, weil Frauen viel häufiger erwerbstätig sind als früher. Vor allem bei Frauen zwischen 55 und 64 Jahren kommt es zunehmend zu Vereinbarkeitskonflikten zwischen Erwerbsarbeit und Pflege von Angehörigen. Und hier wird die 24-Stunden-Betreuung vermehrt als 18

Option gesehen, um Care-Lücken in Haushalten auszufüllen. Gleichzeitig tragen die erweiterte EU-Personenfreizügigkeit und das starke Wohlstandsgefälle innerhalb von Europa dazu bei, dass ein grosses Reservoir an flexiblen und billigen Arbeitskräften zur Verfügung steht. Sie sprechen von einer Care-Lücke, welche die Migrantinnen schliessen. Was meinen Sie damit? Viele pflegebedürftige Menschen möchten so lange wie möglich in den eigenen vier Wänden bleiben. Nehmen sie einen ambulanten Pflegedienst in Anspruch, machen sie häufig die Erfahrung, dass die Spitex-Mitarbeitenden unter hohem Druck stehen. Für das Zwischenmenschliche bleibt kaum Zeit, weil sie ihre Arbeit sozusagen im Minutentakt abrechnen müssen. Kommerzielle Agenturen versprechen, dass ihre Arbeitskräfte sich umfassend Zeit nehmen können für eine persönliche Umsorgung, sie werben mit dem Slogan «Bezahlbare Pflege, unbezahlbare Herzlichkeit». Doch ist klar, dass die günstige Option einer 24-Stunden-Betreuung nur möglich ist wegen der höchst prekären Arbeitsbedingungen von Migrantinnen. Nur weil der Privathaushalt vom Arbeitsgesetz ausgeschlossen ist, wird es überhaupt möglich, eine einzige Arbeitskraft rund um die Uhr im Einsatz zu halten. Im Altersheim sind dafür drei Schichten à je acht Stunden vorgesehen. Bleiben wir noch bei diesem Slogan der bezahlbaren Pflege und unbezahlbaren Herzlichkeit. Mir fällt auf, dass Agenturen oft mit fragwürdigen Klischees werben: die Frau aus dem Osten, für die Familie und Fürsorge das Wichtigste sei. Woher kommt das? Solche gender- und ethnizitätsspezifischen Stereotype tauchen tatsächlich immer wieder auf: Frauen aus Osteuropa seien quasi von Natur aus fürsorglich und aufopfernd und deshalb besonders geeignet für die Betreuung im Privaten. Dabei wird die Dienstleistung als ein Arrangement verkauft, bei dem die Ideale einer familiären Betreuung aufrechterhalten werden können. Die Agenturen nehmen dabei auch Bezug auf das schlechte Gewissen, das viele Angehörige haben, wenn sie sich überlegen müssen, die Eltern in einem Altersheim unterzubringen. Aber ist das nicht eine klassische Win-win-Situation? Tatsächlich setzt genau hier dieser Win-win-win-Diskurs ein, auf den nicht nur Agenturen, sondern auch Angehörige verweisen und der selbst in der Politik verbreitet ist: Pflegebedürftigen Menschen werde durch eine 24-StunSurprise 524/22


den-Betreuung eine umfassende Umsorgung im eigenen Zuhause ermöglicht, gleichzeitig würden Angehörige entlastet und schliesslich könnten Migrantinnen dank der Beschäftigung in Privathaushalten den prekären Bedingungen in ihrem Herkunftsland entfliehen und ein Vielfaches ihres Lohns im Herkunftsland verdienen. Was in vielerlei Hinsicht beschönigend ist und einiges ausblendet. Woran denken Sie? Punkto Lohn wird ausgeblendet, dass sich in der 24-Stunden-Betreuung ja meistens zwei Care-Arbeiterinnen in einem Rotationssystem alle ein bis drei Monate abwechseln. Sie sind dabei nur für die Zeit bezahlt, in der sie in Schweizer Haushalten im Einsatz stehen – ein Monatslohn muss folglich für zwei Monate reichen. Zudem müssen sie Fixkosten in der teuren Schweiz bezahlen – zum Beispiel Krankenkassenbeiträge. Völlig ignoriert wird zudem die Care-Situation im Herkunftsland. Die migrantischen Care-Arbeiterinnen sind selber mit einer vergleichbaren Situation konfrontiert wie viele Frauen in der Schweiz. Auch sie müssen neben ihrer Erwerbstätigkeit den eigenen Haushalt und die Betreuung von Kindern oder pflegebedürftigen Eltern organisieren. Nur sind sie über Monate weg von zuhause. Kommen sie dann nach ihren Einsätzen zurück, können sie sich meist nicht erholen, sondern sollen die während ihrer Abwesenheit liegengebliebene Hausarbeit erledigen. Oder müssen selber eine Arbeitskraft einstellen, welche die Betreuung der Kinder oder pflegebedürftigen Eltern übernimmt?

BILD: ZVG

«Meist sind Care-Arbeiterinnen gut ausgebildet und geniessen daheim ein hohes soziales Ansehen.» SAR AH SCHILLIGER, 42, ist Soziologin und forscht zu Migra­ tion, Care, Citizenship-Politiken und sozialen Bewegungen. In ihrer Dissertation «Pflegen ohne Grenzen?» (2014) untersuchte sie die Arbeits- und Lebensrealitäten polnischer Care-Arbeiterinnen in der Schweiz. Aktuell leitet sie an der Uni Bern ein internationales Forschungsprojekt, das in zehn europäischen Städten solidarische Projekte in den Bereichen Care, Wohnen und migrantische Rechte untersucht.

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Genau, und oft sind dies Arbeitskräfte, die aus einem noch ärmeren Land kommen – in Polen sind es zum Beispiel Frauen aus der Ukraine. So entstehen globalisierte «Betreuungsketten», wobei die Entlohnung der entrichteten Arbeit entlang dieser Kette typischerweise abnimmt. Bezeichnend ist auch, dass diese Arbeit dabei hauptsächlich in weiblicher Verantwortung bleibt und es kaum zu einer Umverteilung der Care-Arbeit auf die Männer kommt. Oft werden Care-Arbeiterinnen als Menschen dargestellt, die unqualifiziert sind und deren sozialer Status durch die Arbeit, die man ihnen hierzulande verschafft, aufgewertet wird. Gehört das auch zu diesem beschönigenden Diskurs? Ja. Meist sind Care-Arbeiterinnen gut ausgebildet und geniessen daheim ein hohes soziales Ansehen. Das Gegenteil ist also der Fall: Häufig machen die Frauen in der Schweiz einschneidende Erfahrungen der Deklassierung; sie werden marginalisiert, bisweilen auch rassistisch diskriminiert. Es sind also nicht bloss geografische Distanzen, welche die Care-Arbeiterinnen zurücklegen, wenn sie etwa aus Polen in die Schweiz kommen, sondern auch soziale Distanzen. Was muss passieren, damit sich die Situation der Care-Arbeiterinnen nachhaltig verbessert? Man müsste die Care-Arbeit in Haushalten umfassender regulieren und die Care-Arbeiterinnen sozial besser absichern. Es ist unverständlich, weshalb Care-Arbeiterinnen, die in Privathaushalten angestellt sind, weiterhin vom Schweizer Arbeitsgesetz ausgenommen bleiben. Eine bessere Regulierung nützt jedoch nur, wenn die Care-Arbeiterinnen um ihre Rechte wissen und diese einklagen können. Wegweisend hierfür ist das gewerkschaftliche Netzwerk «Respekt@vpod» in Basel, in dem sich in den letzten Jahren polnische Care-Arbeiterinnen organisiert haben. Sie haben erfolgreich vor Gericht die Bezahlung von unbezahlten Überstunden eingefordert und damit die Arbeitsrealitäten in der 24-Stunden-Betreuung auch medial sichtbarer gemacht. Die Care-Arbeiterinnen haben dabei das 24-Stunden-Modell infrage gestellt und stattdessen ein Schichtmodell eingefordert, bei dem ihnen genügend Freizeit, Erholung und das Recht auf eigene Privatsphäre zugestanden wird. Deutlich wurde dabei in meinen Augen einmal mehr, dass wir uns ganz grundsätzliche Gedanken über die Organisation von Care-Arbeit in unserer Gesellschaft machen müssen. Und das heisst? In meinen Augen kann es nicht die Lösung sein, Care zunehmend an einen globalisierten Markt auszulagern und als kapitalistische Dienstleistung zu organisieren, weil die Sorge-Verantwortung damit erneut ins Private geschoben wird und es letzten Endes eine weitere Abwertung dieser Tätigkeit bedeutet. Vielmehr sollten wir über ein grundlegend neues Verhältnis zwischen Erwerbs- und Care-Arbeit nachdenken und materielle sowie zeitliche Strukturen schaffen, die es erlauben, ohne Angst vor Erschöpfung, Armut und Renteneinbussen füreinander zu sorgen. 19



