JOURNAL FÜR PHARMAKOLOGIE UND THERAPIE 2-2022

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ISSN 1432-4334 JAHRGANG 31 HEFT 2 April 2022

FÜR PHARMAKOLOGIE UND THERAPIE

JOURNAL OF PHARMACOLOGY AND THERAPY

Psoriasis – eine über die Haut hinausgehende Systemerkrankung Plaque-Psoriasis – den Therapie-Herausforderungen mit flexiblen Behandlungsoptionen begegnen. Interview mit PD Dr. Dr. Felix Lauffer, München Immuntherapie beim fortgeschrittenen NSCLC – breite Wirksamkeit der Erstlinientherapie mit Cemiplimab Patiententypen in der COPD-Therapie: Sind Pink Puffer oder der Blue Bloater noch aktuell? Viralen Atemwegserkrankungen den Kampf ansagen Metastasiertes hormonsensitives Prostatakarzinom: Updates zur Therapie mit Apalutamid plus ADT Triple-negatives Mammakarzinom: Signifikanter Überlebensvorteil durch Sacituzumab Govitecan Estrogene in der kombinierten oralen Kontrazeption: Bioidentisches Estetrol macht den Unterschied Trastuzumab-Deruxtecan – eine neue Option zur Behandlung des VERLAG HER2-positiven Mammakarzinoms Multiple Sklerose: Langzeitdaten bestätigen Sicherheit und Wirksamkeit von Ofatumumab und Siponimod

PERFUSION


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# LOOK BETTER: Erwachsene: Fast 8 von 10 Patienten erreichen PASI 90 in W16 (vs. Ustekinumab). Kinder und Jugendliche: 6 von 10 Patienten erreichen PASI 100 in W12.*, ** § MOVE BETTER: Erwachsene: Hemmung der strukturellen Schädigung bei 88,5 % der Psoriasis-ArthritisPatienten in W24 (vs. Placebo). Kinder und Jugendliche: 7 von 10 Patienten erreichen CDLQI von 0/1 in W24.*, ** ‡ FEEL BETTER: Erwachsene: Bis zu -11,6 DLQI-Reduktion nach W12. Kinder und Jugendliche: 7 von 10 Patienten erreichen CDLQI 0/1 in W24.*, ** * Fachinformation Cosentyx®. ** Alle Zahlenwerte sind aus der offenen, zweiarmigen multizentrischen Studie CAIN457A2311 (Niedrig-Dosis-Arm: Dosierung 75 mg bei einem Körpergewicht < 50 kg und 150 mg bei einem Körpergewicht ≥ 50 kg). ° Optionale 2-wöchentliche Dosierung von 300 mg Cosentyx® für Erwachsene in der Erhaltungsphase. Cosentyx® 75 mg Injektionslösung in einer Fertigspritze, Cosentyx® 150 mg Injektionslösung in einer Fertigspritze, Cosentyx® 150 mg Injektionslösung in einem Fertigpen, Cosentyx® 300 mg Injektionslösung in einer Fertigspritze, Cosentyx® 300 mg Injektionslösung in einem Fertigpen. Wirkstoff: Secukinumab (in Ovarialzellen d. chinesischen Hamsters [CHO-Zellen] produzierter, gegen Interleukin-17A gerichteter, rekombinanter, vollständig humaner monoklonaler Antikörper der IgG1/κ-Klasse). Zus.-setz.: 75/150/300 mg Injektionslösung: Arzneil. wirks. Bestandt.: 1 Fertigspritze enthält 75 mg Secukinumab in 0,5 ml bzw. 1 Fertigspritze/Fertigpen enthält 150 mg Secukinumab in 1 ml bzw. 300 mg Secukinumab in 2 ml. Sonst. Bestandt.: Trehalose-Dihydrat, Histidin, Histidinhydrochlorid-Monohydrat, Methionin, Polysorbat 80, Wasser f. Inj.-zwecke. Anwend.: Für Behandl. von Kdr. und Jugendl. ab einem Alter von 6 J. mit mittelschwerer bis schwerer Plaque-Psoriasis, die für eine system. Ther. in Frage kommen. 150/300 mg Injektionslösung zusätzl.: Behandl. erw. Pat. mit mittelschwerer bis schwerer Plaque- Psoriasis, die für eine system. Ther. in Frage kommen. Behandl. erw. Pat. mit aktiver Psoriasis-Arthritis, allein od. in Kombination mit Methotrexat (MTX), wenn das Ansprechen auf eine vorhergehende Ther. mit krankheitsmodifizierenden Antirheumatika (DMARD) unzureichend gewesen ist. Behandl. erw. Pat. mit aktiver ankylosierender Spondylitis, die auf eine konventionelle Ther. unzureichend angesprochen haben. Behandl. erw. Pat. mit aktiver nicht-röntgenologischer axialer Spondyloarthritis mit objektiven Anzeichen der Entzündung, angezeigt durch erhöhtes C-reaktives Protein (CRP) und/oder Nachweis durch Magnetresonanztomographie (MRT), die unzureichend auf nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR) angesprochen haben. Gegenanz.: Überempfindlichkeitsreakt. gegen d. Wirkstoff od. einen d. sonst. Bestandt. Klinisch relevante, aktive Infekt. (z. B. aktive Tuberkulose). Nebenw.: Sehr häufig: Infekt. d. oberen Atemwege. Häufig: Oraler Herpes, Tinea pedis. Kopfschmerzen. Rhinorrhö. Diarrhö, Übelkeit. Ermüdung. Gelegentl.: Orale Candidose, Otitis externa, Infekt. d. unteren Atemwege. Neutropenie. Konjunktivitis. Entzündl. Darmerkrankungen. Urtikaria. Selten: Anaphylakt. Reakt. Exfoliative Dermatitis, Hypersensitivitätsvaskulitis. Häufigkeit nicht bekannt: Mukokutane Candidose (einschl. ösophageale Candidose). Verschreibungspflichtig. Weit. Angaben: S. Fachinformationen. Stand: Februar 2022 (MS 02/22.19). Novartis Pharma GmbH, Roonstr. 25, 90429 Nürnberg. Tel.: (09 11) 273-0, Fax: (09 11) 273-12 653. www.novartis.de


EDITORIAL

Ende April 2022. Der Krieg in der Ukraine beschert uns seit einem Monat Tag für Tag schreckliche Bilder. Vielleicht noch schlimmer ist die die gefühlte Ohnmacht, das Zusehenmüssen, verbunden mit einem Abgrund an Ängsten, was noch passieren könnte. Und das nach 2 Jahren Pandemie, die uns allen viel abverlangt hat, bevor sie jetzt par ordre du mufti einfach abgeschafft wird. Dabei erweist sich der Anfang des Jahres für Mitte März prophezeite Gipfel der Inzidenz an Neuinfektionen mit SARS-CoV-2 immer noch als Hochplateau. Während über lange Zeit erbittert um Inzidenzgrenzen von 35, 50, 100 oder 165 gerungen wurde, jenseits derer Einschränkungen der persönlichen Freiheit ebenso wie temporäre Berufsverbote für ganze Wirtschaftsbereiche als alternativlos verkauft wurden, limitieren nunmehr vor allem begrenzte Testkapazitäten einen weiteren Anstieg der gemeldeten Zahlen. Wissenschaftlich nicht erklärlich: Wieso stagniert in Deutschland die 7-Tage-Inzidenz pro 100.000 bei 1500 bis 2000, während sie in besser organisierten Nachbarländern dreimal so hoch ist? Ein politischer Offenbarungseid angesichts der Tatsache, dass immer noch jeden Tag mehr Corona-Todesfälle gemeldet werden (und diese Zahl wohl um bis zu Faktor 2 zu niedrig ist!) als Todesfälle in einem ganzen Monat im Straßenverkehr. Es ist zum Davonlaufen! Das scheint auch die Gefühlswelt junger Menschen zu beherrschen, wie eine dpa-Meldung vom 23.4.2022 beschreibt, die landauf landab von allen führenden Medien übernommen wird: „Jüngere würden lieber in der Vergangenheit leben“ [1]. Das jedenfalls ist das Fazit einer Studie der vom Tabakhersteller British American Tobacco (BAT) finanzierten, gemeinnützigen Stiftung für Zukunftsfragen, die über

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Die Pandemie, ein Krieg und das Eden der Vergangenheit Jahrzehnte vor allem Fragestellungen aus Freizeit und Tourismus untersucht, sich in den letzten Jahren aber zunehmend mit „Gesellschaft und Verantwortung“ sowie „Europa und gesellschaftliche Werte“ beschäftigt hat [2]. Eine Mehrheit von 56  % der jungen Erwachsenen (18 – 34 Jahre) würde lieber in der Vergangenheit leben, 44  % in der Zukunft. Vor knapp 10 Jahren sah das ganz anders aus: Da hatte die Zukunft mit 70   % die Nase vorn, nicht einmal ein Drittel (30   %) bevorzugte damals die Vergangenheit. Naheliegend, dass es wohl nie in der näheren Vergangenheit mehr und gewichtigere Gründe gab, Zukunftsängste zu verspüren. Bei genauerer Betrachtung sind die Ergebnisse aber wohl mitnichten eine unmittelbare Konsequenz der aktuellen Bedrohung durch ein neuartiges Virus bzw. einen unberechenbaren Aggressor, vielmehr – so wird der wissenschaftliche Leiter der Stiftung, Ulrich Reinhardt, zitiert – vermissten gerade junge Leute „Zusammenhalt und Gemeinschaft“ und „vielen sei klar, dass Freunde auf Facebook oder Instagram nicht reichten“. Was euphemistisch als „soziale Netzwerke“ bezeichnet wird, sind eben in Wirklichkeit Foren der Einsamkeit. Es wird ja nichts geteilt, es wird hochgeladen. Ein schneller Klick, ein „like“, ist eben keine Basis für „Zusammenhalt und Gemeinschaft“. Eine (verschworene) Gemeinschaft ist geprägt von gegenseitiger Sympathie, Zuneigung, Freundschaft, das Sich-aufeinander-verlassen-Können, das Füreinander-Einstehen. Soziale

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Prof. Dr. med. Karl-Ludwig Resch

Netzwerke sind geprägt von Voyeurismus, Exhibitionismus, Gefühllosigkeit und Respektlosigkeit, von den Gesetzen des Dschungels. Zusammengefasst, in einem Wort: Freiheit. Eben von der Freiheit der verschwurbelten Querdenker, denen Parteien gedankenlos das Wort reden, denen offensichtlich das Wissen um das Wesen der demokratischen Geschichte dieses Landes abhandengekommen ist. Deutschlands Erfolgsrezept nach dem verheerenden Zweiten Weltkrieg war die Solidarität, die soziale Marktwirtschaft, in der Werte den Rahmen steckten, nicht die Freiheit, allen anderen Schaden zufügen zu können. So wichtig es ist, Minderheiten vor den Mehrheiten zu schützen, so wichtig ist es auch, Mehrheiten vor Minderheiten zu schützen. Unsere Straßenverkehrsordnung schränkt die Freiheit des Einzelnen ein, sich

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INHALT

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überall und jederzeit ausleben zu dürfen und z.B. durch Rasen andere in Gefahr zu bringen. Auch alle anderen Gesetze sind so angelegt, dass die Freiheit des Einzelnen ein Korridor ist, der immer dann Grenzen setzt, wenn diese zum Schaden Dritter von einzelnen Menschen überschritten werden. Sie sollten so sein, um nicht gegen das Grundgesetz zu verstoßen. Deshalb kann und darf sich die Politik auch gegenüber einer deletären Viruserkrankung nicht vor der Verantwortung drücken. Sie muss sie übernehmen, um die zu schützen, die nicht selbst dazu in der Lage sind, vor denen, denen Zusammenhalt und Gemeinschaft nichts wert sind. Das sind wir unserer Jugend schuldig. Freiheit ohne Grenzen ist keine wahre Freiheit, sondern Anarchie. Kein Wunder, dass die Vergangenheit so hoch im Kurs steht. Karl-Ludwig Resch, Nürnberg

ÜBERSICHTSARBEIT Psoriasis – eine über die Haut hinausgehende System­ erkrankung 36 Brigitte Söllner

INTERVIEW Plaque-Psoriasis – den Therapie-Herausforderungen mit flexiblen Behandlungsoptionen begegnen 40 Interview mit PD Dr. Dr. Felix Lauffer, München

AKTUELLE THERAPIEKONZEPTE FÜR DIE PRAXIS Immuntherapie beim fortgeschrittenen NSCLC – breite Wirksamkeit der Erstlinientherapie mit Cemiplimab

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Patiententypen in der COPD-Therapie: Sind Pink Puffer oder der Blue Bloater noch aktuell?

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Viralen Atemwegserkrankungen den Kampf ansagen

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Metastasiertes hormonsensitives Prostatakarzinom: Updates zur Therapie mit Apalutamid plus ADT

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NEUE UND BEWÄHRTE ARZNEIMITTEL

Quellen 1 h ttps://www.zdf.de/nachrichten/panorama/jugend-vergangenheit-zukunftumfrage-100.html 2 https://www.stiftungfuerzukunftsfragen. de/forschung/forschungsthemen

Triple-negatives Mammakarzinom: Signifikanter Überlebensvorteil durch Sacituzumab Govitecan

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Estrogene in der kombinierten oralen Kontrazeption: Bioidentisches Estetrol macht den Unterschied

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Trastuzumab-Deruxtecan – eine neue Option zur Behandlung des HER2-positiven Mammakarzinoms

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Multiple Sklerose: Langzeitdaten bestätigen Sicherheit und Wirksamkeit von Ofatumumab und Siponimod

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RUBRIKEN Wissenswertes 41 Kongresse 58

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• LIBTAYO® – die ERSTE und EINZIGE Immuntherapie indiziert für Patienten mit fortgeschrittenem CSCC# und jetzt neu für Patienten mit fortgeschrittenem BCC**, die eine HHI-Therapie aufgrund einer Krankheitsprogression oder Unverträglichkeit abbrechen mussten.1-3 • LIBTAYO® ist zugelassen als 1L-Monotherapie für NSCLC-Patienten mit PD-L1 ≥ 50 % ohne Treiberaberrationen im Stadium IIIB/C, die keine Kandidaten für eine definitive Radiochemotherapie sind, oder im Stadium IV.* • Neue Therapiemöglichkeit für ein breites Patientenkollektiv.1 2 Jahre LIBTAYO® beim fortgeschrittenen CSCC#,1 LIBTAYO® ist indiziert zur Behandlung von erwachsenen Patienten mit metastasiertem oder lokal fortgeschrittenen kutanen Plattenepithelkarzinom (CSCC), die für eine kurative Operation oder kurative Strahlentherapie nicht in Betracht kommen.#,1,2 * LIBTAYO® ist indiziert als Monotherapie für die Erstlinienbehandlung von erwachsenen Patienten mit nicht-kleinzelligem Lungenkarzinom (NSCLC), das PD-L1 (in ≥ 50 % der Tumorzellen) exprimiert und keine EGFR-, ALK- oder ROS1-Aberrationen aufweist. Die Behandlung ist bestimmt für: Patienten mit lokal fortgeschrittenem NSCLC, die keine Kandidaten für eine definitive Radiochemotherapie sind, oder Patienten mit metastasiertem NSCLC.1 ** LIBTAYO® ist indiziert als Monotherapie für die Behandlung von erwachsenen Patienten mit lokal fortgeschrittenem oder metastasiertem Basalzellkarzinom (laBCC, oder mBCC), bei denen eine Krankheitsprogression unter einem Hedgehog-Signalweg-Inhibitor (hedgehog pathway inhibitor, HHI) aufgetreten ist oder die eine Unverträglichkeit gegenüber einem HHI haben.1 # LIBTAYO® ist indiziert als Monotherapie zur Behandlung von erwachsenen Patienten mit metastasiertem oder lokal fortgeschrittenem kutanen Plattenepithelkarzinom (mCSCC oder laCSCC), die für eine kurative Operation oder kurative Strahlentherapie nicht in Betracht kommen.1 LIBTAYO® ist die erste und einzige von der EMA zugelassene Therapie des fortgeschrittenen Plattenepithelkarzinoms (CSCC). 1. Fachinformation LIBTAYO® (Cemiplimab), Januar 2022. 2. Stratigos et al., Eur J Cancer, 2020;128: 83–102. 3. Stratigos et al., Lancet Oncol, 2021;22(6):848–857. ALK = anaplastische Lymphomkinase; BCC = Basalzellkarzinom; CSCC = Plattenepithelkarzinom; EGFR = epidermaler Wachstumsfaktor-Rezeptor; EMA = Europäische Arzneimittel-Agentur; HHI = Hedgehog-Signalweg-Inhibitor; NSCLC = nichtkleinzelliges Lungenkarzinom; PD-L1 = Programmed Death-Ligand 1; ROS1 = c-ros Onkogen. Libtayo 350mg Konzentrat zur Herstellung einer Infusionslösung Wirkstoff: Cemiplimab. Zusammens.: Arzneil. wirks. Bestandt.: 350mg Cemiplimab/ Durchstechflasche (entspr. 50 mg/ml). Cemiplimab wird mittels rekombinanter DNA-Technologie in einer Zellsuspensionskultur aus Ovarialzellen des Chinesischen Hamsters (CHO) hergestellt. Sonst. Bestandt.: Histidin, Histidinhydrochlororid-Monohydrat, Sucrose, Prolin, Polysorbat 80, Wasser für Injektionszwecke. Anw.-geb.: indiziert als Monotherapie zur Behandlung von erwachsenen Patienten mit metastasiertem oder lokal fortgeschrittenem kutanen Plattenepithelkarzinom, die für eine kurative Operation oder kurative Strahlentherapie nicht in Betracht kommen. Indiziert als Monotherapie für die Behandlung von erwachsenen Patienten mit lokal fortgeschrittenem oder metastasiertem Basalzellkarzinom, bei denen eine Krankheitsprogression unter einem Hedgehog-Signalweg-Inhibitor (hedgehog pathway inhibitor, HHI) aufgetreten ist oder die eine Unverträglichkeit gegen einen HHI haben. Indiziert als Monotherapie für die Erstlinienbehandlung von erwachsenen Patienten mit nicht-kleinzelligem Lungenkarzinom, das PD-L1 (in ≥ 50 % der Tumorzellen) exprimiert und keine EGFR-, ALK- oder ROS1-Aberrationen aufweist. Die Behandlung ist bestimmt für: Pat. mit lokal fortgeschr. NSCLC, die keine Kandidaten für eine definitive Radiochemotherapie sind, oder Pat. mit metast. NSCLC. Gegenanz.: Überempfindlichk. geg. d. Wirkst. od. sonst. Bestandt. Nebenw.: Infektionen und para. Erkr.: Sehr häufig: Infektio. obere Atemwege; Häufig: Harnwegsinf.; Erkr. Des Blutes / Lymphsystem: Sehr häufig: Anämie; Immunsyst.: Häufig: Reaktion im Zusammenh. m. einer Infusion. Gelegentl.: Sjögren-Syndrom, immunthrombozytopenische Purpura,. Nicht bek.: Abstoßung e. soliden Organtransplantats.Endokrine Erkr.: Häufig: Hypothyreose, Hyperthyroidismus. Gelegentl.: Nebenniereninsuffizienz, Thyroiditis; Diabetes mellitus Typ 1; Hypophysitis; Nerven: Häufig: Kopfschmerzen; periph. Neuropathie; Gelegentl.: Meningitis; Enzephalitis; Myasthenia gravis; paraneopl. Enzephalomyelitis, chron. entzündl. demyelinisierende Polyradikuloneuropathie,. Augen: Gelegentl.: Keratitis. Herz: Gelegentl.: Myokarditis, Perikarditis; Gefäßerkr.: Häufig: Hypertonie; Stoffwechsel- / Ernährungsstör.: Sehr häufig: Appetit vermindert;. Atemw./Brustr./Mediast.: Sehr häufig: Husten; Häufig: Pneumonitis, Dyspnoe. GIT: Sehr häufig: Übelkeit; Diarrhö, Obstipation; Häufig: Abdominalschmerz, Erbrechen, Stomatitis,Kolitis; Leber/Galle: Häufig: Hepatitis. Haut/Unterhautzellgewebe: Sehr häufig: Ausschlag, Pruritus. Skelett/Bindegew./Knochenerkrank.: Sehr häufig: Schmerzen des Muskel- und Skelettsys.; Häufig: Arthritis, Gelegentl.: muskuläre Schwäche, Myositis, Polymyalgia rheumatica. Nieren/Harnwege: Häufig: Nephritis. Nicht bekannt: nicht-infektiöse Zystitis. Allgem./Beschw. a. Verabreichungsort: Sehr häufig: Ermüdung. Untersuchungen: Häufig: Alanin- u./od. Aspartataminotransferase erhöht, alk. Phosphatase u./od. Kreatinin im Blut erhöht; Gelegentlich: Thyreotropin u./od. Transaminasen u./od. Bilirubin erhöht; Thyreotropin erniedrigt. Verschreibungspflichtig. Inhaber der Zulassung: Regeneron Ireland Designated Activity Company (DAC), One Warrington Place, Dublin 2, D02 HH27, Irland. Örtlicher Vertreter: Sanofi-Aventis Deutschland GmbH, 65926 Frankfurt am Main. Stand: Januar 2022. Dieses Arzneimittel unterliegt einer zusätzlichen Überwachung. Dies ermöglicht eine schnelle Identifizierung neuer Erkenntnisse über die Sicherheit. Angehörige von Gesundheitsberufen sind aufgefordert, jeden Verdachtsfall einer Nebenwirkung zu melden. Sanofi und Regeneron arbeiten gemeinsam an einem globalen Produktentwicklungsprogramm und an der Vermarktung von LIBTAYO®. © 2021 Regeneron Pharmaceuticals, Inc., and Sanofi-Aventis Deutschland GmbH, Lützowstraße 107, 10785 Berlin, Telefon 0800 0436996, www.sanofi.de. All rights reserved. MAT-DE-2103247 V3.0 03/2022 2201_CEM_FN


