Journal Jahrgang 2020, Ausgabe 01

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KONGRESSE

ADHS bei Erwachsenen: Langfristig effektiv behandeln, Unfälle vermeiden Zahlreiche epidemiologische Studien zeigen, dass etwa 2 – 4 % der Erwachsenen von einer Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS) betroffen sind. Jedoch wird bei erwachsenen Patienten mit ADHS die Erkrankung noch immer zu oft nicht erkannt und noch seltener leitliniengerecht therapiert. Das ist nicht nur im Hinblick auf die Belastung durch die ADHS-Kernsymptomatik, sondern auch aufgrund des deutlich erhöhten Unfallrisikos ein Problem. Die im Rahmen des DGPPN-Kongresses präsentierte PRADA-Studie zeigt jetzt auch für die deutsche Versorgungslandschaft, dass ADHS-Patienten bei Unfallopfern im Krankenhaus überrepräsentiert sind. Zudem belegen die Langzeitauswertung der COMPAS-Studie sowie deutsche Versorgungsdaten aus der IDEAKohorte, dass die medikamentöse ADHS-Therapie bei Erwachsenen mit Methylphenidat (z.B. Medikinet® adult) langfristig effektiv ist. PRADA-Studie: Unter Unfallopfern ist ADHSPrävalenz doppelt so hoch

„Dass ADHS-Patienten in jedem Alter ein deutlich erhöhtes Unfallrisiko aufweisen, wurde in den letzten Jahren immer besser untersucht und beschrieben“, sagte Professor Sarah Kittel-Schneider, Würzburg. Sie berichtete unter anderem über eine dänische, populationsbasierte Kohorte, in der ge-

zeigt werden konnte, dass das Unfallrisiko bei 10-jährigen Kindern mit ADHS um rund ein Drittel erhöht war. Eine niederländische Studie hat zudem kürzlich gezeigt, dass bei Erwachsenen mit ADHS das Risiko, 3 oder mehr Unfälle zu erleiden, fast dreimal so hoch ist wie bei Erwachsenen ohne ADHS. Kittel-Schneider und Professor Andreas Reif, Frankfurt/Main, haben in der PRADA (Prevalence of ADHD in Accident Victims)Studie jetzt erstmals untersucht, wie häufig eine ADHS bei erwachsenen Menschen ist, die sich aufgrund von Unfällen in Unfallkliniken behandeln lassen müssen. Die Expertin berichtete darüber bei der DGPPN-Jahrestagung in Berlin: „Zu den Besonderheiten unserer Studie gehört, dass wir Unfälle jeglicher Art berücksichtigt haben, nicht nur Verkehrsunfälle.“ Insgesamt füllten 905 Unfallopfer ASRS (Adult Self Report Scale)-Screening-Fragebögen für die ADHS-Diagnostik aus. Bei Nutzung der Kurzform ASRS-SF (Adult Self-Report Scale-short form) zeigte sich eine ADHS-Prävalenz von rund 6,2 %, bei Nutzung der Langversion ASRS-18 waren es sogar 8,3 %. „Die Prävalenz der ADHS bei Unfallopfern ist etwa doppelt so hoch wie in der Allgemeinbevölkerung“, so KittelSchneider. Tatsächlich diagnostiziert war die Erkrankung aber nur bei 0,7 % der Studienteilnehmer bzw. bei jedem fünften mit pathologischem ASRS-SF, und von diesen Patienten erhielt nur jeder dritte eine Pharmakotherapie mit einem Stimulans. Kittel-Schneider stellte vor diesem Hintergrund die Frage zur Diskussion, ob Unfallopfer unter bestimmten Umständen auf ADHS gescreent werden sollten. „Zumindest könnte man darüber nachden-

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ken, ob bei wiederholten Unfällen ein Screening veranlasst werden sollte.“ So könnten Patienten identifiziert werden, denen ggf. mit einer zielgerichteten Therapie geholfen werden kann. Denn epidemiologische Untersuchungen deuten darauf hin, dass eine adäquate ADHS-Therapie mit Stimulanzien dazu beiträgt, das Unfallrisiko der Patienten zu verringern. So war das Unfallrisiko in der dänischen Kohorte in Phasen, in denen die Kinder medikamentös behandelt wurden, um ein Drittel geringer. Darüber hinaus wurde auf Basis von US-amerikanischen Versicherungsdaten berechnet, dass sich durch eine medikamentöse Therapie 22 % aller Autounfälle bei erwachsenen ADHS-Patienten verhindern lassen könnten. COMPAS-Studie: Methylphenidat ist nachhaltig effektiv über 2,5 Jahre

Wie langfristig eine Behandlung mit Methylphenidat bei erwachsenen ADHS-Patienten wirkt, untersuchte die deutsche COMPAS (Comparison of Methylphenidate and Psychotherapy in Adult ADHD Study)-Studie, für die aktuell die Ergebnisse des abschließenden Langzeit-Follow-up über zweieinhalb Jahre publiziert wurden. An der Studie hatten 433 erwachsene ADHS-Patienten teilgenommen, die nach Art eines 2x2-Faktorialdesigns mit Methylphenidat (Medikinet® adult) oder Placebo sowie Gruppenpsychotherapie oder klinischem Management mit Einzelgesprächen behandelt wurden. In der Primärauswertung hatte sich bereits gezeigt, dass durch die medikamentöse Therapie im Vergleich zu Placebo eine statistisch signifikant bessere Kontrolle der © VERLAG PERFUSION GMBH


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