Notizen aus Utopia: Instrumente der Teilhabe Essay Warum wir neue Menschenrechte entwickeln sollten,

die viele Traditionen in sich tragen. TEXT ILIJA TROJANOW

ILLUSTRATION LINA MÜLLER

Es gibt Karten, die unsere Weltsicht durch eine ungewohnte Perspektive oder Projektion in Frage stellen. Wenn man, wie der uruguayische Künstler Joaquín Torres Garcia, Südamerika auf den Kopf dreht, liegt der Kontinent wie ein zulaufendes Gebirgsmassiv mit felsiger Spitze auf dem Äquator, optimistisch nach oben orientiert. Spiegelt man die Welt um den Äquator, erscheint Afrika nicht nur wie die Wiege, sondern auch wie das Zentrum der Menschheit. Wie ausgedehnt die Ozeane unseres Planeten sind, lässt eine weitere Karte durch einen einfachen Trick erkennen: Das Land wird als Meer und das Meer als Land gezeichnet. Karten basieren auf willkürlichen Bestimmungen. Wie würde sich unsere Wahrnehmung verändern, wenn nicht Europa im Zentrum der Weltkarte stünde, eine keineswegs zufällige Konvention, sondern Asien. Sähe Europa dann nicht eher aus wie der Schwanz eines Hundes? Und wer mit wem wedelt, ist tierläufig bekannt. Noch im Mittelalter lag der kartografische Süden in manchen islamischen Karten oben, der Norden unten, bis es zu einer Festlegung im Sinne der machtpolitischen Realitäten kam. Wir haben die eingeschriebenen visuellen Codes der Karten verinnerlicht. In einer globalisierten Welt sind Karten von einer generischen Uniformität, die im Sinne einer zeichenhaften Lingua franca von praktischem Nutzen ist, zugleich aber auch das Stigma ihrer Entstehung in sich trägt, als Frucht und Folge des europäischen Kolonialismus. Ähnlich verhält es sich mit Allgemeinen Menschenrechten, die historisch betrachtet zeitgleich zu einer Politik und Ideologie der Dehumanisierung entwickelt wurden. Da im Zeitalter des Kolonialismus Differenzen zwischen Menschengruppen festgeschrieben und manchmal sogar den Körpern eingeschrieben wurden, werden die Menschenrechte von vielen Intellektuellen im globalen Süden mit einem gewissen Argwohn als Instrument der Beherrschung und als Rhetorik der Heuchelei betrachSurprise 524/22

tet. Humanismus wurde und wird auch als eine Praxis der Erniedrigung wahrgenommen. Wäre es somit nicht an der Zeit für universelle Menschenrechte, die sich aus unterschiedlichen Traditionen speisen und global diskutiert werden? Letzteres ist die utopische Perspektive, weg von der Fixierung auf Differenz – ob sie nun das Aussehen, die Kultur oder die Sprache betrifft – hin zu einer Zukunft der Teilhabe aller, wenn der Mensch im Auge des Menschen nichts weiter ist als Mitmensch. Doch dieses Ziel setzt eine Neuformulierung der Menschenrechte auf Grundlage eines gemeinsamen Nenners voraus, bei dem es nicht nur auf das Endresultat ankommt, sondern auch auf den deliberativen Prozess, bei dem alle zu Wort kommen und Gehör finden. Die Allgemeinen Menschenrechte als individuelle, absolute und inhärente Rechte wurden zwar in der Neuzeit festgelegt, es gab aber Aspekte von kodifizierten Menschenrechten in vielen vorangegangenen Zivilisationen. Einige Beispiele: die Urukagina-Reformen von Lagash (2350 v.u.Z.), der Neo-Sumerische Kodex von Ur-Nammu (2050 v.u.Z.) und der Kodex von Hammurabi (1780 v.u.Z.), jeweils Gesetzestexte, in denen Frauen- und Sklavenrechte formuliert wurden. Der Pharao Bocchoris (725–720 v.u.Z.) stärkte die Gleichberechtigung der Geschlechter und schaffte die Schuldknechtschaft ab. Die frühe Polis des antiken Griechenlands garantierte die Freiheit aller Männer (und Nicht-Sklaven), in politischen Versammlungen zu sprechen und abzustimmen. In Indien liess der König Ashoka nach seiner Konversion zum Buddhismus in vielen Teilen des Landes Stelen mit radikal neuen und wegweisenden Geboten aufstellen: «Hier (in meinem Reich) dürfen keine Lebewesen getötet oder als Opfer dargebracht werden … einige Tiere werden unter Schutz gestellt … Unterholz, in dem Tiere sich verbergen, darf nicht verbrannt werden und Wälder dürfen 21


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«Ein starker Film über Recht und Willkür und über eine Frau, die über sich hinauswächst.» ZDF HEUTE JOURNAL

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weder ohne Grund noch um Lebewesen zu töten abgebrannt werden.» Oder: «Alle Religionen sollten überall verbreitet sein, denn sie alle streben nach Selbstkontrolle und der Reinheit des Herzens. Man sollte den Grundsätzen anderer zuhören und sie respektieren. Der König wünscht, dass jeder gut in den Grundsätzen anderer Religionen geschult sein soll.» In Westafrika existieren seit dem 13. Jahrhundert die mündlich überlieferten Artikel der Charte du Mandé, die faszinierend vielseitige Leitsätze beinhalten, manche wesentlich, andere eher skurril. Ein Beispiel: «Art. 16: Die Frauen sollen an allen Entscheidungen beteiligt sein. Art. 17: Eine Lüge, die seit vierzig Jahren lebt, gilt als Wahrheit.» Wenn kontrovers diskutiert wird, ob andere Traditionen das Prinzip der Menschenrechte in sich tragen, wird eine entscheidende Frage oft übersehen. Es geht nicht darum, ob bestimmte Menschenrechte erwähnt werden, sondern vielmehr darum, ob ein Konzept der Menschenrechte innerhalb einer alternativen Vision des individuellen und sozialen Wohls angelegt ist, und sei es nur als ethischer Anspruch oder politisches Ideal. Es geht z.B. nicht darum, ob der Konfuzianismus zur Gänze mit der Erklärung der Allgemeinen Menschenrechte vereinbar ist, sondern welche Ansätze es darin gibt, die für eine Weltgesellschaft relevant sein können. Der Konfuzius-Schüler Mengzi etwa war überzeugt von der guten menschlichen Natur, er glaubte an die Gleichheit aller Menschen und an ihr Potential, sich zu vervollkommnen: «Die natürlichen Triebe tragen den Keim zum Guten in sich; das ist damit gemeint, wenn die Surprise 524/22