ÜBERSICHTSARBEIT

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Psoriasis – eine über die Haut hinausgehende Systemerkrankung Brigitte Söllner, Erlangen

D

ie Plaque-Psoriasis zählt weltweit zu den häufigsten chronisch-entzündlichen Erkrankungen der Haut, allein in Deutschland leiden bis zu 2 Millionen Menschen daran [1]. Von der Weltgesundheitsorganisation wird sie als schwere Erkrankung klassifiziert, die eine große physische, emotionale und soziale Belastung für den Alltag mit sich bringen kann und die Lebensqualität der Patienten nachhaltig einschränkt [2, 3]. Charakterisiert durch dicke und großflächige Plaques, eine ausgeprägte Schuppung der Haut, Juckreiz und Hautschmerz ist die Plaque-Psoriasis daher weit mehr als ein ästhetisches Problem (Abb. 1) [4]. Häufig ist der Alltag der Betroffenen von Stigmatisierung durch das soziale Umfeld und Einschränkungen im sozialen Leben geprägt.

Chronische Systemerkrankung mit zahlreichen Manifestationen

Die Ursachen für diese Systemerkrankung sind bis heute noch nicht vollständig geklärt. Ihre Pathogenese gilt jedoch als multifaktoriell bedingt, wobei immunologische und genetische Faktoren sowie die aktuelle Lebenssituation und äußere Einflüsse eine wichtige Rolle spielen [5, 6, 7]: • Genetische Prädisposition – die Erkrankung tritt gehäuft im familiären Umfeld auf • Umweltfaktoren wie Infektionen und Stress oder mechanische Belastungen • Medikamente, Alkoholmissbrauch • Psychische Faktoren Da es sich bei der Psoriasis um eine systemische Erkrankung handelt, kann diese über die Haut hi-

nausgehen und Auswirkungen auf den gesamten Organismus haben. So konnte in den letzten Jahren ein Zusammenhang zwischen der Psoriasis und weiteren systemischen Krankheiten, wie etwa kardiovaskulären Erkrankungen, Adipositas oder dem metabolischen Syndrom, gezeigt werden (Abb. 2) [7, 8]. Auch psychiatrische Krankheiten wie Depressionen sind mit der Psoriasis assoziiert [7]. Psoriasis kann überall am Körper auftreten, betrifft jedoch hauptsächlich die Ellenbogen, Knie, Hände, Füße, das Gesicht, die Kopfhaut und den unteren Rückenbereich (Abb. 3) [9]. Auch ein Befall von Sehnen und Gelenken ist möglich: Bei 3 – 4 von 10 Psoriasis-Patienten manifestiert sich die Erkrankung ebenfalls an den Gelenken [10, 11] und die Betroffenen entwickeln im Verlauf ihrer

Abbildung 1: Bei der Plaque-Psoriasis bilden sich infolge einer übermäßigen Produktion von Hautzellen weißlich-silbrige Schuppen auf verdickten, geröteten Hautflecken. JOURNAL PHARMAKOL. U. THER. 2/2022 · 31. JAHRGANG

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Psoriasis – Breites Spektrum an Begleiterkrankungen Begleiterkrankungen:

36%

40

Arterieller Bluthochdruck:

30

Kardiovaskuläre Erkrankungen:

20

Adipositas:

10

Diabetes:

0

Entzündliche Darmerkrankungen:

13%

18%

12% 1%

Fazit:

Abbildung 2: Psoriasis ist eine Systemerkrankung und betrifft damit nicht nur die Haut, sondern kann sich auch auf den gesamten Organismus Psoriasis ist eine Systemerkrankung undder betrifft damit nicht nur die auswirken – entsprechend breit ist das Spektrum Begleiterkrankungen [7, Haut, 8]. sondern die Krankheit gilt auch als Risikofaktor

Manifestationen der Psoriasis im Überblick für das Auftreten weiterer Erkrankungen und kann sich damit auf den gesamten Organismus auswirken.

Referenzen: 1 Augustin M et al. Acta Derm Venereol 2010;90(2): 147–151. 2 Cohen Ad et al. J Eur Acad Dermatol Venereol 2009;23(5): 561–565.

Manifestationen:

100%1

100

Plaque-Psoriasis:

80

Kopfhaut-Psoriasis:

40 – 90%2

60

Axiale Erkrankung:

5 –25%3

40

Nagel-Psoriasis:

20

Psoriasis-Arthritis:

0

Palmoplantare Psoriasis:

50%4 30 – 41%5, 6 12 –16%7

Fazit: Das Spektrum der klinischen Psoriasis-Manifestationen ist groß. Neben der Kopfhaut, Nägeln sowie Hand- bzw. Fußsohlen, können auch die Gelenke von der Erkrankung befallen sein.

Abbildung 3: Manifestationen der Plaque-Psoriasis [1–7].

Erkrankung eine Psoriasis-Arthritis (PsA). Aufgrund der zahlreichen Manifestationsformen wird die PsA oftmals erst mehrere Jahre nach dem Auftreten der ersten Symptome diagnostiziert [12]. Ohne rechtzeitige und wirkungsvolle Behandlung können dann bereits irreversible Gelenkschäden die Folge sein.

Referenzen: 1 Dufffin KC et al. Poster presented at SDEF 19th Annual Las Vegas Dermatology Seminar 2018. 2 Crowley J. J Drugs Dermatol 2010;9:912;2. 3 Richette P et al. Ann Rheum Dis 2013;72:566;3. 4 Baran R et al. Dermatology 2010;221(Suppl. 1):1. 5 Reich K et al. Br J Dermatol 2009;160:1040;5. 6 Mease PJ et al. J Am Acad Dermatol 2013;69:729;6. 7 Merola JF et al. Dermatol Ther 2018;31:e12589.

Diagnose und Schweregradbeurteilung

Etwa ein Drittel aller Patienten leidet unter einer mittelschweren bis schweren Ausprägung der Psoriasis [12, 13]. Aufgrund der typischen Hautveränderungen lässt sich die Erkrankung in der Regel bereits via Blickdiagnose feststel-

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len. Die Diversität des Erscheinungsbildes ist dennoch groß, wobei Manifestationen an Kopfhaut, Handflächen, Fußsohlen und Nägeln die Betroffenen häufig besonders stark beeinträchtigen. Zur Beurteilung des Schweregrades der Plaque-Psoriasis werden die Größe des befallenen Hautareals durch den BSA (Body Surface © VERLAG PERFUSION GMBH


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Area), die Ausprägung und das Ausmaß der Symptome durch den PASI (Psoriasis Area and Severity Index) sowie die Beeinträchtigung der gesundheitsbezogenen Lebensqualität mittels DLQI (Dermatology Quality of Life Index) bestimmt. Die mittelschwere bis schwere Psoriasis wird dabei über einen BSA >10 oder einen PASI >10 sowie einen DLQI >10 definiert [14]. Der PASI ist auch ein in klinischen Studien häufig bestimmter Parameter, mit dem die Schwere und Ausdehnung der Hautläsionen erfasst werden. Phasensymptomatik

Betroffene mit Psoriasis leiden oftmals unter wiederkehrenden Krankheitsschüben [2]. Diese sogenannte Phasensymptomatik kann auch für die Therapie eine Herausforderung darstellen. Aktuelle Lebenssituationen und äußere Einflüsse können die Symptome der Plaque-Psoriasis maßgeblich beeinflussen. So können bestimmte Stressoren wie Beziehungsprobleme oder Prüfungssituationen und auch Infektionen mögliche Trigger der Krankheitsaktivität darstellen [15]. Daher ist es wichtig, bei schwankendem Ansprechen auf die bisherige Therapie immer auch die derzeitigen Lebensumstände mit in die Behandlungsentscheidung einzubeziehen. Neben einer spezifischen Therapie der Begleit­ erkrankungen ist je nach Krankheitsaktivität auch eine Anpassung der Behandlung z.B. durch eine Dosissteigerung denkbar [14]. Therapieoptionen

Zur symptomatischen Therapie der Plaque-Psoriasis stehen topi-

sche und systemische Wirkstoffe sowie eine UV-Therapie zur Verfügung. Standards für die Therapie der Plaque-Psoriasis wurden in der aktuellen AWMF-S3-Leitlinie festgehalten [14]. Diese empfiehlt bei leichter Plaque-Psoriasis eine topische Behandlung. Bei mittelschwerer bis schwerer Plaque-Psoriasis ist eine topische Therapie allein jedoch oft nicht ausreichend. Um den Leidensdruck der Patienten schnell und wirksam zu reduzieren, sollte rechtzeitig eine effektive und zielgerichtete systemische Therapie eingeleitet werden. Hierfür sind neben konventionellen Medikamenten wie Fumarsäureester (FSE) oder Methotrexat (MTX) auch innovative Biologika zugelassen. Für die Therapie der mittelschweren bis schweren Plaque-Psoriasis stehen mittlerweile verschiedene Biologika-Klassen zur Verfügung – dazu zählen neben den Tumornekrosefaktor-alpha-Inhibitoren auch Interleukin (IL)-23- sowie IL-17AInhibitoren. Zu Letzteren zählt u.a. Secukinumab (Cosentyx®), das für die Erstlinientherapie von erwachsenen Patienten sowie Kindern ab 6 Jahren mit mittelschwerer bis schwerer Plaque-Psoriasis zugelassen ist (Einzelheiten zu Secukinumab siehe Insert auf S. 39). Therapieziele bei mittelschwerer bis schwerer Plaque-Psoriasis

Für die Beurteilung des Behandlungserfolges werden vor allem der PASI sowie der DLQI bestimmt. Beim PASI wird die prozentuale Verbesserung zum Ausgangswert gemessen. Ein PASI 75-Ansprechen ist das mindeste Therapieziel nach Induktionstherapie und sollte im weiteren Verlauf der Behandlung in regelmäßigen Abständen überprüft werden [14].

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Aktuelle Therapieoptionen ermöglichen es heute vielen Patienten mit mittelschwerer bis schwerer Plaque-Psoriasis dauerhaft höhere Therapieziele wie etwa einen PASI 90 oder 100 und damit eine fast völlig oder sogar völlig symptomfreie Haut zu erreichen. Außerdem können viele Patienten eine von der Psoriasis unbeeinträchtigte Lebensqualität erzielen (DLQI 0/1). Je höher der Schweregrad der Erkrankung ist, desto früher sollte mit einer effektiven Therapie begonnen werden. Generelles Therapieziel ist eine erscheinungsfreie Haut und damit auch eine deutliche Verbesserung der Lebensqualität. Zudem gilt die Verhinderung von irreversiblen Gelenkschäden bei einer gleichzeitig auftretenden Psoriasis-Arthritis ebenfalls als oberstes Therapieziel [14]. Besonders Manifestationen wie die palmoplantare Plaque-Psoriasis, die Nagelpsoriasis oder die Kopfhautpsoriasis beeinträchtigen die Lebensqualität der Patienten enorm und stellen den Dermatologen oft vor große therapeutische Herausforderungen. Topische Behandlungsoptionen sind hier häufig ungeeignet. Eine Lokaltherapie an den Handflächen und Fußsohlen oder am Kopf ist nicht zuletzt auch hinsichtlich der korrekten Applikation schwierig. Auch bei der Nagelpsoriasis sind topische Therapien keine Option, da sie nicht in das Nagelorgan eindringen. Da vor allem eine Nagelbeteiligung als klinischer Prädiktor der PsA gilt und das Risiko für einen Gelenkbefall erhöht [16], sollte laut aktueller Leitlinie bei davon betroffenen Patienten frühzeitig eine systemische Therapie eingesetzt werden [14].

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Secukinumab Secukinumab (Cosentyx®) ist ein vollständig humaner monoklonaler IgG1/κ-Antikörper, der selektiv an das proinflammatorische Zytokin Interleukin-17A (IL-17A) bindet und dieses neutralisiert. IL-17A ist ein natürlich vorkommendes Zytokin, das an normalen Entzündungs- und Immunantworten beteiligt ist. Es spielt bei der Pathogenese der Plaque-Psoriasis und Psoriasis-Arthritis eine Schlüsselrolle und ist bei Patienten mit Plaque-Psoriasis in den von Läsionen betroffenen Hautarealen im Gegensatz zu Hautarealen ohne Läsionen sowie im synovialen Gewebe von Patienten mit Psoriasis-Arthritis hochreguliert. Secukinumab wirkt gezielt auf IL-17A und blockiert dessen Interaktion mit dem IL-17-Rezeptor, der auf verschiedenen Zelltypen einschließlich Keratinozyten exprimiert wird. Dadurch hemmt Secukinumab die Ausschüttung von proinflammatorischen Zytokinen, Chemokinen und Mediatoren der Gewebeschädigung und reduziert den IL-17A-vermittelten Beitrag bei Autoimmunkrankheiten und entzündlichen Erkrankungen [19]. Klinisch relevante Secukinumab-Spiegel erreichen die Haut und reduzieren lokale Entzündungsmarker. Als unmittelbare Folge führt die Behandlung mit Secukinumab zu einer Verminderung der bei Plaque-Psoriasis-Herden vorliegenden Erytheme, Verhärtungen und Schuppungen. Seit Februar 2021 steht der IL-17A-Inhibitor auch als 300 mg Fertigpen bzw. 300 mg Fertigspritze zur Verfügung. Damit kann die 300-mg-Dosis von Secukinumab in einer einzigen Injektion verabreicht werden, was die Handhabung für einige Patienten deutlich erleichtert [19]. Im Januar 2022 wurde für das Biologikum ein aktualisiertes Dosierungsschema zugelassen, das es ermöglicht, bei Betroffenen mit einem Körpergewicht ≥90 kg die Dosis von monatlich 300 mg auf 300 mg im zweiwöchentlichen Rhythmus in der Erhaltungsphase flexibel zu erhöhen [20].

Aktuelle Versorgungssituation, Therapietreue und Stigmatisierung

Die DERMLINE-Umfrage, eine Online-Umfrage von PsoriasisPatienten in Deutschland, ergab, dass viele Betroffene unterbehandelt sind und die Erkrankung häufig erst spät diagnostiziert und therapiert wird [17]. Nur 54 % der Befragten gaben an, derzeit bei einem Arzt in Behandlung zu sein. Mit ihrer aktuellen Therapie sind 59 % der Befragten mäßig zufrieden oder unzufrieden. 49 % der Pa-

tienten wünschen sich zudem mehr Zeit im Arztgespräch. Die OnlineUmfrage zeigte auch, dass nur 17 % der Betroffenen mit einem Biologikum behandelt werden. Diese Ergebnisse verdeutlichen, dass der Bedarf an spezifischen Optionen für die Therapie der Psoriasis sehr hoch ist. Neben der Wirksamkeit des Medikaments spielt auch die Therapietreue eine relevante Rolle für die erfolgreiche Behandlung. Um die Therapietreue möglichst positiv zu beeinflussen, sollte der Arzt wissen, was sich die Patien-

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ten von ihrer Therapie wünschen und welche Probleme sie im Alltag beschäftigen. Diesen Fragen ging die Online-Umfrage „Psoriasis and Beyond“ nach, an der fast 5.000 Betroffene aus 20 Ländern teilnahmen. 82 % der befragten PsoriasisPatienten gaben an, dass sie in der Vergangenheit Stigmatisierung und Diskriminierung erlebt haben, und bei 81 % hat die Erkrankung einen erheblichen Einfluss auf ihre zwischenmenschlichen Beziehungen. Dieses Ergebnis verdeutlicht die Notwendigkeit, nicht nur die Symptome der Psoriasis zu lindern, sondern auch die der Erkrankung zu Grunde liegenden Entzündungsmechanismen zu blockieren und so eine komplette Symptomfreiheit zu ermöglichen. Mit dem IL-17A-Inhibitor Secukinumab steht dafür ein Medikament zur Verfügung, das sich auch bei den schwierig zu behandelnden Manifestationen der Psoriasis bzw. Psoriasis-Arthritis als wirksam erwiesen hat [19]. Denn das Wirkprinzip der IL-17A-Inhibition greift direkt und spezifisch in den Signalweg ein, über den das Zytokin IL-17 wichtige pathogenetische Faktoren der Psoriasis wie epidermale Hyperproliferation und Rekrutierung von Neutrophilen induziert und damit die Mechanismen in Gang setzt, die die Psoriasis-typischen Läsionen hervorrufen. Um eine individuelle Therapieanpassung insbesondere bei wiederkehrenden Krankheitsschüben zu ermöglichen, hat die Europäische Arzneimittel-Agentur (EMA) ein aktualisiertes Dosierungsschema für Secukinumab zur Behandlung von mittelschwerer bis schwerer Plaque-Psoriasis bei Erwachsenen ≥90 kg zugelassen, das eine Dosiserhöhung von 300 mg monatlich © VERLAG PERFUSION GMBH


INTERVIEW

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auf 300 mg im zweiwöchentlichen Rhythmus ermöglicht [20].

Literatur 1 Traupe H et al. Robert Koch Institut (RKI). Schuppenflechte. Berlin: RKI; 2002 2 WHO Global Report on Psoriasis, 2016. Im Internet: https://apps.who.int/ 3 Langley RG et al. Ann Rheum Dis 2005;64 (Suppl 2): ii18-23; discussion ii24-15 4 Shields AL et al. JAAD 2011;64:2 (Suppl 1):AB162 5 Nestle FO et al. N Engl J Med 2009; 361:496-509 6 Basavaraj KH et al. Int J Dermatol 2010; 49:1351-1361 7 Kimball AB et al. J Am Acad Dermatol 2008;58:1031-1042 8 Ryan C et al. Dermatol Clin 2015;33:4155 9 von Kiedrowski et al. Der Deutsche Dermatol 2019 (Suppl):1-24 10 Reich K et al. Br J Dermatol 2009; 160:1040-1047 11 Mease PJ et al. J Am Acad Dermatol 2013;69:729-735 12 Ritchlin CT et al. N Engl J Med 2017; 376:957-970 13 Herrier R. Am J Health-Syst Pharm 2011; 68:795-806 14 Nast A et al. Deutsche S3-Leitlinie zur Therapie der Psoriasis vulgaris, adaptiert von EuroGuiDerm 2021 15 Remröd C et al. BMC Dermatol 2015; 15:6 16 Revicki DA et al. Dermatology 2008; 216:260-270 17 Schielein M et al. EADV 2019 (P1699) 18 Armstrong A et al. Fall Clinical Dermatology 2021: Abstract FC21 19 Fachinformation Cosentyx®; Stand: Februar 2022 20 European Commission. Union Register of medical products. https://ec.europa.eu/ health/documents/community-register/ html/h980.htm

Anschrift der Verfasserin: Brigitte Söllner Medizinjournalistin und Wissenschaftliche Lektorin Lärchenweg 10 91058 Erlangen E-Mail: brigitte.soellner@online.de

Plaque-Psoriasis – den Therapie-Herausforderungen mit flexiblen Behandlungsoptionen begegnen Interview mit PD Dr. Dr. Felix Lauffer, München

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ie Symptomatik der PlaquePsoriasis kann durch die aktuelle Lebenssituation des Patienten und äußere Faktoren maßgeblich beeinflusst werden, sodass sich Phasen mit niedriger und solche mit hoher Krankheitsaktivität abwechseln, die für die Therapie eine Herausforderung darstellen. Wie dem schwankenden Therapieansprechen der Patienten in der Praxis begegnet werden kann, erläuterte PD Dr. Dr. Felix Lauffer, Oberarzt an der Klinik für Dermatologie und Allergologie der Technischen Universität München, in einem Gespräch. Herr Dr. Lauffer, was sind Ihrer Meinung nach die größten Herausforderungen in der Therapie der Plaque-Psoriasis? Dr. Lauffer: Uns stehen aktuell sehr gute und sichere Behandlungsoptionen für die Therapie der Plaque-Psoriasis zur Verfügung. Allerdings ist es besonders wichtig zu bedenken, dass die Psoriasis eine chronische Erkrankung ist, unter der die Patienten ein Leben lang leiden. Besondere Herausforderungen im klinischen Alltag sind Patienten, die entweder nicht ausreichend auf eine Therapie ansprechen oder die zunächst zwar

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PD Dr. Dr. Felix Lauffer

gut ansprechen, die Wirkung der Therapie im Verlauf der Behandlung dann jedoch wieder nachlässt. Stichwort Phasensymptomatik: Wie äußert sich diese bei Ihren Patienten und was können die Auslöser dafür sein? Dr. Lauffer: Die Pathogenese der Psoriasis ist multifaktoriell bedingt und neben der genetischen Disposition gibt es viele Faktoren, die den Krankheitsverlauf mit beeinflussen können. Dazu zählen z.B. psychischer Stress, metabolische Komorbiditäten, Gewichtszunahme oder Jahreszeitenwechsel. All dies bedingt, dass sich die Krankheit beim Patienten nicht immer gleich verhält. Im Krankheits© VERLAG PERFUSION GMBH


INTERVIEW / WISSENSWERTES

verlauf kann es immer wieder zu wechselnden Phasen mit niedrigerer und höherer Krankheitsaktivität kommen. Können auftretende Krankheitsschübe auch dazu führen, dass ein Wechsel der Behandlungsoption notwendig wird? Dr. Lauffer: Im klinischen Alltag sehen wir oft, dass sich die Psoriasis auch unter einer wirksamen Systemtherapie immer mal wieder kurzfristig verschlechtert, sodass wir die Fragestellung einer möglichen Therapieumstellung sehr häufig diskutieren. Welche Nachteile können sich unter einem Therapiewechsel für den Patienten ergeben? Dr. Lauffer: Ein zu frühzeitiger Wechsel der Systemtherapie kann dazu führen, dass wir als Be-

Inbrija® – das erste inhalative Levodopa für OFF-Episoden bei Morbus Parkinson Bei vielen Parkinson-Patienten, die als Hauptmedikation eine Kombination aus Levodopa und einem Dopa-Decarboxylase-Hemmer einnehmen, kommt es im Lauf der Jahre zu einem sogenannten ON-OFF-Phänomen. Dabei ist die durch die Medikation bislang gute * Inbrija® ist indiziert für die intermittierende Behandlung von episodischen motorischen Fluktuationen (OFF-Episoden) bei erwachsenen Patienten mit ParkinsonKrankheit, die mit einem Levodopa/DopaDecarboxylase-Hemmer behandelt wer­ den.

handler irgendwann einen Punkt erreichen können, an dem alle verfügbaren Systemtherapien ausgeschöpft sind und dem Patienten damit keine Alternativen mehr zur Verfügung stehen. Gerade in Hinblick darauf, dass unsere Patienten oftmals Jahrzehnte auf eine wirksame Therapie angewiesen sind, sollte diese Problematik unbedingt vermieden werden. Zudem kann ein Therapiewechsel neue Behandlungsintervalle, ggf. häufigere Injektionen und höhere Kosten für das Gesundheitssystem mit sich bringen und mit weiteren bzw. anderen Nebenwirkungen für die Patienten verbunden sein. Herr Dr. Lauffer, wo sehen Sie die größten Vorteile der aktuellen Zulassungsanpassung für Secukinumab? Was wird sich dadurch in der Praxis verändern?

Beweglichkeit in den OFF-Episoden plötzlich eingeschränkt. Für diese Fälle wird ab Mitte 2022 mit Inbrija®* das erste inhalative Levodopa-Medikament in Deutschland zur Verfügung stehen, das intermittierend zur Überbrückung der episodischen motorischen Fluktuationen additiv mit einem speziellen Inhalator verabreicht wird und die Beweglichkeit durch schnelle Anreicherung von Dopamin im Gehirn verbessert. Durch die Inhalation des Levodopa-Pulvers wird der Wirkstoff schnell in den Blutkreislauf transportiert und in das für die Bewegung notwendige Dopamin umgewandelt, sodass es rasch zu einer

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Dr. Lauffer: Die Zulassungsanpassung von Secukinumab ermöglicht es uns als Behandler flexibel auf die Phasensymptomatik der Psoriasis zu reagieren. Wir wissen, dass gerade Patienten mit einem hohen Körpergewicht generell etwas schlechter auf Biologika-Therapien ansprechen. Durch die Anpassung der Zulassung ist es uns nun möglich, auf kurzfristige Verschlechterungen der Psoriasis mit einer kurzfristigen Verkürzung der Behandlungsintervalle zu reagieren und so individuelle und maßgeschneiderte Therapiekonzepte für unsere Patienten zu entwickeln. Dies wird nicht nur bei uns in der Klinik, sondern bei vielen Dermatologen Eingang in die tägliche klinische Praxis finden. Herr Dr. Lauffer, wir danken Ihnen für das informative Gespräch.

Symptomlinderung kommt. In der für die EU zulassungsrelevanten pivotalen klinischen Studie zeigte sich bereits nach 10 Minuten eine Symptomverbesserung im Vergleich zu Placebo mit einem statistisch signifikanten Wirkungsmaximum nach 30 Minuten (10 vs. 6 Punkte, nach Unified ParkinsonSkala, UPDRS, Teil III). Die Wirkung von Inbrija® hielt bis zu 60 Minuten an. Die in klinischen Studien am häufigsten berichteten unerwünschten Wirkungen waren Husten, Sturz, Infektion der oberen Atemwege, Dyskinesie und verfärbtes Sputum. S. M.

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as Lungenkarzinom ist einer der häufigsten bösartigen Tumoren mit einem hohen „medical need“ und einer sehr ungünstigen Prognose im fortgeschrittenen Erkrankungsstadium [1]. Eine standardmäßig als Erstlinientherapie eingesetzte Option für Patienten mit fortgeschrittenem nicht kleinzelligem Lungenkarzinom (NSCLC) ist die Immuntherapie [2, 3, 4]. Sie hat die Ansprechrate und die mediane Überlebenszeit von Patienten mit fortgeschrittenem NSCLC und ohne therapierbare Treibermutation deutlich verbessert und wird bei PD-L1-Positivität als Monotherapie und unabhängig vom PD-L1Status auch als Kombinationstherapie gegeben [5]. Mit der Zulassung des PD(programmed-cell-death)-1-Inhibitors als Cemiplimab (Libtayo®) Erstlinientherapie beim fortgeschrittenen NSCLC mit PD-L1Expression auf ≥50 % der Tumorzellen und ohne therapierbare Treibermutation (EGFR-, ALK-, oder ROS1-Aberration) steht jetzt ein Checkpoint-Inhibitor mit hoher Wirksamkeit bei einem breiten Patientenkollektiv zur Verfügung [6]. Signifikante Verbesserung der Überlebensdaten

Das Besondere an der Zulassung von Cemiplimab ist, dass sie neben den metastasierten Patienten (Stadium IV) auch jene mit lokal fortgeschrittenem NSCLC (Stadium IIIB/C) umfasst, die für eine definitive Radiochemotherapie nicht infrage kommen [6]. Für dieses Kollektiv ist Cemiplimab der einzige zugelassene PD-1-Inhibitor. In der Zulassungsstudie EMPOWER-Lung 1 senkte Cemiplimab das relative Sterberisiko bei Patienten

Immuntherapie beim fortgeschrittenen NSCLC – breite Wirksamkeit der Erstlinientherapie mit Cemiplimab mit PD-L1 ≥50 % gegenüber der Platin-basierten Chemotherapie (Kontrollarm) um 43 % (HR: 0,57; p = 0,0002) [7]. Die mediane Überlebenszeit war zum Auswertungszeitpunkt im Cemiplimab-Arm jeweils noch nicht erreicht und betrug im Chemotherapie-Arm 14,2 Monate, die 24-Monate-OS-Rate war mit 50,4 % vs. 27,1 % deutlich höher (Abb. 1a) [7]. Auch das me-

diane progressionsfreie Überleben war mit 8,2 Monaten unter Cemiplimab gegenüber 5,7 Monaten unter der Chemotherapie signifikant länger (HR: 0,54; p < 0,0001) (Abb. 1b). Bemerkenswert ist, dass sich die signifikanten Überlebensvorteile trotz der hohen Cross-over-Rate von 74 % (der Wechsel von der Chemotherapie zu Cemiplimab

Cemiplimab Cemiplimab (Libtayo®) ist ein monoklonaler humaner IgG4-Antikörper, der an den programmed cell death-1-(PD-1)-Rezeptor auf T-Zellen bindet und dadurch verhindert, dass die Liganden PD-L1 und PD-L2, die auf antigenpräsentierenden Zellen und auch auf Tumorzellen und/oder anderen Zellen in der Tumor-Mikroumgebung exprimiert werden, an PD-1 andocken. Die Bindung zwischen PD-1 und den Liganden PD-L1 und PD-L2 führt zu einer Unterbindung der T-Zell-Funktionen wie z.B. Proliferation, Zytokinausschüttung und zytotoxische Aktivität. Die Blockade dieser Bindung durch Cemiplimab verstärkt die T-Zell-Antwort einschließlich der Anti-Tumor-Antwort [6]. Cemiplimab ist indiziert als Monotherapie für die Erstlinienbehandlung von erwachsenen Patienten mit nicht kleinzelligem Lungenkarzinom (NSCLC), das PD-L1 in ≥50 % der Tumorzellen exprimiert und keine EGFR-, ALK- oder ROS1-Aberrationen aufweist. Die Behandlung ist angezeigt für Patienten mit lokal fortgeschrittenem NSCLC, die keine Kandidaten für eine definitive Radiochemotherapie sind, oder Patienten mit metastasiertem NSCLC. Die empfohlene Dosis beträgt 350 mg Cemiplimab alle 3 Wochen und soll als intravenöse Infusion über einen Zeitraum von 30 Minuten verabreicht werden. Die Behandlung kann bis zum Fortschreiten der Erkrankung oder bis zum Auftreten einer nicht mehr akzeptablen Toxizität fortgesetzt werden [6].

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Gesamtüberleben

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Progressionsfreies Überleben

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Abbildung 1: Ergebnisse der open-label Phase-III-Studie EMPOWER-Lung 1: Cemiplimab (Libtayo®) als Monotherapie führte bei den NSCLC-Patienten mit einer PD-L1-Expression auf ≥50 % der Tumorzellen und ohne therapierbare Treibermutation (EGFR-, ALK-, oder ROS1Aberration) zu einer signifikanten Verbesserung sowohl des medianen Gesamtüberlebens (a) als auch des progressionsfreien Überlebens (b) [7].

war nach Krankheitsprogression erlaubt) auch in der Gesamtpopulation zeigten. Eine explorative Post-hoc-Analyse für die Subgruppe der Patienten im Stadium IIIB/C ergab eine Reduktion des Sterberisikos um 52  % (HR: 0,48; p = 0,09) [8].

Chemotherapie-freie Behandlungsoption mit besserem Sicherheitsprofil

Trotz längerer Therapiedauer (27,3 vs. 17,7 Wochen) war die Rate schwerer therapiebedingter Nebenwirkungen (Grad 3 – 5) unter Cemi-

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plimab mit 14,1 % deutlich niedriger als unter der Chemotherapie mit 39,2 %. Die Häufigkeit schwerer immunvermittelter Nebenwirkungen (Grad 3 – 5) war unter der Immuntherapie mit 3,7 % gegenüber 0,3 % im Kontrollarm gering [7]. © VERLAG PERFUSION GMBH


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AKTUELLE THERAPIEKONZEPTE FÜR DIE PRAXIS

Deutlicher Vorteil auch bei NSCLCPatienten mit Hirnmetastasen

Ein Kollektiv mit besonders ungünstiger Prognose sind NSCLCPatienten mit stabilen Hirnmetastasen. Diese Patienten können auch besonders deutlich von der Cemiplimab-Monotherapie profitieren: Eine Post-hoc-Analyse der EMPOWER-Lung 1-Studie ergab eine relative Reduktion des Sterberisiko um 83 % (HR: 0,17; p = 0,0091; nominaler p-Wert) und eine Verlängerung der Gesamtüberlebenszeit um 7 Monate (18,7 vs. 11,7 Monate) [9]. Benötigen PD-L1-Hochexprimierer eine Kombinationstherapie?

Erstmals wurde im Rahmen der Cemiplimab-Zulassungsstudie prospektiv gezeigt, dass nicht alle PD-L1-hochexprimierenden Patienten (PD-L1 ≥50 %) gleich sind [10]. Bislang gab es hierzu nur retrospektive Auswertungen. Die Monotherapie mit Cemiplimab erwies sich als umso effektiver, je höher die PD-L1-Expression war. Besonders gut sprachen Patienten mit einer PD-L1-Expression ≥90 % auf Cemiplimab an. Die objektive Ansprechrate betrug hier 45,9 % versus 18,1 % unter Chemotherapie. Diese Ergebnisse legen nahe, dass Patienten mit einer PD-L1-Expression >90 % mit einer Immunmonotherapie sehr gut behandelt werden können und keine Kombinationstherapie benötigten. Für den klinischen Alltag ist das von hoher Relevanz, weil die Immunmonotherapie in der Regel gut vertragen wird.