Natur gut genannt wird. Wenn einer Böses tut, so liegt der Fehler nicht in seiner Veranlagung. Das Gefühl des Mitleids ist allen Menschen eigen, das Gefühl der Scham und Abneigung ist allen Menschen eigen, das Gefühl der Achtung und Ehrerbietung ist allen Menschen eigen, das Gefühl der Billigung und Missbilligung ist allen Menschen eigen. Das Gefühl des Mitleids führt zur Liebe, das Gefühl der Scham und Abneigung zur Pflicht, das Gefühl der Achtung und Ehrerbietung zur Schicklichkeit, das Gefühl der Billigung und Missbilligung zur Weisheit. Liebe, Pflicht und Weisheit sind nicht von aussen her uns eingetrichtert, sie sind unsere ursprüngliche Beseeltheit.» Was ist ein Menschenrecht? Zum einen etwas, auf das alle Menschen weltweit ein Anrecht haben, zum anderen aber auch spezifische Normen, die diesen Anspruch gewährleisten. Die meisten Alternativen zum westlichen Modell erfüllen eine dieser zwei Voraussetzungen nicht,

Der Weltensammler Ilija Trojanow, Autor, Übersetzer und Publizist, 1965 in Sofia geboren, aufgewachsen in Nairobi, studierte Jura und Ethnologie in München. 1989 Gründung des Marino Verlags für Bücher über Afrika. Lebte von 1998 – 2003 in Bombay, von 2003 – 2006 in Kapstadt. Seit 2008 in Wien zu Hause. Werke u. a. «Der Weltensammler», «EisTau», «Meine Olympiade», «Macht und Widerstand». Als Letztes erschien der Roman «Doppelte Spur».

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entweder weil sie partikularistisch waren (der Irokesenbund z.B. war zweifelsfrei eine egalitäre Konsensdemokratie, aber nur nach innen), oder weil sie kein konkretes politisches Handeln vorsehen, um dem Ideal des moralischen und materiellen Wohlergehens aller Menschen Geltung zu verschaffen. Das muss aber nicht als Mangel wahrgenommen werden, sondern als Teil eines Verfahrens komplementärer Stärken und Schwächen der jeweiligen Traditionen, die nicht gegeneinander ausgespielt werden, sondern sich gegenseitig befruchten und bereichern. So wie ein Teil der europäischen Aufklärung beeinflusst war von der Beschäftigung mit aussereuropäischen Kulturen, um anhand des fremden Blicks eine Fundamentalkritik an europäischer Herrschaft und Ideologie zu leisten. Solche Zusammenflüsse sollten verstärkt werden, nicht zuletzt deswegen, weil viele Menschen inzwischen nicht einem einzigen althergebrachten Kodex unterliegen, sondern von einem Mix an religiösen, ethischen und politischen Auffassungen geprägt sind. Bei allen regionalen Unterschieden fällt nämlich auf, wie viele Gemeinsamkeiten die unterschiedlichen Ansätze in sich tragen. Es ist gut vorstellbar, dass wir bei einer Diskussion auf Augenhöhe eine Essenz der Menschenrechte entwickeln können, die viele Traditionen in sich trägt und für alle akzeptabel ist als Ausdruck eines eigenen Sehnens. Der Text ist ein Nachdruck der Kolumne «Notizen aus Utopia» aus der Februarausgabe des österreichischen Monatsmagazins Datum und erscheint mit freundlicher Genehmigung. www.datum.at 23


«Es kann auch eine Bürde sein, der Mehrheit anzugehören» Film «Wet Sand» erzählt die Geschichte zweier Männer in Georgien, die ihre Liebe jahrzehntelang geheim halten mussten. Ein Gespräch mit Regisseur*in Elene Naveriani. INTERVIEW MONIKA BETTSCHEN

Eine georgische Dorfgemeinschaft gerät aus allen Fugen, als nach dem Suizid des alten Eliko dessen Homosexualität ans Licht kommt. Doch als seine Enkelin Moe für die Beisetzung eintrifft, rüttelt sie an den verkrusteten Strukturen, bricht das Schweigen und gibt damit den anderen und sich selbst neue Zuversicht. Davon handelt «Wet Sand» von Elene Naveriani.

ein unabhängiger Staat wurde, stürzte das Land in eine Identitätskrise. Um diese zu überwinden, wollte man eine gemeinsame Identität aufbauen. Doch dafür gab es nicht viel: die georgische Sprache, die wirklich einzigartig ist, und die orthodoxe Kirche, die den Kommunist*innen ein Dorn im Auge war und nun zu einem der Werkzeuge wurde, um eine neue Identität aufzubauen.

Elene Naveriani, in «Wet Sand» geht es um eine Liebe, die nicht sein darf. Wie ist die Situation für sexuelle Minderheiten in Georgien? Elene Naveriani: Offiziell hat das georgische Parlament ein Anti-­ Diskriminierungsgesetz zum Schutz von LGBT-Menschen verabschiedet. Doch der Staat nimmt die Verteidigung von Minderheiten nicht wahr. In der Gesellschaft gibt es einen Graben zwischen den Generationen. Die Jungen haben die sozialistische Zeit nicht mehr erlebt, als das sowjetische System alle zum Schweigen brachte, die nicht hineinpassten. Während sie offener sind, ist Homophobie bei den Älteren weit verbreitet. In den 1980er-Jahren entwickelte sich eine starke Unabhängigkeitsbewegung. Als Georgien nach dem Zerfall der Sowjetunion 1991

Eine neue Identität aufzubauen, bedeutet auch, zu definieren, wer dazugehört – und wer nicht. Ja, das ist ein Prozess, der Gefahren birgt. Zum Beispiel den Nationalismus. Und die orthodoxe Kirche nutzt ihre Macht, um ein sehr konservatives Familienmodell zu zementieren. Homosexuelle und queere Menschen fallen durch dieses Raster. Gegen sie wird gehetzt, die extreme Homophobie entlädt sich oft auch gewaltsam. Diese Abneigung gegen «andere», gegen Diversität, hängt wohl mit der Vergangenheit Georgiens als Teil der ehemaligen Sowjetunion zusammen.

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In «Wet Sand» geht die Entmenschlichung so weit, dass nicht einmal im Tod alle gleich sein dürfen. Denn die DorfgemeinSurprise 524/22


Kampf ums Erbe Festival Während drei Tagen zeigt «Kino Kosova»

neun Filme aus dem Kosovo. Sie sollen ein Spiegelbild für die Gesellschaft in der Schweiz sein.