Fazit für die Praxis

Mit Cemiplimab steht eine neue Immunmonotherapie für Patienten mit fortgeschrittenem PD-L1positivem (PD-L1 ≥50 %) NSCLC ohne therapierbare Treibermutation zur Verfügung, die bei einem breiten Patientenkollektiv eine hohe Wirksamkeit zeigt und das Gesamtüberleben sowie das progressionsfreie Überleben im Vergleich zur Chemotherapie um mindestens 50 % verbessern kann. Ob als Erstlinientherapie eine Immunmonotherapie oder eine Kombinationstherapie gewählt wird, sollte sich unter anderem an der Höhe der PD-L1-Expression sowie an den Komorbiditäten und dem Allgemeinzustand der Patienten orientieren. Brigitte Söllner, Erlangen

Literatur 1 Goldstraw P et al. J Thor Oncol 2016; 1:39-51 2 Brahmer J et al. Ann Oncol 2020;31(Suppl 4): S1142-S1215 3 Burdett S et al. J Clin Oncol 2008;26: 4617-4625 4 Bar J et al., J Oncol 2021 Jan 12; 7836264 5 Onkopedia-Leitlinie NSCLC. 2021. https://www.onkopedia.com/de/onkopedia/guidelines/lungenkarzinom-nichtkleinzellignsclc/@@guideline/html/index.html 6 Fachinformation Libtayo®; Stand: Januar 2022 7 Sezer A et al. Lancet 2021;397:592-604 8 Bondarenko I et al. World Conference on Lung Cancer/WCLC) 2021, Poster FP04.03 9 Özgüroglu M et al. virtuelle Jahrestagung der Amerikanischen Gesellschaft für klinische Onkologie (ASCO), 04.– 08.06.2021. Abstract/Poster #9085 10 Sezer A et al, Ann Oncol 2020, 31(Suppl 4):S1142-S1215

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OPD ist eine komplexe Erkrankung mit einer Vielfalt von intra- und extrapulmonalen Komponenten. Diese Diversität macht es schwer, den einen COPDPatienten zu fassen. Bereits in den 1960er Jahren wurden deshalb unterschiedliche Patiententypen wie der Pink Puffer oder der Blue Bloater beschrieben. Für die COPDTherapie sind diese Patiententypen mehr und mehr in den Hintergrund gerückt. Doch in welchen Fällen können sie nach wie vor ihre Berechtigung haben? Bei welchen Patienten-Merkmalen kann z.B. eine duale Bronchodilatation, wie mit Brimica® Genuair® (Aclidinium/ Formoterol), sinnvoll sein? „Rosa Schnaufer“ und „Blauer Huster“

Der Pink Puffer weist in der Regel eine schlanke bis abgemagerte Statur auf und leidet primär unter Dyspnoe. Diese Luftnot kann Resultat eines Emphysems sein, das unabhängig vom Schweregrad zu einem schnellen jährlichen FEV1Verlust beitragen kann. Weitere Kennzeichen des Pink Puffers sind die Vergrößerung der Lungenvolumina und die Störung der Diffusionskapazität für Kohlenstoffmonoxid [1]. Ganz anders stellt sich der Blue Bloater (chronischer Bronchiti© VERLAG PERFUSION GMBH


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Patiententypen in der COPD-Therapie:

Sind Pink Puffer oder der Blue Bloater noch aktuell?

ker) dar. Charakterisiert durch eine massige Gestalt, leidet er vorrangig an ausgeprägter Schleimüberproduktion. Durch das häufige Auftreten einer Hyperkapnie und Hypoxämie entwickelt der Blue Bloater sekundär zum Teil eine pulmonale Hypertonie und kardiovaskuläre Komorbiditäten [1]. Patient ist nicht gleich Patient

Können COPD-Patienten immer ganz klar einem Typus zugeordnet werden? Viele Patienten weisen – in unterschiedlichem Ausmaß – sowohl ein Lungenemphysem als auch eine chronische Bronchitis auf oder besitzen zusätzliche Merkmale. Also scheint die Antwort ganz klar Nein zu sein. Dennoch zeigte eine Studie mit 331 COPD-Patienten, dass bei 43,2 % ein Emphysem dominierte und bei 44,7 % eine chronische Bronchitis [2]. Noch interessanter als die Frage nach der Dominanz der Charakteristika ist jedoch der Sinn der Stereotypisierung. Die Verbesserung der Therapie könnte das zentrale Argument sein. So wiesen Siafakas und Kollegen darauf hin, dass inflammatorische Patiententypen wie z.B. der chronische Bronchitiker ein inhalatives Kortikoid (ICS) benötigen [3]. Auch in einer Subgruppenanalyse der TRIBUTE-

Studie konnte mit der ICS-haltigen Triple-Therapie (Glycopyrronium/ Formoterolfumarat/Beclometason) eine signifikante Reduktion der Exazerbationsrate im Vergleich zu einem langwirksamen Anticholinergikum (LAMA)/langwirksamen Beta-2-Mimetikum (LABA) (Glycopyrronium/Indacaterol) erreicht werden [4]. Anders sieht die Studienlage bei COPD-Patienten mit Emphysem aus. Bei ihnen zeigte die TripleTherapie (Glycopyrronium/Formoterolfumarat/Beclometason) keinen signifikanten Vorteil gegenüber LAMA/LABA (Glycopyrronium/Indacaterol) hinsichtlich der Exazerbationssenkung [4]. In einer weiteren Publikation wiesen die Autoren sogar darauf hin, dass ein COPD-Patient mit Emphysem, der von Dyspnoe und Lungenüberblähung betroffen ist, eine duale Bronchodilatation z.B. mit einem LAMA/LABA benötigt [3]. Dass LAMA/LABA die Überblähung reduzieren können, zeigte auch eine Studie von Sethi et al. [5]: Die zweimal täglich anzuwendende Kombination aus Aclidinium und Formoterol (Brimica® Genuair®) bewirkte z.B. bei der 24-Stunden-Spiromerie in Woche 24 (Subgruppenanalyse) eine stärkere Reduktion der Lungenüberblähung (AUC0-24h/24h FVC) als die Monotherapien Aclidinium, Formoterol oder Tiotropium [5].

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Wie kann die Zukunft aussehen?

Individualisierung rückt immer mehr in den Fokus der Therapie. Eine individuelle Behandlung schließt aber nicht zwangsweise die Phänotypisierung der COPDPatienten aus. Die Erweiterung der Patiententypen etwa um den „komorbiden COPD-Phänotyp“, den „körperlich fragilen“ oder den „Patienten mit Emphysem primär im oberen Lungenlappen“ könnte zu einer Optimierung der Therapie beitragen [6]. Andere Ansätze wie die „treatable traits“, bei denen u.a. Biomarker mit über die Therapie entscheiden, bieten ebenso eine interessante Diskussionsgrundlage und gewähren eventuell einen Ausblick in die Zukunft [6]. Fabian Sandner, Nürnberg

Literatur 1 Candela M et al. Multidiscip Resp Med 2019;14:18 2 Izquierdo-Alonso JL et al. Resp Med 2013;107:724 3 Siafakas N et al. COPD 2017;14:367 4 Papi A et al. Lancet 2018;391:1076 5 Sethi S et al. Int J Chronic Obstr Pulmon Dis 2019;14:667 6 Houben-Wilke S et al. Eur Respir Rev 2018;27:180027 © VERLAG PERFUSION GMBH


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AKTUELLE THERAPIEKONZEPTE FÜR DIE PRAXIS

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temwegserkrankungen tre­ten vermehrt in den Herbst- und Wintermonaten auf, wenn wir uns bevorzugt in geschlossenen Räumen aufhalten. Die meisten Infektionen der Atemwege werden von einer Vielzahl unterschiedlicher Viren verursacht, für die es keine spezifische antivirale Therapie gibt. Pflanzliche Wirkstoffe können jedoch einen wichtigen Beitrag zur Verkürzung der Krankheitsdauer und Linderung der Symptome leisten. Insbesondere die Wirksamkeit des Pelargonium-sidoides-Extrakts EPs® 7630 in Umckaloabo® ist hier gut untersucht und in zahlreichen Studien belegt. Mittels unterschiedlicher Wirkmechanismen hemmt Umckaloabo® die Vermehrung verschiedener wichtiger Atemwegsviren und hat einen günstigen Einfluss auf den Erkältungsverlauf. Auch in Patientenstudien verkürzte Umckaloabo® die Erkrankungsdauer. Umckaloabo® zur Unterstützung bei der COVID-19-Behandlung

Im Zuge der COVID-19-Pandemie sind die Coronaviren verstärkt in den Blick geraten. Neben SARSCoV-2, dem Coronavirus, dem Erreger von COVID-19, gibt es weitere Coronaviren, die Erkältungskrankheiten verursachen. ® Umckaloabo zeigt auch insbesondere gegenüber durch Coronaviren verursachten Atemwegsinfektionen eine gute Wirksamkeit. Neueste Zellkulturergebnisse zeigen nun, dass Umckaloabo® auch gegen SARS-CoV-2 eine vergleichbare Aktivität wie gegen andere Atemwegsviren aufweist. Kombiniert man diese Zellkultureffekte mit dem bekannten klinischen Wirkungsprofil und der gut etablierten

Viralen Atemwegsinfektionen den Kampf ansagen

Abbildung 1: Aus der Wurzel der Südafrikanischen Kapland-Pelargonie (Pelargonium sidoides) wird durch Auszug mit Ethanol der Spezialextrakt EPs® 7630 hergestellt, der als Wirkstoff in Umckaloabo® enthalten ist (Quelle: Dr. Willmar Schwabe GmbH & Co. KG).

klinischen Sicherheit und Verträglichkeit von Umckaloabo®, ist davon auszugehen, dass dieser Pflanzenextrakt auch unterstützend bei der Behandlung von COVID-19 wirken kann, vor allem, wenn mit der Anwendung beim Einsetzen erster Symptome begonnen wird. Antivirale Wirkungen des Pelargonium-Extrakts EPs® 7630 gegen SARS-CoV-2

Eine neue präklinische Studie, die von einem deutschen Institut für Virologie initiiert wurde, berichtet über antivirale und immunmodulatorische Effekte des Pelargoniumsidoides-Extrakts EPs® 7630 in

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SARS-CoV-2 infizierten menschlichen Lungenzellen [1]. EPs® 7630 ist ein Spezialextrakt aus den Wurzeln von Pelargonium sidoides DC, der von der Dr. Willmar Schwabe GmbH & Co.KG hergestellt wird. In der Studie blockierte EPs® 7630 den Eintritt von SARS-CoV-2 in menschliche Lungenzellen und begrenzte die Vermehrung des Virus. Darüber hinaus zeigten kleinmolekulare Fraktionen des Extrakts immunmodulatorische Effekte gegen SARS-CoV-2 und der Gesamt­ extrakt reduzierte die Sekretion mehrerer Immunparameter, die mit dem kritischen Krankheitsverlauf von COVID-19 assoziiert sind. EPs® 7630 hemmte auch die Vermehrung von zwei anderen © VERLAG PERFUSION GMBH


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hochpathogenen Coronaviren, MERS-CoV und SARS-CoV, im angewandten In-vitro-Assay. Diese Ergebnisse ergänzen bestehende Daten, die auf breite antivirale und immunmodulatorische Eigenschaften von EPs® 7630 in vitro hinweisen. EPs® 7630 ist einer der am besten erforschten pflanzlichen Wirkstoffe zur Behandlung von Husten und Erkältungen weltweit. In klinischen Studien mit mehr als 10.000 Patienten reduzierte der pflanzliche Extrakt den Schweregrad der Symptome und verkürzte die Krankheitsdauer verschiedener bisher bekannter Infektionen der Atemwege. Da noch keine klinischen Studien durchgeführt wurden, kann noch keine Aussage über die konkrete Anwendung am Menschen zur Vorbeugung oder Behandlung von COVID-19 getroffen werden. Um zu einer sachlichen Diskussion der Ergebnisse beizutragen, bekräftigt die Dr. Willmar Schwabe GmbH & Co. KG ausdrücklich Impfempfehlungen, Hygiene- und Distanzierungsmaßnahmen als den derzeit von Gesundheitsbehörden und wissenschaftlichen Fachgesellschaften empfohlenen Stand der Technik zur Prävention von SARS-CoV-2-Infektionen. Fabian Sandner, Nürnberg

Metastasiertes hormonsensitives Prostatakarzinom: Updates zur Therapie mit Apalutamid plus ADT

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wei Post-hoc-Analysen der Phase-III-Studie TITAN und eine Real-World-Studie aus den USA ergänzen die bisherigen Erkenntnisse zur Wirksamkeit von Apalutamid* (Erleada®) in Kombination mit einer Androgendeprivationstherapie (ADT) beim metastasierten hormonsensitiven Prostatakarzinom (mHSPC) [1, 2, 3]. Die neuen Daten zu dem modernen Androgenrezeptor-Inhibitor von Janssen Pharmaceutical Companies of Johnson & Johnson wurden auf dem diesjährigen Kongress zu uroonkologischen Tumoren der Amerikanischen Gesellschaft für klinische Onkologie (ASCO-GU 2022) vorgestellt. PSA-Ansprechen und Lebensqualität

Eine der Post-hoc-Analysen der TITAN-Studie ergänzt die Ergebnisse

Literatur 1 Papies J et al. Antiviral and immunomodulatory effects of Pelargonium sidoides DC. root extract EPs® 7630 in SARSCoV-2-infected human lung cells. Frontiers in Pharmacology 2021;12:757666. h t t p s : / / w w w. f r o n t i e r s i n . o r g / a r t i cles/10.3389/fphar.2021.757666/full

* Apatulamid (Erleada®) ist in Kombination mit einer ADT indiziert: – zur Behandlung erwachsener Männer mit nicht metastasiertem kastrationsresistentem Prostatakarzinom (M0CRPC, nm-CRPC), die ein hohes Risiko für die Entwicklung von Metastasen aufweisen – zur Behandlung erwachsener Männer mit metastasiertem hormonsensitivem Prostatakarzinom (mHSPC)

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einer früheren Post-hoc-Analyse: Diese hatte auf einen schnelleren und stärkeren Abfall des PSAWertes unter Apalutamid/ADT im Vergleich zu Placebo/ADT hingewiesen. So lag der PSA-Wert nach 3 Monaten bei 51 % vs. 18 % der Patienten ≤0,2 ng/ml (p < 0,0001), d.h. unter der Nachweisgrenze der üblichen Testsysteme [4]. Auch eine Korrelation zwischen dem Erreichen eines PSA-Werts ≤0,2 ng/ ml unter Apalutamid/ADT und einem längeren Gesamtüberleben hatte sich hier gezeigt [4]. Die aktuelle Post-hoc-Analyse der TITAN-Studie liefert nun darüber hinaus Hinweise, dass ein frühes und starkes PSA-Ansprechen unter Apalutamid/ADT positive Effekte auf die Lebensqualität, den Schmerz und die Fatigue haben könnte [1]. So konnte in dieser Analyse bei Patienten mit einem PSAAbfall auf ≤0,2 ng/ml innerhalb von 3 Monaten unter Apalutamid/ ADT im Vergleich zu Patienten, die keinen PSA-Abfall ≤0,2 ng/ml erreichten, die Verschlechterung der Lebensqualität (z.B. FACTP-Gesamtscore) hinausgezögert werden. Die Verschlechterung des stärksten Schmerzes (BPI-SF) und der stärksten Fatigue (BFI) trat bei diesen Patienten ebenfalls später ein [1]. © VERLAG PERFUSION GMBH


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AKTUELLE THERAPIEKONZEPTE FÜR DIE PRAXIS

TITAN-Studie: Update 2022 PSA • Schnellerer, stärkerer PSAAbfall unter Apalutamid/ ADT vs. ADT • Schnellerer, stärkerer PSAAbfall unter Apalutamid/ ADT korrelierte mit o besserem OS o Verzögerung der Verschlechterung von – Lebensqualität – stärkstem Schmerz – stärkster Fatigue

PSA-Ansprechen unter Apalutamid/ADT versus Enzalutamid/ADT

Die Ergebnisse einer Analyse von Real-World-Daten von 69 urologischen Praxen aus den USA weisen darauf hin, dass Patienten in dieser Real-World-Studie unter Apalutamid/ADT innerhalb von 6 Monaten signifikant häufiger einen Abfall des PSA-Wertes um mindestens 90 % (PSA90-Ansprechen) gegenüber Studienbeginn erreichten als Patienten unter Enzalutamid/ADT (gewichtete HR: 1,56; 95%-KI: 1,09 – 2,22; p = 0,014) [2]. Das PSA90-Ansprechen trat hier unter Apalutamid/ADT zudem schneller ein als unter Enzalutamid/ADT – die mediane Zeit bis zu dessen Erreichen lag bei 3,1 Monaten vs. 5,2 Monaten [2]. In dieser Real-World-Studie war das PSA90-Ansprechen bei mHSPC-Patienten verglichen worden, die als erste mHSPCTherapie Apalutamid/ADT oder Enzalutamid/ADT erhalten hatten. Der Unterschied war nach 9 Monaten (gewichtete HR: 1,49; 95%KI: 1,05 – 2,11; p = 0,024) und am

Ende des Follow-up (gewichtete HR: 1,49; 95%-KI: 1,05 – 2,11; p = 0,024) weiterhin signifikant. Bei der statistischen Auswertung wurde eine Reihe von möglichen Confoundern berücksichtigt, sodass die Baseline-Charakteristika in den beiden Patienten-Gruppen allgemein gut ausgeglichen waren [2]. Real-World-Daten aus den USA: Primäre mHSPC-Therapie mit Apalutamid/ADT versus Enzalutamid/ADT • Hinweise auf signifikant höheren Anteil von Patienten mit tiefem PSA-Ansprechen (PSA90) unter Apalutamid/ ADT als unter Enzalutamid/ ADT • Hinweise auf schnelleres PSA-Ansprechen unter Apalutamid/ADT als unter Enzalutamid/ADT

Wirksamkeit mit bzw. ohne Docetaxel/ADT-Vortherapie

Die Ergebnisse der zweiten Posthoc-Analyse der TITAN-Studie weisen ergänzend darauf hin, dass die Teilnehmer unabhängig von einer vorherigen Chemohormontherapie mit Docetaxel/ADT von Apalutamid/ADT im mHSPC profitierten: Beim Gesamtüberleben, dem radiologisch progressionsfreien Überleben und der Zeit bis zur PSA-Progression (explorativer Endpunkt) unter Apalutamid/ADT zeigte sich in dieser Analyse kein wesentlicher Unterschied zwischen Patienten ohne und Patienten mit einer Docetaxel/ADT-Vor­ therapie des mHSPC [3].

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Demnach geben diese Daten Hinweise darauf, dass die Vortherapie mit Docetaxel/ADT, die in der TITAN-Studie kein Ausschlusskriterium war und gemäß Zulassung von Apalutamid/ADT möglich ist, die Wirksamkeit von Apalutamid/ ADT beim mHSPC nicht verbessert [3, 5]. Ist beim mHSPC bereits eine vorherige Docetaxel/ADTTherapie erfolgt oder ist diese erwünscht, wird eine nachfolgende Apalutamid/ADT-Therapie durch diese Post-hoc-Analyse erstmals mit Daten unterfüttert [3]. TITAN-Studie: Update 2022 Wirksamkeit nach Docetaxel/ADT • Wirksamkeit unabhängig von Docetaxel/ADT-Vor­ therapie im mHSPC (keine bessere Wirksamkeit bei zusätzlicher Docetaxel/ADTTherapie) o Erhaltungstherapie mit Apalutamid/ADT im mHSPC: Wenn Docetaxel/ADT bereits gegeben wurde oder zu Beginn gegeben werden soll und hierunter noch kein Progress Apalutamid/ADT ist Option für Folgetherapie im mHSPC mit Wirksamkeitsdaten aus TITAN

Fabian Sandner, Nürnberg Literatur 1 Small EJ et al. J Clin Oncol 2022;40 (Suppl 6): Abstr 73 & Poster Session 2 Lowentritt B et al. J Clin Oncol 2022;40 (Suppl 6): Abstr 43 & Poster Session 3 Chi KN et al. J Clin Oncol 2022;40 (Suppl 6): Abstr 89 & Poster Session 4 Chi KN et al. J Urol 2021;206 (Suppl 3): PD34-11 & Oral Abstract Session) © VERLAG PERFUSION GMBH


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as triple-negative Mammakarzinom (TNBC) macht etwa 15 % aller Brustkrebsfälle aus [1, 2]. Charakterisiert ist es durch eine fehlende Expression des Östrogen- (ER) und Progesteronrezeptors (PR) sowie des humanen epidermalen Wachstumsfaktor-Rezeptors 2 (HER2) [1]. Damit entfallen wichtige Targets für die Tumortherapie. Ein hohes Metastasierungs- und Rezidivrisiko sprechen für die besondere Aggressivität sowie die schlechte Prognose im Vergleich zu anderen Brustkrebsarten [1, 2, 3]. Die hohe Resistenzrate unter Chemotherapie, die genetische Diversität und immunhistochemische Heterogenität der Erkrankung haben zur Entwicklung zielgerichteter Therapien, wie etwa Immuncheckpointund PARP-Inhibitoren, geführt [1]. Diese sind jedoch nicht bei jeder Subgruppe wirksam, sodass ein hoher Bedarf an innovativen Ansätzen insbesondere zur Behandlung des fortgeschrittenen oder metastasierten triple-negativen Mammakarzinoms in der Zweitlinie besteht. Mit Sacituzumab Govitecan (Trodelvy®) steht seit November 2021 eine neue Behandlungsoption zur Verfügung. Zugelassen ist das Medikament als Monotherapie zur Behandlung von erwachsenen Patientinnen mit nicht resezierbarem oder metastasiertem TNBC, die zuvor zwei oder mehr systemische Therapien erhalten haben, darunter mindestens eine gegen die fortgeschrittene Erkrankung [4]. Antibody Drug Conjugate wirkt zielgerichtet gegen Trop-2

Sacituzumab Govitecan ist eine zielgerichtete Therapie gegen

Triple-negatives Mammakarzinom: Signifikanter Überlebensvorteil durch Sacituzumab Govitecan TNBC, die zur Arzneimittelkategorie der Antikörper-WirkstoffKonjugate (Antibody Drug Conjugates, ADCs) gehört [4]. Diese bestehen aus einem monoklonalen Antikörper, der über einen Linker mit einem zytotoxischen Wirkstoff verbunden ist. Sacituzumab ist der gegen das Trophoblast-Oberflächen-Antigen-2 (Trop-2) gerichtete Antikörper, Govitecan die aus Linker und SN-38 bestehende chemische Einheit [4, 5]. SN-38 ist der aktive Metabolit von Irinotecan, einem Topoisomerase-I-Inhibitor [6, 7]. Verglichen mit anderen ADCs weist Sacituzumab Govite-

can besonders viele zytotoxische Moleküle pro Antikörper auf. Das Verhältnis beträgt hier 7,6 : 1 (Abb. 1). Sacituzumab Govitecan ist das erste und damit First-in-Class ADC, das sich gegen das Oberflächenantigen Trop-2 richtet [6], das bei vielen soliden Tumoren überexprimiert wird [8]. Nach Bindung an Trop-2 wird das gesamte ADC internalisiert. Durch hydrolytische Spaltung wird SN-38, ein Topoisomerase-I-Inhibitor, freigesetzt und gelangt in den Zellkern. Der Topoisomerase-I-Inhibitor verhindert die Reparatur von DNA-Schäden

Abbildung 1: Das Antibody Drug Conjugate Trodelvy® besteht aus dem Antikörper Sacituzumab, der hochspezifisch gegen das Oberflächenmolekül Trop-2 gerichtet ist, und Govitecan, einer aus dem Linker und SN-38, dem aktive Metabolit des Topoisomerase-I-Inhibitors Irinotecan, bestehenden Einheit [7].

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Abbildung 2: Wirkmechanismus von Sacituzumab Govitecan (nach [7]).

und leitet somit den programmierten Zelltod ein [7]. Eine weitere Rolle spielt der sogenannte „bystander effect“: Durch Hydrolyse liegt SN-38 auch extrazellulär vor. Es reichert sich in der Mikroumgebung des Tumors an und induziert nach Permeation der Zellmembran auch in benachbarten Tumorzellen die Apoptose – selbst wenn diese kein Trop-2 exprimieren (Abb. 2) [5, 7]. Durch diesen Effekt scheint Sacituzumab Govitecan für Tumoren mit heterogenen Oberflächenantigenmustern eine effektive Therapiestrategie darzustellen. Signifikante und klinisch relevant Überlebensverlängerung

In der zulassungsrelevanten randomisierten Phase-III-Studie ASCENT wurde Sacituzumab Govitecan mit einer Monochemotherapie nach Wahl des Arztes (Eribulin, Capecitabin, Vinorelbin oder Gemcitabin) verglichen [6]. Insgesamt wurden 529 vorbehandelte mTNBC-Patientinnen in die Studie eingeschlossen, davon 468 ohne Hirnmetastasen. Die Vorbe-

handlung bestand aus mindestens zwei chemotherapeutischen Standardregimen. 1 : 1 randomisiert erhielten die Studienteilnehmerinnen entweder Sacituzumab Govitecan in der Dosierung 10 mg/kg KG (an Tag 1 und 8 eines 21-tägigen Zyklus) oder eine vom Arzt gewählte Monochemotherapie. Primärer Endpunkt war das progressionsfreie Überleben (PFS) der Patientinnen ohne Hirnmetastasen zum Studieneinschluss, sekundäre Endpunkte waren das PFS der Gesamtpopulation, das Gesamtüberleben (OS), die objektive Ansprechrate (ORR), die Dauer des Ansprechens (DOR), die Zeit bis zum Wirkungseintritt (TTR) sowie die Sicherheit und Verträglichkeit der Medikation in der Gesamtpopulation und in der Gruppe ohne Hirnmetastasen. Bei den Patientinnen ohne Hirnmetastasen betrug das mediane PFS unter der Behandlung mit Sacituzumab Govitecan 5,6 Monate verglichen mit 1,7 Monaten in der Kontrollgruppe (HR = 0,41; 95%KI: 0,32 – 0,52; p < 0,001). Auch das mediane OS war mit 12,1 vs. 6,7 Monaten signifikant besser

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(HR = 0,48; 95%-KI: 0,38 – 0,59; p < 0,001). In der Gesamtpopulation lag das mediane PFS der Patientinnen unter Sacituzumab Govitecan bei 4,8 Monaten verglichen mit 1,7 Monaten in der Kontrollgruppe (HR = 0,43; 95%-KI: 0,35 – 0,54) (Abb. 3). Damit reduzierte das ADC das Risiko für Krankheitsverschlechterung oder Tod hier um 57 %. Hervorzuheben ist, dass das mediane PFS in allen Subgruppen im Vergleich zu den Kontrollen besser war – sowohl bei Patientinnen über 65 Jahren als auch bei solchen mit mehr als 3 Vorbehandlungen oder einer verabreichten Immuntherapie. Beim medianen OS zeigte sich ebenfalls eine signifikante Verbesserung mit 11,8 vs. 6,9 Monaten (HR = 0,51; 95%-KI: 0,41 – 0,62) (Abb. 4) [6]. Überlegen war Sacituzumab Govitecan auch hinsichtlich der ORR, die Auskunft über die klinisch relevante Reduktion der Tumorgröße gibt: Mit 31 % vs. 4 % war sie signifikant höher als in der Kontrollgruppe. Gleiches gilt für die DOR mit 6,3 vs. 3,6 Monate [6]. © VERLAG PERFUSION GMBH


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Abbildung 3: Ergebnisse der ASCENT-Studie für das progressionsfreie Überleben in der Gesamtpopulation [6].

Abbildung 4: Ergebnisse der ASCENT-Studie für das Gesamtüberleben in der Gesamtpopulation [6].

Gut handhabbares Nebenwirkungsprofil

Die Struktur von Sacituzumab Govitecan sorgt für hohe Wirkstoffkonzentrationen sowohl in den Zielzellen als auch in der Mikroumgebung des Tumors [7]. Entsprechen sind das verbesserte Ansprechen sowie die signifikant besseren Werte für PFS und OS gegenüber der Vergleichstherapie mit stärkeren unerwünschten Ereignissen assoziiert. Therapieassoziierte

Nebenwirkungen vom Grad 3 und höher waren in der ASCENT-Studie Neutropenie (51 % vs. 33 %), Diarrhö (10 % vs. <1 %), Leukopenie (10 % vs. 5 %) und Anämie (8 % vs. 5 %). Eine febrile Neutropenie trat bei 6 % vs. 2 % der Patientinnen auf. Die Nebenwirkungen entsprachen dem für den Wirkstoff SN-38 bekannten Spektrum, sind jedoch dank bewährter Supportivtherapeutika gut behandelbar [6]. Brigitte Söllner, Erlangen

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Literatur 1 Gupta GK et al. Cancers 2020;12:2392 2 https://www.cancer.org/cancer/breastcancer/about/types-of-breast-cancer/triple-negative.html 3 https://www.breastcancer.org/symptoms/ types/triple-negative 4 Fachinformation Trodelvy®; Stand: November 2021 5 Nagayama A et al. Oncology 2021;35: 249-254 6 Bardia A et al. N Engl J Med 2021;384: 1529-1541 7 Rugo HS et al. Future Oncol 2020;16: 705-715 8 Goldenberg DM et al. Oncotarget 2018;9: 28989-29006

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Estrogene in der kombinierten oralen Kontrazeption: Bioidentisches Estetrol macht den Unterschied

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ombinierte orale Kontrazeptiva zählen trotz eines wachsenden Angebots an estrogenfreien Pillen aktuell zu den meist verordneten hormonellen Verhütungsmitteln in Deutschland: 81 % aller Pillenanwenderinnen erhalten eine Estrogen-GestagenKombination [1] – und das aus gutem Grund. In der Kombinationspille unterstützt das Estrogen nicht nur die ovulationshemmende Wirkung der Gestagenkomponente, sondern sorgt auch für die den Anwenderinnen wichtige Zyklusstabilität und verringert unerwünschte Durchbruch- bzw. Zwischenblutungen. Eine neue estrogene Option für die Verhütung ist das bioidentische Estetrol (E4). Das erste Kontrazeptivum, das E4 enthält, ist die monophasische Kombinationspille Drovelis® (14,2 mg E4, 3 mg Drospirenon) [2]. Suche nach besser verträglichen Estrogenkomponenten

Die Estrogenforschung hatte in den 30er und 40er Jahren des letzten Jahrhunderts mit der Entdeckung von Estron (E1), Estradiol (E2) und Estriol (E3) sowie der Entwicklung von synthetischem Ethinylestradiol (EE) ihren Höhepunkt. Seit der Einführung der Pille Anfang der 1960er Jahre enthalten

orale kombinierte Kontrazeptiva als Estrogenkomponente fast ausschließlich Ethinylestradiol. Damit verbundene unerwünschte Nebenwirkungen sowie ein mögliches Risiko für venöse Thromboembolien [3] ließen den Bedarf an besser verträglichen Kombinationspräparaten steigen. Strategien zur Reduktion unerwünschter EEbedingten Nebenwirkungen waren bislang nur eingeschränkt erfolgreich: Eine stufenweise Dosisreduktion auf 20 mg führte zu einem weniger günstigen Blutungsprofil [4, 5]. Der Einsatz von Estradiol (E2) bzw. Estradiolvalerat (E2V) als Estrogenkomponente scheint sich zwar günstig auf das kardiovaskuläre Risiko auszuwirken [6, 7], ist in Bezug auf die Zyklusstabilität aber ebenfalls nicht zufriedenstellend [8, 9]. Heute stehen neben der Verhütungssicherheit die Verträglichkeit und das Wohlbefinden der Frauen im Fokus, beispielsweise durch einen stabilen Zyklus oder auch ein verbessertes Hautbild. Estetrol – die zusätzliche Hydroxylgruppe ist entscheidend

Estetrol (E4), das jüngst wiederentdeckte Estrogen in der Familie der natürlichen Estrogene, ist aufgrund seiner besonderen Eigen-

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schaften eine neuartige estrogene Option in der Kombinationspille. Seit seiner ersten Erforschung 1965 durch Egon Diczfalusy am Karolinska Institut in Stockholm, Schweden, steht fest: Jeder Mensch synthetisiert Estetrol – und zwar in der sensibelsten Phase seines Lebens: Das natürlich vorkommendes Steroidhormon wird nur während der Schwangerschaft, ab der 9. Schwangerschaftswoche bis zur Geburt, von der Leber des Fötus produziert und gelangt über die Plazenta in den mütterlichen Kreislauf. In seiner chemischen Struktur unterscheidet sich Estetrol mit einer zusätzlichen a-Hydroxylgruppe an Position 15 des Moleküls von den anderen Estrogenen. Daraus resultiert sein spezifisches endokrines und metabolisches Profil [10, 11]. Gewebeselektive Wirkung, geringe Affinität zu Estrogenrezeptoren

Estetrol verfügt über einen einfachen Stoffwechselweg und wirkt selektiv in verschiedenen Geweben: In Leber und Brust ist die estrogene Wirkung schwach ausgeprägt, stark dagegen in Uterus, Vagina, Gehirn und Knochen. Estetrol zeichnet sich durch eine hohe Bioverfügbarkeit und Halbwertszeit von rund 24 Stunden © VERLAG PERFUSION GMBH


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Drovelis® Die monophasische Kombinationspille Drovelis® ist das erste Kontrazeptivum, das den bioidentischen Estrogen-Wirkstoff Estetrol (14,2 mg) enthält. Dieses dient primär der Stabilisierung des Menstruationszyklus, um unerwünschte Blutungen zu verhindern. Kombinationspartner ist das dem Progesteron ähnliche Gestagen Drospirenon (3 mg), das durch seine ovulationshemmende Wirkung die Empfängnis verhütet [2]. Drovelis® folgt dem 24/4-Einnahmeschema, das heißt, auf 24 aktive Filmtabletten (rosa) folgen 4 Placebos (weiß). Beginnend mit dem ersten Zyklustag wird an 28 aufeinanderfolgenden Tagen jeweils ungefähr zur gleichen Uhrzeit eine Tablette eingenommen. Das Präparat ist als Ein-, Drei- oder Sechsmonatspackung (also mit 28 [N1], 84 [N2] oder 168 [N3] Tabletten) erhältlich [2].

aus. Damit gilt es als sehr stabiles Steroid mit einer langen Wirkdauer. Der Hauptunterschied zu Estradiol, Estriol und Ethinyles­ tradiol: Estetrol bindet nicht an Sexualhormon-bindendes Globulin (SHBG) und induziert die hepatische SHBG-Synthese nur geringfügig [12]. Sein Einfluss auf Gerinnungsfaktoren, das Lipidprofil sowie den Leberstoffwechsel ist gering. Da das Hormon nicht über Cytochrom-P450-Enzyme metabolisiert wird, ist das Risiko für Wechselwirkungen von E4 mit anderen Medikamenten niedrig [2]. Studie belegt Zyklusstabilität und stabiles Blutungsmuster

Einer der Vorteile von kombinierten oralen Kontrazeptiva gegenüber reinen Gestagenpräparaten ist die Zyklusstabilität. Dass ein stabiles und vorhersehbares Blutungsmuster bei gleichzeitig sicherer Kontrazeption mit der neuen Kombinationspille erreicht werden kann, zeigen die Ergebnisse der multizentrischen Phase-III-Studie E4 FREEDOM mit 1553 gesunden Frauen im Alter zwischen 18 und 50 Jahren aus Europa und Russ-

land [13]. Die Teilnehmerinnen erhielten das neue Kombinationspräparat über ein Jahr (13 Zyklen in einem 24/4-Einnahmeschema). Die Wirksamkeit wurde mittels Pearl-Index gemessen. Dieser bewertet die Effektivität einer Verhütungsmethode anhand der Zahl der Schwangerschaften, die auftreten, wenn 100 sexuell aktive Frauen ein Jahr lang mit einer Methode verhüten. Der Pearl-Index betrug in der Gruppe der 18- bis 35-jährigen Frauen (n = 1.353) bei sachgerechter Anwendung des Kontrazeptivums 0,44 und die kontrazeptive Wirksamkeit von Drovelis® lag damit bei einer Anwendungsdauer von einem Jahr bei 99,6 % [13]. Als sekundärer Endpunkt wurde der Einfluss von Drovelis® auf das Blutungsmuster untersucht. Während der 12-monatigen Studie berichteten mehr als 93 % der Frauen über regelmäßige Blutungen. Das Blutungsmuster war stabil und vorhersehbar. Die mediane Blutungsdauer lag bei 4 – 5 Tagen pro Zyklus. Die Blutungen setzten mehrheitlich zwischen Tag 26 und Tag 3 des darauffolgenden Zyklus ein. Der Anteil der Frauen mit ungeplanten Blutungen verringerte sich im Studienzeitraum von

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23,5 % im ersten Zyklus auf unter 16 % ab Zyklus 6 und 12 % in Zyklus 12. Die am häufigsten berichteten Nebenwirkungen waren Metrorrhagie (4,3 %), Kopfschmerzen (3,2 %), Akne (3,2 %), vaginale Blutungen (2,7 %) und Dysmenorrhö (2,4 %) [13]. Elisabeth Wilhelmi, München

Literatur 1 IQVIA-Daten 06/2021. Die Zahlen beziehen sich auf alle Frauen in Deutschland, die eine Pille erhalten. Stand: 2 Fachinformation Drovelis®; 05/2021 3 Lidegaard O et al. Contraception 2002; 65:187-196 4 Archer DF et al. Contraception 2012;85: 595-601 5 Gallo MF et al. Cochrane Database Syst Rev 2011;1:CD003989; Update in: Cochrane Database Syst Rev 2013;8: CD003989 6 Dinger J et al. Contraception 2016;94: 328-339 7 Reed S et al. Eur J Contracept Reprod Health Care 2021;26:439-447 8 Westhoff C et al. Obstet Gynecol 2012; 119:989-999 9 Mansour D et al. Eur J Contracept Reprod Health Care 2011;16:430-443 10 Gurpide E et al. J Clin Endocrinol Metab 1966;26:1355-1365 11 Zucconi G et al. Acta Endocrinol (Copenh) 1967;56:413-423 12 Douxfils J et al. Contraception 2020; 102:396-402 13 Gemzell-Danielsson K et al. BJOG 2021; 129:63-71 © VERLAG PERFUSION GMBH