Naveriani wurde 1985 in Georgien geboren und kam 2008 nach Genf, um das Master­studium an der Schule für Kunst und Design (HEAD) fortzusetzen und danach Film zu studieren. Naveriani identifiziert sich als nonbinär. Mit «Wet Sand» gewann die Regisseur*in an den Solothurner Filmtagen den «Prix de Soleure». Gia Agumava erhielt für seine Rolle als Amnon, Elikos grosse Liebe, 2021 in Locarno den Pardo Best Actor. MBE

schaft duldet keinen Homosexuellen auf ihrem Friedhof. Ist diese Entmenschlichung Ziel des Systems? Ich denke, das Ziel der konservativen Kräfte und damit auch der orthodoxen Priester im Land ist genau das: Die Bevölkerung soll zur Überzeugung gelangen, dass es Leute gibt, die nicht gleich menschlich sind. So können Machtstrukturen gefestigt werden, was für sehr viele Menschen mit viel Schmerz verbunden ist. So wie für Eliko und Amnon, die ihre Liebe 22 Jahre lang geheim halten mussten. Oder für Elikos Enkelin Moe, die nach seinem Suizid ins Dorf zurückkehrt und seine tragische Vergangenheit aufdeckt. Und auch andere leiden. Etwa Neli, eine Freundin von Moes Mutter. Zuerst wirkt sie angepasst und wie eine Mitläuferin, doch auch sie ist ein Opfer der Strukturen. Obwohl sie eine Nebenfigur ist, trägt sie viel zur Geschichte bei. Wie kam es dazu? Es war mir sehr wichtig, eine Figur wie Neli im Film zu haben. Sie steht für jene Menschen, die zwar zur Mehrheit gehören wollen, aber im Stillen darunter leiden. In ihr zeigt sich, dass es auch eine Bürde sein kann, der Mehrheit anzugehören. Sie kämpft zwar den Kampf der Mehrheit, doch im Inneren weiss sie, dass dieser nicht richtig ist. Die patriarchale Mentalität und der Stress, den hohen Erwartungen der Mehrheitsgesellschaft zu genügen, lasten schwer auf ihr. Zudem steckt sie in einer lieblosen Ehe fest. Als Moe im Dorf ankommt, gibt Neli ihr zu erkennen, dass auch sie anders ist. Sie bewundert heimlich, wie die junge Moe Missstände und Bigotterie beim Namen nennt. Inspiriert davon findet sie am Ende die Kraft, selber einen ersten Schritt Richtung Freiheit zu tun.

«Wet Sand», Regie: Elene Naveriani, Drama, CH/GEO 2021, 115 Minuten. Läuft seit 5. Mai im Kino. Surprise 524/22

Zugehörigkeiten und Identitäten, Flucht und Exil, Arbeitslosigkeit und patriarchale Strukturen, Familienbeziehungen, die sich festigen, und andere, die sich auflösen: Die neun Filme, die das Festival «Kino Kosova» während drei Tagen in Zürich zeigt, verhandeln nicht nur die grossen Themen der kosovarischen Gesellschaft – dieses jungen Landes, das nach dem Kosovokrieg von 1998 und 1999 seit 2008 unabhängig ist. Die Spiel-, Dokumentar-, Animations- und Kurzfilme greifen auch universelle Themen auf, die Menschen an ganz unterschiedlichen Orten beschäftigen. In «Vera dreams of the sea» etwa begeht Veras Mann Suizid. Die Gebärdensprachdolmetscherin muss nicht nur diesen Verlust verarbeiten, sondern auch gegen patriarchale Bestimmungen kämpfen, denn das Erbe ihres Mannes steht eigentlich nicht ihr zu. Die kosovarische Regisseurin Kaltrina Krasniqi arbeitete sieben Jahre an diesem Film, für den sie in Göteborg den Ingmar-Bergman-Award gewann. Doch Filme wie dieser wurden mit einem sehr kleinen Budget produziert. 2021 sprach die kosovarische Filmförderung 600 000 Euro. Zum Vergleich: In der Schweiz betrug die Filmförderung im gleichen Jahr über 32 Millionen Franken. Die Filme der vorwiegend jungen Regisseur*innen – sechs sind Frauen, zwei Männer – sollen nicht nur Menschen mit einem persönlichen Bezug zum Kosovo ansprechen. Das betont Jonas Beer vom Verein Kulturalink, der «Kino Kosova» nach 2020 und 2021 zum dritten Mal organisiert. Darum habe Kulturalink bewusst Filme mit Themen ausgewählt, die auch in der Schweiz relevant sind. «Wir nutzen den Kosovo als Spiegelbild für die hiesige Gesellschaft», sagt Beer, «ist es manchmal doch einfacher, herausfordernde Themen in der Ferne zu entdecken und dann Parallelen zu sehen.» LEA BILD: HERETIC OUTREACH

BILD: SISTER DISTRIBUTION

BILD: ZVG

Elene Naveriani

Kino Kosova läuft vom 13. bis 15. Mai im Riffraff Kino in Zürich. Im Anschluss an die Filme gibt es Podiumsgespräche mit den Filmschaffenden, moderiert von Journalistin Aleksandra Hiltmann und Filmemacher Ilir Hasanaj. Vom 14. bis 18. September findet «Kino Kosova» dann in Bern unter anderem im Kino Rex, im Kino der Reitschule und in der Cinématte statt. kinokosova.com 25


Schweizweit «Das Tanzfest», Mi bis So, 11.–15. Mai, alle Daten und Spielorte unter: dastanzfest.ch

Ein Tanzfieber erfasst die Schweiz, von Poschiavo über Brig bis hinunter nach Genf und zurück nach Zürich sind über 30 Städte und Gemeinden dabei: Im ganzen Land werden Tanzkurse angeboten und regionale Gruppen treten mit ihren Shows auf. Beim Programm «Out & About» beleben professionelle Tanzstücke den öffentlichen Raum und die Theaterbühnen. Der «Dance Trail» verspricht eine virtuelle Tanzreise und im «SAPA Tanzkino» verschmelzen Film und Tanz miteinander. Sich allein, zu zweit oder in einer Gruppe vom Takt der Musik erfassen zu lassen, bedeutet Lebensfreude pur. Ziel des Tanzfestes ist es denn auch, das Tanzen einem breiten Publikum näherzubringen. Also ab auf die Tanzflächen der Nation – und sind wir besorgt, dass es nicht ein Tanz auf dem Vulkan wird. MBE

Luzern «Zweieinander», Musiktheater (ab 3 Jahren), So, 8. Mai, und So, 22. Mai, 10 Uhr, Luzerner Theater, Theaterstrasse 2. luzernertheater.ch/ zweieinander

wurde später zu diesem besonderen instrumentalen Theaterstück. Einem Theaterstück, bei dem die Kinder nicht nur zuschauen, sondern mit ihrem Körper und ihrer Stimme selber mitwirken dürfen. Musik zum Anfassen. MBE

Am Anfang spielen die beiden Musiker Johannes Stange und Joss Turnbull nebeneinander Trompete und Tombak, während das Publikum einen Kreis um sie herum bildet. So erleben Kinder und Erwachsene aus der Nähe, wie den Instrumenten Musik in ganz unterschiedlichen Formen entlockt wird.

Bern/Online «Invisibile», Ausstellung, bis 21. Mai, Do und Fr, 14 bis 19 Uhr, Sa, 11 bis 15 Uhr, Kunstraum Oktogon, Aarstrasse 96. fragile.ch/ kunstausstellung2022 «Invisibile», digitale Ausstellung bis 31. August. invisibile.ch Der Weg zurück ins Leben nach einer Hirnverletzung ist hart. Erschwerend kommt hinzu, dass man den Betroffenen nicht ansieht, warum sie zum Beispiel länger brauchen für eine Antwort oder fürs Organisieren ihres Alltags. Mit der Kunstausstellung «Invisibile», die gleichzeitig in der Berner Galerie Oktogon und online startet, möchte die Patientenorganisation FRAGILE Suisse deshalb die Öffentlichkeit für das Thema Hirnverletzung sensibilisieren und die Folgen von Hirnschlägen, Schädel-Hirn-Traumata oder

Plötzlich öffnet sich die Runde und zwei Halbkreise entstehen, in denen jeder der Musiker eigene Ideen weiterverfolgt und zum Klingen bringt. Seite an Seite, zweieinander eben. Was als eine sich entwickelnde Improvisation begann,

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Tumoren sichtbar machen. Rund 50 betroffene Künstler*innen beteiligen sich an diesem Projekt und nutzen die Möglichkeit, ihre Gefühle und Gedanken kreativ auszudrücken. Tobias Bachmann ist einer von ihnen. Seit einem Hirnschlag vor dreizehn Jahren hat er eine Sprachstörung. Im künstlerischen Ausdruck hat er eine neue Sprache und ein Ventil gefunden. MBE

Zürich «Augenzeugen, 50 Jahre im Einsatz», Fotoausstellung, bis So, 29. Mai, Mi und So, 12 bis 18 Uhr, Do bis Sa, 12 bis 21 Uhr, Photobastei, Sihlquai 125. photobastei.ch

stellung die Geschichte der Hilfsorganisation und stellt Fotografien der internationalen Fotoagentur Magnum aus. Im Zentrum stehen sieben Fotograf*innen, deren Bilder in Ländern entstanden, wo auch Ärzte ohne Grenzen präsent ist. Ihre aufrüttelnden Arbeiten sind ein Mahnmal für die humanitäre Not, die durch bewaffnete Konflikte, Kriege oder Umweltkatastrophen entsteht. Die Bilder stellen sicher, dass die Öffentlichkeit sie nicht ignorieren kann. So zum Beispiel jene Fotografie, die einen Tag nach dem Brand aufgenommen wurde, der im September 2020 das Lager Moria auf der griechischen Insel Lesbos zerstörte. MBE

Afro-Pfingsten: Konzerttickets zu gewinnen Gewinnen Sie mit etwas Glück 2 von 6 Tickets für die Salsa- und Latin-Night am Do, 2. Juni in Winterthur. Senden Sie uns eine E-Mail oder Postkarte mit dem Betreff «Afro-Pfingsten» und Ihrer Postadresse an info@ surprise.ngo bzw. Surprise, Münzgasse 16, 4051 Basel. Die Gewinner*innen werden ausgelost und schriftlich benachrichtigt. Einsendeschluss ist der 31. Mai 2022. Viel Glück!

Seit 50 Jahren leistet Ärzte ohne Grenzen – Médecins sans Frontières in Krisenregionen weltweit medizinische Hilfe. Zu diesem Anlass dokumentiert diese Fotoaus-

Über den Wettbewerb wird keine Korrespondenz geführt. Ihre Adressdaten werden nicht an Dritte weitergegeben und ausschliesslich von Surprise für Marketingzwecke verwendet.

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BILD(1): GAME THEORY, BILD(2): ANDREAS ETTER, BILD(3): FRANZISKA MARTY, BILD(4): ENRI CANAJ/MAGNUM PHOTOS

Veranstaltungen


haben sich gewehrt und teilweise Aufschub erhalten, verhindern konnten sie das Projekt aber nicht. So wird dieses Einkaufszentrum bald verschwunden sein, ob ein neues entsteht, ist noch nicht sicher. Höhere Renditen bedeuten höhere Mieten, und ob sich das noch rechnet, weiss der Geier.

Tour de Suisse

Pörtner in Zürich Brunaupark Surprise-Standort: Brunaupark-Areal Einwohner*innen: 436 332 Sozialhilfequote in Prozent: 4,8 Anteil ausländische Bevölkerung in Prozent: 32,2 Neubau: auf dem Brunaupark–Areal sollen 500 Wohnungen entstehen

Der Brunaupark ist Teil einer Siedlung, die vor rund dreissig Jahren gebaut wurde. Sie ist nicht brandneu, aber noch durchaus modern. Es gibt überdachte Aussensitzplätze für das Restaurant, vor dem geschlossenen Take-away steht auf einem Plakat: «Schön ihr Lächeln wiederzusehen». Die Zugangstreppe liegt in der Sonne, Menschen verweilen darauf, verbringen die Mittagspause oder vertreiben sich sonstwie die Zeit. Die Restaurantplätze werden durch einen kleinen Wald von Topfpflanzen abgeschirmt, die zu kaufen sind. Ganz einsam steht da ein Olivenbäumchen. Des Weiteren gibt es eine ­Apotheke mit Postanschluss, ein Möbelund Matratzengeschäft und einen Discounter. Ein mittelgrosses Einkaufs­ zentrum also, nicht brandneu, aber doch noch ziemlich modern. Snowboards Surprise 524/22

und Skis werden zurückgegeben, die Saison ist eindeutig vorbei, auch wenn noch einmal Schnee angesagt ist. Die Surprise-Verkäuferin ist gleich am Eingang zum Grossverteiler platziert. Rund um das Gebäude, das vor allem in die Tiefe gebaut ist, stehen Bauprofile. Gegenüber stehen Häuser, die wohl ein knappes Jahrhundert alt und noch immer gut im Schuss sind, von den Balkonen hängen keine Parolenfahnen, sondern Daunenduvets zum Auslüften. Der Brunaupark hingegen wird abge­ rissen. Die Siedlung, ursprünglich von einer Grossbank als Renditeobjekt erstellt, wirft zu wenig ab. Die Immobilienpreise haben sich in den letzten dreissig Jahren dermassen entwickelt, dass mit einer neuen Siedlung viel mehr zu verdienen ist. Die Anwohner*innen

Möglich, dass sich die Leute der Um­ gebung bald nicht mehr mit Sitzgruppen, Hochdruckreinigern oder Basilikum-­ Setzlingen, die zurzeit zum Sonderpreis angeboten werden, eindecken können. Der Platz zwischen den Läden fungiert als Treffpunkt, die Leute kommen und gehen, Einkaufswägelchen rattern über den Belag, das trendige Café hat es schwer gegen das billige. Eine Jogging­ strecke führt quer über den Platz, ebenso gibt es Leute, die etwas ziellos um­ hergehen in der Hoffnung, jemanden zu treffen. Die einen tragen bereits kurze Hosen, die anderen noch Daunenjacken. Es ist Zwischensaison. Ein Bub wird ­offensichtlich gegen seinen Willen zum Einkaufen mitgenommen und zieht mit einer Mischung aus Verachtung und Missmut den Einkaufswagen hinter sich her. Wahrscheinlich wurde dieser Platz, als er eingeweiht wurde, als kalt, künstlich und steril empfunden. Vorher war hier vielleicht eine Wiese, eine gemütliche Beiz, an die sich schon lange niemand mehr erinnern kann. Der Pöstler bringt für einmal keine Post, sondern geht in den verdienten Mittag, die Kollegen sind schon da. Er wird, ganz dem Klischee entsprechend, von einem Hund, der vor dem Discounter angebunden ist, verbellt.

STEPHAN PÖRTNER

Der Zürcher Schriftsteller Stephan Pörtner besucht Surprise-Verkaufsorte und erzählt, wie es dort so ist. 27


IND 0.– S AB 50 ABEI! SIE D

Die 25 positiven Firmen Unsere Vision ist eine solidarische und vielfältige Gesellschaft. Und wir suchen Mitstreiterinnen, um dies gemeinsam zu verwirklichen. Übernehmen Sie als Firma soziale Verantwortung. Unsere positiven Firmen haben dies bereits getan, indem sie Surprise mindestens 500 Franken gespendet haben. Mit diesem Betrag unterstützen Sie Menschen in prekären Lebenssituationen dabei auf ihrem Weg in die Eigenständigkeit. Die Spielregeln: 25 Firmen oder Institutionen werden in jeder Ausgabe des Surprise Strassenmagazins sowie auf unserer Webseite aufgelistet. Kommt ein neuer Spender hinzu, fällt jenes Unternehmen heraus, das am längsten dabei ist.