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I

n Deutschland erkranken pro Jahr etwa 70.000 Frauen an einem Mammakarzinom und etwa 20.000 versterben jährlich daran. Die 5-Jahres-Prävalenz wird mit etwa 300.000 angegeben [1]. Damit ist das Mammakarzinom die häufigste Krebserkrankung bei Frauen. Etwa eines von 5 Mammakarzinomen ist HER2-positiv [2]. HER2 ist ein Tyrosinkinase-Wachstumsfaktor-Rezeptorprotein, das vermehrt auf der Oberfläche von bestimmten Krebszellen exprimiert wird, einschließlich Mamma-, Magen-, Lungen- und Kolorektalkarzinom [3]. Die HER2-Überexpression kann die Folge einer spezifischen HER2-Genamplifikation sein, die beim Mammakarzinom oft mit einem aggressiven Wachstum der Tumorzellen und mit einer schlechteren Prognose assoziiert ist [4]. Trotz einer initialen Behandlung mit Trastuzumab und einem Taxan erleiden Patientinnen mit einem HER2-positiven metastasierten Mammakarzinom oftmals eine Krankheitsprogression [5]. Außerdem entwickeln geschätzte 30 – 50 % der Betroffenen Hirnmetastasen und obwohl sich die Therapiemöglichkeiten durch HER2-basierte Therapien verbessert haben, ist die Prognose für Patientinnen mit Hirnmetastasen nach wie vor schlecht [5, 6]. Daher besteht bei Patientinnen mit nicht resezierbarem oder metastasiertem HER2-positivem Mammakarzinom ein hoher Bedarf an weiteren Behandlungsoptionen. Ein neues Medikament ist Trastuzumab-Deruxtecan. Das gegen HER2 gerichtete AntikörperWirkstoff-Konjugat hat auf Basis der positiven und überzeugenden Ergebnisse der Studie DESTINYBreast01 im Januar 2021 in der Europäischen Union (EU) die

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Trastuzumab-Deruxtecan – eine neue Option zur Behandlung des HER2positiven Mammakarzinoms bedingte Zulassung erhalten. Unter dem Handelsnamen Enhertu® ist Trastuzumab-Deruxtecan seit Anfang Februar 2022 in Deutschland kommerziell verfügbar. Somit kann der Wirkstoff ab sofort von allen Ärzten, die über Erfahrung mit der Anwendung von Krebs-

medikamenten verfügen, als Monotherapie bei erwachsenen Patientinnen mit inoperablem oder metastasiertem HER2-positivem Mammakarzinom eingesetzt werden, die bereits mindestens 2 gegen HER2 gerichtete Vortherapien erhalten haben. Enhertu® wird von

Trastuzumab-Deruxtecan Trastuzumab-Deruxtecan (Enhertu®) ist ein Antikörper-WirkstoffKonjugat (ADC), das zielgerichtet HER2-positive Krebszellen attackiert. Es besteht aus einem monoklonalen Anti-HER2-IgG1-Antikörper mit einer zu Trastuzumab identischen Aminosäuresequenz, der über einen Tetrapeptid-basierten, enzymatisch spaltbaren Linker an den Topoisomerase-I-Inhibitor Deruxtecan gebunden ist. Dieser zytotoxische Wirkstoff wird als sog. Payload an die Krebszelle abgegeben. Der Antikörper hemmt selektiv die HER2-vermittelte Signalkaskade und induziert die Antikörper-abhängige zelluläre Toxizität. Deruxtecan wird intrazellulär aus dem Konjugat durch Cathepsine abgespalten, die in Tumorzellen hochreguliert sind, und führt zur Apoptose der Tumorzelle. Das Verhältnis zwischen dem Chemotherapie-Payload und dem gegen HER2 gerichteten Antikörper (Drug-Antibody-Ratio, DAR) beträgt ca. 8 : 1. Diese hohe DAR gilt als ausschlaggebend für die überragende Wirksamkeit von Trastuzumab-Deruxtecan. Außerdem weist das ADC einen sog. Bystander-Antitumor-Effekt auf: Der Chemotherapie-Payload kann die Zellmembran überwinden und so auch unabhängig von der HER2-Expression auf Nachbarzellen im Tumor zytotoxisch wirken. Trastuzumab-Deruxtecan (5,4 mg/kg) ist in über 40 Ländern zugelassen als Monotherapie zur Behandlung von erwachsenen Patienten mit inoperablem oder metastasiertem HER2-positivem Brustkrebs, die bereits mindestens 2 gegen HER2 gerichtete Vorbehandlungen erhalten haben. Die empfohlene Dosis von 5,4 mg/kg wird intravenös einmal alle 3 Wochen infundiert.

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den gesetzlichen Krankenversicherungen erstattet. DESTINY-Breast01: Überzeugende Ergebnisse bei intensiv vorbehandelten Patientinnen

Die Zulassung von TrastuzumabDeruxtecan durch die EMA basierte auf den positiven und überzeugenden Ergebnissen der einarmigen Phase-II-Studie DESTINY-Breast01 [7, 8]. Eingeschlossen wurden 184 Patientinnen mit HER2-positivem metastasiertem und/oder nicht resezierbarem Mammakarzinom, die intensiv mit einer gegen HER2 gerichteten Therapie vorbehandelt waren, u.a. mit Trastuzumab, Trastuzumab Emtansin und Perzuzumab. Sie bekamen Trastuzumab-Deruxtecan als intravenöse Infusion (5,4 mg/ kg) alle 3 Wochen. Primärer Studienendpunkt war die objektive Ansprechrate, sekundäre Endpunkte umfassten die Dauer des Ansprechens, die Krankheitskontrolle, den klinischer Nutzen sowie das progressionsfreie und das Gesamtüberleben. Nach einem medianen Follow-up von 26,5 Monaten erreichten die mit Trastuzumab-Deruxtecan behandelten Patientinnen eine objektive Ansprechrate von 62,0 % und eine mediane Dauer des Therapieansprechens von 18,2 Monaten [9]. Das mediane progressionsfreie Überleben betrug 19,4 Monate. In einer explorativen Analyse des Gesamtüberlebens bei rund 35%iger Datenkomplettierung waren geschätzte 75 % der Patientinnen nach 18 Monaten noch am Leben. Das mediane Überleben belief sich auf 29,1 Monate [7, 8]. Das Risikoprofil von TrastuzumabDeruxtecan erwies sich als gut

handhabbar und es kam nur zu wenigen durch unerwünschte Ereignisse bei der Langzeitbehandlung bedingten Therapieabbrüchen. Aufgrund der überzeugenden Ergebnisse von DESTINY-Breast01 wurde in den am 19. Oktober 2021 aktualisierten Leitlinien der ESMO zu Diagnose, Staging und Behandlung von Patientinnen mit metastasiertem Mammakarzinom Trastuzumab-Deruxtecan bereits als neuer Standard in der Behandlung von HER2-positiven Patientinnen mit metastasiertem Brustkrebs genannt [10]. DESTINY-Breast04: Signifikante Überlegenheit gegenüber Chemotherapie

Mittlerweile wurden die Daten einer weiteren Studie zu Trastuzumab-Deruxtecan publiziert. DESTINY-Breast04, eine pivotale,

randomisierte open-label PhaseIII-Studie [11], verglich die Wirksamkeit und Sicherheit des gegen HER2 gerichteten AntikörperWirkstoff-Konjugats mit der einer Chemotherapie (nach ärztlichem Ermessen mit Capecitabin, Eribulin, Gemcitabin, Paclitaxel oder nab-Paclitaxel) bei 540 Patientinnen mit nicht resezierbarem und/ oder metastasiertem HER2lowMammakarzinom, die entweder Hormonrezeptor-positiv (HR+; n = 480) oder -negativ (HR–; n = 60) waren und zuvor 1 oder 2 Therapielinien einer Chemotherapie erhalten hatten. Alle Studienteilnehmerinnen wurden auf HER2 getestet und diese Ergebnisse zentral bestätigt. Der Status „HER2low“ wurde dabei definiert als ein immunhistochemischer Score (IHC) von 1+ oder 2+ bei gleichzeitig negativem In-situ-Hybridisierungs-Score (ISH) (Einzelheiten siehe Insert).

HER2-Expression und HER2-Status Das Tyrosinkinase-Wachstumsfaktor-Rezeptorprotein HER2 wird vermehrt auf der Oberfläche von bestimmten Krebszellen exprimiert, einschließlich Mamma-, Magen-, Lungen- und Kolorektalkarzinom. Die Bestimmung des HER2-Status ist eine etablierte Methode, um die passende Therapiestrategie bei metastasiertem Brustkrebs festzulegen. Die HER2-Expression wird als positiv oder negativ bewertet und entweder durch einen IHC-Test bestimmt, der die Menge an HER2-Proteinen in der Krebszelle misst, oder durch einen ISH-Test, der die Anzahl der Kopien des HER2-Gens in der Krebszelle ermittelt [3]. HER2-positive Karzinome werden definiert als IHC 3+, IHC 2+/ISH+, HER2-negative Karzinome als IHC 0, IHC 1+ oder IHC 2+/ISH–. Bis zu 55 % aller Brustkrebs-Patientinnen haben einen Tumor mit einem HER2-IHC-Score von 1+ oder 2+ in Kombination mit einem negativen ISH-Test und qualifizieren sich damit (bislang) nicht für eine gegen HER2 gerichtete Therapie [2, 12]. Der für die DESTINY-Breast04-Studie relevante Status „HER2low“ wurde definiert als ein immunhistochemischer Score (IHC) von 1+ oder 2+ bei gleichzeitig negativem In-situ-Hybridisierungs-Score (ISH). Dieser Status kommt sowohl bei Hormonrezeptor-positiven (HR+) als auch -negativen (HR–) Karzinomen vor [13].

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Die in DESTINY-Breast04 eingeschlossenen Patientinnen erhielten randomisiert im Verhältnis 2 : 1 entweder Trastuzumab-Deruxtecan (5,4 mg/kg) oder eine Chemotherapie, die den aktuellen Behandlungsstandard in dieser Situation darstellt. Primärer Studienendpunkt war das progressionsfreie Überleben bei Patientinnen mit HR-positiver metastasierte HER2low-Erkrankung; die wichtigsten sekundären Endpunkte umfassten das Gesamtüberleben bei HR+ Patientinnen sowie das progressionsfreie und Gesamtüberleben aller randomisierter Patientinnen unabhängig vom HRStatus. Die Studie erreichte ihren primären Endpunkt: Unter TrastuzumabDeruxtecan erreichten signifikant mehr Patientinnen mit einem HR+, metastasierten HER2lowMammakarzinom ein progressionsfreies Überleben als unter der Standard-Chemotherapie. In einer Zwischenauswertung wurden auch die sekundären Endpunkte Gesamtüberleben bei HR+ sowie progressionsfreies und Gesamtüberleben unabhängig vom HR-Status erreicht. Diese Ergebnisse, wonach Patientinnen, deren HER2-Status im niedrigen Bereich lag, auch unabhängig davon, ob sie HR+ oder HR– waren, signifikant von der Behandlung mit Trastuzumab-Deruxtecan profitierten, könnten sich als wegweisend für die zukünftige Brustkrebs-Kategorisierung und -Behandlung erweisen [14]. Denn Trastuzumab-Deruxtecan könnte basierend auf den Studiendaten auch gezielt bei den Patientinnen angewandt werden, die bislang als HER2-negativ gelten, sowie bei den HR-positiven Patientinnen, bei denen nach einer endokrinen Therapie die Erkrankung fortschreitet

NEUE UND BEWÄHRTE ARZNEIMITTEL

– eine Gruppe, für die aktuell die Chemotherapie die einzige Behandlungsoption darstellt. Brigitte Söllner, Erlangen

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uf dem Kongress der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN) wurden aktuelle Sicherheits- und Wirksamkeitsdaten zur Langzeittherapie mit dem vollhumanen AntiCD20-Antikörper Ofatumumab ® (Kesimpta ) und dem Modulator des Sphingosin-1-Phosphat-(S1P)Rezeptors Siponimod (Mayzent®) präsentiert [1, 2]. Ofatumumab ist in der EU zur Therapie erwachsener Patienten mit aktiver schubförmiger Multiplen Sklerose (RMS) zugelassen [3], Siponimod zur Behandlung der sekundär progredienten Multiplen Sklerose (SPMS) bei Erwachsenen mit Krankheitsaktivität, nachgewiesen durch Schübe oder Bildgebung der entzündlichen Aktivität [4]. Ofatumumab bei RMS

Literatur 1 Brustkrebs (Mammakarzinom) 2018. Zentrum für Krebsregisterdaten – Robert Koch Institut; https://www.krebsdaten.de/ Krebs/DE/Content/Krebsarten/Brustkrebs/brustkrebs_node.html 2 Ahn S et al. J Pathol Transl Med 2020; 54:34-44 3 Iqbal N et al. Mol Biol Int 2014; 2014:852748 4 Pillai R et al. Cancer 2017;123:40994105 5 Barok M et al. Breast Cancer Res 2014; 16:209 6 Garcia-Alvarez A et al. Cancers 2021;13: 2927 7 Modi S et al. N Engl J Med 2020;382: 610-621 8 Manich CS et al. Ann Oncol 2021;32 (Suppl 5):S457-S515; ePoster 279P 9 Saura C et al. ESMO 2021; 16.–21.09. 2021; Poster 279P 10 Gennari A et al. Ann Oncol 2021;32: 1475-1495 11 ClinicalTrials.gov (NCT03734029) 12 Tarantino P et al. J Clin Oncol 2020;38: 1951-1962 13 Matutino A et al. Curr Oncol 2018;25 (Suppl 1):S131-S141 14 Eiger D et al. Cancers 2021;13:1015

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Für Ofatumumab wurden über eine Gesamtdauer von 3,5 Jahren die Serum-Immunglobulinspiegel (IgG und IgM) von Patienten mit RMS ausgewertet, die in die placebokontrollierte Ofatumumab-Zulassungsstudien ASCLEPIOS und deren offene Verlängerungsphase ALITHIOS eingeschlossen waren [5, 6]. In diesen beiden Studien überzeugte Ofatumumab durch eine überlegene Wirksamkeit sowie ein Sicherheits- und Verträglichkeitsprofil auf dem Niveau der Erstlinientherapie Teriflunomid. Die Langzeitdaten zeigen stabile IgG-Spiegel über den gesamten Untersuchungszeitraum, unabhängig von der Dauer der Therapie (durchgehend Ofatumumab oder Switch nach Teriflunomid-Therapie in den ASCLEPIOS-Studien). Auch der mediane IgM-Spiegel bewegte sich im Betrachtungszeitraum im Normbereich. Bei 1,5 % bzw. 23,1 % der Studienteilneh© VERLAG PERFUSION GMBH


NEUE UND BEWÄHRTE ARZNEIMITTEL

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Multiple Sklerose: Langzeitdaten bestätigen Sicherheit und Wirksamkeit von Ofatumumab und Siponimod mer wurden mindestens einmal innerhalb der Beobachtungszeit IgG- bzw. IgM-Spiegel unterhalb des Normbereiches (IgG: 5,65 g/l, IgM 0,4 g/l) gemessen [1]. Die Rate schwerwiegender Infektionen war niedrig (2,9 %) und nicht mit der Höhe der Ig-Spiegel assoziiert [1]. Patienten mit Ig-Werten unterhalb des Normbereiches hatten kein erhöhtes Risiko für eine COVID19-Infektion [1]. Die neuen Daten bestätigen das gute Sicherheitsprofil von Ofatumumab aus den ASCLEPIOS-Zulassungsstudien und unterstützen einen frühen Einsatz des Anti-CD20-Antikörpers bei Patienten mit aktiver RMS [5]. Siponimod bei SPMS

Für den S1P-Rezeptor-Modulator Siponimod zur Behandlung aktiver SPMS wurden aktuelle Wirksamkeitsdaten über 7 Jahre vorgestellt [2]. Dabei handelt es sich um eine erweiterte Datenauswertung auf Basis der EXPAND-Studie [7], in die 1.105 Patienten aus dem EXPAND-Studienprogramm einbezogen wurden [2]. Als Vergleichsarm wurde auf Grundlage des ursprünglichen Placebo-Arms von EXPAND eine virtuelle Placebo-Gruppe (vPlacebo) gebildet und eine auf 7 Jahre fortgesetzte

Ofatumumab Ofatumumab (Kesimpta®) ist ein vollhumaner Anti-CD20-Antikörper, der nach einer Initialdosierung von jeweils 20 mg in den Wochen 0, 1 und 2 ab Woche 4 monatlich durch den Patienten selbst subkutan appliziert werden kann. Der Antikörper bindet zielgerichtet an das CD20-Molekül auf der Oberfläche von B-Zellen, wobei es auf einem unterschiedlichen Epitop andockt als andere Anti-CD20-Antikörper und dadurch eine B-Zell-Lyse und Depletion induziert. Der selektive Wirkmechanismus und die subkutane Verabreichung ermöglichen eine spezifische Wirkung auf die B-Zellen in den Lymphknoten, die in der MS-Pathologie eine entscheidende Rolle spielen [3].

Siponimod Siponimod (Mayzent®) ist ein oraler selektiver Modulator des Sphingosin1-Phosphat-(S1P)-Rezeptors, der selektiv an S1P1- und S1P5-Rezeptoren bindet und dadurch die aus der Peripherie getriebene Entzündung hemmt. Zusätzlich bindet Siponimod an ZNS-Zellen, die an remyelinisierenden und neuroprotektiven Prozessen beteiligt zu sein scheinen. Erste Ergebnisse anhand von MTR (Magnetization Transfer Ratio)-Untersuchungen deuten darauf hin, dass diese positiven Effekte auf die Myelinisierung und den Erhalt der Plastizitätsreserve aus Tiermodellen auf SPMS-Patienten übertragen werden können [4].

Placebo-Einnahme statistisch mithilfe des RPSFT-Verfahrens [8] modelliert. In der Siponimod-Gruppe verringerte sich das Risiko einer nach 6 Monaten bestätigten Behinderungsprogression* (6mCDP) signifikant (p < 0,0001) um 33 % im Vergleich zur Placebo-Gruppe

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[2]. In der Subgruppe von Patienten mit aktiver SPMS (n = 400), definiert durch das Auftreten von Schüben in den 2 Jahren vor dem * Bestätigte Behinderungsprogression ist definiert als Zunahme des EDSS um 1 Punkt, wenn der Ausgangswert 3,0 bis 5,0 betrug, oder eine Zunahme um 0,5 Punkte, wenn der Ausgangswert 5,5 bis 6,5 betrug. © VERLAG PERFUSION GMBH


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Screening und/oder ≥1 Gadolinium-anreichernden T1-Läsion, wurde das 6mCDP-Risiko in der Siponimod-Gruppe noch stärker gesenkt (–42 % im Vergleich zu vPlacebo (p < 0,0001) und die mediane Zeit bis zum Erreichen der 6mCDP signifikant verlängert (+79 % im Vergleich zu vPlacebo) [2]. Die 7-Jahres-Ergebnisse bestätigen die bereits vorliegenden 5-Jahres-EXPAND-Langzeitdaten zur Wirksamkeit von Siponimod bei SPMS [7]. Elisabeth Wilhelmi, München

Literatur 1 Wiendl H et al. Effect of ofatumumab on serum immunoglobulin levels and infection risk in patients with relapsing multiple sclerosis over 3.5 years. Virtueller ECTRIMS-Kongress, Oktober 2021, ePoster P931 2 Cree B et al. Estimating long-term effect of siponimod on disability progression versus virtual placebo in SPMS using RPSFT model: EXPAND data up to 7 years. Virtueller ECTRIMS-Kongress, Oktober 2021, e-Poster P745 3 Fachinformation Kesimpta® 4 Fachinformation Mayzent® 5 Hauser S et al. Ofatumumab versus teriflunomide in relapsing multiple sclerosis. N Engl J Med 2020;383:546-557 6 Bar-Or A et al. Onset of B-cell depletion with subcutaneous administration of ofatumumab in relapsing multiple sclerosis: results from the APLIOS bioequivalence study. Poster presentation at the Americas Committee for Treatment and Research in Multiple Sclerosis (ACTRIMS) Forum; February 27-29, 2020; West Palm Beach, FL 7 Arnold DL et al. Long-term effect of siponimod on MRI outcomes in SPMS: Analyses from the EXPAND study up to 5 years. Virtueller AAN-Kongress, April 2021; ePoster P15.083 8 Latimer NR et al. Assessing methods for dealing with treatment switching in clinical trials: a follow-up simulation study. Stat Methods Med Res 2018;27:765-784

Früher Therapiebeginn verbessert die Prognose nachhaltig

Zystische Fibrose: CFTR-Modulator Kaftrio® jetzt auch für junge CFBetroffene zugelassen Mit der Zulassungserweiterung von Kaftrio® (Ivacaftor/Tezacaftor/Elexacaftor) in Kombination mit Ivacaftor steht nun auch für die an zystischer Fibrose erkrankten Kinder ab 6 Jahren mit mindestens einer F508del-Mutation im CFTR-Gen eine effektive Therapie zur Verfügung, die direkt den der Krankheit zugrundeliegenden CFTR-Proteindefekt adressiert. Altersübergreifend kommen in Deutschland nun rund 80 % aller Menschen mit CF für eine CFTRModulator-Therapie infrage. Die Bedeutung dieses Meilensteins erläuterte Dr. Tamas Velich, Medical Director bei Vertex Pharmaceuticals (Austria) GmbH, auf einem Fachpressegespräch und gab dabei auch einen Ausblick auf zukünftige Entwicklungen: „Wir arbeiten dafür, den Zugang zu den existierenden Medikamenten auf jüngere Altersgruppen und weitere Genotypen zu erweitern. Wir haben auch nie mit der Grundlagenforschung aufgehört und treiben die Entwicklung neuer CFTR-Modulatoren und Kombinationen voran. Und gemeinsam mit unseren Partnern arbeiten wir an neuen therapeutischen Ansätzen wie mRNA-basierten sowie genetischen Therapien für CF-Betroffene, die aufgrund von sehr seltenen CFTR-Mutationen oder komplett fehlendem CFTR-Protein nicht von CFTR-Modulatoren profitieren können.“

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Professor Marcus A. Mall, Berlin, ordnete die Zulassungserweiterung der Tripel-Kombination auf Kinder ab 6 Jahren wissenschaftlich ein und zeigte die Bedeutung dieser neuen Perspektiven für junge CF-Betroffene auf. Da die Lungenerkrankung sowie die extrapulmonalen Manifestationen der CF bereits im Kindesalter beginnen und lebenslang fortschreiten, hat ein früher Therapiebeginn mit CFTR-Modulatoren ein großes Potenzial, irreversible Lungenschäden und weitere Organmanifestationen zumindest zu verzögern oder sogar zu verhindern und damit die Prognose der Betroffenen nachhaltig zu verbessern. Laut Mall ist zudem eine verbesserte Lebenserwartung der Betroffenen zu erwarten, da diese unmittelbar von der Beeinträchtigung der Lungenfunktion beeinflusst wird. „Es war für mich extrem wichtig, die Zulassung ab 6 Jahren zu erhalten, weil wir jetzt die Schulkinder behandeln können. Aber natürlich ist das Ziel, noch früher zu beginnen – idealerweise ab Diagnosestellung nach dem Neugeborenen-Screening.“ Mall fasste die Studienlage zum Einsatz von Ivacaftor/Tezacaftor/ Elexacaftor in Kombination mit Ivacaftor bei Betroffenen ab 6 Jahren zusammen, die auf mindestens einem Allel eine F508del-Mutation im CFTR-Gen aufweisen, und stellte die Ergebnisse einer eigenen Studie mit Kindern im Alter von 6 – 11 Jahren mit einer F508delMutation und einer Minimalfunktions-Mutation (F/MF) vor. Dabei berichtete er unter anderem über die erreichte Reduktion des Lung-Clearance-Index (LCI2,5), die die für andere CFTR-Modulatoren berichteten Verbesserungen © VERLAG PERFUSION GMBH


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Vertex und das Vertex-Dreieckslogo sind Marken von Vertex Pharmaceuticals Incorporated. Vertex Pharmaceuticals (Germany) GmbH | Sonnenstr. 19 | 80331 München © 2022 Vertex Pharmaceuticals Incorporated | DE-20-2200023 | Februar 2022

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übertrifft. Darüber hinaus wurden durch die Therapie mit Kaftrio® schnelle, anhaltende und klinisch bedeutsame Verbesserungen der Lungenfunktion (gemessen als Prozent vom Sollwert des forcierten Einsekundenvolumens, ppFEV1), der Lebensqualität (gemessen am Score der respiratorischen Domäne des CFQ-R) sowie der Schweißchloridkonzentration im Vergleich zu Placebo erzielt. Dabei traten weder neue Sicherheitssignale auf, noch zeigten sich signifikante Unterschiede in der Rate unerwünschter Ereignisse zwischen Placebo- und Verum-Gruppe. Wie Mall ausführte, wurden in seinem Zentrum auch alle Kinder, die bisher Lumacaftor/Ivacaftor erhielten, auf die neue Tripel-Therapie umgestellt: „Wir haben gesehen, dass die Tripel-Therapie eine noch bessere Aktivierung der CFTRFunktion erzielt.“

24.02.22 15:53

Stärkung der Adhärenz

M. Sc. Psych. Johanna Gardecki, Frankfurt/Main, referierte zum Thema Adhärenz bei der Behandlung von Kindern mit zystischer Fibrose. „Von den an CF Erkrankten und den Eltern betroffener Kinder wird eine fortwährende mentale und emotionale Anpassung an den dynamischen Krankheitsverlauf mit körperlichen und psychosozialen Herausforderungen, wie der lebenslangen, komplexen und zeit­ intensiven Therapie, gefordert“, erläuterte Gardecki und ergänzte: „Das Konzept der Adhärenz steht für das Einverständnis mündiger Patienten, den gemeinsam vereinbarten Therapieplan einzuhalten und am Behandlungsprozess aktiv mitzuwirken; nicht für die Umsetzung der ärztlichen Vorgaben (Compliance).“ Besondere Herausforderungen im Kindesalter

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sind laut Gardecki die durch die Therapie eingeschränkte Freizeit, die kindgerechte Kommunikation sowie Trotzphasen und Machtkämpfe, die unter Umständen auch in der Therapie ausgelebt werden. Die Adhärenz lässt sich fördern, etwa durch soziale Unterstützung, positive Erfahrungen, gute Organisation sowie eine kreative Kopplung der Therapie an Aktivitäten wie Spiele oder gemeinsame Rituale und Belohnungen. „Die Einführung der Tripel-Therapie in die Behandlung der Kinder kann die Adhärenz stärken und die Betroffenen neu motivieren“, betonte Gardecki. „Die Neuausrichtung der Behandlung kann die Chance einer frühen Diagnose erhöhen und Zuversicht vermitteln, dass die Therapie den Krankheitsverlauf positiv beeinflussen kann.“ Elisabeth Wilhelmi, München © VERLAG PERFUSION GMBH


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Strategien für die optimale individuelle CED-Behandlung Für die optimale Behandlung der chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen (CED) Colitis ulcerosa und Morbus Crohn ist eine patientenindividuelle Vorgehensweise erforderlich. Wie die Strategien dafür aussehen können, diskutierten Experten auf einem von Takeda unterstützten Symposium anlässlich des Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS). Darüber hinaus demonstrierten sie die Effektivität des α4β7-IntegrinAntagonisten Vedolizumab* (Entyvio®) bei erwachsenen Patienten mit mittelschweren bis schweren aktiven Formen von Colitis ulcerosa/Morbus Crohn im Vergleich zu Placebo, aber auch im direkten Vergleich mit dem Tumornekrosefaktor-alpha (TNFα)Antagonisten Adalimumab bei Colitis ulcerosa. Dass randomisierte kontrollierte Studien und RealWorld-Untersuchungen dabei zu vergleichbaren Ergebnissen kommen, unterstreicht die Validität der Daten. Wichtig ist bei der Wahl der Therapie auch die Sicherheit eines Medikaments. Dies war daher ein weiteres Thema des Symposiums mit Fokus auf das Sicherheitsprofil des darmselektiv wirkenden Vedolizumab. * V edolizumab (Entyvio®) ist zugelassen für erwachsene Patienten mit mittelschweren bis schweren aktiven Formen von Colitis ulcerosa/Morbus Crohn, die entweder auf eine konventionelle Therapie oder einen TNFα-Antagonisten unzureichend angesprochen haben, nicht mehr darauf ansprechen oder eine Unverträglichkeit gegen eine entsprechende Behandlung aufweisen.

Die Ansprüche an das Therapieergebnis steigen

„Bei der Auswahl einer individuell adäquaten Therapieoption für einen Patienten mit Morbus Crohn muss eine Nutzen-Risiko-Abwägung zwischen Effektivität und Verträglichkeit der Behandlung sowie den Risiken durch die Grunderkrankung erfolgen“, erklärte Professor Hubertus H. Nietsch, Halle (Saale). Ein wichtiges Kriterium sei außerdem, dass die Erwartungen von Arzt und Patient an die Therapie zumindest teilweise übereinstimmen. Insgesamt gelte es, den Patienten so zu informieren, dass mit ihm gemeinsam eine Entscheidung gefällt werden kann. Diesen Aussagen stimmte Professor Stefan Schreiber, Kiel, mit Blick auf die Colitis ulcerosa zu und ergänzte: „Bei der Auswahl einer bestimmten Behandlungsoption sollten neben den Effektivitäts- und Sicherheitsdaten aus randomisierten kontrollierten Studien (RCT) auch Real-World-Studien in Betracht gezogen werden, denn RCTs bilden den praktischen Alltag nur zum Teil ab.“ Nietsch betonte, dass in den vergangenen Jahren die Ansprüche an das Ergebnis einer CED-Therapie deutlich gestiegen seien. Dies lasse sich u. a. an den aktuellen Empfehlungen des STRIDE (Selecting Therapeutic Targets in Inflamma­ tory Bowel Disease)-Konsortiums ablesen. „Zukünftig wird bei der Colitis ulcerosa möglicherweise eine ‚Multilayered Remission‘ unter Einbeziehung einer symptomatischen, endoskopischen und auch einer histologischen Remission als Therapieziel angestrebt werden. Bei Morbus Crohn wird künftig die transmurale Remission im Fokus stehen.“ Langfristiges Ziel sollte Nietsch und Schreiber zufol-

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ge eine dauerhafte Modulation der Erkrankung sein. Zielerreichung unter Vedolizumab bei Colitis ulcerosa

In diesem Kontext stellte Schreiber die Studie VARSITY vor, die bisher einzige Head-to-Head-Studie mit 2 Biologika bei Colitis ulcerosa. Sie lieferte wichtige Erkenntnisse zu den einzelnen Aspekten der Multilayered Remission: Bei erwachsenen Patienten mit mittelschwerer bis schwerer aktiver Colitis ulcerosa zeigte sich eine Überlegenheit des α4β7-Integrin-Antagonisten Vedolizumab gegenüber dem TNFα-Inhibitor Adalimumab in Bezug auf klinische Remission und endoskopische Verbesserung in Woche 52 (31,3 % vs. 22,5 %; p = 0,006 bzw. 39,7 % vs. 27,7 %, p < 0,001). Auch eine histologische Remission, bestimmt anhand von Geboes-Score (GS <2) und Robarts-Histopathologie-Index (RHI <3), wurde unter Vedolizumab in Woche 52 häufiger nachgewiesen als unter Adalimumab (GS: 10,4 % vs. 3,1 %; RHI: 37,6 % vs. 19,9 %). Noch einen Schritt weiter geht Schreiber zufolge der neue kombinierte Endpunkt Disease Clearance, der in einer Post-hoc-Analyse von VARSITY ausgewertet wurde. Dieser Endpunkt war definiert als Kombination aus klinischer Remission (partieller Mayo-Score ≤2 und kein einzelner Subscore >1; ohne Sigmoidoskopie-Subscore) und endoskopischer Verbesserung (endoskopischer Mayo-Subscore ≤1) plus Fehlen einer histologischen Krankheitsaktivität (minimale histologische Krankheitsaktivität: RHI <5). Wie die auf dem Kongress der ECCO (European Crohn’s and Colitis Organisation) 2021 vorgestellte Analyse ergab, © VERLAG PERFUSION GMBH


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wurde unter Vedolizumab eine Disease Clearance in Woche 52 von fast doppelt so vielen Patienten erreicht wie unter Adalimumab (29,2 % vs. 16,3 %). Von welchem Endpunkt profitieren Patienten mit Colitis ulcerosa am meisten?

„Um die Bedeutung der therapeutischen Ziele bei der Behandlung der Colitis ulcerosa in Zukunft noch besser beurteilen zu können, wurde die VERDICT-Studie initiiert“, berichtete Professor Raja Atreya, Erlangen. Darin werden 3 Vedolizumab-Gruppen untersucht: Behandlungsziel in Gruppe 1 ist die kortikosteroidfreie symptomatische Remission, in Gruppe 2 zusätzlich die endoskopische Remission und in Gruppe 3 kommt noch die histologische Remission hinzu. „Nur mit einer derartigen prospektiven Studie können wir vergleichen, welcher Endpunkt für unsere Patienten am besten geeignet ist, um Komplikationen wie Hospitalisierung, Kolektomien oder Rescue-Therapie zu verhindern“, so die Erwartung Atreyas. Zielerreichung unter Vedolizumab bei Morbus Crohn

Als Beispiel für die Effektivität von Vedolizumab bei Morbus Crohn präsentierte Nietsch die Studie VISIBLE 2, die Basis für die Zulassung des α4β7-IntegrinAntagonisten als subkutane Injektion zur Erhaltungstherapie bei Patienten mit mittelschwerem bis schwerem aktivem Morbus Crohn war. Der randomisierten, placebokontrollierten Studienphase (Vedolizumab s.c. 108 mg oder Placebo

alle 2 Wochen) ging eine 6-wöchige offene Induktionsphase voraus, in der alle 644 Patienten 300 mg Vedolizumab i.v. in Woche 0 und 2 erhielten. Unter den 410 Patienten, die in Woche 6 ein klinisches Ansprechen auf die i.v. Induktion mit Vedolizumab gezeigt hatten, erreichten signifikant mehr Patienten mit Vedolizumab s.c. den primären Endpunkt klinische Remission (Crohn‘s Disease Activity Index, CDAI ≤150) in Woche 52 als in der Placebogruppe (48 % vs. 34,3 %; p = 0,008). Außerdem kam es bei mehr Patienten unter Vedolizumab s.c. als unter Placebo in Woche 52 zu einem verstärkten klinischen Ansprechen (Abnahme des CDAI ≥100 Punkte im Vergleich zur Baseline; 52,0 % vs. 44,8 %) und zu einer kortikosteroidfreien Remission (45,3 % vs. 18,2 %, p = 0,167). Auch der explorative, auf CDAI-Aspekten beruhende Endpunkt „patientenberichtete klinische Remission in Woche 52“ wurde unter Vedolizumab s.c. häufiger erreicht als unter Placebo. „Die Studie VISIBLE 2 zeigte, dass die subkutane Gabe von Vedolizumab nach einer Induktion mit intravenösem Vedolizumab eine effektive und sichere Erhaltungstherapie für Patienten mit mittelschwerem bis schwerem aktivem Morbus Crohn darstellt“, kommentierte Nietsch die Ergebnisse. Dass die Wirkung von Vedolizumab bei Morbus Crohn dabei rasch einsetzt, machte Nietsch anhand einer beim ECCO 2021 vorgestellten Post-hoc-Analyse von VISIBLE 2 deutlich: Die Auswertung der Patient-reported Outcomes (tägliche Stuhlfrequenz und abdominelle Schmerzen) deutet auf ein Ansprechen der Induktion mit Vedolizumab i.v. innerhalb der ersten 14 Tage der Behandlung hin.

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Konsistent günstiges Sicherheitsprofil

Atreya unterstrich, dass neben der Effektivität das Sicherheitsprofil entscheidend für die Wahl einer bestimmten Therapieoption bei CED sei. Einen wichtigen Aspekt stellt insbesondere bei Patienten mit Morbus Crohn das Infektionsrisiko dar: Diese Patienten haben ein im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung erhöhtes Mortalitätsrisiko, bedingt durch ein höheres Risiko für infektiöse und parasitäre Erkrankungen. Das Risiko für schwere/opportunistische Infektionen kann durch die Behandlung der CED weiter gesteigert werden. „Insbesondere für eine Kombinationstherapie aus TNFα-Inhibitor plus Thiopurin gibt es diesbezüglich ein negatives Signal“, so Atreya. „Ein überzeugendes Sicherheitsprofil weist dagegen Vedolizumab auf“, ergänzte er und untermauerte dies durch Daten von Colombel et al., die unter Vedolizumab (n = 2.830) niedrigere expositionskorrigierte Inzidenzraten für Infektionen zeigten als unter Placebo (n = 504). „Dies könnte durch eine schlechtere Krankheitskontrolle der Placebo-Patienten bedingt sein“, kommentierte Atreya. Diese Daten stehen im Einklang mit den von Schreiber vorgestellten Sicherheitsdaten aus VARSITY: Aufgrund seines immunsuppressiven Wirkmechanismus traten unter Adalimumab etwa ein Drittel mehr Infektionen und Infestationen auf als unter dem darmselektiv wirkenden Vedolizumab. Bei den mit Vedolizumab behandelten Patienten kam es über 52 Wochen insgesamt seltener zu unerwünschten Ereignissen als in der Adalimumab-Gruppe (62,7 % vs. 69,2 %). Auch schwerwiegende unerwünschte Ereignisse traten © VERLAG PERFUSION GMBH


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unter Vedolizumab seltener auf als unter Adalimumab (11,0 % vs. 13,7 %). Entsprechende Ergebnisse für Biologika-naive Patienten ergab auch die Studie EVOLVE: Unter Vedolizumab wurden signifikant weniger schwerwiegende unerwünschte Ereignisse sowie signifikant weniger schwerwiegende Infektionen beobachtet als unter einer Therapie mit TNFα-Blockern. Abschließend zitierte Atreya aus einem Review-Artikel von Click und Regueiro aus dem Jahr 2019. Auf der Grundlage der verfügbaren Risikodaten erstellten die Autoren eine Sicherheitspyramide für die biologischen Wirkstoffe und Therapieschemata, die ihre eigene Meinung und Interpretation der verfügbaren Literatur abbildet. Aus Sicht der Autoren steht das Sicherheitsprofil von Steroiden und die Kombination aus Thiopurinen und Anti-TNFα-Blocker ganz unten, darüber folgen Thiopurine oder Tofacitinib, dann Anti-TNFαBlocker als Monotherapie, dann Ustekinumab und ganz oben steht Vedolizumab. Fabian Sandner, Nürnberg

COVID-19-Impfung bei MS: Keine signifikante Beeinträchtigung der Impfantwort unter Teriflunomid Die Multiple Sklerose (MS) bedingt per se weder ein erhöhtes Risiko, an COVID-19 zu erkranken, noch ein erhöhtes Risiko für einen schweren Verlauf der Infektion. Dennoch ist selbstverständlich ein konsequenter Impfschutz für die Patienten von größter Bedeutung. Dabei ist zu bedenken, dass infol-

ge der krankheitsmodifizierenden Therapie (Disease Modifying Therapy, DMT) die Schutzwirkung der Impfung geschmälert sein kann. Keine signifikante Beeinträchtigung des Impfschutzes besteht aktuellen Befunden zufolge, wenn Patienten unter einer Behandlung mit Teriflunomid (Aubagio®) gegen SARS-CoV-2 geimpft werden, so das Fazit der Experten bei der Fortbildungstagung MScience. MShift von Sanofi Genzyme.