SURPLUS – DAS NOTWENDIGE EXTRA Das Programm

Wie viele Surprise-Hefte müssten Sie verkaufen, um davon in Würde leben zu können? Hätten Sie die Kraft?

Wussten Sie, dass einige unserer Verkäufer*innen fast ausschliesslich vom Heftverkauf leben und keine Sozialleistungen vom Staat beziehen? Das fordert sehr viel Kraft, Selbstvertrauen sowie konstantes Engagement. Und es verdient besondere Förderung. Mit dem Begleitprogramm SurPlus bieten wir ausgewählten Verkäufer*innen zusätzliche Unterstützung. Sie sind mit Krankentaggeld und Ferien sozial abgesichert und erhalten ein Nahverkehrsabonnement. Bei Problemen im Alltag begleiten wir sie intensiv.

Eine von vielen Geschichten 01

Fontarocca Natursteine, Liestal

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Maya-Recordings, Oberstammheim

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Scherrer & Partner GmbH, Basel

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Brother (Schweiz) AG, Dättwil

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Breite-Apotheke, Basel

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Michael Lüthi Gartengestaltung, Rubigen

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Gemeinnützige Frauen Aarau

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Kaiser Software GmbH, Bern

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Cornelia Metz, Sozialarbeiterin, Chur

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AnyWeb AG, Zürich

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Ref. Kirche, Ittigen

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Farner’s Agrarhandel, Oberstammheim

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BODYALARM - time for a massage

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Sublevaris GmbH, Brigitte Sacchi, Birsfelden

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WBG Siedlung Baumgarten, Bern

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unterwegs GmbH, Aarau

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Hedi Hauswirth Privatpflege Oetwil a.S.

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Fäh & Stalder GmbH, Muttenz

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Praxis C. Widmer, Wettingen

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EVA näht: www.naehgut.ch

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Büro Dudler, Raum- und Verkehrsplanung, Biel

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Evang. Frauenhilfe BL, frauenhilfe-bl.ch

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Lebensraum Interlaken GmbH, Interlaken

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Automation Partner AG, Rheinau

Möchten Sie bei den positiven Firmen aufgelistet werden? Mit einer Spende ab 500 Franken sind Sie dabei. Spendenkonto: PC 12-551455-3 IBAN CH11 0900 0000 1255 1455 3 Surprise, 4051 Basel Zahlungszweck: Positive Firma und Ihr gewünschter Namenseintrag Sie erhalten von uns eine Bestätigung. Kontakt: Caroline Walpen Team Marketing, Fundraising & Kommunikation T +41 61 564 90 53 I marketing@surprise.ngo

Lange bemühte sich Haimanot Mesfin um eine feste Arbeitsstelle in der Schweiz, doch mit einem F-Ausweis sind die Chancen klein. Sozialhilfe kam für sie nie in Frage – sie wollte stets selbstständig im Leben auskommen. Aus diesem Grund verkauft Haimanot Mesfin seit über zehn Jahren das Surprise Strassenmagazin am Bahnhof Bern. Dort steht sie bereits früh morgens und verkauft ihre Magazine. Das Begleitprogramm SurPlus unterstützt sie dabei mit einem ÖV-Abo sowie Ferienund Krankentaggelder. Dank der Begleitung auf dem Berner Surprise-Büro hat sie eine neue Wohnung gefunden. Nach langer Zeit in einer 1-Zimmer-Wohnung haben sie und ihr Sohn nun endlich etwas mehr Platz zu Hause.

Weitere SurPlus-Geschichten lesen Sie unter: surprise.ngo/surplus

Unterstützen Sie das SurPlus-Programm mit einer nachhaltigen Spende Derzeit unterstützt Surprise 21 Verkäufer*innen des Strassenmagazins mit dem SurPlus-Programm. Ihre Geschichten stellen wir Ihnen hier abwechselnd vor. Mit einer Spende von 6000 Franken ermöglichen Sie einer Person, ein Jahr lang am SurPlus-Programm teilzunehmen.

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Wir alle sind Surprise #522: Unser Bild vom Krieg

#520: Die Welt der Bücher

«Krieg fügt vor allem der Zivilbevölkerung Leid zu»

«Deshalb lese ich»

Sie schreiben, dass «die russische Taktik offensichtlich auch die gezielte Vernichtung ziviler Bevölkerungsteile beinhaltet». Eine der wichtigsten Be­stimmungen zum Schutz der Zivilbevölkerung ist Art. 57, Abs. 2, Buchst. a, iii des Zusatzprotokolls zu den Genfer Abkommen vom 12. August 1949: « ... hat von jedem Angriff Abstand zu nehmen, bei dem damit zu rechnen ist, dass er auch Verluste unter der Zivilbevölkerung, die Verwundung von Zivilpersonen, die Beschädigung ziviler Objekte oder mehrere derartige Folgen zusammen verursacht, die in keinem Verhältnis zum erwarteten konkreten und unmittelbaren militärischen Vorteil stehen». Es wäre sehr wünschenswert, wenn eine unabhängige Kommission die russische Taktik im Lichte dieser Bestimmungen überprüfen würde. Es stellt sich aber auch die Frage, ob der Krieg als solcher nicht vor allem der Zivilbevölkerung Leid zufügt. Im Allgemeinen haben wir vom Krieg die Vorstellung eines Schlachtfelds. Aber das bedeutet, dass man viele Dinge vergisst: die Verwüstung der Kulturen, die Plünderungen, die manchmal beim Durchzug bewaffneter Truppen verursacht werden; Hungersnöte, Krankheiten, Mangel an Sani­tätsmaterial; zerrissene Familien, zerbrochene Familienbindungen, Ungewissheit über das Schicksal der Angehörigen; die Traumata, die Zivilisten, insbesondere Kinder, durch bewaffnete Gewalt erleben; den Schmerz über den Verlust von Angehörigen und Freunden; den materiellen und sozialen Verfall, der auf den Gewaltausbruch folgt und der oft jahrelang anhält. Das ist die Realität eines jeden bewaffneten Konflikts und sollte bereits in der Grundschule gelehrt werden, um ein für alle Mal von einer idealisierten Sicht der Waffengewalt wegzukommen.

Als ich die Verkäufer*innenkolumne las, war ich in der Tat überrascht, denn ich erkannte mich in der Beschreibung von Karin Pacozzi über ihre Leidenschaft für Bücher und das Lesen wieder. Es war herzerwärmend zu erfahren, dass es da draussen noch andere gibt, die dem gedruckten Wort so viel Freude abgewinnen können. Da Lesen ein so einsames Vergnügen ist, begegnet man sich nicht oft. Und ich stimme voll und ganz zu, dass es letzten Endes in vielen Büchern um den Kern des Daseins geht: Deshalb lese ich auch.