Das bekräftigen laut Dr. BorisAlexander Kallmann, Bamberg, Erfahrungen, die im Rahmen einer Studie in Israel gemacht wurden. Die Häufigkeit der Impfreaktionen war in dieser Erhebung bei Patienten mit MS und bei gesunden Kontrollpersonen vergleichbar. Außerdem war die Schubrate bei Patienten mit MS mit 2,1 % und 1,6 % nach der 1. respektive der 2. Impfung genauso hoch wie bei nicht geimpften Patienten mit MS.

Chancen der COVID-19-Impfung auch bei der MS nutzen

Erhaltene Impfantwort unter Teriflunomid

An der hohen Bedeutung der Impfung gegen COVID-19 ist laut Professor Heinz Wiendl, Münster, auch bei einer manifesten MS nicht zu zweifeln. Denn ebenso wie der Allgemeinbevölkerung droht insbesondere Patienten mit MS und Komorbidität sowie älteren Menschen das Risiko eines schweren Verlaufs der COVID-Erkrankung. Von einem erhöhten Risiko hierfür ist zudem bei einer höhergradigen Behinderung auszugehen. Laut Professor Sven Meuth, Düsseldorf, gibt es außerdem Hinweise auf Impfdurchbrüche unter Therapie mit CD20 und S1P. Die Impfung gegen COVID-19 ist bei Patienten mit MS generell sicher, wie Wiendl darlegte. Es ist nicht mit vermehrten Nebenwirkungen zu rechnen. Die unerwünschten Begleitwirkungen entsprechen denen bei gesunden Impflingen. Die Impfung führt außerdem nur selten zu einer neurologischen Verschlechterung, die zudem in aller Regel transient ist. Trotzdem existiert aufgrund der Vielzahl von gegenwärtig durchgeführten Impfungen in der Bevölkerung eine Reihe von Beobachtungen von Impfreaktionen.

Problematisch kann allerdings nach dem Ergebnis einer prospektiven Kohortenstudie* das Impfansprechen unter einigen DMT bei der MS sein. In der Studie wurden die Impfreaktionen von 120 Patienten mit MS analysiert, die mit Ocrelizumab, Rituximab oder Ofatumumab sowie mit Fingolimod, Ozanimod, Cladribin oder Teriflunomid behandelt wurden. Als Kontrollgruppe fungierten thera­pienaive Patienten mit MS. Bei den Studienteilnehmern waren vor der Impfung keine Antikörper gegen SARS-CoV-2 nachweisbar. 4 Wochen nach der Impfung erfolgte dann eine erneute Antikörperbestimmung. Während unter den Anti-CD20-Antikörpertherapien und ebenso unter den S1P-Modulatoren Fingolimod und Ozanimod eine eingeschränkte Immunantwort festgestellt wurde, resultierte unter Cladribin und unter Teriflunomid ein hoher Antikörpertiter. Die Impfreaktion entsprach nach Kallmann derjenigen bei therapienaiven Patienten. Die Befunde spiegeln sich in der Empfehlung

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* Disanto G et al. JAMA Neurol 2021; 78:1529-1531 © VERLAG PERFUSION GMBH


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der KKNMS-Pocket Card6 wider, in der von einer ausreichenden Wirksamkeit der Covid-19-Impfung unter einer Therapie mit Teriflunomid ausgegangen wird. Die Studienbefunde zeigen, dass das Impfansprechen unter klassischen Immunsuppressiva und insbesondere unter B-Zell-depletierenden Therapien und S1P-Modulatoren vermindert ist, und haben nach Meuth praktische Konsequenzen: Unter einer solchen Therapie muss der optimale Zeitraum für die Impfung geplant werden, wobei gegebenenfalls auch eine Intervallverlängerung der entsprechenden Immuntherapien zu erwägen ist. Während somit die humorale Immunantwort gemessen am Antikörpertiter nach einer AntiCD20-Antikörpertherapie sowie einem S1P-Modulator reduziert ist, scheint die T-zelluläre Antwort unabhängig von der Therapiewahl erhalten zu sein. Potenzielle antivirale Effekte von Teriflunomid

Für eine Behandlung mit Teriflunomid sprechen nach Kallmann auch Befunde, die auf einen möglichen antiviralen Effekt des Wirkstoffs hinweisen. Dieser könnte direkt durch den Wirkmechanismus der Substanz bedingt sein. So bewirkt Teriflunomid eine selektive und reversible Inhibition des Enzyms Dihydroorotat-Dehydrogenase (DHODH) und hemmt damit die De-novo-Pyrimidinsynthese. Dadurch wird laut Kallmann die Verfügbarkeit von Nukleotiden begrenzt und das Voranschreiten der Phasen des Zellzyklus verhindert. „Das kann möglicherweise die Virusreplikation erschweren, weil benötigte Stoffe in der Wirtszelle reduziert sind“, so Kallmann.

Es gibt darüber hinaus Hinweise, dass Teriflunomid die Proliferation von durch Epstein-Barr-Viren (EBV) transformierten B-Zellen in vitro hemmt und das Entstehen einer EBV-induzierten lymphoproliferativen Erkrankung unterbinden kann.

Am Beispiel von deprexis®, dem bislang einzigen dauerhaft im DiGA-Verzeichnis gelisteten OnlineTherapieprogramms zur Behandlung von Depressionen, wurden die breiten Einsatzmöglichkeiten der digitalen Psychotherapie diskutiert.

Keine erhöhte Infektionsrate

Hoher Bedarf an digitalen Versorgungsangeboten

Teriflunomid weist zudem ein günstiges Sicherheitsprofil auf. Unter der Therapie kann es laut Kallmann zu einem geringen Abfall der Lymphozyten und Neutrophilen von bis zu 15 % kommen, was jedoch das Infektionsrisiko nicht erhöht – die Infektionsraten sind bei Patienten mit und ohne Lymphopenie vergleichbar. Für die Therapiesicherheit von Teri­ flunomid sprechen laut Kallmann auch das vereinfachte Lebermonitoring unter der Therapie sowie die Zulassung des Wirkstoffs für die Behandlung von Kindern ab dem 10. Lebensjahr. Fabian Sandner, Nürnberg

Digitale Transformation und psychische Gesundheit:

Online-Therapieprogramm deprexis® Der hybride Kongress der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN) stand 2021 unter dem Leitthema „Digitale Transformation und psychische Gesundheit“, was einmal mehr den hohen Stellenwert der Digitalisierung und der Nutzung digitaler Therapieprogramme in der Psychiatrie unterstreicht.

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Mit Beginn der COVID-19-Pandemie hat sich der Einsatz digitaler Versorgungsangebote im Bereich psychischer Erkrankungen einer aktuellen Erhebung zufolge um mehr als 90 % im Vergleich zum Zeitraum Oktober bis Dezember 2019 erhöht. „Die Digitalisierung in der Medizin kommt nicht nur in Form virtueller Videosprechstunden der Arzt-Patienten-Kommunikation zugute, sondern in Form von digitalen Gesundheitsanwendungen (DiGAs) auch der Psychotherapie und der Begleitung der Patienten“, konstatierte Professor Dieter F. Braus, Eltville. Denn es hat sich herausgestellt, dass die Nutzung der ambulanten Psychotherapie via Videosprechstunde von etwa einem Drittel der Patienten nicht erreicht wird. „Die immensen Chancen und der hohe Bedarf an DiGAs sind schon lange bekannt“, pflichtete Professor Michael Landgrebe, Hausham, bei. Was dem breiten Einsatz jedoch in den letzten Jahren im Weg stand, waren unzureichende Evidenz, erhebliche Qualitätsunterschiede und Vergütungsfragen. Diese initialen Hürden sind zumindest bei einigen DiGAs inzwischen ausgeräumt, so Landgrebe weiter. Folgerichtig hebt die DGPPN in einer Stellungnahme hervor, dass Internet-gestützte Interventionen die Chance bieten, die aktuelle © VERLAG PERFUSION GMBH


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Versorgungssituation zu verbessern – vorausgesetzt sie basieren auf wissenschaftlich anerkannten Verfahren und erfüllen die Sicherheitsstandards. DiGA-Verzeichnis gibt Überblick über zertifizierte, rezeptierbare Anwendungen

Seit dem Inkrafttreten des digitalen Versorgungsgesetzes (DVG) Ende 2019 gibt es erstmals klar festgelegte Qualitätsstandstandards für Internet-basierte Interventionen. Die aufgrund von wissenschaftlichen Erkenntnissen als wirksam bewerteten Apps werden – entweder vorläufig oder dauerhaft – in das DiGA-Verzeichnis des BfArM aufgenommen. Sie können dann von Ärzten und Psychotherapeuten auf Rezept verordnet werden. Dauerhaft gelistete DiGA haben ihre Wirksamkeit anhand von klinischen Studien bereits sicher nachweisen können, vorläufig gelistete müssen diesen Nachweis innerhalb eines Jahres anhand zusätzlicher Studien noch endgültig erbringen. Dauerhaft gelistet sind derzeit nur 4 Programme: deprexis® in der Indikation Depression sowie 3 weitere Apps zur Behandlung der nichtorganischen Insomnie, Angststörungen und Alkoholabhängigkeit. Online-Therapien für Patienten mit Depression schließen Versorgungslücke

„Der Bedarf an Online-Therapien im Bereich der Depression ist besonders groß“, gab Landgrebe zu bedenken. Mit knapp 20 Wochen ist die durchschnittliche Wartezeit auf einen ersten Termin in der Richtlinienpsychotherapie inakzeptabel

lang. In ländlichen Gebieten sind zeitaufwändige Anfahrtswege ein weiteres Hindernis für eine adäquate psychotherapeutische Versorgung. Durch die Verordnung Internet-basierter Anwendungen, die flexibel genutzt werden können, die Qualitätskriterien erfüllen und nachweislich wirksam sind, kann die bestehende Versorgungslücke geschlossen werden. Zu den am besten untersuchten DiGAs gehört deprexis®. Die Wirksamkeit der einzigen dauerhaft im DiGA-Verzeichnis gelisteten psychotherapeutischen App wurde in zahlreichen Studien nachgewiesen. Eine aktuelle Metaanalyse aus 12 randomisierten Studien mit insgesamt 2901 Teilnehmern bestätigte signifikante und klinisch relevante Effekte auf depressive Symptome – sowohl bei der Anwendung mit als auch ohne Begleitung durch einen Therapeuten (durchschnittliche Effektstärke 0,51). deprexis®: Breit einsetzbar, verordnungs- und erstattungsfähig

Für den Einsatz des Online-Therapieprogramms bei Depressionen bieten sich laut Landgrebe zahlreiche Möglichkeiten: • zur Verringerung des Fortschreitens der Depression während der Wartezeit, • zur Vorbereitung auf und/oder Ergänzung zu einer Psychotherapie • als Zugang zu einer Therapie für Personen in unterversorgten und ländlichen Gebieten • als Zugangsalternative für Patienten mit Hemmung gegenüber einem persönlichen Gespräch • gegebenenfalls als Ersatz einer Psychotherapie (z.B. in unterversorgten Gebieten)

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• bei Patienten, die berufstätig und zeitlich eingeschränkt sind • in der stationären Nachsorge im Rahmen des Entlassmanagements als Brücke zwischen der ambulanten und stationären Versorgung • zur Überbrückung von Wartezeiten auf einen Psychotherapieplatz Die Verordnung von deprexis® ist einfach: Der Arzt oder Psychotherapeut stellt ein Rezept aus (PZNNr.:17265872), das der Patient bei seiner gesetzlichen Krankenversicherung einreicht. Der Patient erhält dann von der Krankenkasse einen Zugangscode, mit der er die Webanwendung freischalten und für 90 Tage nutzen kann. Gute Erfahrungen mit deprexis® im Versorgungsalltag

Dipl.-Psych. Otto Willich, Wilhelmshaven, berichtete über seine Erfahrungen mit deprexis® bei rund 90 Patienten mit Depression im tagesklinischen Bereich. Das interaktive Therapieprogramm geht flexibel auf die Reaktionen des Nutzers ein. Es besteht aus 10 verschiedenen Modulen, überwiegend aus dem Bereich der kognitiven Verhaltenstherapie. Mit Hilfe verschiedener Fragebögen erhebt das Programm regelmäßig den Symptomverlauf und gibt dem Patienten eine grafische Rückmeldung, die er an seinen Therapeuten weiterleiten kann. „Das erlaubt ggf. auch eine enge Verknüpfung der digitalen Psychotherapie mit der Face-to-Face-Therapie und kann die Qualität der Versorgung nochmals steigern“, so Willich. Um den bestmöglichen Erfolg zu erreichen, sollte der Patient das Online-Therapieprogramm ein- bis zweimal pro Woche jeweils 30 bis © VERLAG PERFUSION GMBH


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40 Minuten nutzen. Durch kurze Erinnerungen oder Nachfragen, z.B. per E-Mail, kann der Therapeut eine regelmäßige Anwendung unterstützen. Denn auch Patienten mit einer relativ guten Adhärenz neigen laut Willich mitunter zu einer Anwendungspause und sind dankbar, wenn sie zur Weiterarbeit mit deprexis® motiviert werden. Zudem hat er die Erfahrung gemacht, dass deprexis® die Thera-

peuten-Patienten-Bindung verbessert: „Die Patienten erleben es als eine besondere Art von Zuwendung, wenn der Therapeut zusätzlich zu den anderen Maßnahmen das Therapieprogramm als Ergänzung empfiehlt und in die Behandlung integriert.“ Von Vorteil ist es, wenn die Behandler das Programm gut kennen und sich selbst damit vertraut gemacht haben. Auch bei „schwierigen“ Patienten mit der

Hauptdiagnose Depression und begleitenden Persönlichkeits- oder Angststörungen hat Willich gute Erfolge erzielt. Diese Patienten können insbesondere von den Entspannungsübungen und den hilfreichen Tipps und Anregungen profitieren. Elisabeth Wilhelmi, München

Titelbild: Aus der Wurzel der Südafrikanischen Kapland-Pelargonie (Pelargonium sidoides) wird durch Auszug mit Ethanol der Spezialextrakt EPs® 7630 hergestellt, der als Wirkstoff in Umckaloabo® enthalten ist (Quelle: Dr. Willmar Schwabe GmbH & Co. KG). Herausgeber: Prof. Dr. med. Karl-Ludwig Resch, Deutsches Institut für Gesundheitsforschung gGmbH, Ossecker Str. 172, 95030 Hof Univ.-Prof. Dr. med. Hermann Eichstädt, Leiter Bereich Kardiologie RZP Potsdam und Geschäftsführer BBGK e.V. Berlin Konstanzer Straße 61 10707 Berlin Wissenschaftlicher Beirat: Prof. Dr. M. Alexander, Infektiologie, Berlin Prof. Dr. L. Beck, Gynäkologie, Düsseldorf Prof. Dr. Berndt, Innere Medizin, Berlin Prof. Dr. H.-K. Breddin, Innere Medizin, Frankfurt/Main Prof. Dr. K. M. Einhäupl, Neurologie, Berlin Prof. Dr. E. Erdmann, Kardiologie, Köln Prof. Dr. Dr. med. E. Ernst, University of Exeter, UK Prof. Dr. K. Falke, Anästhesiologie, Berlin Prof. Dr. K. Federlin, Innere Medizin, Gießen Prof. Dr. E. Gerlach, Physiologie, München Prof. Dr. H. Helge, Kinderheilkunde, Berlin Prof. Dr. R. Herrmann, Onkologie, Basel Prof. Dr. W. Jonat, Gynäkologie, Hamburg Prof. Dr. H. Kewitz, Klin. Pharmakol. Berlin

Prof. Dr. B. Lemmer, Pharmakologie, Mannheim/Heidelberg Prof. Dr. med. R. Lorenz, Neurochirurgie, Frankfurt Prof Dr. J. Mann, Nephrologie, München Dr. med. Veselin Mitrovic, Kardiologie, Klinische Pharmakologie, Bad Nauheim Prof. Dr. R. Nagel, Urologie, Berlin Prof. Dr. E.-A. Noack, Pharmakologie, Düsseldorf Prof. Dr. P. Ostendorf, Hämatologie, Hamburg Prof. Dr. Th. Philipp, Innere Medizin, Essen Priv.-Doz. Dr. med. B. Richter, Ernährung – Stoffwechsel, Düsseldorf Prof. Dr. H. Rieger, Angiologie, Aachen Prof. Dr. H. Roskamm, Kardiologie, Bad Krozingen Prof. Dr. E. Rüther, Psychiatrie, Göttingen Prof. Dr. med. A. Schrey, Pharmakologie, Düsseldorf Dr. Dr. med. C. Sieger, Gesundheitspolitik u. Gesundheitsökonomie, München Prof. Dr. E. Standl, Innere Medizin, München Prof. Dr. W. T. Ulmer, Pulmologie, Bochum Schriftleitung: Prof. Dr. med. Karl-Ludwig Resch, Deutsches Institut für Gesundheitsforschung gGmbH, Ossecker Str. 172, 95030 Hof E-Mail: info@d-i-g.org E-Mail persönlich: k.l.resch@d-i-g.org

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