D. PL AT TNER, Bern

DIE REDAK TION

Impressum Herausgeber Surprise, Münzgasse 16 CH-4051 Basel Geschäftsstelle Basel T +41 61 564 90 90 Mo–Fr 9–12 Uhr info@surprise.ngo, surprise.ngo Regionalstelle Zürich Kanzleistrasse 107, 8004 Zürich T +41 44 242 72 11 M+41 79 636 46 12 Regionalstelle Bern Scheibenstrasse 41, 3014 Bern T +41 31 332 53 93 M+41 79 389 78 02 Soziale Stadtrundgänge Basel: T +41 61 564 90 40 rundgangbs@surprise.ngo Bern: T +41 31 558 53 91 rundgangbe@surprise.ngo Zürich: T +41 44 242 72 14 rundgangzh@surprise.ngo Anzeigenverkauf Stefan Hostettler, 1to1 Media T +41 43 321 28 78 M+41 79 797 94 10 anzeigen@surprise.ngo Redaktion Verantwortlich für diese Ausgabe: Lea Stuber (lea) Diana Frei (dif), Klaus Petrus (kp) Sara Winter Sayilir (win) Reporter*innen: Andres Eberhard (eba), Anina Ritscher (arr) T +41 61 564 90 70 F +41 61 564 90 99 redaktion@strassenmagazin.ch leserbriefe@strassenmagazin.ch

Surprise 524/22

Ständige Mitarbeit Rosmarie Anzenberger (Korrektorat), Simon Berginz, Monika Bettschen, Rahel Nicole Eisenring, Carlo Knöpfel, Yvonne Kunz, Isabel Mosimann, Fatima Moumouni, Stephan Pörtner, Priska Wenger, Christopher Zimmer Mitarbeitende dieser Ausgabe Marina Bräm, Urs Habegger, Kathrin Heierli, Dina Hungerbühler, Lina Müller, Ronald Pizzoferrato, Sebastian Sele, Daniel Sutter, Ilija Trojanow Wiedergabe von Artikeln und Bildern, auch auszugsweise, nur mit Geneh­ migung der Redaktion. Für unverlangte Zusendungen wird jede Haftung abgelehnt. Gestaltung und Bildredaktion Bodara GmbH, Büro für Gebrauchsgrafik Druck AVD Goldach Papier Holmen TRND 2.0, 70 g/m2, FSC®, ISO 14001, PEFC, EU Ecolabel, Reach Auflage 30 300 Abonnemente CHF 189, 25 Ex./Jahr Helfen macht Freude, spenden Sie jetzt. Spendenkonto: PC 12-551455-3 IBAN CH11 0900 0000 1255 1455 3

KEVIN FOSTER, Suhr AG

#523: Traumatisierte Kinder

In eigener Sache Im Interview mit dem Titel «Für einen sicheren Ort braucht es Strukturen und Rituale» wurde mehrfach der sogenannte Traumakoffer erwähnt. Leider ist in der Box am Ende der Verweis auf die Urheberin nicht deutlich geworden, wofür wir uns entschuldi­ gen. Der Koffer wurde von Marianne Herzog, Fachpädagogin für Psychotraumatologie und Autorin der Broschüre «Trauma und Schule», entwickelt und ist hier erhältlich: marianneherzog.com.

Ich möchte Surprise abonnieren 25 Ausgaben zum Preis von CHF 189.– (Europa: CHF 229.–) Verpackung und Versand bieten Strassen­verkäufer*innen ein zusätzliches Einkommen Gönner-Abo für CHF 260.– Geschenkabonnement für: Vorname, Name Strasse PLZ, Ort

Rechnungsadresse: Vorname, Name Strasse PLZ, Ort Telefon E-Mail Datum, Unterschrift 524/22

Bitte heraustrennen und schicken an: Surprise, Münzgasse 16, CH-4051 Basel, info@surprise.ngo

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FOTO: BODARA

Surprise-Porträt

«Mir gefällt die Mentalität» «Ich heisse Naim Manjgafic – das ist zwar kein Schweizer Name, aber doch bin ich Schweizer durch und durch. Ich lebe schon die Hälfte meines Lebens hier und bin stolz auf meinen Schweizer Pass. Ich floh in den 1990er-­ Jahren vor dem Krieg in Bosnien, seither ist die Schweiz mein Zuhause. Ich könnte nicht mehr in Bosnien leben. Mir gefällt die Mentalität hier – nicht ständig diese Nervosität, diese Anspannung. An den grossen bos­ nischen Familienfesten mit lauter Musik, viel Schnaps, Fleisch und Käse bin ich oft überfordert. Ich mag zwar Käse und Feste, aber mir ist der Schweizer Käse lieber – und ruhige Schweizer Feste mit Kaffee und Kuchen. Zudem lebt der grösste Teil meiner Familie ausserhalb von Bosnien. Ein Bruder ist im Bosnien-Krieg umgekommen, ich habe noch einen Bruder in Amerika, ­einen in Russland und zwei meiner Geschwister leben in der Schweiz. Mit ihnen habe ich viel Kontakt. Sonst fällt mir das Pflegen von sozialen Kontakten schwer. Ich hatte vor einigen Jahren einen Arbeits­unfall, ich bin beim Putzen auf den Kopf gefallen. Durch den Aufprall wurde im Gehirn das Sprachzentrum beschädigt. Seither spreche ich nicht mehr so deutlich und vergesse immer wieder Wörter. Zudem sind seit dem Unfall ein Fuss und eine Hand steif. Das verun­sichert die Leute irgendwie. Aus diesem Grund bin ich nicht mehr zu 100 Prozent ­arbeitsfähig. Früher habe ich eine Zeit lang in der Pflege gearbeitet. Danach war ich über zehn Jahre in der Rei­ nigung tätig, unter anderem bei McDonald’s, wo ich den Unfall hatte. Ich hatte bereits in Bosnien einen Arbeitsunfall, dort war ich danach auf mich allein gestellt. Darum schätze ich es, dass die Menschen in der Schweiz Unterstützung erhalten. Wenn du arbeitest, kriegst du Lohn; wenn du einen Unfall hast, wirst du unterstützt. Ich habe von Anfang an hier gearbeitet und mich korrekt verhalten, konnte meinen F-Ausweis in einen B-Ausweis umwandeln, meinen B-Ausweis in eine Niederlassungsbewilligung, und irgendwann wurde ich offiziell Schweizer. Daher möchte ich mich korrekt verhalten und einen Beitrag an das Sozialsystem leisten. Ein kleines Pensum in der Reinigung kann ich noch übernehmen. Ich würde gerne mehr ‹schaffe›, doch das ist wegen meiner körperlichen Behinderung nicht möglich. Seit dreizehn Jahren verkaufe ich Surprise-Hefte. Ich bin manchmal bis zu sechs Tage in der Woche für ­Surprise unterwegs. Nur wenn es fest regnet, reduziere ich mein Pensum. Regen mag ich gar nicht. 30

Naim Manjgafic, 57, verkauft Surprise beim Coop St. Annahof an der Bahnhofstrasse in Zürich und macht gerne Pizza.

Aber die Arbeit für Surprise schon. Der Heftverkauf ist nicht nur ein Nebenjob, sondern auch ein Hobby für mich. Dabei kann ich meine wenigen sozialen Kontakte pflegen, plaudern, Kaffee trinken und ab und zu eine neue Freundschaft knüpfen. Ohne Surprise wäre ich viel öfters allein daheim, das würde mir wahrscheinlich nicht guttun. Ich habe es immer wieder erlebt, dass Leute zuhause aus Langeweile auf dumme Ideen kommen und nur noch rauchen und trinken. Ich will am Leben teilhaben, so gut es geht, und brauche daher einen geregelten Alltag. So freue ich mich am Abend auch auf das Heimkommen. Nach einem anstrengenden Tag bereite ich mir am liebsten eine grosse italienische Pizza mit Schweizer Käse zu. Dabei schätze ich es, dass in der Schweiz ab 22 Uhr eine Nachtruhe gilt. Das Einzige, was mich hier wirklich stört, sind die hohen Mieten. Dass ich mich über solche Dinge beklage, ist auch typisch schweizerisch. Ich bin schweizerischer als viele Einheimische.»

Aufgezeichnet von DINA HUNGERBÜHLER Surprise 524/22


TITO

VOM OBDACHLOSEN ZUM STADTFÜHRER Eine Podcastserie von Surprise in fünf Teilen Episode 1

Episode 4

ABSTURZ

KOMPLIMENT

Episode 2

Episode 5

AUFSTIEG

PREMIERE

Episode 3

CHEFIN

JETZT N ÖRE REINH

Auf Spotify, Apple Podcasts und www.surprise.ngo/tito INS_Kurzportraet_GzD_Layout 1 09.05.17 15:43 Seite 1

Kultur

Solidaritätsgeste

STRASSENCHOR

CAFÉ SURPRISE

Lebensfreude

Entlastung Sozialwerke

BEGLEITUNG UND BERATUNG

Unterstützung

Job

STRASSENMAGAZIN Information

Zugehörigkeitsgefühl Entwicklungsmöglichkeiten

STRASSENFUSSBALL

Expertenrolle

SOZIALE STADTRUNDGÄNGE Perspektivenwechsel

SURPRISE WIRKT Surprise unterstützt seit 1998 sozial benachteiligte Menschen in der Schweiz. Unser Angebot wirkt in doppelter Hinsicht – auf den armutsbetroffenen Menschen und auf die Gesellschaft. Wir arbeiten nicht gewinnorientiert, finanzieren uns ohne staatliche Gelder und sind auf Spenden und Fördergelder angewiesen. Spenden auch Sie.

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Erlebnis


Café Surprise – eine Tasse Solidarität Zwei bezahlen, eine spendieren. BETEILIGTE CAFÉS IN AARAU Rest. Schützenhaus, Aarenaustr. 1 | Rest. Sevilla, Kirchgasse 4 IN ARLESHEIM Café Einzigartig, Ermittagestrasse 2 IN BACHENBÜLACH Kafi Linde, Bachstr. 10 IN BASEL Bäckerei KULT, Riehentorstr. 18 & Elsässerstr. 43 | BackwarenOutlet, Güterstr. 120 | Bioladen Feigenbaum, Wielandplatz 8 Bohemia, Dornacherstr. 255 | Elisabethen, Elisabethenstr. 14 | Flore, Klybeckstr. 5 | frühling, Klybeckstr. 69 | Haltestelle, Gempenstr. 5 | FAZ Gundeli, Dornacherstr. 192 | Oetlinger Buvette, Unterer Rheinweg | Quartiertreff Kleinhüningen, Kleinhüningerstr. 205 | Quartiertreff Lola, Lothringerstr. 63 Les Gareçons to go, Bad. Bahnhof | L‘Ultimo Bacio, Güterstr. 199 | Didi Offensiv, Erasmusplatz 12Café Spalentor, Missionsstr. 1a | HausBAR Markthalle, Steinentorberg 20 | Shöp, Gärtnerstr. 46 | Tellplatz 3, Tellplatz 3 | Treffpunkt Breite, Zürcherstr. 149 Wirth‘s Huus, Colmarerstr. 10 IN BERN Äss-Bar, Länggassstr. 26 & Marktgasse 19 | Burgunderbar, Speichergasse 15 | Generationenhaus, Bahnhofplatz 2 | Hallers brasserie, Hallerstr. 33 | Café Kairo, Dammweg 43 | MARTA, Kramgasse 8 | MondiaL, Eymattstr. 2b | Tscharni, Waldmannstr. 17a | Lehrerzimmer, Waisenhausplatz 30 | LoLa, Lorrainestr. 23 Luna Llena, Scheibenstr. 39 | Brasserie Lorraine, Quartiergasse 17 | Dreigänger, Waldeggstr. 27 | Löscher, Viktoriastr. 70 | Sous le Pont, Neubrückstr. 8 Rösterei, Güterstr. 6 | Treffpunkt Azzurro, Lindenrain 5 | Zentrum 44, Scheibenstr. 44 | Café Paulus, Freiestr. 20 Becanto, Bethlehemstrasse 183 | Phil’s Coffee to go, Standstr. 34 IN BIEL Äss-Bar, Rue du Marché 27 | Inizio, Freiestrasse 2 | Treffpunkt Perron bleu, Florastrasse 32 IN BURGDORF Bohnenrad, Bahnhofplatz & Kronenplatz | Specht, Hofstatt 5 IN CHUR Café Arcas, Ob. Gasse 17 | Calanda, Grabenstr. 19 | Café Caluori, Postgasse 2 | Gansplatz, Goldgasse 22 | Giacometti, Giacomettistr. 32 | Kaffee Klatsch, Gäuggelistr. 1 | Loë, Loestr. 161 | Merz, Bahnhofstr. 22 | Punctum Apérobar, Rabengasse 6 Rätushof, Bahnhofstr. 14 | Sushi Restaurant Nayan, Rabengasse 7 | Café Zschaler, Ob. Gasse 31 IN DIETIKON Mis Kaffi, Bremgartnerstr. 3a IN FRAUENFELD Be You Café, Lindenstr. 8 IN LENZBURG Chlistadt Kafi, Aavorstadt 40 | feines Kleines, Rathausgasse 18 IN LIESTAL Bistro im Jurtensommer, Rheinstr. 20b IN LUZERN Jazzkantine zum Graben, Grabenstr. 8 | Meyer Kulturbeiz & Mairübe, Bundesplatz 3 | Blend Teehaus, Furrengasse 7 | Quai4-Markt, Baselstr. 66 & Alpenquai 4 | Rest. Quai4, Alpenquai 4 | Bistro Quai4, Sempacherstr. 10 | Pastarazzi, Hirschengraben 13 | Netzwerk Neubad, Bireggstr. 36 | Sommerbad Volière, Inseli Park | Rest. Brünig, Industriestr. 3 | Arlecchino, Habsburgerstr. 23 IN MÜNCHENSTEIN Bücher- und Musikbörse, Emil-Frey-Str. 159 IN NIEDERDORF Märtkaffi am Fritigmärt IN OBERRIEDEN Strandbad Oberrieden, Seestr. 47 IN RAPPERSWIL Café good, Marktgasse 11 IN SCHAFFHAUSEN Kammgarn-Beiz, Baumgartenstr. 19 IN STEIN AM RHEIN Raum 18, Kaltenbacherstr. 18 IN ST. GALLEN S’Kafi, Langgasse 11 IN WIL Caritas Markt, Ob. Bahnhofstr. 27 IN WINTERTHUR Bistro Dimensione, Neustadtgasse 25 | Bistro Sein, Industriestr. 1 IN ZUG Bauhütte, Kirchenstrasse 9 Podium 41, Chamerstr. 41 IN ZÜRICH Café Noir, Neugasse 33 | Café Zähringer, Zähringerplatz 11 | Cevi Zürich, Sihlstr. 33 | das GLEIS, Zollstr. 121 | Kiosk Sihlhölzlipark, Manessestrasse 51 | Quartiertr. Enge, Gablerstr. 20 | Quartierzentr. Schütze, Heinrichstr. 238 | Flussbad Unterer Letten, Wasserwerkstr. 141 jenseits im Viadukt, Viaduktstr. 65 | Freud, Schaffhauserstr. 118 | Kumo6, Bucheggplatz 4a | Sport Bar Cafeteria, Kanzleistr. 76 | Zum guten Heinrich Bistro, Birmensdorferstr. 431

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